Frankreichs Präsident Emmanuel Macron wird bei der Kimakonferenz in Bonn begrüßt
Frankreichs Präsident Macron ließ sich für seine Ankündigung des Kohle-Ausstiegs feiern / picture alliance

Klimagipfel in Bonn - Die Welt schreitet voran – ohne Deutschland

Im Gegensatz zu den Jamaika-Sondierern rangen sich die Diplomaten auf dem UN-Klimagipfel in Bonn zu einem Kompromiss durch. 15 Länder wollen nun eine internationale Allianz für den Kohelausstieg bilden – Deutschland und die USA hängen bei diesem Thema allerdings hinterher

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Andreas Sieber ist freier Journalist und schreibt vor allem zu Umwelt- und Klimaschutzthemen.

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Vielleicht hätten sich die Jamaika-Verhandler etwas abgucken können bei den Kniffen der UN-Klimapolitik: Um die Verhandler des Kyoto Protokoll zum Kompromiss zu zwingen, organisierte man damals einen extra stickigen und schlecht klimatisierten Raum für die finalen Verhandlungen. So wollten alle endlich fertig werden. Zwar sind die Klimaverhandlungen nicht für ihre übermäßige Geschwindigkeit bekannt – schließlich verhandeln hier nicht vier Parteien, sondern 196 Staaten. Aber daran gemessen ging es schnell voran in Bonn. Und im Gegenteil zu Union, Grünen und FDP kam man in Bonn zum Kompromiss.

USA isoliert und ohne Einfluss

Natürlich stand die Frage im Raum, inwieweit die USA und ihr Präsident Donald Trump die Verhandlungen belasten würden. Die meisten US-Verhandler waren jedoch bereits unter dessen Vorgänger Barrack Obama tätig und versuchten sich in einer Art Vermittlerrolle zwischen dem Rest der Welt und dem weißen Haus. Nachdem nun sogar Syrien dem Pariser Abkommen zustimmte, steht die US-Regierung mit ihrer Ankündigung austreten zu wollen nun gänzlich alleine da. Als in der zweiten Woche die politischen Diplomaten der Trump-Administration eintrafen, konnten sie nur in geringem Umfang in die komplexen Verhandlungen eingreifen – sie kannten sich damit schlicht zu wenig aus.

Auch deshalb schritten die Verhandlungen bei den beiden wichtigsten Themen insgesamt zügig und konstruktiv voran. Zum einen galt es, ein Regelwerk zu entwickeln für die Umsetzung des Pariser Klimavertrags. Der legt vor allem Ziele und Richtlinien vor. Aber ein konkreter Plan zur Umsetzung des völkerrechtlich bindenden Vertrags muss erst noch ausformuliert werden.

Außerdem wurde in Bonn ein gemeinsamer Fahrplan entwickelt, um auf dem nächsten Klimagipfel die Klimaschutz-Ziele der Länder ehrgeiziger zu gestalten. „Facilitative Dialogue“ wird dieser Prozess genannt. Die bisherigen Klimaschutz-Ziel der einzelnen Länder reichen bei weitem nicht aus, um die schlimmsten Folgen des Klimawandels effektiv zu beschränken. Zahlreiche Beobachter fürchteten, dass dieser Prozess an der rechts-nationalistischen Regierung Polens scheitern könnte: die hat als Gastgeber den Vorsitz der nächsten Klimakonferenz und deshalb eine zentrale Rolle. Die Verhandler setzten jedoch eine Sonder-Regelung durch, wonach sich Polen die Ausführung des Facilitative Dialogue mit dem diesjährigen Vorsitz aus Fidschi teilt.

