Eine 20-Euro-Banknote bei der Bundesbank in Frankfurt am Main
Die EZB und andere Notenbanken haben beschlossen, den Sparer zu enteignen

Negativzins - Wer jetzt dem Staat Geld leiht, zahlt auch noch dafür

Heute ist ein historischer Tag. Zum ersten Mal in der Geschichte zahlen wir dem Bund Geld dafür, dass er sich bei uns für 10 Jahre verschuldet

Daniel Stelter

Autoreninfo

Daniel Stelter ist Gründer des auf Strategie und Makroökonomie spezialisierten Diskussionsforums „Beyond the Obvious“. Zuvor war er bei der Boston Consulting Group (BCG). Zuletzt erschien sein Buch „Ein Traum von einem Land: Deutschland 2040“.

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Wer eine Bundesanleihe mit einer Laufzeit von 10 Jahren heute kauft, bekommt garantiert über die Laufzeit der 10 Jahre weniger zurück, als er heute an den Staat überweist. Was bisher schon für Anleihen mit kürzerer Laufzeit gilt, gilt nun auch für diese Kategorie von Anleihen. Damit folgt Deutschland der Schweiz und Japan immer mehr in die terra incognita des Negativzinses. Niemand weiß, wie die Reise enden wird. Gut wohl eher nicht.

Die Notenbanken der Welt, nicht nur die EZB, haben beschlossen, den Sparer zu enteignen. Es ist ein verzweifelter Versuch, die Weltwirtschaft aus der Stagnation zu befreien, den Euro zu retten und die Finanzkrise zu überwinden. Dabei sind die Notenbanken die Hauptverantwortlichen für die Überschuldung der westlichen Welt, deren Folgen wir immer mehr zu spüren bekommen. Mit ihrer jahrzehntelang zu laxen Geldpolitik haben sie eine Abwärtsspirale der Zinsen ausgelöst, die selbstverstärkend wirkt. Tiefe Zinsen heute machen noch tiefere Zinsen morgen erforderlich, um den Schuldenturm vor dem Einsturz zu bewahren.

Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich warnt seit Jahren vor den Folgen dieser Politik, die bei jeder Krise die Geldschleusen geöffnet, danach jedoch niemals wieder richtig geschlossen hat. Vergeblich. Denn die Abwärtsspirale, in der die Notenbanken gefangen sind, können sie nicht selber überwinden. Die Voraussetzung dafür ist so einfach gesagt wie schwer realisiert: Die faulen Schulden müssen aus der Welt geschaffen werden.

Höhere Zinsen führen zur Pleitewelle

Die Welt ist so verschuldet wie nie zuvor. Die Gesamtverschuldung von Staaten, Unternehmen und privaten Haushalten lag 2015 bei 350 Prozent vom BIP in China, 370 Prozent in den USA, 457 Prozent in Europa und 615 Prozent in Japan. In allen Regionen sind die Schulden erneut deutlich schneller gewachsen als die Wirtschaftsleistung. Jedes Gerede vom Sparen ist eben nur Gerede. Aus der Überschuldung kann man sich nicht heraussparen. Es bleiben nur Pleiten, Schuldenrestrukturierung, Besteuerung und Monetarisierung über die Notenbankbilanzen, um das Schuldenmonster in den Griff zu bekommen. Keine dieser Alternativen ist politisch attraktiv.

Doch solange sich die Politik darum drückt, die Antwort auf die alles entscheidende Frage zu geben, wie wir die faulen Schulden und damit auch die Forderungen/Vermögen, die diesen entgegenstehen, aus der Welt schaffen, bleibt den Notenbanken keine andere Wahl, als mit immer mehr billigem Geld und dem Aufkaufen fauler Schulden die Illusion aufrecht zu erhalten, wir seien nicht pleite. Wir sind es aber.

Zinserhöhungen sind deshalb völlig unrealistisch. Denn was wäre die Folge? Eine Pleitewelle in den Krisenländern der Eurozone und zwar von Staaten, privaten Haushalten, Unternehmen und Banken. Ein scharfer Einbruch der deutschen Exporte bedingt durch eine deutliche Aufwertung des Euro und einer heftigen Rezession in der Eurozone. Und vor allem ein erheblicher Vermögensverlust für uns Deutsche, sind wir doch die Hauptgläubiger der Eurozone.

