Helmut Kohl hält 2004 anlässlich der Europawahl eine Rede in Saarbrücken. Hinter ihm ist die europäische Flagge zu sehen.
In der heutigen Politikkultur fehlen Figuren wie Helmut Kohl / picture alliance

Nachruf - Mehr Kohl wagen

Aktuelle Politiker werfen in Krisenzeiten ihre Konzepte über den Haufen. Sie reagieren mit Alarmismus und Risikoaversion. Dabei könnten sie von Helmut Kohl lernen. Viele Eigenschaften, die man ihm nachträgt, fehlen heute

Matthias Heitmann

Autoreninfo

Matthias Heitmann ist freier Publizist und schreibt für verschiedene Medien. Kürzlich hat er das Buch „Entcoronialisiert Euch! Befreiungsschläge aus dem mentalen Lockdown“ veröffentlicht. Seine Website findet sich unter www.zeitgeisterjagd.de.

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Als Helmut Kohl Bundeskanzler wurde, war ich 11 Jahre alt; als er Altkanzler wurde, war ich 27. In dieser Zeit wurde Kohl der Randstein, an dem man sich ausrichtete: Entweder man hielt Sicherheitsabstand oder man ging auf Konfrontationskurs. Für mich wurde er zum Inbegriff dessen, was man als aufmüpfiger Jugendlicher beinahe automatisch ablehnte. Inzwischen sehe ich Kohl ein wenig anders. Nicht, weil ich ihm jetzt politisch näherstehen würde – das tue ich nicht –, sondern weil ich ihn mit denen vergleichen kann, die ihm nachfolgten.

Tatsächlich war ich mit Helmut Kohl politisch fast nie einer Meinung. Ich muss aber dennoch zugeben, dass ich 1991 erstmals ein bisschen Sympathie für ihn empfand: Bei einem Besuch in Halle wurde der „Kanzler der Einheit“ von Demonstranten mit Eiern und Tomaten beworfen und auch hart getroffen. Ich konnte zwar den Ärger der Werfer verstehen. Aber es gefiel mir, wie Kohl versuchte an den Ordnern vorbeizukommen und durch das Absperrgitter hindurch sich die Werfer zu greifen. Man stelle sich eine solche Szenerie mit dem heutigen Politpersonal vor: Die meisten hätten sofort die Sicherheitskräfte auf den „Pöbel“ gehetzt und selbst die Flucht ergriffen, anstatt wie Kohl auf die Störer zuzustürmen. Heiko Maas hätte Proteste bei öffentlichen Politiker-Auftritten unter Strafe gestellt sowie entsprechende Foto- und Filmaufnahmen zensiert. Ich mochte Kohls Hemdsärmlichkeit und auch seinen offensichtlich kaum zu kontrollierenden Hang zu robuster Handgreiflichkeit.

Auf schwarzen Dauerregen folgte die rot-grüne Traufe

Als 1997 Kohls Kanzlerdämmerung einsetzte, diskutierten wir in der Redaktion des Magazins Novo schon darüber, dass die bereits mit den Hufen scharrende rot-grüne Opposition, allen voran Gerhard Schröder und Joschka Fischer, alles andere als den notwendigen Befreiungsschlag für Land und Leute bringen würden. Klar war aber, dass von der Ära Kohl nicht viel bleiben würde – zu sehr war er über Jahre zum Kristallisationspunkt des linken Unterlegenheitshasses sowie zur unüberwindbaren Schwelle für die nächsten Politikergenerationen in der CDU geworden.

„Der Dicke“ schien in den Jahren zuvor geradezu unschlagbar zu sein, obwohl die von ihm angekündigte „geistige und moralische Wende“ ausgeblieben war. Nicht eigene Ideen und Vorstellungen, sondern die Weltgeschichte hatte ihn 1989 an die vorderste Front der Zeitenwende gespült. Ihn zum Antreiber epochaler Veränderungsprozesse gemacht, nachdem er Monate zuvor selbst schon fast abgeschrieben worden war.

Die Rückschau wird zur Nabelschau

Die nun nach dem Tode Helmut Kohls durch das Land schwappende Welle an Rückblicken ist nicht deswegen interessant, weil es noch irgendwelche Leichen aus dem Oggersheimer Bungalowkeller zu bergen gäbe oder der Rekordkanzler bislang verborgen gebliebene Seiten gehabt hätte. Viel interessanter ist, was die Rückblicke und der seltsam hölzerne Umgang mit Helmut Kohl über die heutige politische Landschaft und das dazugehörige Personal aussagen.

