Ein Portrait von Masoud Aqil.
Masoud Aqil möchte mit seinem Buch über den IS aufklären / Foto: Jörg Schulz

IS in Deutschland - „Die europäischen Medien machen den IS gefährlicher als er ist“

Der Syrer Masoud Aqil geriet Ende 2015 für 280 Tage in IS-Gefangenschaft. Dank eines Gefangenenaustausches kam er frei und floh nach Deutschland. Ein Gespräch über die Rolle des IS in Deutschland und die Radikalisierung von Flüchtlingen

Chiara Thies

Autoreninfo

Chiara Thies ist freie Journalistin und Vorsitzende bei next media makers.

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Massoud Aqil wollte im Interview mit uns nicht über die Folter während seiner Gefangenschaft sprechen, weil die Erinnerungen zu schmerzhaft sind. Deswegen steht hier ein Auszug aus dem Buch: „Nach einer Weile brachten sie mich in einen anderen Raum, wo vier oder fünf Männer mich schlugen und meine Hände hinter dem Rücken mit einem Seil fesselten, an dem sie mich mittels eines Flaschenzugs nach oben zogen, bis meine Füße den Kontakt zum Boden verloren. Auch Assads Sadisten wendeten diese Methode an, die wir „Belango“ nennen. Das Seil schnitt tief in meine Gelenke ein, meine Hände waren schnell taub, und meine Schultern schmerzten so sehr, dass ich glaubte, sie könnten jeden Moment brechen.“ (Masoud Aqil  in „Mitten unter uns“)

Herr Aqil, Sie waren in Syrien 280 Tage lang in IS-Gefangenschaft, wurden täglich gefoltert. Nach ihrer Freilassung sind Sie nach Deutschland geflohen. Über Facebook haben Sie erfahren, dass auch ihre alten Folterer mit dem Flüchtlingsstrom hierher gekommen sind. Welche Gefahr geht von denen für Europa aus?
Eine große. Der Verfassungsschutz spricht von rund tausend Gefährdern und „relevanten Personen“, also Unterstützern. Darunter sind etwa 300 Deutsche, die aus dem IS-Gebiet zurückgekehrt sind. Wir wissen nicht, wie viele IS-Männer unter den Geflüchteten sind. Ich schätze die Zahl auf 200 bis 300.

Nun wollen Sie gegen diese Männer vorgehen. Wie machen Sie das?
Ich recherchiere vor allem in den sozialen Medien, auf Facebook und Twitter. Wenn ich Verdächtige finde, versuche ich, meinen Verdacht zu verifizieren. Dazu stehe ich auch in Kontakt mit Menschen, die mit mir eine Zelle geteilt hatten. Sie alle kennen Namen von IS-Mitgliedern, die mit den Flüchtlingen nach Europa aufgebrochen sind. Ich bin auch mit kurdischen Militärführern verbunden, die bei gefangenen IS-Mitgliedern Informationen abschöpften oder von anderen ausgetauschten kurdischen Gefangenen erhalten haben. So erfahre ich auch von ausgetauschten IS-Mitgliedern, von denen sich einige nach Europa abgesetzt haben.

Ist die Suche schwierig?
Erstaunlicherweise nein. Diese Leute sind sehr naiv. Wer arabisch lesen kann, kann sie finden. Ich entdecke immer wieder Einträge mit IS-Propaganda von Dschihadisten in Deutschland wie diesen: „Heiliger Allah, lass den Islamischen Staat siegen!“ Sie warnen die Ungläubigen, den IS anzugreifen, dass sie Al-Raqqa niemals erobern werden. Sie äußern sich erfreut über jeden „gelungenen“ Anschlag. Ich habe Dutzende dieser Propagandisten in Deutschland gefunden. Ich beobachte solche Accounts. Diese Männer sind gefährlich. Ihre Tweets und Posts sind ernst zu nehmen.