Damit würden die Notenbanken entscheiden, auf welchem Weg die Bereinigung der faulen Schulden erfolgt. Nämlich auf dem brutalsten und auch für die Gläubiger teuersten Weg. Wie bei einer Unternehmensinsolvenz ist es auch bei der Insolvenz eines ganzen Landes aus Sicht der Gläubiger besser, einen geordneten Prozess durchzuführen, statt eines chaotischen. Deshalb halten die Notenbanken das System am Laufen und verhindern den Zusammenbruch des Schuldenturms, in dem sie mit billigem Geld quasi Zement in das Fundament spritzen. Dumm nur, dass wir zeitgleich immer neue Stockwerke auf den Turm drauf setzen.

Schuldenschnitt und Reformen für höhere Zinsen

Wenn wir es ernst meinen mit dem Wunsch nach höheren Zinsen, müssen zwei fundamentale Dinge geschehen: Zunächst sind die faulen Schulden in einem geordneten Prozess aus der Welt zu schaffen, was übrigens für die deutschen Steuerzahler nicht billig wird. Gut eine Billion Euro dürfte es uns kosten, die Folgen der verfehlten Euroeinführung und der Euro-„Rettungs-Politik“  zu bewältigen. Wie dies zu machen wäre, habe ich hier erklärt.

Dies dem Volk zu sagen, dürfte sich wohl jede Partei in Deutschland verweigern und stattdessen lieber die EZB weiter machen lassen wie bisher.

Doch selbst wenn sich die Politik dazu durchringen würde, das Notwendige mit Blick auf die Schulden zu tun, so genügt das nicht. Die Zinsen sind nicht nur wegen der Politik der EZB so tief. Sie widerspiegeln auch eine fundamentale Verschiebung in der Weltwirtschaft: die Erwerbsbevölkerung stagniert bzw. beginnt zu schrumpfen und die Produktivitätszuwächse sind seit Jahren rückläufig. Diese beiden Faktoren sind es jedoch, die das langfristige Wirtschaftswachstum und damit den Zins beeinflussen. Gesellschaften, die schrumpfen, haben keine hohen Zinsen.

Die Antwort wäre ein Reformprogramm für Deutschland und Europa um das langfristige Wachstum zu stärken. Mehr Erwerbsbeteiligung von Frauen und Alten, mehr Investitionen in Bildung, Forschung und Infrastruktur. Kurz gesagt: weniger staatlicher Konsum und mehr Investition. Gerade die Älteren müssten möglichst lange arbeiten. Wir werden nicht darum herum kommen, die Leistungen für die ältere Gesellschaft zu senken. 

Doch was macht die Politik? Mütterrente, Lebensleistungsrente, jetzt Grundrente. Alles geht in Richtung Konsum und weniger Erwerbsbeteiligung. Und damit in Richtung tiefer Zinsen.

Wer wieder höhere Zinsen will, muss und kann handeln. Da ist es doch viel einfacher, die Schuld bei der EZB zu suchen. Die hat uns zwar in die Krise geführt. Beenden kann sie sie jedoch nicht!

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Reinhard Oldemeier | Di., 14. Juni 2016 - 18:43

Es war alles vorhersehbar. Denn wir haben eine Wirtschafts und Währungsunion in Europa. Früher konnte man die Geldpresse in den Südländern anwerfen, um abwerten zu können. Das Inflationziel liegt bei 1,9% in der EU und ist festgelegt. Also steuert man diese über die Lohnpolitik. Gerade die Südländer haben sich einen großen Schluck aus der Pulle gegönnt, ohne die Wettbewrbsfähigkeit zu beachten. Durch das deutsche Lohndumping (größere Wettbewerbsfähigkeit) wurden die Lohnstückkosten in Deutschland nach unten gedrückt. Vorteil ist, ein Exportüberschuss. Nachteil ist, die Anderen sind nicht mehr Wettbewerbsfähig. Die Handelsbilanzen geraten aus den Fugen. Dies führt zu Schulden durch Importe. Diese wurden durch Schulden finanziert. Amerikas Problem ist, dass viele Produkte des täglichen Bedarfs importiert werden, statt es in der Heimat zu produzieren. Nachteil die Handelsbilanz passt nicht. Das ist das Dilema. Drum bleibt nichts anderes übrig als ein Schuldenschnitt, damit man keine Schuldenderivate mehr kaufen muß. Denn die Inflation findet nicht auf dem Real-Markt statt sondern auf dem Kreditmarkt. Also schützt man die Kreditinstitute, die Kredite vergeben und nicht den Bürger.
Dies findet alles unter den Augen der Regierungen statt. Da kann man nur sagen Der Fisch fängt vom Kopf her an zu stinken.

