Statue von Martin Luther
Martin Luther wird heute als Freiheitsheld verklärt – die Auswirkungen seines Protests hat er sich jedoch anders vorgestellt / picture alliance

500 Jahre Reformation - Freiheitskämpfer wider Willen

Kolumne: Schöne Aussicht. Martin Luthers Aufstand gegen die Katholische Kirche hat maßgeblich zur Individualisierung der westlichen Kultur beigetragen. Dabei war der Reformator keineswegs ein großer Freiheitsfreund. Eine Annäherung an das Erbe der Reformation aus humanistischer Sicht

Matthias Heitmann

Autoreninfo

Matthias Heitmann ist freier Publizist und schreibt für verschiedene Medien. Kürzlich hat er das Buch „Entcoronialisiert Euch! Befreiungsschläge aus dem mentalen Lockdown“ veröffentlicht. Seine Website findet sich unter www.zeitgeisterjagd.de.

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Vor ziemlich genau 500 Jahren brachte der Augustinermönch und „Doctor theologiae“ Martin Luther seinen Unmut über den geschäftsmäßigen Handel mit Ablassbriefen in der Kirche in Form eines öffentlichen Thesenpapiers zum Ausdruck. Er konnte nicht ahnen, welche Entwicklungen dadurch ausgelöst wurden. Was 1517 eigentlich als theologischer und innerreligiöser Beitrag zur Stabilisierung der Kirche in 95 Thesen gedacht war, wurde zu einem Katalysator wichtiger und historisch einzigartiger gesellschaftlicher Entwicklungen: der Erosion kirchlicher Einheit und Autorität, des Auseinanderbrechens von Religion und Politik, der Legitimierung von Ungehorsam sowie der Aufwertung der individuellen und später auch politischen Freiheit des Menschen.

Weder Politiker noch Revolutionär

Luther war weder ein Politiker noch willentlich ein Revolutionär. Sein Ziel war keineswegs die Schwächung kirchlicher Autorität, sondern im Gegenteil deren Bewahrung durch das Einfordern ehrlicherer und moralisch reinerer Glaubens- und Handlungsstandards in Kirche und Gesellschaft. Um dies zu erreichen, sah sich Luther gezwungen, gegen die existierende kirchliche Autorität zu rebellieren. „Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir, Amen“, lautet der überlieferte weltberühmte Ausspruch Luthers angesichts der gegen ihn erhobenen Anschuldigung, die Autorität des Papstes in ketzerischer Art und Weise herausgefordert zu haben.

Dieses Aufbegehren Luthers setzte eine Kette von Ereignissen in Gang, in deren Verlauf nicht nur die Einheit der christlichen Kirche aufgelöst wurde. Sondern auch die bis dahin untrennbare Einheit von Macht und moralischer Autorität, von Politik und Religion und letztlich auch von Gesellschaft und Individuum. Auch wenn Luther genau dies nicht wollte: Sein Ungehorsam definierte erste Bruchstellen und öffnete Risse und Spalten, in denen sich das Bewusstsein individueller Freiheit sowie der Zulässigkeit von Widerstand überhaupt erst entwickeln konnte.

Das Ende des kirchlichen Moralmonopols

Schon allein durch die Betonung seiner ganz persönlichen Beziehung zu Gott stellte Luther die bisherige religiöse Dogmatik grundlegend infrage. Die hier zum Ausdruck kommende Annahme, dass der innere Glaube und das Gewissen des einzelnen Menschen größer und stärker sind als jede Form religiöser und politischer Macht, erschütterte die bis dahin vorherrschende Sichtweise. Bislang erschien einzig der Klerus als möglicher Vermittler zwischen Gott und der Masse der Gläubigen: Die Geistlichen allein lasen und interpretierten die heiligen Schriften und leiteten daraus die Moralvorstellungen ab, denen die Gläubigen kritiklos zu folgen hatten, wenn sie nicht als Ketzer aus der religiösen Ordnung ausgestoßen werden wollten.