Diese Informationen geben Sie dann an deutsche Behörden weiter. Wie verwerten diese die Informationen?
Leider musste ich lernen, dass einem demokratischen Rechtsstaat Grenzen gesetzt sind. Anders als im IS-Land dürfen Sicherheitskräfte in Demokratien Verdächtige nur bei ausreichender Beweislage festnehmen. Selbstverständlich ist das in Ordnung. Aber manchmal ist es schwer zu ertragen, dass Männer, die das Schariarecht mit all seinen drakonischen Strafen einführen wollen, hier den Schutz und die Gerechtigkeit eines demokratischen Rechtsstaats genießen dürfen. Und da reicht ein Flüchtling als Zeuge eben nicht. Wenn die Sicherheitsbehörden nichts Gerichtsfestes finden – was häufig schwierig ist – dann steht Aussage gegen Aussage. Aber immerhin können sie beobachtet werden. Wenigstens das geschieht nun.

Trotz dieser Beobachtung, kommt es immer wieder zu terroristischen Anschlägen. Diese werden medial stark begleitet. Ist diese intensive Art und Weise der westlichen Medienberichterstattung überhaupt gut?
Nein. Die europäischen Medien machen den IS durch alarmistische Berichte und durch Veröffentlichung von martialischen Bildern größer und gefährlicher als er ist. Wer Bilder der IS-Propaganda – von Sprengstoffanschlägen mit gepanzerten Autos und Lastkraftwagen bis hin zu Hinrichtungsvideos – zeigt, wirbt unfreiwillig oder verantwortungsvergessen für den IS. Daesh ist ein Feind, und niemand sollte einen Feind großartig inszenieren. Im Westen aber geschieht genau das! Politiker und Medien stellen die IS-Kämpfer mit ihrer Maskerade so mächtig dar, so gewaltbereit, skrupellos und gefährlich, als kämen sie von einem anderen Planeten, und erzeugen damit unter der eigenen Bevölkerung Angst. Mit Angst aber ist kein Krieg zu gewinnen.

Ist in Europa also eine bessere Aufklärung über den IS nötig?
Mit meinem Buch versuche ich, dazu beizutragen. Ich zeige, wie der IS wirklich ist. Ich zeige die extreme Neigung zu Gewalt auch untereinander und ich zeige, wie sie lügen. Wenn die jungen Muslime diese radikalen Gruppen kennen, dann sinkt die Gefahr, dass sie ein leichtes Ziel für den IS werden und sich den Terroristen anschließen.

Und mit Insassen von anderen Zellen zu sprechen war verboten. Es drohten 200 Schläge auf die Fußsohlen. Sie erwischten mich dreimal. Beim dritten Mal brachten sie mich in eine Zelle, in der es nicht möglich war zu liegen oder zu sitzen. Ich hatte von Gefangenen gehört, die sie in diesem Zwinger drei Tage stehen ließen. Das Einzige, was sich in solch einem Verschlag bewegen kann, ist der Kopf. Die Gedanken fließen frei. Und je länger man dort ausharren muss, umso drängender kreisen sie um die Frage, was wäre, wenn ich pinkeln oder gar Größeres verrichten müsste. Als der Wächter mich nach sieben Stunden herausließ, fühlte ich einen kurzen Moment des Triumphs. Wenigstens diese Freude hatte ich ihnen nicht bereitet. (Masoud Aqil in „Mitten unter uns“)

In Ihrem Buch kritisieren Sie das lange Warten auf Termine in den Flüchtlingsheimen. Was sollte dort denn besser laufen?
Ich hoffe, dass die Flüchtlinge inzwischen intensiver befragt werden. Vor allem jene, die aus den Hochburgen des IS kommen. Ich bin Deutschland sehr dankbar, dass es so viele Flüchtlinge aufgenommen hat. Aber das geschah nicht sehr kontrolliert und das Land war wahrscheinlich auch überfordert, weil die meisten anderen europäischen Staaten Deutschland mit den vielen Hilfesuchenden allein gelassen haben. Wären die anderen Länder dem deutschen Beispiel an Humanität gefolgt und wären die Hilfesuchenden in ganz Europa verteilt worden, wären die Folgen sicher beherrschbarer gewesen, und vielleicht auch die Gefahren. Leider war – und ist – die Bereitschaft dazu gering.