Robert Müller | Mi., 15. Juni 2016 - 05:19

Nur noch Banken, Versicherungen und Zentralbanken kaufen Bunds, alle anderen nicht mehr. Das interessante daran ist, imho, dass wir so eine neue Welt betreten, wo nicht mehr Sparer der Gegenpart des Gläubiger ist. Bei Aktien sind das auch nicht mehr die Kleinaktionäre, sondern Fonds und bei Gelegenheit auch Zentralbanken. Nur noch Sparkassen spielen das alte Spiel noch. Wohin wird das führen?

Dennis Kowalczek | Mi., 15. Juni 2016 - 14:51

Es scheint sehr verführerisch zu sein, Andersdenkenden einen Meinungstunnel vorzuwerfen, aber die eigenen fehlende Erleuchtung vor lauter Tunnel nicht zu sehen.

Nicht, dass Daniel Stelter nicht den ein oder anderen guten Punkt macht, aber wo bleiben einmal andere Meinungen?

Die einzige Denkschule, die seit 100 Jahren konsequent vor drohenden Wirtschaftskrisen warnt und konkret die Krise von 2008 vorausgesagt hat, ist die Österreichische Schule der Nationalökonomie. Deren Theorien haben, mit Friedrich August von Hayek, sogar den Nobelpreis erhalten. Selbst Max Otte, der "Crash Prophet", der Mitglied in der selben AtlantikBrücke ThinkTank wie die Bundeskanzlerin, Sonja Lahnstein-Kandel von der Weltbank oder John Christian Kornblum von der Investmentbank Lazard ist, bezieht sich in seinen Werken auf die Überinvestitionstheorie von Ludwig von Mises.

Max Otte schreibt sogar auf Seite 198 seins Buches "Im Nachhinein ist die Erklärung für die Krise einfach". Wenn also die Ursache der Krise von Ökonomen des einflussreichsten ThinkTank der Nation benannt wird, wieso kann dann nicht einmal ein Ökonom jener Denkschule einen Gastbeitrag verfassen, die jene anscheinend so "einfachen" Theorien am besten kennen und vertreten?

Zu nennen wären hier Jörg-Guido Hülsmann, Thorsten Polleit, Hans-Hermann Hoppe, Oliver Janich. Zum Teil sind dies übrigens ehemaliger Habermas Schüler und Wissenschaftler von Weltrang!

Schabert Albert | Mi., 15. Juni 2016 - 15:19

Ich weiss nicht woher Herr Draghi sein Wissen hat.
Es spielt sich das gleiche wie in Japan ab,wo das Geld der Wirtschaft wegen der Deflation hinterhergeworfen wurde.
Das Ergebnis ist Stagnation,das Geld blieb in den grossen Unternehmen hängen,ohne das diese investierten.
Den Schaden haben Sparer,Versicherer und Banken,er lässt sich nicht beziffern
Die Differenz zwischen Sparzins und Inflation war nicht immer positiv.Meine Frau und ich haben unser Erspartes den Banken entzogen,ich verrate aber hier nicht wo wir es hingelegt haben.
Albert Schabert

Robert Flag | Do., 16. Juni 2016 - 13:51

Da haben wir´s: Wir müssen nur alle länger arbeiten, dann leben wir im Land wo Milch und Honig fliesst.
Bis 67 anstatt bis 65, damit wir bloß nicht die Rentenbeiträge um 0,3% erhöhen müssen.
Am Besten schaffen wir die Rente ganz ab und arbeiten bis wir tot umfallen. Dann ist der Staat gerettet, die Banken und der Euro gleich mit.
Die Realität sieht anders aus: Ab 50 hat der Arbeitgeber das vornehmliche Interesse den Arbeitnehmer loszuwerden. Da de facto kaum jemand wirklich bis 67 arbeitet, findet hier lediglich eine gewaltige Rentenkürzung statt. Um nichts anderes geht´s. Und der deutsche Michel ? Der klatscht auch noch Beifall.

Das Konzept Staatsrente ist wohl einfach obsolet. Ich schlage vor jeder spart sein Geld selbst und arbeitet bis wann er Lust hat. Eigentlich hat sich ja früher auch die Familie um die Alten gekümmert. Warum muss der Staat das jetzt alles machen? Das aktuelle System ist jedenfalls langfristig nicht zu finanzieren.