15 Länder kündigen Kohlausstieg an – ohne Deutschland

Das aber vielleicht bedeutendste Signal des Klimagipfels kam nicht aus den Verhandlungen selbst: Unter Führung von Kanada und Großbritannien verkündeten 15 Länder eine Allianz für den Ausstieg aus der Kohle. Innerhalb eines Jahres solle die Allianz auf 50 Länder anwachsen, verkündete die kanadische Umweltministerin Cathrine McKenna. Die deutschen Verhandler waren erstaunlich kleinlaut bei diesem Thema. Sie stehen zunehmend unter Erklärungsdruck. Deutschland handelt nicht, es heuchelt, war auf den Korridoren der Klimakonferenz zu hören. Die Rolle Deutschlands als Musterschüler beim Klimaschutz lässt sich nur noch schwer aufrecht erhalten, denn seit 2009 sinken hierzulande die Emissionen nicht mehr. Hauptgrund dafür ist das Festhalten an Kohlekraftwerken.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hingegen ließ sich feiern für seine Ankündigung, ebenfalls aus der Kohle auszusteigen. Dass Frankreich nur etwa vier Prozent Kohle im Strommix hat, und weiter auf Atomstrom setzt, tat seiner Beliebtheit keinen Abbruch. Auch in Großbritannien ist der Anteil der Kohle am Strommix gering. Anders als in Frankreich liegt das aber daran, dass der Inselstaat den Kohlausstieg bereits eingeleitet hat. Ähnlich wie Deutschland hatte das Land mehr Strom als es brauchte. Anders als in Deutschland wurde diese Entwicklung aber dazu genutzt, den Kohlausstieg einzuleiten.

Erneuerbare Energien hätten auch deutlich positivere Effekte auf den Arbeitsmarkt, kommentiert Christoph Podewills vom Think Tank Agora Energiewende: „Die Wertschöpfung durch Erneuerbare Energien findet maßgeblich im Inland statt, wohingegen die Wertschöpfung im Bereich der fossilen Energieträgern naturgemäß zu einem Großteil in den öl- und kohleexportierenden Ländern stattfindet“, sagter er gegenüber Cicero.

Nirgends gehen die Lichter aus

Beim Blick auf die Zahlen verwundert, dass der Kohlausstieg eines der großen Streitthemen unter den Jamaika-Sondierern war. Man müsse aufpassen, dass die Lichter nicht ausgingen, mahnte Christian Linder in zahlreiche Fernsehkameras hinein. Das ist im Prinzip völlig richtig, aber an der Sache vorbei: Kaum ein Experte bezweifelt, dass Deutschland problemlos einen wesentlichen Teil seiner Kohlekraftwerke stilllegen kann: „Bis 2020 werden ja auch einige der schon ergriffenen Maßnahmen Wirkung zeigen. Von diesen 100 Millionen Tonnen könnte etwa die Hälfte durch die Stilllegung der ältesten und schmutzigsten Braunkohlekraftwerke (8,4 Gigawatt)“, rechnet etwa Christoph Podewills.

Sogar noch mehr, bis zu 17 Gigawatt an Kohlenraft, wäre möglich, bis 2020 abzuschalten, rechnet Greenpeace vor. „Die FDP präsentiert sich als Partei der Modernisierung und Digitalisierung, als Partei des Fortschritts – Kohlekraft ist aber das genaue Gegenteil. Die FDP hat die Energiewirtschaft bedient“, kritisiert Karsten Smid von Greenpeace. Tatsächlich brachte die FDP als einzige Partei einen Industrie-Lobbyisten mit an den Verhandlungstisch: Stefan Karpferer ist zwar FDP-Mitglied, aber vor allem Hauptgeschäftsführer des BDEW, dem wichtigsten Energieverband Deutschlands, der unter anderem RWE und Exxon Mobil vertritt.

Auf der Klimakonferenz in Bonn gab es immerhin ein Land, das sich für Kohlekraft einsetzte: Das Weiße Haus lud zu einer Veranstaltung für „saubere fossile Energien“. Mit ihrem Auftritt blamierte sich die US-Regierung jedoch beispiellos: Die Reaktionen reichten von Kopfschütteln bis offenen Spott. Als die Veranstaltung losging, verließ ein Großteil der Besucher aus Protest die Veranstaltung. Wie es mit Deutschland klimapolitisch weitergeht, ist nach dem Jamaika-Abbruch erst einmal ungewiss.