Mit Luthers Kritik am kirchlichen Moral- und Integritätsmangel erschienen die Idee der Verpflichtung zum individuellen Widerstand ebenso wie die Annahme, dass persönliche Freiheit als ein der öffentlichen Macht entgegengesetzter Pol zu betrachten ist, erstmals in dieser Deutlichkeit auf der Tagesordnung der Zivilisationsgeschichte. Vor diesem Hintergrund ist auch Luthers Übersetzung der Bibel ins Deutsche zu bewerten: Erstmals sollten die Gläubigen selbst die Möglichkeit haben, Gottes Wort zu lesen und sich seiner Autorität unmittelbar zu unterwerfen. Kein Wunder, dass dies in der römisch-katholischen Kirche als Angriff auf das eigene Interpretations-Monopols betrachtet wurde.

Kein Freund des freien Willens

Dennoch wäre es ein Irrtum, Martin Luther als einen Vorläufer des modernen Freiheitskämpfers zu sehen. Wenngleich mit seinem Namen in die Richtung deutende Entwicklungen verbunden werden: Mit der echten Freiheit des Individuums hatte er nur sehr wenig am Hut. Tatsächlich waren Philosophen und Theologen wie etwa Thomas von Aquin oder dann auch Erasmus der Vorstellung von der Handlungsfreiheit des Einzelnen sehr viel stärker zugetan als Luther. In der katholischen Theologie ist die Vorstellung weit verbreitet, dass es Teil der menschlichen Natur sei, tatkräftig nach dem Guten und nach Erlösung durch und in Gott zu streben.

Auf genau dieser Annahme basiert ja nicht nur das Sakrament der Beichte, sondern auch die Logik eben jenes Ablasshandels, dessen Auswüchse Luther so scharf kritisiert hatte. Für ihn stand in der menschlichen Natur eher die Ohnmacht gegen das inhärente Böse im Vordergrund. Nicht durch eigene Taten, sondern einzig durch Gottes Gnade war Erlösung für ihn möglich. Ein freier Wille gegenüber Gott war für Luther völlig abwegig, was auch erklärt, warum er selbst im Kampf gegen Häretiker und Ketzer überaus kompromisslos war. Mit Abstrichen denkbar war für ihn jedoch ein gewisser Freiheitsspielraum in der säkularen Welt, mit und unter weltlichen Herrschern.

Kritik an Autorität begünstigte den Absolutismus

Diese von Luther aufgeworfene Unterscheidung zwischen spiritueller und säkularer Welt hatte in der Folge paradoxe Konsequenzen: Einerseits öffnete sich langfristig neuer Raum für die Entwicklung individuellen Selbstbewusstseins sowie für die Vorstellung, dass der Mensch innerlich frei und seine Seele unantastbar sei. Andererseits beförderte genau dies kurzfristig die Entstehung einer neuen, von religiös-moralischen Vorstellungen entbundenen Form der Herrschaft: des Absolutismus. Gerade das Argument, dass die Seele des Einzelnen unabhängig von weltlichen Ereignissen und Handlungen vor Gott unverletzlich sei, sollte die Menschen bedingungslos duld- und gehorsam halten, entband jedoch die Herrscher jeder Verpflichtung, sich den Maßstäben christlicher Ethik unterzuordnen.

Die mittelalterlichen Bindungen zwischen Herrschaft und Moral wurden zerschlagen: Das Austragen von Kriegen wurde in einer Absolutheit und Brutalität möglich, wie es vorher kaum vorstellbar war. Gleichzeitig aber blieb die Möglichkeit religiös motivierten Ungehorsams und Widerstands als Luthers Erbe grundsätzlich bestehen: Sie führte dazu, dass sich das politisch erwachende und mächtiger werdende Bürgertum in seinem Streben nach Freiheit und Entwicklung durchaus direkt und unmittelbar gegen die Autoritäten stellte. Der „Protestantismus“ spielte im so entstehenden bürgerlichen Selbstverständnis eine wichtige Rolle.

Kritischer Ungehorsam vor unkritischem Gehorsam

In gewisser Weise legte Martin Luther mit seinen 95 Thesen den Grundstein für eine sowohl ideelle als auch gesellschaftliche Entwicklung, in deren Verlauf es immer selbstverständlicher wurde, dass der Mensch als handelndes Subjekt Verantwortung für sein eigenes Schicksal übernimmt. Luther wollte das nicht, zu negativ war sein Menschenbild. Und dennoch trug er mit seinem Handeln dazu bei, dass sich die Menschen entgegen seiner eigenen Vorstellung weiterentwickelten. Bis heute prägt der von Luther aufgeworfene Konflikt zwischen der Autorität der Macht und dem Streben nach individueller Freiheit und die in diesem Spannungsverhältnis florierende Idee des rechtmäßigen Ungehorsams und der Freiheit unser modernes Denken. Unkritischer Gehorsam gilt heute gemeinhin als ewiggestrig und als „nicht von dieser Welt“.