Wie kann man die Radikalisierung von Flüchtlingen überhaupt verhindern?
Die intensive Befragung filtert möglicherweise Verdächtige heraus. Die Frage ist, wie wir verhindern können, dass junge Leute Anwerbern in Europa auf den Leim gehen. Wenn die jungen Muslime diese radikalen Gruppen kennen, dann sinkt die Gefahr, dass sie ein leichtes Ziel für den IS werden und sich den Terroristen anschließen. Dann brauchen diese Menschen eine Lebensperspektive. Sie brauchen Arbeit, damit sie ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können und zwar nicht nur als Hilfsarbeiter. Sich selbst versorgen zu können macht stolz und zufrieden. Gerade Syrer sind meist gut ausgebildet; deren Qualifikationen, etwa handwerkliche, müssten schneller anerkannt werden. Haben sie Arbeit, müsste der Staat dafür sorgen, dass sie schneller aus dem Flüchtlingsbiotop wegkommen und in eine solide Mietwohnung in einem „deutschen“ Umfeld einziehen können.

Was für eine Rolle spielen dabei Moscheen in Deutschland?
Wir wissen, dass Anis Amri und einige der Attentäter von Paris und Brüssel Moscheen besuchten und dass es dort radikale Prediger gab und gibt. Es gibt aber auch Attentäter, die nie eine Moschee besucht hatten.  Für Flüchtlinge werden Moscheen wichtig, wenn sie sich allein gelassen fühlen. Dort suchen sie Halt. Leider gibt es Moscheen und Kulturvereine, deren Umtriebe mit der freiheitlichen-demokratischen Grundordnung nicht vereinbar sind. Wir wissen alle, was in einigen – bei weitem nicht allen – muslimischen Gebetshäusern in Europa gepredigt wird: mehr Politik als Barmherzigkeit, mehr Aufstachelung zum Hass als Werben für Frieden. Dort wurden und werden junge Menschen dazu verleitet, sich dem Kampf der Terroristen anzuschließen. Aus diesem und anderen Gründen überwacht der Verfassungsschutz rund hundert Moscheen in Deutschland.

Wie sollte dann mit den Moscheen umgegangen werden?
Genau so: Sie müssen überwacht und radikale Prediger aus dem Verkehr gezogen werden. Das geschieht ja offenbar seit dem Attentat in Berlin viel konsequenter. Moscheen und Vereine wurden geschlossen, etliche Dschihadisten verurteilt oder abgeschoben.

Sollte der Westen auch mit dem IS einen anderen Umgang finden?
Wir haben in den vergangenen Jahrzehnten viele radikalislamistische Gruppen gesehen. Sie waren keine Herausforderung für Europa, weshalb die westlichen Staaten keine große Rolle bei der Bekämpfung spielten. Heute sehen die Radikalen Europa als ein Ziel. Nun muss der Westen sich mehr engagieren. Und er sollte dabei nicht nur die eigenen wirtschaftlichen Interessen im Auge haben, sondern die der Menschen dort.

Sollte man den IS dafür mit an den Verhandlungstisch holen?
Auf keinen Fall. Kein Staat sollte mit Terroristen verhandeln. 

Was für Umstände bräuchte es, damit sich Menschen von der IS-Ideologie lossagen können?
Ich möchte niemandem die Hoffnung rauben oder Pessimismus verbreiten. Aber ich glaube nicht, dass jemand sich völlig verändern kann, wenn er einer radikalislamischen Gruppe angehört hat und eine große Gefahr für die Welt ist. Ich kann Menschen nicht vertrauen, die im Namen Allahs für den Tod von tausenden Menschen und die Flucht von Millionen Menschen verantwortlich sind.