Noch einmal werden viele Vorurteile und Kritikpunkte herausgeholt, mit denen man gegen Kohl zu Felde zu ziehen versuchte – und sich doch meistens die Zähne ausbiss. Und als jemandem, der zeitlebens auf der anderen Seite der politischen Barrikade stand, wird mir angesichts der seltsamen Rückschau auf den bei vielen in Ungnade gefallenen „Einheitskanzler“ klar: Viele Eigenschaften, die man Kohl vorhält und auch nachträgt, fehlen heute.

Aussitzen statt hyperventilieren

Einer der zentralen Vorwürfe gegen Kohl bezog sich auf seinen Umgang mit Kritik und politischen Herausforderungen. Immer wieder hieß es, er hätte sie einfach ausgesessen, anstatt sie aktiv anzugehen. Heute fehlen diese Fähigkeit und die innere Stabilität, nicht sofort auf aktuelle Anlässe pro- oder gar hyperaktiv zu reagieren oder eigene Konzepte über den Haufen zu werfen. Stattdessen regieren heute Alarmismus, Risikoaversion und Orientierungslosigkeit gepaart mit fehlendem Rückgrat. An ein in aller Ruhe ausgesessenes Problem kann ich mich in den vergangenen Jahren kaum erinnern, wohl aber an eine Vielzahl herbeiverbesserter Missstände.

Um den Unterschied deutlich zu machen: 2011 nahm Angela Merkel den Atomunfall in Fukushima zum Anlass, um die eben noch verlängerten Restlaufzeiten der als sicher geltenden deutschen Atomkraftwerke abrupt auszusetzen und stattdessen die Energiewende einzuleiten. Wie reagierte im Gegensatz dazu Helmut Kohl 1986 auf den Unfall im sowjetischen Kernkraftwerk von Tschernobyl? Er richtete ein Bundesumweltministerium ein, machte ein paar Zugeständnisse an die Umweltbewegung, hielt aber ansonsten an seinen Überzeugungen – und der Atomkraft – fest.

Heutige Politiker: mehr Honecker als Kohl

Gegen den Altkanzler wird auch gerne angeführt, er habe sich nur durch die friedliche Revolution der Ostdeutschen an der Macht halten können. Da ist sicherlich etwas dran. Die Frage ist nur, ob sich das zum Vorwurf eignet. Tatsächlich gab es Ende der achtziger Jahre so gut wie niemanden im westdeutschen Establishment, der ernsthaft an eine baldige Wiedervereinigung glaubte. Man hatte es sich politisch mit und in der deutschen Teilung gut eingerichtet. Mit vielen Krediten wurde das Regime in der DDR von Bonn aus gestützt und dies gerade nicht von Rotfront-Sympathisanten in der SPD, sondern von den konservativen Flaggschiffen der westdeutschen Politik: Franz Josef Strauß und eben Helmut Kohl.

Als 1989 plötzlich der Wind drehte, ergriff Kohl die Chance und ging dabei auch hohe Risiken ein. SPD und Grüne haderten hingegen zu lange mit der Vereinigung der deutschen Staaten. Was die einen den sicher geglaubten Wahlsieg und die anderen gar den Einzug ins Parlament kostete. Kohl zauderte nicht, er handelte, auch gegen den Rat mancher Experten. Ein derart mutiges politisches Agieren wäre heute fast unvorstellbar. Es ist traurig, aber wahr: In ihrem Verhältnis zu Veränderungen erinnern die heutigen Politiker heute eher an Erich Honecker als an Helmut Kohl.

Kohls notorische Zuversicht 

Des Weiteren wurde Kohl gerade von Linken immer wieder vorgeworfen, er habe mit seinem Gerede von den „blühenden Landschaften“ in Ostdeutschland die Menschen in Ost und West belogen. Doch fast 30 Jahre nach dem Mauerfall ist Ostdeutschland tatsächlich in vielen Teilen dynamisch und modern, auch wenn nicht alles überall besser geworden ist. 