Das bedeutet jedoch keineswegs, dass es aus der Welt ist. Absolutheitsansprüche, Annahmen der Alternativlosigkeit sowie das Verfolgen, Ausgrenzen und Mundtotmachen von Andersdenkenden sind auch heute noch allgegenwärtig, und dies nicht nur in fernen Ländern und Kulturen, sondern mitten in der westlichen Zivilisation. Deren Errungenschaften zu verteidigen ist eine tagtägliche Verpflichtung, der man nicht durch Nachfolgen gerecht wird, sondern durch selbstbewusstes Vorangehen. Martin Luther war weiß Gott kein Freund des Menschen und auch nicht der Freiheit. Im Gegenteil: Der heute erreichte Grad an individueller Selbstbestimmung würde ihn erschauern lassen. Aber immerhin war er doch Mensch genug, um sich von seinem eigenen Denken und Glauben leiten zu lassen und sich gegen Autoritäten zu stellen. Dieser Beitrag zur Geschichte der Menschheit ist ein wichtiger – ganz gleich, ob man selbst nun religiös ist oder nicht.

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Dorothee Sehrt-Irrek | So., 29. Oktober 2017 - 11:06

Das Christentum verbreitete sich, ihr Auslegungsort blieb aber Rom.
Die Krönung König Otto des I. zum Kaiser fand in Rom statt, für die Legitimierung zum rechtmäßigen Erbe des römischen Reiches.
Damit eröffnet sich eine Kluft zu den wirklichen Machtverhältnissen, selbstverständlich auch im Glauben.
Die Bezüglichkeiten richten sich nicht nach Wunsch und Wille.
Die längere Abwesenheit Otto des Großen aus seinem Reich war die Folge und davon die Last der Regierung bei den "Fürsten" des Landes.
Wer die Arbeit macht, wird selbständig und im Falle der Deutschen als Spezifizierung der Germanen bleibt selbstbestimmt.
Die Reformation trägt dem Rechnung auf kirchlichem Boden.
Eher nicht vorstellbar, dass man das Christentum verbreitet und die Menschen das Denken aufgeben.
Ob Luther es nun wollte oder nicht, er war religiöser Führer der Deutschen, Deutschlands, während die Katholiken in der Hoheit der RÖMISCH-kath. Kirche verblieben.
Luther ist theologisch Gesamt-Erbe, nicht Rebell?

Christa Wallau | So., 29. Oktober 2017 - 12:10

Im Gegensatz zu den meisten protestantischen
Theologen heutzutage, so sehe ich es jedenfalls,
war Luther ein durch und durch gläubiger Mensch in dem Sinne, daß er Jesus Christus und der Gott des Alten und Neuen Testamentes wirklich ernst nahm. Es ging ihm nicht um Friede, Freude, Eierkuchen auf Erden, sondern um das ewige Heil des Menschen - um seine unsterbliche Seele.
Der Kern seines "Reform" bestand darin,
dem verrrotteten Klerus, der Kirchenleitung in Rom, klarzumachen, daß nicht s i e die entscheidende Rolle in der Heilsgeschichte eines Menschen spielten, sondern Gott, der durch Jesus Christus ein für allemal die Menschheit erlöst hat.
Luther war in gewissem Sinne ein früher "Befreiungstheologe", allerdings kein sozialkritischer, sondern ein Befreier des Individuums aus seiner Gewissensnot.

Wenn sie sich auf Luther berufen will, muß seine Kirche das Seelenheil des einzelnen Christen wieder in den Mittelpunkt ihrer Arbeit stellen und nicht Politik, Klima- u. Weltrettung.