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Achim Scharelmann | Di., 21. November 2017 - 19:21

Die Welt schreitet voran- ohne Deutschland. Das ist doch nicht wichtig, hauptsache wir zahlen, dann ist doch alles o.k.. Vermutlich werden wir in 100 Jahren immer noch zahlen, denn das kann für die anderen zur Gewohnheit werden und auf diese Einkünfte verzichtet man ungern, wenn man nicht weiß wie man es selbst finanzieren soll.

Guido Schilling | Di., 21. November 2017 - 19:32

wer kaum Kohlestrom produziert kann natürlich auch leicht aussteigen. In D kommen z.Zt. über 40 % des Stroms aus Kohlekraftwerken. Da ist der Ausstieg nicht so einfach. Oder sollen wir, wenn Strom fehlt, aus F, B, CZ, PL Atomstrom zu Mondpreisen importieren. Übrigens D ist mit 2,2 % am weltweiten CO2 Ausstoß beteiligt. Wenn wir morgen jede Emission einstellen nützt das dem Klima auch gar nichts.

Gerhard Bleckmann | Do., 30. November 2017 - 16:56

Antwort auf von Guido Schilling

Da warten doch alle, dass Deutschland aus dem Wettbewerb fällt. Aber wird dann Zahlmeister?

Reiner Kraa | Di., 21. November 2017 - 19:57

Für alle Bereiche der Energieerzeugung und -nutzung ist sie notwendig, längst überfällig und auch bezahlbar. Sie wird von fossilien und atomaren Profiteuren zum Nachteil aller anderen kräftig behindert. Voraussetzungen dafür sind wirklich unanbhängige Netzbetreiber (die heutigen sind es nicht), Großspeicher für die Erneuerbaren (die müssen nicht erst gebaut werden) und eine entsprechende Erneuerung des EEG. Technische Lösungen für die Erzeugung und Nutzung sind bereits heute reichlich vorhanden. Das ganze ist ein rein technisch/technologischer Prozess und sollte auch so betrachtet werden. Dann muss niemand mehr viel für seinen Strom bezahlen und im Falle von Wasserstoff könnte jeder, zumindest grundsätzlich, den Treibstoff für sein Auto selber machen. Im übrigen ist Kanada erst dann glaubwürdig, wenn es sich von seiner Ölproduktion aus Ölsand verabschiedet.

Ludwig Witzani | Mi., 22. November 2017 - 08:24

Dieser Artikel gehört eher in die SZ oder die ZEIT, viel Meinung, wenig Sachhaltigkeit. Natürlich kann Deutschland jede Menge Kohlkraftwerke abschalten, wenn es gleichzeitig Kohle aus Polen und Atomstrom aus Frankreich importiert. Das mussten die Grünen sogar während der Sondierungsverhandlungen zugeben, Weiß das der Autor nicht?

Dr. Lothar Sukstorf | Mi., 22. November 2017 - 10:17

Klimagipfel...gut so auch ohne D. geht es. Diese Veranstaltung war dazu gedacht, dass Merkel eine bella figura macht und die Grünen sich wieder in den Vordergrund drängen wollten, dies haben dann die zahlreichen NGO's übernommen, so dass ich mich mittlerweile frage, wer überhaupt das SAGEN hat, Greenpeace, Atac, amnesty international etc. etc. etc...diese Organsiationen müsste man mal untersuchen woher und wie deren finanzielle Mittel gebildet werden? Für meinen Begriff haben die viel zu viel Einfluss!

