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Christdemokraten und die AfD - Es gibt kein Zurück

Im Kampf gegen die Alternative für Deutschland diskutieren CDU und CSU viele Strategien. Mindestens neun. Keine taugt

Autoreninfo

Christoph Seils war Ressortleiter der „Berliner Republik“ bei Cicero bis Juni 2019. Im Januar 2011 ist im wjs-Verlag sein Buch Parteiendämmerung oder was kommt nach den Volksparteien erschienen.

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Sachsen, Thüringen, Brandenburg. Drei Landtagswahlen, drei Mal jubelten die Kandidaten der Alternative für Deutschland. 9,7 Prozent, 10,6 Prozent, 12,2 Prozent. Ließ sich der Einzug ins Europaparlament noch als Ausrutscher darstellen, steht mittlerweile fest, dass die AfD so schnell nicht wieder verschwinden wird. Schon im Februar steht die Bürgerschaftswahl in Hamburg an, im Mai wählt Bremen. Die AfD gewinnt Anhänger von allen Parteien. Aber vor allem CDU und CSU haben ein Problem. Denn die neue Partei wirbt in erster Linie mit Themen und Werten um Wähler, die die Union besetzt hatte. Kein Wunder, dass es in der Union nur so wimmelt an Strategien, wie man die AfD wieder loswerden könne. Durchdacht sind sie alle nicht.

1. Totschweigen

Nicht drüber reden, nicht aufwerten, nicht mit AfD-Politikern in Talkshows gehen, diese Strategie empfiehlt Volker Kauder, Chef der Union im Bundestag. Doch dafür ist es jetzt wohl zu spät. Eine erfolgreiche neue Partei ist viel zu interessant, als dass die Medien sie außen vor lassen würden. Zudem ist es in der digitalen Debattenwelt egal, ob Kauder und Kollegen mitdiskutieren.

2. Kopieren

Der CSU-Politiker Peter Gauweiler hat es versucht. Er hat über AfD-Politiker als „ehrenwerte Leute“ gesprochen, er ist mehrfach gegen die Eurorettung vor Gericht gezogen und hat gegen Brüssel geschimpft. Um die Aktion glaubhaft zu machen, hat CSU-Chef Horst Seehofer Gauweiler sogar zum Parteivize befördert. Es half nichts. Bei der Europawahl im Mai erzielte die CSU das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte. Die AfD hingegen feierte.

3. Themen abjagen

Die CDU müsse gegen die AfD „die Themen ansprechen und lösen, die die Menschen vor Ort bewegen“, sagt Angela Merkel. Viel Spielraum hat die Kanzlerin und CDU-Vorsitzende da nicht. Schließlich verlangt die AfD, den „Einheitseuro“ abzuschaffen, die sächsische Spitzenkandidatin Frauke Petry zweifelt an der Klimaschädlichkeit von CO2 und ihr Brandenburger Parteifreund Alexander Gauland hat Verständnis für die „russischen Bedürfnisse im Umgang mit den Nachfolgestaaten der einstigen Sowjetunion“. Da muss das Völkerrecht schon mal zurückstecken. Die AfD-Wähler sind begeistert. Aber eine Regierung kann sich das nicht leisten, zumal nicht, wenn Maß und Vernunft ihr Markenzeichen sind wie bei Merkel.

4. In die rechte Ecke stellen

Vorbehalte gegen Einwanderer, Angst vor Kriminalität, Traditionsfamilie – neben der Euroskepsis sind es vor allem konservative Themen und rechte Parolen, mit denen die AfD ihre Wähler mobilisiert. Sie setze auf „Rechtspopulismus, Ressentiments und Nostalgie“, schimpft die CDU-Politikerin Julia Klöckner. Die CDU ist mittlerweile so weit in die Mitte gerückt, dass am rechten Rand des Parteiensystems viel Platz entstanden ist. Da hilft es wenig, die AfD dort hinzustellen, wo sie sowieso schon steht.

5. Für politikunfähig erklären

Die AfD lebe vom Protest, sagt CDU-Generalsekretär Peter Tauber. „Die AfD schürt Angst, ohne Antworten zu geben“, sagt Julia Klöckner, deshalb müsse die Partei einem „Realitätscheck“ unterzogen werden. Nur: Diese Abgrenzung kommt der AfD gerade recht; je lauter die CDU jammert, umso besser. Fast durchgängig stimmen die AfD-Wähler in Meinungsumfragen der Aussage zu, „es geschieht den anderen Parteien ganz recht, dass die AfD die Politik aufmischt“.