Robert Müller | So., 29. Oktober 2017 - 12:28

Unausgesprochen beinhaltet dieser Text die These, wonach Religion primär und die gesellschaftliche Realität sekundär ist. Also, ändert sich die Religion, dann ändert sich die Gesellschaft. Ist es nicht wahrscheinlicher, dass die Gesellschaft sich bereits geändert hatte und deshalb diese neue Auslegung so erfolgreich war? Luther wäre dann kein Titan, der mit eigenen Händen das Mittelalter beendete, sondern eher einer der den Zeitgeist aufgegriffen und in eine neue Theologie gefasst hat.

Mit einem solchen Ansatz könnte man in das Heute wechseln und schauen, ob unsere Gesellschaft nicht auch eine neue Theologie bräuchte? Wir sind gerade Zeugen, wie die demokratische DE-Gesellschaft eine neue islamische Theologie formuliert, bei der noch ihr Erfolg ungewiss ist. Auch bei den Christen könnte das notwendig sein, wobei es eigentlich sehr erfolgreiche christliche Strömungen gibt, nur halt nicht in DE. Z.B. in das so in der USA, in Afrika und in Russland.

Eberhard Scholz | So., 29. Oktober 2017 - 12:45

Eine Einheit der christlichen Kirchen hat es fast nie gegeben. Beginnend mit den ökumenischen Konzilien im 4. Jahrhundert und weiter mit dem Schisma von 1054 hat es immer Abspaltungen im Christentum gegeben. Dennoch ist weitestgehend das Credo Grundlage des christlichen Glaubens.

Benjamin Beldea | So., 29. Oktober 2017 - 13:25

Sehr geehrter Herr Heitmann,
Ihr Artikel hat mir gut gefallen.
Als lutherischer Christ möchte ich mir die Bemerkung erlauben, dass Luther einen höheren Freiheitsgrad im Sinne hatte, als die humanistisch-säkulare Philosophie, nämlich die absolute Freiheit, die "Freiheit eines Christenmenschen": "Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemand untertan. Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan."
Der Christ ist der freiste Mensch, weil er gar nichts mehr muss, sondern Christus, der ideale Mensch, der absolut Gute, aus ihm heraus handelt. Er tut nicht, weil er tun muss, sondern weil er tun will, was gut ist.
Aber der Christ weiß auch um seine Doppelnatur, dass das Böse noch in ihm koexistiert. Das ist der ständige Streit des Christen mit sich selber.
Es gibt keinen anderen Standpunkt, keinen sekularen oder religiösen, der freier, ehrlicher und ausgeglichener wäre.
Aber die Weltlichen verachten ihn und büßen jetzt dafür ...

Linda Solvey | So., 29. Oktober 2017 - 15:44

die Ungerechtigkeit in der Gesellschaft ist heute viel größer, als es damals war mit dem Unterschied, damals dürfte nichts gegen die Kirche sagen, heute
gegen Normalos, gegen Wessis und nicht gegen AfD!
Muß ein anderer Luther kommen, ich hoffe, daß er schon geboren ist und mit einer christl. Leitkultur!

Romuald Veselic | So., 29. Oktober 2017 - 16:53

nichts anfangen.

Luther war gegen alles, was wir heute an der italienischer Renaissance, Kunst und Literatur bewundern, die Hand in Hand mit dem Humanismus unsere Zivilisation weiter brachte und immens bereicherte. Mir ist klar, dass der Klerus von damals, kein Bild von Musterknaben abgab, genauso wie heute es "unsere" Politiker tun, derer neue Religion Nachhaltigkeit/Alternativlosigkeit/Klimaschutz genannt wird. Abgesehen davon, ohne Luther Zutuns, gab der allmächtige und allwissende Gott dem Menschen den freien Willen, was absolut entscheidend ist. Warum der Allmächtige sich der Hölle nicht entledigt hatte, halte ich zweckmäßig opportun, um zu verhindern, die Bösen im himmlischen Paradies zu empfangen. Aus welchem Blickwinkel auch immer.

Johannes Schneider | So., 29. Oktober 2017 - 17:45

Hoffentlich geht das Luther-Gedenken bald zu Ende! L. zündet auch medial nicht mehr. Als Katholik erfreue ich mich am Tagesheiligen und lasse mich davon inspirieren für die Bewältigung der täglichen Herausforderungen.