Peter-Axel Lohmann | Mi., 22. November 2017 - 15:04

Kernkraftwerke abschalten, Kohlekraftwerke schließen, Autos abschaffen , mit Pferd und Ochs die Felder bewirtschaften und im Winter in Dunkelheit die Kälte genießen. Der deutsche Weg der grünen Zukunft in einem Land das seine industrielle Fähigkeit und seine Identität freiwillig aufgibt. Die Sicherheit unserer KKW's konnten wir selbst bestimmen. Auf die um uns herum haben wir keinen Einfluss. Die Hüftschusspolitik in unserem Land wird sich fortsetzen und der deutsche Weg in die Zukunft macht die Autobahn des Fortschritts zu einem Trampelpfad der Parteiideologen und das Volk ist den Umfragen zu Folge mit dieser Politik hoch zufrieden. Also weiter so plan und ziellos und im Notfall wird aus der Hüfte geschossen.

wolfgang spremberg | So., 26. November 2017 - 08:49

Antwort auf von Peter-Axel Lohmann

kann man jederzeit abschalten. Die werden nicht benötigt. Die profitorientierten Konzerne betreiben die Kohlekraftwerke als eine Art Hobby.

Peter-Axel Lohmann | Mo., 27. November 2017 - 23:23

Antwort auf von wolfgang spremberg

Sie sind ein Genie. Sie haben erkannt, dass der Strom aus der Steckdose kommt.

Reiner Koester | Fr., 24. November 2017 - 10:03

Sebst wenn man Wind-und Solarstrom verhundertfachen würde, flösse kein Strom bei Null-Wind und -Sonne. Vieleicht rechnet der Autor mit konkreten, belegbaren Zahlen vor, auf welchen Strom man dann zurückgreifen würde. Wenn das plausibel wäre, wäre ich ungemein beruhigt und ich hätte nichts gegen Sofort-Abschaltung aller Atom-und Kohlekraft

sind die Lösung. Gibt es schon ausreichend. Meint Reiner Kraa weiter oben.
Würde ich mir gern mal ansehen......
Im übrigen kosten Wind und Sonne nix und die Konzerne finanzieren Kohle und Gaskraftwerke die man jederzeit abschalten kann. Warum ? Nur so ? Zuviel Geld ?
Wenn es nicht so traurig wäre könnte man herzhaft lachen.

Reiner Kraa | Sa., 2. Dezember 2017 - 21:18

Antwort auf von wolfgang spremberg

Herr Spremberg, wenn Sie die sehen wollen, dann schauen Sie sich mal das deutsche Erdgasnetz an. Das ist der größte.
Im übrigen ziehen Ihnen die Konzerne insbesondere mit Kohle- und Atomkraftwerken, aber auch mit Benzin und Diesel dermaßen das Fell über die Ohren, dass es kracht.

Jürgen Althoff | Sa., 25. November 2017 - 00:21

ein übler PR-Artikel aus dem öko-industriellen Komplex, frei von Sachkenntnis und zutiefst menschenverachtend.
Warum?
Weil global mehr als 80% aller Energieerzeugung und 90% aller Produkteherstellung (auch von EEG-Anlagen, Medikamenten etc) ohne Nutzung fossiler Energieträger nicht möglich wären, ist die ganze Dekarbonisierungs-Masche, der Oberbegriff für Kohleausstieg etc, ein Aufruf, Milliarden von Menschen ihre Lebensgrundlage zu entziehen und sie im Elend sterben zu lassen.
Jeder Geologe weiß aus dem Studium von Sedimenten und Eisbohrkernen, dass in der Erdgeschichte erhöhte CO2-Gehalte der Atmosphäre immer auf Temperaturerhöhungen folgten, also immer Wirkung und niemals Ursache waren. Deshalb beruht die ganze Klimapolitik auf einer Irrlehre, die aber von Heerscharen von Profiteuren wie auch dem Verfasser mit allen PR- Tricks am Leben erhalten wird. Das hat schon 2010
PIK-Prof. Edenhofer offen gesagt: CO2 ist nur ein Vorwand für eine globale Umverteilung von Vermögen