Wenn man sich aber vor Augen hält, dass heute das Eintreten für Verbesserungen und Zukunftsoptimismus gerade in vermeintlich progressiven Kreisen an sich schon zu einer Art Kardinalsünde geworden ist, dann wirkt Kohls gebetsmühlenartig vorgetragene Zuversicht fast schon erfrischend. In der heute allgegenwärtigen Kultur der Risikoscheu bräuchten wir mehr Politiker, die auch selbst an eine positive Zukunft glauben und daran arbeiten.

Helmut legt auf, Joschka macht ihn rein

Natürlich darf in der Liste der Kritikpunkte auch nicht der Vorwurf fehlen, dass Helmut Kohl die neue deutsche Großmachtpolitik begonnen hätte. Diese Sichtweise ist heute genauso fragwürdig wie damals, weil gerade dies dem konservativen Kanzler nicht gelang und auch nicht gelingen konnte. Die „Befreiung“ der Bundeswehr aus den äußeren wie inneren Limitationen wurde stattdessen zur historischen Aufgabe der Grünen unter Joschka Fischer. Niemand anders hätte diese Aufgabe erfüllen und die in weiten Teilen pazifistisch eingestellte Bevölkerung mit der Idee friedensstiftender Militäreinsätze versöhnen können.

Bis heute sind der humanitäre Interventionismus der neunziger-Jahre sowie das Vorsorge- und Präventionsprinzip Kernelemente grünen und grenzenlosen Denkens. Dagegen ist das weniger stark globalisierte Beharren auf nationalstaatlicher Souveränität, wie es Helmut Kohl sowohl für die Bundesrepublik als auch für Osteuropa anstrebte, aus demokratietheoretischen Gründen durchaus bedenkenswert – wenngleich auch heute höchst unpopulär.

Ein Versprechen wird zum Verbrechen

Wer Kohl in all diesen Punkten die Treue gehalten hatte, der wurde nach dem Ende seiner Kanzlerschaft auf die größte Probe gestellt. Bis zuletzt wurde Kohl vorgehalten, im Spendenskandal der CDU des Jahres 2000 der eigenen Partei schwer geschadet zu haben. Der Vorwurf lautet, er habe das „Spenden-System Kohl“ schützen wollen mit dem Hinweis auf das von ihm gegebene Versprechen, die Namen der Spender geheim zu halten. Bis heute ist der Umgang der CDU mit ihrem ehemaligen Anführer ein äußerst umstrittenes Thema.

Letztlich war die Art und Weise, mit der die nachkommende Generation von CDU-Politikern die Affäre nutzte, um den mittlerweile zum Ehrenvorsitzenden gemachten Altkanzler Kohl moralisch abzusägen, der eigentliche Skandal. Dass Kohl sein Versprechen hielt, die Spendernamen nicht preisgab und dafür sogar den Ehrenvorsitz abgab, ist ihm hoch anzurechnen. Es ist sicherlich etwas ungewohnt, wenn Politiker ein gegebenes Versprechen ernstnehmen und sich nicht dem Druck beugen. Aber es zeugt von Rückgrat.

Der letzte große Europäer

Die auf diesen zahlreichen Vorwürfen und Zerwürfnissen basierende Distanz zu Helmut Kohl zeigt sich auch nun in seiner Verabschiedung. Man gedenkt ihm als Kanzler der Deutschen und als Vorkämpfer der europäischen Einigung – doch genau dies lässt ihn angesichts des aktuellen Zustandes der Europäischen Union wie einen politischen Dinosaurier erscheinen. Kohl selbst hatte zuletzt auch nicht mit Kritik an der Entwicklung der EU gespart. Es war kein Zufall, dass einer seiner letzten prominente Gäste in Oggersheim im vergangenen Jahr eben keiner der führenden Protagonisten der europäischen Einigung war, sondern der EU-kritische ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán. Pikant zudem: Wäre es nach den Vorstellungen der Kohl-Witwe Maike Kohl-Richter gegangen, hätte wohl Orbán und nicht „Kohls Mädchen“ Angela Merkel die Trauerrede beim Staatsakt gehalten.