Bernhard K. Kopp | So., 29. Oktober 2017 - 20:55

Kirchenreformatorisch hat schon Jan Hus in Prag einen Versuch unternommen. Martin Luther wurde aber geschichtsmächtig. So wichtig es ist, sein überliefertes Denken aus unterschiedlichen Winkeln zu beleuchten, das zentrale Anliegen sollte sein, Luther's kulturhistorische Bedeutung so einzuordnen wie er es verdient.

Sepp Kneip | So., 29. Oktober 2017 - 22:46

Ist es eigentlich gelungen festzustellen, was Luther wirklich wollte? Nur der Kampf gegen den durch Geld erkauften Sündenerlass wäre zu simpel, um Luther die Bedeutung beizumessen, die ihm zugeschrieben wird. Seine profanen Verdienste um die deutsche Sprache sind unbestritten. Ebenfalls die um die Bibilübersetzung. Ansonsten?

Luther traf mit der Kritik am Ablasshandel und damit der Kritik an Rom den Nerv der Zeit. Er entkoppelte die kirchliche Macht von der weltlichen und entzweite die Kirche. Die weltliche Macht dankte ihm dafür, indem sie in großem Maße den Katholizismus verwarf und dem Protestantismus huldigte. Alles, was heute um Luther herum passiert, ist einerseits die Hochachtung vor dem Sprachschöpfer und dem Bibelübersetzer und andererseits Anerkennung für die Befreiung der weltlichen Macht von Rom. Es ist daher dem Protestantismus immanent, auch der weltlichen Macht zu huldigen. Nicht immer zum Guten. Mögen die Luther-Feiern auch hieran erinnern.

Thomas Radl | Mo., 30. Oktober 2017 - 08:05

»Unkritischer Gehorsam gilt heute gemeinhin als ewiggestrig und als „nicht von dieser Welt“.
... Absolutheitsansprüche, Annahmen der Alternativlosigkeit sowie das Verfolgen, Ausgrenzen und Mundtotmachen von Andersdenkenden sind auch heute noch allgegenwärtig, und dies nicht nur in fernen Ländern und Kulturen, sondern mitten in der westlichen Zivilisation.«
Was heißt "allgegenwärtig? Das erlebt geradezu eine Renaissance. "Alternativlos" ist schon zum ständigen Totschlagargument gegen Kritik an den "Herrschenden" geworden und "mundtot machen", da braucht man bloß (insbesondere in den sogenannten "Mainstream-Medien" und den "Altparteien") zu beobachten, wie mit Wählern oder Mitgliedern der AfD umgegangen wird. Das ist Mittelalter!
Und einen Vergleich mit der "Renaissance" wird unsere Epoche nicht bestehen. Das war eine kulturelle Epoche mit großartigen Künstlern. Die Dreckschmierereien und Brandschatzungen der SANTIFA werden so nicht im Gedächtnis bleiben - eher als verachtungswürdig!

helmut armbruster | Mo., 30. Oktober 2017 - 08:54

z.B. durch seine Schrift "Von der Freiheit eines Christenmenschen".
Bauern und Leibeigene - damals die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung - verstanden die Schrift als Aufruf zu ihrer Befreiung aus den Fesseln des Feudalismus, als Rechtfertigung ihres Aufstandes gegen Adel, weltliche u. kirchliche Fürsten (Bauernkrieg).
Luther hat sich distanziert, wollte sich nicht so verstanden wissen und hat sich auf die Seite von Adel und Fürsten gestellt u. die blutige Niederwerfung des Aufstandes gebilligt und sogar empfohlen.
Man soll nicht spekulieren wie Geschichte verlaufen wäre, wenn...
In diesem Fall wäre es aber hoch interessant zu spekulieren, was aus dem hl. röm. Reich dt. Nation geworden wäre, was passiert wäre, wenn Luther die Bauern unterstützt hätte und sie gesiegt hätten.
Aber wie gesagt, nicht spekulieren.