Würden Sie, falls irgendwann tatsächlich wieder Frieden in Syrien herrscht, zurückkehren wollen?
Ich bin nicht sehr optimistisch, dass das bald so sein könnte. Selbst wenn der IS besiegt wird, was zweifellos eintreten wird, heißt das noch lange nicht, dass die Ideologie verschwunden ist. Vielleicht ziehen die Dschihadisten dann nach Libyen oder nach Pakistan, um dort zu kämpfen. Aber wenn es in Assads Interesse ist, zum Beispiel um die Kurden einzudämmen, kann er in Syrien wieder einen IS entstehen lassen. Tausende IS-Männer sitzen in den Gefängnissen des Regimes. Und wenn es opportun ist, kann Assad sie wie 2011 entlassen. Ich will mich in Deutschland einrichten. Ich will so schnell und so gut wie möglich die deutsche Sprache lernen, arbeiten und in naher Zukunft studieren. Alles Weitere werden wir sehen.

 

Buchcover Mitten unter Uns

Masoud Aqil: „Mitten unter uns – Wie ich der Folter des IS entkam und er mich in Deutschland einholte“, Europa Verlag, 18,90 Euro, 256 Seiten.

 

 

 

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Karl Kuhn | Di., 29. August 2017 - 10:45

"Daesh ist ein Feind, und niemand sollte einen Feind großartig inszenieren. Im Westen aber geschieht genau das! Politiker und Medien stellen die IS-Kämpfer mit ihrer Maskerade so mächtig dar, so gewaltbereit, skrupellos und gefährlich, als kämen sie von einem anderen Planeten, und erzeugen damit unter der eigenen Bevölkerung Angst."

Genau das passiert eben nicht. Unsere Politiker versuchen doch mit allen Mitteln abzustreiten, dass wir überhaupt einer systematischen Bedrohung gegenüberstehen. Das Problem wird massiv verharmlost, und nicht im Geringsten aufgebauscht. Die Angst der Bevölkerung hat z.T. ihre Ursache in dieser Vogel-Strauß-Taktik der Politik.

Frank Goller | Di., 29. August 2017 - 11:51

Antwort auf von Karl Kuhn

Der Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt, war schnell vom Tisch ! Gab es den überhaupt ? ;-)

Bernd Fischer | Di., 29. August 2017 - 13:02

Antwort auf von Frank Goller

Man könnte meinen Sie hätten Recht.

Die Opfer aus Barcelona kennt fast die ganze Welt mit Namen und Gesicht um "Trauern" zu können.

Während hier wahrscheinlich "Namenlose" ums Leben gekommen sind und die Ruhe im Land den politischen Akteuren viel wichtiger erscheint.

Yvonne Walden | Di., 29. August 2017 - 12:54

Warum wird die terroristische Organisation "Islamischer Staat" (IS) in Deutschland und auch europaweit überschätzt?
Ich denke, dahinter steckt eine militärische Logik. Durch eine aufgebauschte Darstellungsweise ergibt sich überhaupt erst die Möglichkeit eines militärischen Eingreifens.
Wenn es in Deutschland etwa 200 bis 300 IS-Aktivisten gibt, handelt es sich hierbei um eine verschwindende Minderheit, die von unseren Sicherheitsdiensten allerdings durchaus überwacht werden sollten.
Aber militärische Krieger? Zwei IS-Kompanien gefährden unserer Land? Lächerlich.
Aber was geschieht, wenn der IS vollständig "besiegt" ist?
Dann gibt es kein militärisches Feindbild mehr, und das ist tragisch.
Denn dadurch könnten Streitkräfte und Armeen überflüssig werden.
Also müßten die Militärs und auch die Rüstungsbranche neue Aufgabengebiete suchen.
Das wäre nicht gut.
Also sollten sich diese Organisationen auch weiterhin auf den schrumpfenden IS konzentrieren und ihn in Schach halten.