Der nun für den Verstorbenen geplante und von ihm selbst gewünschte europäische Staatsakt hat daher auch etwas Tragikomisches: Er könnte der erste und gleichzeitig auch der letzte seiner Art werden. Ich kann mir jedenfalls niemanden aus den heutigen Politikerkreisen vorstellen, der einer solchen Zeremonie würdig wäre. Fast hat man den Eindruck, als ob am 1. Juli 2017 mit Helmut Kohl nicht einfach nur der Kanzler der deutschen Einheit, sondern zugleich auch der letzte große und optimistische Europäer zu Grabe getragen wird. Dieser Umstand ist – allen grundlegenden politischen Differenzen zum Trotz – keine gute Nachricht für die Zukunft des europäischen Kontinents. Ein bisschen mehr Kohl täte der Politik ganz gut.

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ingrid Dietz | So., 25. Juni 2017 - 10:19

dem steht Frau Merkel nichts nach !
Eines ist aber sicher: die "drei Tage im September 2015" hätte es mit Kohl nicht gegeben !

Manfred Steffan | So., 25. Juni 2017 - 10:49

dass man das Heute einmal die "gute alte Zeit" nennen könnte .... Wer von den politischen Widersachern hätte sich in der Ära Kohl eine Sichtweise wie die jetzt von Herrn Heitmann vorstellen können? Von Joschka Fischer habe ich schon ähnliche Referenzen auf Franz-Josef Strauß gelesen. Allerdings gibt es keine Garantie, dass die Nachwelt immer zu solchen positiven Urteilen kommt und auch genug Gegenbeispiele dafür. Es bleibt also dabei: wir müssen uns weiterhin in der Gegenwart über "richtig" und "falsch" streiten - aber vielleicht mit weniger Schaum vor dem Mund.

Gerdi Franke | So., 25. Juni 2017 - 11:35

Danke, lieber nicht. Kohl wurde abgewählt weil alle innenpolitischen Themen liegen blieben! Und Merkel ist inzwischen auf demselben Weg!

Rolf Pohl | Mo., 26. Juni 2017 - 19:18

Antwort auf von Gerdi Franke

... Kohl wurde abgewählt weil alle innenpolitischen Themen liegen blieben!
Und Merkel ist inzwischen auf demselben Weg!"

Ach was Frau Franke, Frau Dr. Merkel hat doch in 09/2015 Aussenpolitik prima Aussenpolitik zur Innenpolitik gemacht. Das auch gleich noch ohne jede Absprache mit irgendeinem europäischen Partnerland.

Christop Kuhlmann | So., 25. Juni 2017 - 14:15

während andere geradezu empört auf den Niedergang des Sozialismus starrten. Viele, die selbstgerecht bei der Wiedervereinigung in der Nachschau Fehler unterstellen, hätten diese Gelegenheit nicht wahrgenommen und ein sozialistisches Experimentierfeld bevorzugt. Es war jedoch klar, dass ein erhebliches Einkommensgefälle zwischen zwei deutschen Teilstaaten ohne die Mauer zu massenweiser Abwanderung geführt hätte. Diesen Punkt übersehen viele. Auch galt es die Funktionäre der VEB von vorhherin politisch zu entmachten und nicht mit Steuermilliarden an der Macht zu halten. Das "Recht" einen Betrieb zu führen hat nur der, der sich im Wettbewerb legitimiert. Das haben die wenigsten Betriebsleitungen geschafft, was bei dem Umbruch von Plan- zu Marktwirtschaft auch nicht überraschte. Der bessere Erhalt industrieller Kerne wäre sicher wünschenswert gewesen, doch war die Substanz der meisten Betriebe verrottet und nicht zu retten, während die Werke im Westen noch Kapazität frei hatten.

Cecilia Mohn | So., 25. Juni 2017 - 16:27

Ich kann dem Artikel nur zustimmen. Eine Frage in die Runde: wie können wir dafür sorgen, dass wieder Menschen mit Rückgrat entstehen und in die Politik Einzug halten? Ich beobachte, dass Jahr für Jahr die Bereitschaft der jungen Menschen, sich eine eigene Meinung zuzutrauen, die vom Mainstream abweicht, sinkt. Das ist insofern gefährlich, weil es kaum noch jemand wagen würde, sich einer Diktatur entgegen zu stellen, sollte wieder eine entstehen. Was ist nur aus Deutschland geworden? Vor Jahren war das noch ganz anders. Mehr KOHL wagen - unbedingt. Aber wie?