Ein Grund für den Aufstand der germanischen Stämme gegen Rom soll deren Justiz gewesen sein, die dem freien Germanen eben seine Freiheit nahm?
Aus "Die Germanen" über die Varusschlacht.
Anders als viele hier im Forum sehe ich nicht den zivilisatorischen Wert der Römerherrschaft unabhängig von ihrem Herrschaftsmodell.
Erklärt wurde das in dem Film leider nicht.
Die Idee, man hätte den Germanen mit den 10 Geboten etwas neues erzählt, finde ich abenteuerlich.
Das Christentum wurde als neue Religion angenommen, weil es etwas neues war, das die alten Götter ablösen konnte.
Die Freiheit des Christenmenschen hätte sehr wohl die Freiheit der Bauern bedeutet.
Warum trug Luther dem nicht Rechnung?
Müntzer war zu radikal und im Ergebnis zu wenig Theologe einer neuen Ordnung als dass Luther ihn hätte unterstützen können? Erst Nietzsche?
Diese "neue" Ordnung, die bei Müntzer anklingt bleibt Motor der Geschichte in Deutschland, Freiheit des Menschen in Gott.
Müntzer gehört zur Reformation

da bleibt noch eine Menge Gott übrig und wird immer von Menschen eingelöst.
Man lese dazu das vielschichtige Buch von Sir John Eliot Gardiner "BACH Musik für die Himmelsburg" und höre dazu die besprochenen Musikstücke, z.B. "Jesus schläft was soll ich hoffen BWV 81". Ich liebe die Version von Karl Richter
Ich war mir da mit meiner Lieblingscousine einig, Bach ist ein Hinweis auf Gott. Seine Existenz erahnen wir in ihm.
Es ist nicht schlimm, wenn wir Angst haben, schlimm ist es wenn niemand sich für uns zuständig fühlt.
Das tut weh.
Was in den letzten Jahren geschah war in meinen Augen ein Trauerspiel und knüpft darin an an vor allem dann für andere schlimmere Zeiten.
Warum folgte man Hitler?
Weil die Deutschen verzweifelt waren.
Wenn die Politik Abgehängte und Ängstliche ausmacht, dann sollte sie sich um Linderung kümmern, statt sich über die Menschen zu erheben.
Menschen glauben an Götter, weil sie Hilfe erhoffen und anmahnen.
Gott liebt Alle und also auch die Deutschen

Yvonne Walden | Mo., 30. Oktober 2017 - 09:57

Hätte das Kirchenvolk zu Luthers Zeiten dem Gewissen folgend entscheiden dürfen, gäbe es die Katholische Kirche in ihrer Macht- und Prachtentfaltung heute vermutlich nicht mehr.
Denn der damals von Rom gesteuerte Ablasshandel entsprach mit ziemlicher Sicherheit nicht den Intentionen der Jesuanischen Lehre ("Heilige Schrift").
Den Kirchenoberen ging es dabei bekanntlich nur um große Summen, um das römische Machtzentrum (Vatikanpalast) zu errichten und zu komplettieren.
Insoweit hätte die lutheranische Lehre deutlich mehr Zulauf haben müssen.
Allerdings bestimmten damals die Landesfürsten über die Konfession ihrer Untertanen.
Aber auch die Lehren Luthers haben bekanntlich ihre Schwächen, wenn wir an die Feindseligkeit gegenüber dem Judentum denken.
Der damalige Ablasshandel sollte noch heute Konsequenzen haben. Hat sich die Katholische Kirche jemals für diese Ungeheuerlichkeit beim Kirchenvolk entschuldigt?

Wem soll das beliebte und bei vielen Gelegenheiten - wie auch von Ihnen- eingeforderte "Entschuldigungsgesülze" nützen ? Bis zu welchem Jahr bzw. Jahrhundert wollen Sie zurückgehen ? Da hätten Christen z.B. wg. Jesus noch eine Entschuldigung von den Römern zu erwarten etc. etc.

Es geht nicht um eine "Entschuldigung" im formalen Sinne, sondern darum, daß führende Kräfte in der Römisch-katholischen Kirche (ich denke da an den ehemaligen Papst Ratzinger, Pseudonym Benedikt XVI.) den Protestantismus insgesamt geringschätzen und nicht als "richtige" christliche Religion akzeptieren.
Eine Ökumene ist von diesen Kräften nur unter der Voraussetzung denkbar, daß sich alle übrigen christlichen Religionen dem Katholizismus unterordnen.
Dabei sollten sich gerade die römischen Kirchenvertreter darauf besinnen, daß sich ihre eigene Kirche von den Lehren ihres Großmeisters Jesus eklatant entfernt hatte und bis heute hat.
Erst der heutige Papst Franziskus macht zaghafte Schritte zurück, indem er auf Pomp und Prachtentfaltung möglichst verzichtet und die Nähe von Armen und Zurückgelassenen sucht.
Seinen Vorgängern wäre so etwas nie in den Sinn gekommen.
Erst wenn die Katholische Kirche bereit ist, alle übrigen Christinnen und Christen am Abendmal teilhaben zu lassen...