Bernd Fischer | Di., 29. August 2017 - 18:16

Antwort auf von Yvonne Walden

Werte Yvonne Walden, wenn unsere "Sicherheitsorgane" ( alter DDR-Slang ) es noch nicht einmal schaffen "Einzeltäter" ( siehe Berlin ) in den Griff bekommen, was der Inkompetenz...Unfähigkeit...totales Versagen und Eifersüchteleien zwischen...LKA...BKA...BND...Verfassungsschutz und der einfachen Polizei ganz einfach geschuldet ist, so sind Sie also der Meinung das 200 bis 300 IS-Aktivisten mal so ganz "locker" neutralisiert werden können?
Dazu kommt, das gewisse Dienste notwendige Daten aus "Konkurenzdenken" nicht, oder nur verzögert weitergeben.
Dazu kommt die misserable Ausstattung der Polizei noch dazu...kein Digitalfunk ( Abhörsicher ) und so weiter und sofort.

So, und nun Sie wieder.

Mit militärischen Mitteln sind die Terroristen, die sich "IS" nennen, offenbar nicht zu schlagen.
Meine These war bzw. ist, daß es folglich nicht zu den Aufgaben von Streitkräften gehört, Terroristen dingfest zu machen.
Sondern zu den Pflichten der Sicherheitsbehörden.
Offenbar gibt es deutlich zu viele davon (BKA, LKA, MAD, Verfassungsschutz Bund/Länder, BND usw.), so daß sich diese gegenseitig im Wege stehen und ihr Insiverwissen möglichst nicht offenbaren möchten.

Robert Müller | Di., 29. August 2017 - 13:05

"Wer Bilder der IS-Propaganda – von Sprengstoffanschlägen mit gepanzerten Autos und Lastkraftwagen bis hin zu Hinrichtungsvideos – zeigt, wirbt unfreiwillig oder verantwortungsvergessen für den IS."

Mag sein, dass die Zielgruppe des IS sich dadurch positiv angesprochen fühlt, der Rest der Menschheit wohl eher weniger. Man muss schon ein Soziophat sein, um nicht zu erkennen wie schlimm das ist. Hier ist im übrigen auch der Unterschied zum Actionkino zu sehen, wo zwar vergleichbare Szenen zu sehen sind, die aber nur animiert und geschauspielert sind. Im übrigen haben wir die Dschihadisten auch hierzulande bei ihrer Arbeit gesehen. Sollte das von den Medien verschwiegen werden? Angeblich haben einige Parteien vereinbart, sollte es zu derartigen Vorkommnissen während des Wahlkampfs kommen, dann wird man das nicht politisch nutzen. Ich glaube nicht, dass das Ziel dessen ist, weniger Werbung für den IS zu machen.

Michael Glaß | Di., 29. August 2017 - 14:18

" Wer Bilder der IS-Propaganda – von Sprengstoffanschlägen mit gepanzerten Autos und Lastkraftwagen bis hin zu Hinrichtungsvideos – zeigt, wirbt unfreiwillig oder verantwortungsvergessen für den IS. Daesh ist ein Feind, und niemand sollte einen Feind großartig inszenieren. Im Westen aber geschieht genau das! Politiker und Medien stellen die IS-Kämpfer mit ihrer Maskerade so mächtig dar, so gewaltbereit, skrupellos und gefährlich, als kämen sie von einem anderen Planeten, und erzeugen damit unter der eigenen Bevölkerung Angst. Mit Angst aber ist kein Krieg zu gewinnen."

Genauso ist es. Der gewöhnliche Mörder bleibt lieber unerkannt und unentdeckt, der Terrorist aber will das genaue Gegenteil: er will als Kriegsheld/Märtyrer bejubelt werden (er hinterlässt z.B. gerne seinen Ausweis am Tatort) sowie möglichst viel Aufsehen und damit Angst und Panik in der Bevölkerung; Angst – und eine daraus folgende Destabilisierung von Gesellschaften – ist nun mal das Hauptziel des Terrorismus (...)

