
- Negatives Covid-Testergebnis nach Eigendiagnose
Der Hamburger Unternehmer Can Ansay verschickt online Zertifikate über Covid-Tests, die nach Angaben der Nutzer negativ ausgefallen sind. Obwohl Behörden davor warnen und ihm das Landgericht Hamburg inzwischen die Ausstellung per einstweiliger Verfügung untersagt hat, macht er weiter. Aber was treibt ihn?
Auf den ersten Blick war das Zertifikat nicht weiter auffällig, das eine Lehrerin an einer Berliner Schule vorlegte, um sich als covid-negativ getestet auszuweisen. Eine Ärztin hatte es unterschrieben. Ihre Adresse stand oben auf dem Formular. Stutzig wurde der Arbeitgeber erst, als er das Kleingedruckte las. Dort stand, der Test sei nur gültig bei Vorlage eines verifizierten Lichtbildausweises und zwei Fotos der Testcassette mit eingeritztem Datum und Initialen vor und nach der Testung. Gleichwohl bestätigte die Ärztin, die Patientin habe einen negativen Antigentest gemacht unter „fachärztlicher Überwachung meiner Arztpraxis“.
Die Ärztin heißt Eva-Maria Ansay. Sie hat ihre gynäkologische Praxis in Hamburg schon 2013 verkauft. Der Stempel auf dem neuen Zertifikat weist sie als Berlinerin aus. Aber unter der angegebenen Adresse hat Ansay gar keine Praxis. Es ist ein gläserner Büroturm am Rande des Potsdamer Platzes, der Sony-Center. Ein Klingelschild oder einen Briefkasten mit dem Namen Ansay gibt es dort nicht, das Facility-Management sagt, man habe den Namen noch nie gehört.
Krankschreibung per WhatsApp
Wählt man die dazugehörige Telefonnummer, landet man nach wie vor in Hamburg. Es meldet sich der Mann, der sich dieses dubiose Angebot ausgedacht hat: Can Ansay, der Sohn der Ärztin. 2019 hat er ein Start-up für Telemedizin gegründet: „AU-Schein“. Mit „gelben Krankenscheinen“, die er nach Selbstdiagnose per WhatsApp verschickte, fing es an. Ein Angebot, das das Oberlandesgericht Hamburg inzwischen in zweiter Instanz als „wettbewerbswidrig“ eingestuft hat, „weil eine Einzelfallprüfung fehlte“. Doch sogar seriöse Medien wie die Zeit widmeten dem selbsternannten Pionier des E-Health damals noch ganze Interviews. Mit den Namen dieser Medien schmückt er jetzt seine Website, um sein neues Angebot zu promoten.
Den „Online-Bürgertest“ – für „freien Zugang für alle zu Restaurant, Arbeit, Bus & Bahn“, so heißt es. Der ist idiotensicher. Man muss einfach nur auf einer Website seinen Namen und seine Adresse angeben und bestätigen, dass man einen negativen Covid-Test gemacht hat – innerhalb von fünf Minuten ist das Attest da. Zum Nulltarif.
„Zertifikate ohne jeglichen ärztlichen Kontakt“
Woher er das Recht nimmt, derartige Blankoschecks auszustellen? Ansay beruft sich auf die Regeln der Telemedizin. Danach, so behauptet er gegenüber Cicero, dürfen Ärzte auch ohne persönlichen Erstkontakt beraten und behandeln. Als Beweis hat er ein Rechtsgutachten auf seine Website gestellt, das er bei einer Hamburger Rechtsanwaltskanzlei für Firmenschutz in Auftrag gegeben hat.
Danach reicht ein approbierter Arzt, der die Eigendiagnose eines Patienten einfach nur abnicken muss, schon als Beweis für die „Vorbeugung von Missbrauch“ aus. Das Landgericht Hamburg hat daran erhebliche Zweifel. Per einstweiliger Verfügung hat es Ansay jetzt unter Androhung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000 Euro oder Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten untersagt, im Internet weiterhin für seine Selbsttest-Zertifikate zu werben und diese auszustellen, ohne dass der Test von einem ausstellenden Arzt überwacht wird. Rechtskräftig ist das Urteil aber noch nicht.