Udo Franke | Mo., 30. Oktober 2017 - 16:20

Über M.L. manches gelesen oder dokumentiert gesehen, ist es nicht leicht diesen "Geist" verstanden zu haben. Danke für diese gute Zusammenfassung Herr Heitmann !

Rudi Hamann | Di., 31. Oktober 2017 - 08:52

Er hat einen Stein zum Rollen gebracht in dem er Dogmen der kirchlichen Macht öffentlich kritisiert hatte. Wenn ich die Weltkarte betrachte erkenne ich die Korrelation zwischen Wohl und Leid der Menschheit und dogmatischen Glaubensformen. Für mich war immer Nordeuropa das "heilige" Land nicht Südeuropa oder Irland. Ich konnte schon als Konfirmant wie meine Freunde mit meiner Religion nichts anfangen, im Mittelalter wäre ich sicherlich auf dem Scheiterhaufen gelandet. Ich bin deshalb Luther zum Dank verpflichtet.

Michael Jensen | Di., 31. Oktober 2017 - 09:22

Alle 500 Jahre wieder?
Feiertags-Anbiederei heute

Nach Ramadan den Futtertag
tun manche bei uns kund,
als Feiertag im Bund.
Da lob ich mir den Muttertag...

Ganz pfiffig wär ein Buttertag:
Den Armen gebt zwei Pfund!
Das wäre mal ein Grund. –
Warum nun dieser Luther-Tag?!

Wer Reden halten will, sei frei.
Dafür braucht‘s keinen Feiertag;
das Wichtigtun lasst bleiben!

Mein Vorschlag, statt der Frömmelei:
Am Müller- oder Meier-Tag
würd ich Gedichte schreiben.

wolfgang spremberg | Di., 31. Oktober 2017 - 18:07

Alle Offenbarungsreligionen beruhen auf dem Glauben, das nach vielen tausenden von Jahren Menschheitsgeschichte, ein allmächtiger Gott, der die Welt und die Menschen so geschaffen hat wie sie sind, sich Menschen offenbart hat, damit diese der Menschheit mitteilen, wie der Allmächtige die Welt gern hätte. Bisher waren die Empfänger der Offenbarungen und ihre Anhänger nicht sehr erfolgreich, sie verkünden den Menschen aber immer noch den Willen des Allmächtigen, wobei der Allmächtige sich offensichtlich nicht klar genug ausgedrückt hat. Im Taoismus, Buddhismus und anderen Weisheitslehren sieht man das etwas anders.

wolf wilhelmi | Di., 31. Oktober 2017 - 19:05

Im Lutherjahr darf sich jeder versuchen: jetzt Heitmann. Seine Ausführungen nutzen Luthers Weg und Werk als Sprungbrett, um die eigenen, zuvor festgelegten Gedanken zu entfalten. Das ist erlaubt - wird der reformatorischen Sache historisch und theologisch nicht gerecht, dringt nicht in die Tiefe von Luthers Anliegen vor. Das führt dann zur abwegigen Behauptung, "Luther sei kein Freund von Mensch und Freiheit" gewesen. Wahr ist, dass Luther in der seelsorgerlichen Begleitung auf Misstände aufmerksam wurde, die er dann um des Menschen willen abzustellen suchte. Dass Luther 1520 ein Freiheitsverständnis entfaltet, das nicht die moderne Freizügigkeit kennt, kann man diesem nicht vorwerfen. Schließlich irrt H. hinsichtlich des "freien Willens gegenüber Gott". Luther hat ihn zu Recht geleugnet, weil er nur eine "Redensart" ist. Der Mensch ist, nach evangelischem Verständnis bis heute, Gott gegenüber nicht frei, sondern ist "Sklave der Sünde " (Römer 6).