Michael Glaß | Di., 29. August 2017 - 14:19

(...) Ergo: Solange Medien aufsehenerregend berichten und Politiker die Taten medienwirksam verurteilen, lohnt sich auch der Terror. Schweigen wäre in diesem Fall Gold (denn ein Anschlag, über den nicht berichtet wird, rentiert sich nicht). Da völliges Schweigen freilich keine Alternative ist (Medien und Politiker haben immerhin eine Informationspflicht gegenüber der Bevölkerung): sachliche Kurzberichte mit den wesentlichen Informationen zu Terroranschlägen (zu den Tätern nur, solange diese für die Sicherheit zwingend notwendig sind) würden bereits ausreichen, um den Terroristen die Aufmerksamkeit zu entziehen, auf die sie so dringend angewiesen sind. Leider verhindern so viel Vernunft gewisse „Lügenpresse“-Schreier, die überall Verschwörungen der ach so bösen „Elite“ (wer auch immer das konkret sein soll) wittern. Kann es sein, dass sich unsere „Wutbürger“ über „alarmistische Berichte“ und „martialische Bilder“ insgeheim genauso kindisch freuen wie die Terroristen des IS ...?

Wenn sich alle dran halten würden. Nur es wird medial unterschiedlich verfahren, bei manchen Ereignissen wehen die Fahnen auf Halbmast, dass Brandenburger Tor leuchtet in den entsprechenden Nationalfarben, bei anderen läuft ein Fließtext über den Ticker und ist am nächsten Tag vergessen. Je nach dem wie es politisch nützlich oder unerwünscht ist.

Bernd Fischer | Di., 29. August 2017 - 17:55

Antwort auf von Bernd Eifländer

Während bei den perversen Anschlägen in, ich sags jetzt mal so ganz einfach, in der "westlichen Welt" sofort und reflexartig die "Betroffenheitsmasche" und in totaler Erregtheit sich „verselbstständigt“ hatte , und in Berlin das Brandenburger Tor mit den Nationalfarben des betroffenen Landes angestrahlt wurde, konnte man nichts dabei finden den Opfern vom Anschlag für das U-Bahn-Attentat von St. Petersburg die Ehre zu verweigern.
Einfach nur noch erbärmlich , wenn der Geburtsort entscheidend ist ob man wahrhaftig trauert.

Alles Heuchler.

Michael Glaß | Di., 29. August 2017 - 18:59

Antwort auf von Bernd Eifländer

tatsächlich werden Terroranschläge in den Medien sehr unterschiedlich gewichtet. Dies hängt jedoch nicht von politischen Wünschen und Interessen ab, auch in den Medien herrschen die Regeln von Angebot und Nachfrage. Ein Anschlag in Barcelona oder Paris liegt „uns“ näher als ein solcher in Kairo oder Kabul – weshalb über erstere entsprechend umfangreicher berichtet wird. Doch ich gebe Ihnen recht, diese Gewichtung ist wenig sinnvoll und sowieso nicht gerecht.

das es Ihnen in Ihren Ausführungen bezüglich der medialen Berichterstattung über
die Untaten dieser Terroristen und deren Aufmerksamkeitsgrad nur darum geht,
eine Ihnen nicht genehme Gruppe von Mitbürgern zu desavouieren? Pardon, sollte
mein Eindruck ein falscher sein. Glauben Sie ernsthaft diese islamistischen Möchtegern-Eroberer von ihren Terrortaten abzuhalten oder auch nur durch eine
"ignorantere" Berichterstattung zu beeindrucken? Aber in einem gebe ich Ihnen recht.In Deutschland wird diesen Unmenschen in Relation zu ihren Opfern viel zuviel Aufmerksamkeit zuteil! Einem Angehörigen der sein Liebstes an solche Verbrecher
verlor oder noch verliert, spenden Sie oder irgendwelche Medien so oder so keinerlei
Trost. MfG