Cecilia Mohn

Mathias Trostdorf | So., 25. Juni 2017 - 17:20

Ich glaube, im "Aussitzen" steht Merkel Kohl in keinster Weise nach. Schwieriger ist auszumachen, was ihre eigentlichen Überzeugungen sind. Aber vielleicht- so stand es schön im Artikel von Herrn Grau- ist es besser, heute kein Wahlprogramm (und keine Überzeugungen?) zu haben. Es gibt ja tatsächlich auch kein Rezept, ob führende Politiker sich stoisch an ihre Überzeugungen halten sollten, oder ob sie diese den sich immer schneller ändernden politischen Veränderungen anpassen sollen.

Daniela Gmeiner | So., 25. Juni 2017 - 19:19

Auch ich war kein echter Fan vom Altkanzler, aber wie oft im Leben, weiß man das Verlorene zu schätzen, wenn es nicht mehr da ist.
Verwerflich finde ich den Kampf über die Deutungshoheit des letzten Willens des Altkanzlers.
Diese politische Instrumentalisierung hat Herr Kohl
nicht verdient.

Thomas Pessel | So., 25. Juni 2017 - 21:11

"Dass Kohl sein Versprechen hielt, die Spendernamen nicht preisgab und dafür sogar den Ehrenvorsitz abgab, ist ihm hoch anzurechnen (...) Aber es zeugt von Rückgrat."
Mit dem Artikel stimmen ich über weite Strecken überein, aber das obige Zitat bringt mich auf die Palme. Kohl gab illegal spendenden Amigos sein Wort und wird nun (wieder) als unbeugsam gefeiert? Dieser Mann stellte sein Wort mit einer selbstverständlichen Selbstherrlichkeit über das Gesetz, die mich immer noch sprachlos macht. Es gibt einen Unterschied zwischen Unbeugsamkeit und Starrköpfigkeit. Der eigentliche Skandal ist, dass Kohl dafür niemals belangt wurde. Warum eigentlich? Offenbar stand der Kanzler der Einheit tatsächlich über dem Gesetz, anders ist das nicht zu erklären. Nebenbei: Dass heute der Mann, der damals"brutalstmögliche Aufklärung" versprochen hatte und dann absolut nichts aufklärte, heute Finanzminister ist, hätte sich ein Satiriker nicht absurder ausdenken können.

Es hat sicher seine Gründe, dass sich niemand ernsthaft für die Verwendung der geheimen Konten von Helmut Kohl interessiert hatte. Ich könnte mir auf jeden Fall vorstellen, dass gewisse ausländische Freunde nur mit Geldspenden für die deutsche Einigung zu begeistern waren (Geldmittel, die Kohl auf seinen geheimen Konten angehäuft hatte). Doch das passt natürlich nicht zur deutschen Buchhaltermentalität. Es gäbe heute auch keine geeigneten verschwiegenen Banken mehr: Merkel, Steinbrück, Stegner, Schäuble und wie die alle heissen, haben die auf Schwarzgeld spezialisierten Schweizer Banken den Interessen Amerikas geopfert. Und über die Deutsche Bank, die früher Bismarcks „Reptilienfonds“ verwaltet hatte, muss man heute – wäre deren Zustand nicht so deplorabel – nur noch lachen.

Ich stimme auch mit dem Artikel weitgehend überein, sehe den von Herr Pessel zitierten Passus aber ebenfalls kritisch. Ehrenwort hin, Ehrenwort her: Kein Mensch, und schon gar keiner mit solchem Einfluß wie Kohl, darf sich über das Gesetz stellen. Allerdings glaube ich, daß Herr Pessel in einem Punkt irrt: Der mit der "brutalstmöglichen Aufklärung" war, wenn ich recht erinnere, nicht Schäuble sondern Roland Koch.

Thomas Pessel | Di., 27. Juni 2017 - 19:33

Antwort auf von Dr. Roland Mock

Verflixt, Sie haben Recht! Das hatte ich völlig falsch abgespeichert. Schäuble war derjenige, der sich mit Brigitte Baumeister nicht darüber einigen könnte, ob er oder sie die 100000 Mark von Schreiber angenommen hatten. Noch so eine Realsatire. Danke für die Richtigstellung.

"brutalstmögliche Aufklärung" versprach der damalige hessische Ministerpräsident Roland Koch - nicht Wolfgang Schäuble.