Alexander Mazurek | Di., 31. Oktober 2017 - 19:17

... die Nebelwand für alle Verbrechen der entgleisten Aufklärung. Nietzsche hat es auf den Punkt gebracht (in Antichrist): "...Die Schwachen und Mißrathnen sollen zu Grunde gehn: erster Satz unsrer Menschenliebe. Und man soll ihnen noch dazu helfen...". Und wer hat diesem den Weg bereitet, doch nicht gar der Martin mit seine drei "sola", der den "Glauben" (was auch immer das sein mag) von der Tat löste?!

Martin Arndt | Mi., 1. November 2017 - 07:42

Fürwahr: Dieser Mann war kein "Freund des Menschen". Sein Judenhass ist der Beweis dafür, dass die die auch jetzt wieder bejubelte sola fide nicht immunisiert gegen Hass u. eliminatorische Mordphantasien. Die orthopraktische Werkgerechtigkeit ist wohl doch ein Juwel. Luthers Mischung aus Frömmigkeit, Mystik, Liebe zur Musik u. Grausamkeit war leider kein Einzelfall der deutschen Geschichte. Er muss endlich u. für immer nur Objekt der Histeriographie werden.

Dr. Lothar Sukstorf | Mi., 1. November 2017 - 12:08

oh je...was jetzt alles ausgekramt wird....M.L. war ein Kind seiner Zeit, in der Juden oft und meist nicht wohlgelitten waren, ihn nun im Sinne der NS-Verbrechen zu 'verurteilen' ist brachialer Nonsens.

Alexander Mazurek | So., 5. November 2017 - 00:21

Antwort auf von Dr. Lothar Sukstorf

Ein Dr, Martin Luther war Mitunterzeichner des Wannsee-Protokolls. Zufall oder Methode?

Dr. Lothar Sukstorf | Mo., 6. November 2017 - 11:10

Antwort auf von Alexander Mazurek

...auf diese These kommen bestimmt noch einige, die dann behaupten, er habe diese Konferenz bereits 500 Jahre früher eingeleitet...

Dr. Lothar Sukstorf | Mo., 6. November 2017 - 11:11

Antwort auf von Alexander Mazurek

...auf diese These kommen bestimmt noch einige, die dann behaupten, er habe diese Konferenz bereits 500 Jahre früher eingeleitet...

Dr. Lothar Sukstorf | Mi., 1. November 2017 - 12:15

Gestern war zu vernehmen - wurde gemeldet - Dunja Hyaly hat ebenfalls 95 Thesen verfasst. Zu einem richtete sich da etwas gegen DHL-Paketboten...ich kann nur sagen, wie tief sind die Medien gesunken! Ich dachte immer, tiefer geht es nicht im Niveau, doch jetzt das...man wird immer wieder neu überrascht. Es geht immer noch tiefer, siehe auch unsere politischen Repräsentanten! Es geht immer noch tiefer!

Dorothee Sehrt-Irrek | Mi., 1. November 2017 - 19:30

Selbst wenn sie jetzt beim Islam angekommen wäre, 95 Thesen darf sie doch wohl schreiben an die Zivilgesellschaft zum Beispiel.
Aber Paketboten..sie machen Scherze. Haben Sie sie gelesen?
Der Artikel in der Welt sagt klar, dass es sich um einen ihrer vielen Tweets handelt.
Luther hat mit seinen Thesen keine neue Bibel geschrieben.
Wenn sie sich in seinem Gedächtnis äußert, bitte.

Die kann von mir aus 1000 und eine These verfassen; was ich nicht ausstehen kann, wenn jemand beginnt zu nerven. Und sich gar zu wichtig nimmt, diese Aktivistin der Hypermoral.

Dr. Lothar Sukstorf | Fr., 3. November 2017 - 13:21

Wo sind eigentlich die heutigen Freiheitskämpfer abgeblieben? Ich meine nicht diejenigen, welche die Grünen wählen...Ach ja, die treten im Fernsehen als sogenannte Kabarettisten oder als Comedians auf. Oder landen z.B. beim Feuilleton der FAZ oder SZ. Wer "kämpft" eigentlich noch für die deutsche Sache? Nicht nur für unser wirtschaftliches Wohlergehen? Wer bemüht sich darum, daß wir wir bleiben können? Wer? Die CDU/CSU, die SPD, die Grünen/innen (ha ha), die Linke, die FDP? Fr. Merkel?