Terroristen haben nicht das Potenzial ganze Gesellschaften mit vielen hundert Millionen Bürgern zu zerstören, sie setzen logischerweise darauf, so viel Angst und Schrecken zu verbreiten, dass die Gesellschaften das vor lauter Panik selbst für sie übernehmen – eine aufsehenerregende Berichterstattung samt hysterischer Reaktionen ist essentieller Teil jedes terroristischen Konzepts. Ein einzelner Terrorist bezieht darüber hinaus seine Motivation ganz offensichtlich zu einem großen Teil aus der öffentlichen Aufmerksamkeit, die er erfährt, und ganz nebenbei: der viel beschriebene Werther-Effekt wirkt sehr wahrscheinlich nicht nur bei Suiziden: eine knappe, sachliche Berichterstattung + eine rationale politische und öffentliche Reaktion können wahrscheinlich also auch potentielle Nachahmer vor weiteren Taten abhalten (...)

Geehrter Herr Glaß! Mein erster Versuch einer Antwort auf den ersten Teil Ihres
Anschreibens an mich fiel leider wegen Nichtgefallens aus.Mein Versuch einer
Erklärung wie diese religiös indoktrinierten Terroristen wirklich ticken und ihre wahre
Motivation war wohl zu brisant bzw. zu scharf formuliert.Ich bleibe dabei,ob mediale "Überaufmerksamkeit" oder nicht,gegen diese Art von Terror gibt es keine rechtsstaatliche Handhabe.Und wir werden daher noch viele Unschuldige zu beklagen haben. MfG

mit Verlaub, Sie belieben zu schwadronieren! Terror zersetzt ohne Zweifel Gesellschaften. Betrachten sie dazu einmal die Operation „Zersetzung“ der Stasi. https://www.zdf.de/dokumentation/zdf-history/operation-zersetzung---der…

Ihre Relativierungsversuche sind durchsichtig. Schauen Sie sich die schwachen Gesellschaften beispielsweise in Nordafrika an. Wie schnell werden die durch Terror zersetzt. Schauen Sie sich dazu das „Ende des islamischen Musterstaates“ Indonesien an. https://www.welt.de/debatte/kommentare/article163019792/Indonesien-Ende…

(...) Kein einzelnes der Opfer, die sie zurecht betrauern, hat etwas davon, wenn sie in aller Öffentlichkeit beklagt werden (was traditionell sowieso eher ein sehr privates Anliegen ist), aber viele potenzielle Opfer haben etwas davon, wenn Anschläge verhindert werden können, wenn eine Gesellschaft beschließt, auf solche öffentlichen „Trauer-Events“ zu verzichten...

Sehr geehrter Herr Glaß! Natürlich brauchen wir keine lauten Klageweiber-Inszenierungen, jedoch fordere ich ein der Tat und dem Unglück der Opfer angemessenes Gedenken und Rücksicht auf die Angehörigen.Wie fänden Sie es,wenn Ihre Ehefrau oder Kind unter Amris Räder geraten wäre,die Tatortreinigung umgehend die Spuren beseitigt,Politik und Medien die üblichen Betroffenheitsbekundungen los geworden wären und mit der lapidaren Beschwichtigung,das Leben muß weiter gehen,
wir lassen uns das Feiern nicht verbieten!,laufen ab morgen wieder die Glühweinkonsumenten über genau diesen Ort/Stelle.Vielleicht neige ich zu sehr zur
Dramaturgie und schrieb dazu auch kritische Anmerkungen/Kommentare.Diese wurden auch prompt abgelehnt weil?..the show must go on und außerdem zeigen wir den Tätern damit den berühmten Finger?Sorry,geht für mich gar nicht! MfG

Ich glaube nicht an diese "Angst und Panik in der Bevölkerung". In der konkreten Situation, ja, also wenn z.B. der Laster auf einem zu fährt, aber eine medieninduzierte Angst, nein. Die Zerstörung der Gesellschaft wird eher durch die Reaktionen der Politiker verursacht, so wie die Reaktion der USA auf 9/11 schlimmere Folgen produzierte als das Attentat selber.