Michaela Diederichs | So., 25. Juni 2017 - 22:38

Alles richtig, was Sie schreiben, wollte ich zuerst schreiben. Aber im Alter, im Tod so würdelos, so gehässig, so taktlos, dass selbst der Chauffeur nicht Abschied nehmen darf? Das Alter verstärkt unsere schlechten Eigenschaften. Wir haben für eine kurze Zeit die besten Eigenschaften des Helmut Kohl, die Sie beschreiben, kennen lernen dürfen, aber seine schlechten überwiegen m. E. und sie haben sich im Alter - auch Dank seiner zweiten Frau, die ihn anhimmelte und vergötterte - manifestiert. Er war und blieb uneinsichtig, bar jeder Weisheit und Erkenntnis, selbstverliebt und auf sich selbst fixiert - bis zum Schluss. Ein Christ kann er nicht gewesen sein. Dem Christentum wohnt Vergebung inne. Vergebung und Liebe kannten und kennen weder Helmut Kohl noch sein Frau Maike Kohl-Richter. Zwei selbstverliebte, symbiotisch vereinigte Menschen. Möge Gott ihnen vergeben.

Thomas Radl | Mo., 26. Juni 2017 - 08:04

"Stattdessen regieren heute Alarmismus, Risikoaversion und Orientierungslosigkeit gepaart mit fehlendem Rückgrat." Auch damals waren nicht alle Politiker das Gelbe vom Ei, aber ich kann mich an kaum einen erinnern, der eine derartige Witzfigur abgegeben hätte, wie sie heute die Regierung und den Bundestag stellen.
Der Eierwurf in Leipzig war ein Vorfall, bei dem ich Kohl schon fast bewunderte, da bin ich ganz beim Autor.
Das gehaltene Ehrenwort dagegen macht mich heute noch wütend - nicht wegen der Einhaltung den Spendern gegenüber. Hochgradig ärgerlich finde ich bis heute, dass er durch den wissenschaftlichen Dienst des Bundestages die Justiziabilität des Amtseides prüfen ließ - mit dem Ergebnis, dass er nicht justiziabel sei. Das bedeutet, der Amtseid ist auch nicht mehr als ein Ehrenwort, das er zig-Millionen Bürgern (und damit auch mir!) gleich mehrmals gegeben und in der Spendenaffäre nicht gehalten hat!
Trotzdem stimme ich zu: Heute mehr Kohl zu wagen, wäre ein echter Gewinn!

Peter Müller | Mo., 26. Juni 2017 - 10:21

Kohl und auch Schmidt hatten im Vergleich zu heutigen Politikern noch einen eigenen Charakter, Rückgrat und die Überzeugung für das Wohl ihrer Wähler handeln zu müssen.
Das alles kann man von den Opportunisten in den heutigen Parlamenten nicht mehr erwarten.
Dafür sind sie aber angeblich fehlerlos und allwissend. Ausnahmen bestätigen leider auch hier nur die Regel.
Honecker, sein Politbüro und die "Kandidaten der Nationalen Front" sind offensichtlich wieder auferstanden.

Bernhard Jasper | Mo., 26. Juni 2017 - 11:22

Herr Heitmann, Kohl wurde abgewählt. Das hatte Gründe. Und für den lieben "Osten" zahlen die Steuerzahler immer noch. Die damalige Goldgräberstimmung ist jedoch längst verflogen.

Durch derartige Beiträge entstehen Mythen für die breite Masse. Deshalb lieben wir ja auch einen derartigen Journalismus. Die Menschen verlangen eben immer nach symbolischen Gesten, in der Kulturgeschichte ein durchgängiges Motiv. Das hat jedoch nichts mit der Wirklichkeit zu tun.

Frank Goller | Mo., 26. Juni 2017 - 12:06

Antwort auf von Bernhard Jasper

Die sogenannten Eliten sonnen sich und profitieren von ihren vermeintlichen Erfolgen. Die Zeche zahlen Andere........

Dr. Lothar Sukstorf | Mo., 26. Juni 2017 - 12:30

Falsch...lieber Cicero...empfehlen Sie Fr. Merkel doch mal mehr Honecker, Politbüro und ZK zu wagen. In der Seefahrt war es früher üblich, periodisch eine "Funkbeschickung" vorzunehmen, wobei auch der Kompass "kompensiert" wurde, damit stets Kurs gehalten werden konnte. Der Kompass der CDU heißt nur ANGELA MERKEL; deren Kompass ist ihr bei den vielen Treffen mit US-Präsidenten und Selfies mit Asylanten wohl abhanden gekommen!