6. Inhaltlich stellen

„Wir müssen die AfD stellen und erklären, warum sie falsch liegt“, sagt der nordrhein-westfälische CDU-Chef Armin Laschet. Diese Strategie hat allerdings zwei Nachteile: Erstens werden damit auch die Argumente des Gegners aufgewertet und zweitens könnte die Union selbst in Erklärungsnot kommen. Schließlich haben CDU und CSU vor ein paar Jahren selbst noch auf die Atomenergie gesetzt, die Homoehe abgelehnt, den Doppelpass verteufelt. Und sie wollten überhaupt nichts davon wissen, dass der Islam zu Deutschland gehört.

7. Verfassungsschutz einschalten

Früher hat der Verfassungsschutz gerne geholfen, bei den Republikanern zum Beispiel. Kaum waren die Rechten 1989 erfolgreich und eine Gefahr für CDU und CSU, sammelte der Geheimdienst Belege dafür, dass die Partei eine Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung sei. Beamte, die mit den Reps sympathisierten, wurden an die Pflicht zur Verfassungstreue erinnert. So wird das mit der AfD nicht funktionieren, denn Parteichef Bernd Lucke grenzt sich offensiv vom Rechtsextremismus ab.

8. Gut regieren

„Die beste Antwort auf die AfD ist die gute Arbeit, die wir in der Bundesregierung leisten müssen“, sagt Angela Merkel. So schlecht scheint ihr dies einerseits nicht zu gelingen. Die Mehrzahl der Deutschen ist mit der Arbeit der Großen Koalition zufrieden. Die Wirtschaft wächst, die Zahl der Arbeitslosen sinkt, die Eurokrise ist eingedämmt. Mindestlohn und Rente mit 63 stoßen auf breite Zustimmung. Die Kanzlerin ist beliebt. Wahlen entscheiden sich aber an Zukunftsaussichten und die nehmen viele Deutsche als düster wahr. Sie haben Angst um ihr Geld und ihren sozialen Status, sie fürchten den wirtschaftlichen Abstieg des Landes. Die Kriege im Irak und in der Ukraine tun ein Übriges. Diese Ängste schürt die AfD meisterlich.

9. Umarmen

„Wir fahren einen klaren Kurs der Abgrenzung“, sagt Peter Tauber. Jede Zusammenarbeit mit der AfD schließt er aus. Allerdings wird die CDU weder in Sachsen noch in Thüringen oder Brandenburg durch das Wahlergebnis in Versuchung geführt. Dennoch werben einzelne CDU-Politiker für Koalitionen mit der AfD, die Bundestagsabgeordnete Erika Steinbach zum Beispiel. Wenn es dazu kommt, wird die CDU erklären, sie wolle die AfD durch die Einbindung in Verantwortung entzaubern. Sie wäre dann auch für den Bau von Asylbewerberheimen zuständig. An der Macht entzaubern? Das hat auch die SPD mit der Linken schon vergeblich versucht. Auch die FPÖ in Österreich oder die rechtspopulistische PVV von Geert Wilders in den Niederlanden haben ihren Platz im Parteiensystem gefunden, obwohl sie Regierungsluft schnuppern durften.

Wie es die Union macht, macht sie es verkehrt. Selbst wenn es nach den drei Wahlen im Osten erst mal wieder ruhig werden wird um die AfD. In Hamburg und Bremen sind Wahlkämpfe kostengünstig. Das Potenzial von Rechtspopulisten in Hamburg zeigen die 19,4 Prozent der Schill-Partei im Jahr 2001. 2017 wird die AfD Kurs auf den Bundestag nehmen. CDU und CSU können einstweilen nur eines tun: die AfD ertragen. Sie stehen in internationaler Verantwortung und sind in Absprachen mit der SPD eingebunden. Gleichzeitig haben sie konservative Wurzeln gekappt und sich für schwarz-grüne Bündnisse geöffnet. Die Union hat keine Möglichkeit, ihre rechte Flanke zu schließen. Der Abschied von ihrem gesellschaftlichen Modernisierungskurs würde ihr noch mehr schaden. Es gibt kein Zurück.

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