Die Attentate haben auch eine Informationsfunktion, denn durch sie werden Fehlentwicklungen öffentlich, die zuvor von den Politikern ignoriert wurden. Bei 9/11 war das der von der USA gegen Russland entgleiste Aufstand in Afghanistan, aber auch der Wahabismus in SA.

Auch nach der Silvesternacht 2015/2016 in Köln kamen lange verschwiegene Fehlentwicklungen zur Sprache und es setzte eine politische Kursänderung ein.

Übrigens, die Eurokrise war auch so ein öffentliches Scheitern vieler Eliten. In DE betraf das z.B. die Landesbanken. Anderseits bewährten sich einige Dinge, z.B. Sparkassen und Tarifautonomie.

Raimund Zoller | Di., 29. August 2017 - 15:57

Wer meint, die Bösartigkeit des IS werde unterschätzt, sollte diejenigen Tausenden um Antwort bitten, denen der IS die Köpfe abgeschnitten hat. Blutzeugen!

Bernd Fischer | Di., 29. August 2017 - 18:34

ändert das politische Establishment und die erst dann...seine Meinung...sein Verhalten...seine Zögerlichkeit...seine Informationspolitk, wenn es selbst zum Ziel von Anschlägen des IS wird?

Aber so lange "Manfred Mustermann" und "Lieschen Müller" die Opfer sind, wird wohl nichts passieren außer die übliche Betroffenheit.

Das erste Opfer aus dem politischen Establishment würde die Sachlage
( Bekämpfung des IS ) schlagartig ändern.

"Siehe RAF"

Romuald Veselic | Mi., 30. August 2017 - 08:08

werden von gut ausgebildeten Spezialisten bedient und geführt. Die menschlichen Drohnen von IS/Daesh werden von Misanthropen, klerikalen Fanatikern und hasserfüllten Klerikern manipuliert, missbraucht und geopfert. Das Problem besteht darin, dass es unerschöpfliche Ressourcen an diesen humanen Drohnen besteht. In einem Umfeld, wo Frauen durchschnittlich 5 bis 7 Kinder auf die Welt bringen, ist dies fast eine Lösung des Problems.
Man sollte die IS-Terroristen/Kombattanten so behandeln, wie das die Rote Armee mit den SS-Angehörigen machte.
P.S. Bildung ist keine Garantie für Menschlichkeit. Siehe Dr. Mengele & Co.

Heinrich Niklaus | Mi., 30. August 2017 - 10:07

nehmen Sie erst einmal die Fakten zur Kenntnis, bevor Sie über die „Wutbürger“ herfallen.

Die Uni Münster hat das Ergebnis einer generationsübergreifenden Befragung( 3 Generationen) türkisch-stämmiger Muslime in Deutschland veröffentlicht. Danach stellen 47 Prozent der Muslime die Gebote des Islam über das Gesetz.

Die genaue Aussage der Befrager lautete: „Die Befolgung der Gebote meiner Religion ist für mich wichtiger als die Gesetze des Staates in dem ich lebe.

http://www.welt.de/politik/deutschland/article156269271/Islam-Gebote-st…

Ihre ad-hominem-Angriffe („Wutbürger“) sind wenig überzeugend und noch weniger überzeugend sind Ihre Vorschläge, die islamistische Gewalt aus dem Sichtfeld der Bürger zu verdrängen.

Torsten Knecht | Do., 31. August 2017 - 14:29

Was ist denn hier los?

Habe mehrmals kommentiert aber nix ist zu lesen!

MFG TK

Online-Redaktion | Do., 31. August 2017 - 14:33

Antwort auf von Torsten Knecht

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