Sepp Kneip | Mo., 26. Juni 2017 - 14:24

Kohl hat viele Fehler gemacht, die unter Merkel noch potenziert wurden und werden. Die Glorie Kohls an der Wiedervereinigung festzumachen, ist nicht gerechtfertigt. Kohl war zur Zeit des Mauerfalls zufällig Bundeskanzler. Seine Wiederwahl hätte ohne dieses Ereignins, das ihm sozusagen in den Schoß fiel, in den Sternen gestanden. Zu gravierend waren seine innenpolitischen Versäumnisse. Aber auch außenpolitisch glänzte er mehr durche faule Kompromisse zulasten Deutschlands in Bezug auf Europa. Die tagelange Sprachlosigkeit Kohls zur Grenzöffnung belegt, dass er auch hier total überrumpelt war und der damals Regierende Bürgermeister Berlins das Heft in die Hand nahm. Erst das von Teltsckik ausgearbeitete 10-Punkte-Programm brachte ihm wieder die "Lufthoheit". Es ist immer noch nicht ganz klar, welchen Preis Deutschland für die Wiedervereinigung bezahlt hat. Wieviel Souveränität und Selbstbestimmung es dafür hergeben musste. Der schlimmste Verlust war die Aufgabe der D-Mark für den Euro.

Margrit Sterer | Mo., 26. Juni 2017 - 17:55

Ein großartiger Artikel.
Genau so ist es auch.
Wenn man die heutigen Politiker anschaut, dann ist mir nicht wohl.
Alen voran Frau Merkel, Kohl größter Fehler, und ich glaube, er wußte das.
Die Ära der Alten ist zu Ende, leider

Larissa Tscherkow | Mo., 26. Juni 2017 - 19:25

"In ihrem Verhältnis zu Veränderungen erinnern die heutigen Politiker heute eher an Erich Honecker als an Helmut Kohl."

Wahre Worte! Die heutigen Politiker sind , abgesehen von der rechtsradikalen AfD, alle Sozialisten.

Die SPD huldigt sogar schon genau denselben Vorstellungen von Meinungsfreiheit, die auch Honnecker hatte.

Im September hat der Bürger nur die Wahl zwischen Sozialisten und Rechtsradikalen.

Die Hoffnung, dass die CDU von Kohl lernt, habe ich aber nicht, denn sie steht den Werten von Claudia Roth heute näher als denen ihres einstigen Parteivorsitzenden.

Genausowenig wie ich noch die Hoffnung habe, dass sich die AfD doch noch zu einer wählbaren konservativen Partei entwickelt.

dafür aber umso mehr konservative Wähler; das Potential liegt bei ca. 20%; die richtig angesprochen, hätte die AfD eine gute Basis...Fr. Tscherkow, die Hoffnung nicht aufgeben, was die AfD anlangt. Wenn man jetzt die neuesten Zahlen liest, wie hoch der Fremdenanteil bei uns geworden ist, dann kann man Merkel und Co. nicht mehr wählen, nicht wahr?

sie stehen eher den Werten der Claudia Roth näher. Nein die CDU ist ein Kanzlerwahlverein und solange die Macht mit Frau Merkel winkt folgen sie ihr so einfach ist das. Und die Kanzlerin steht nur ihren eigenen Werten gegenüber und die sind sehr, sehr variabel ganz nach Gefühl und Windrichtung. Da sind Aussagen, Pläne für die Zukunft Deutschlands, Parteiprogramm oder ähnliches Gedöns nur unnötiger Ballast.

mit der CDU/Merkel verbinde ich schon lange nicht mehr das Wort/Begriff, das Prinzip Hoffnung. Allenfalls hoffnungslos Merkel anheimgegeben. Noch stehen sie oben, doch, je höher, desto tiefer der Fall und vor allem der Aufprall, das sollte Merkel als Physikerin doch noch wissen. Merkel und die CDU sind nur noch wie Glibbermasse, man kann sie auf nichts festnageln...

Larissa Tscherkow | Mi., 28. Juni 2017 - 00:30

da Deutschland überfremdet wäre, zeigt das Problem der AfD auf.

Ich nehme an, dass sie nicht alle Migranten in einen Topf werfen, doch die AfD macht dies oft.

Deutschland allein den gebürtigen Deutschen, so denken leider viele ihrer Mitglieder.

Der U Bahn-Treter war Bulgare, also sind fast alle Bulgaren kriminell und müssen raus?

Man weiß es nicht genau, aber vermutet: Ja, viele Mitglieder in der AfD denken so. Sie stören sich an allen Migranten aus Südeuropa. Egal ob die schon hier geboren sind, und egal wie die sich verhalten.

Und an allen nichtweißen Migranten stören sich viele AfD Mitglieder sowieso. Pauschal an allen!

Und Personen, die solche Positionen vertreten, sind nicht konservativ, auch nicht rechtskonservativ, sondern bereits rechtsradikal!

Eine konservative Law and Order Partei, wie die LPA in Australien, würde ich begeistert wählen!

Doch wenn ich deutsche Rechtsradikale wählen würde, wäre ich sehr, sehr dumm.

wer sagt Ihnen denn, was Sie wählen sollen. Ich nicht! Ich sagte lediglich, in Bezug auf die AfD, Sie mögen die Hoffnung nicht aufgeben. Konservativ-rechtsradikal-Differenzierung! Die australische Politik gegenüber Flüchtlingen, z.B. goutiere ich, ganz einfach!

Larissa Tscherkow | Mi., 28. Juni 2017 - 13:21

dass ich sie missverstanden habe. Und Dank dafür, dass sie mir Hoffnung geben wollen!

Denn die Hoffnung in Deutschland wenigstens 2021 eine konservative Partei auf dem Wahlzettel zu haben, fällt schwer, wenn ich das Angebot sehe.

Das es zur australischen Migrationspolitik kaum eine Alternative gibt, kann nur noch bestreiten, wer entweder die Fakten nicht kennt, oder die Fakten ignoriert. Da sind wir uns einig, denke ich.

Vielleicht sollte sich die AfD die LPA näher ansehen, da sie von ihr viel darüber lernen könnte, wie eine moderne konservative Partei aufgestellt sein muss.

Schon ein kurzer Blick auf die FB Seite der LPA zeigt wichtige Unterschiede. Auf schrille Töne verzichtet sie ebenso, wie auf ständige, pauschale Angriffe gegen eine Weltreligion. So hat man Erfolg!

Doch leider müsste die AfD Personal aussortieren, um eine deutsche LPA zu werden, was ich ihr nicht mehr zutraue.

Ich wünsche Ihnen noch eine schöne Woche.

Findungsprozesse in Parteien dauern immer länger. Ich wünschte mir schon lange eine Partei, wie die eines Gustav Stresemann. Die CDU/CSU hatte dies in der Vergangenheit stets für sich in Anspruch genommen. Freilich, mit Merkel, die es offensichtlich mehr mit Göring-Eckardt, Özdemir, Claudia Roth...hat, hat die CDU/CSU das noch vorhandene "konservative" Wählerpotenial noch mühsam an die CDU binden können, dafür war das Argument, "...uns ging es noch nie so gut wie jetzt..." , Bindungskraft genug...Die Flüchtlingsituation 2015/die Hellas-Angelegenheit/Die Melkkuh-Politik vieler EU-Länder, die es vorrangig nur auf das Geld der Deutschen abgesehen haben, haben jedoch Einiges bei dem besagten Wählerpotential bewirkt/angestossen. Ich sage es ganz offen, ich wähle Merkel nicht, wegen des September 2015, und - ich habe mal jede Merkelsche Regierungserklärung zu Beginn einer Legislaturperiode geprüft, und was sie davon am Ende gehalten hat...Nur ca. 20%...Verarschung ist das! Ruchlos.

Heute wird bekannt, daß der italienische MP, Gentiloni, letzten Freitag bei der EU-Ratssitzung das Dilemma Italiens angesprochen hat, 14 NGO's mit deren Schiffen schaffen in vier Tagen mehr als 10.000 Flüchtlingen nach Italien...von Merkel hört man dazu nichts. Jetzt ist Wahlkampf, da wird sie sich zurückhalten oder klammheimlich, heimlich still und leise von Italien 90% der Flüchtlinge übernehmen...egal, wie die Wahl ausgeht...wir werden, wenn es so weitergeht, dem Ansturm aus Afrika nicht standhalten. Ich bezweifle ob die Mehrheit der Menschen bei uns dies will. Ich wünschte mir in der EU/D eine australische Flüchtlingspolitik.