Angela Merkel betrachtet eine Drohne auf der Messe Cebit
Angela Merkel, Drohne: Modernisierungsskepsis war einmal / picture alliance

Parteiprogramme - Im Modernitätswahn

Kolumne: Grauzone. Glaubt man den Wahlprogrammen der Parteien, leben wir in einer Epoche des bedingungslosen Optimismus. Jede will den fortschrittlichsten Fortschritt bieten. Wirklich modern wäre, ausgetrampelte Denkpfade zu verlassen. Aber das traut sich keiner

Autoreninfo

Alexander Grau ist promovierter Philosoph und arbeitet als freier Kultur- und Wissenschaftsjournalist. Er veröffentlichte u.a. „Hypermoral. Die neue Lust an der Empörung“. Zuletzt erschien „Vom Wald. Eine Philosophie der Freiheit“ bei Claudius.

So erreichen Sie Alexander Grau:

In was für seligen Zeiten leben wir doch. Wir kennen nur einen Weg, und der führt nach steil oben. Denn die Zukunft, sie wird schöner werden, besser, gerechter, digitaler, ökologischer, vielfältiger und vor allem grenzenloser. Der Fortschritt, er ist unaufhaltsam. Moderne, wir kommen!

Modernisierungsskepsis war einmal. Zumindest auf politischer Ebene. Glaubt man den Wahlprogrammen der Parteien, leben wir in einer Epoche des bedingungslosen Optimismus. Nicht über den Fortschritt wird gestritten, sondern über den fortschrittlichsten Fortschritt. Nicht die Moderne selbst wird diskutiert, sondern über den modernsten Weg in die Moderne. Man will zukunftsfähig sein, auf Teufel komm raus.

Bei CDU und SPD ist alles irgendwie modern

Ein Monument des neuen Modernefetischismus ist das Regierungsprogramm der CDU. Denn nichts scheut man im Konrad-Adenauer-Haus so sehr, wie den Verdacht, konservativ zu sein. Also klebt man das Adjektiv „modern“ entschlossen an alles, was daher kommt. Man streitet für ein modernisiertes Arbeitszeitrecht, eine „moderne bäuerliche Landwirtschaft“, modernen Lärmschutz, eine „Modernisierung des Parkplatzangebots“, „moderne Bahnhöfe“, „moderne Energietechnologien“ und moderne, nein: „modernste Glasfasernetze“. Stolz verkündet man, Deutschland sei „ein modernes Land“. Aber irgendwie ist es nicht modern genug. Denn die Moderne ist das Morgen, und wir leben im Heute.

Da lässt sich die SPD nicht lumpen. Schon aus Tradition ist man schließlich dem Brachialmodernismus verpflichtet: Also braucht es ein „Schulmodernisierungsprogramm“, eine „moderne Ausbildung“, einen modernen öffentlichen Dienst, „moderne Handwerksbetriebe“, ein „modernes Einwanderungsrecht“, „modernste digitale Infrastrukturen“, ein „modernes Rentenkonzept“, moderne Mietwohnungen, „modernste Elektroautos“ und moderne Luftdrehkreuze. Ein „modernes Deutschlandbild“ will man ohnehin. Man könnte dieses eintönige Zeugnis der Gedankenlosigkeit beliebig verlängern. 

Selbst die Grünen machen mit

Als Bannerträger des Modernen schlechthin, ja geradezu als Politavantgarde versteht sich aber die FDP. Also ist man auch hier für „moderne Infrastruktur“, „moderne Landwirtschaft“, „modernen Umweltschutz“, „moderne Erwerbsbiografien“ in einer „modernen Arbeitswelt“, ein „modernes Recht für Ehe und Familie“, eine „modernes Staatsbürgerrecht“ und eine „moderne Reproduktionsmedizin“.

Und selbst die Grünen, in ihren Anfangsjahren eine Bastion der Fortschrittsskepsis, steigern sich in einen Modernisierungsrausch: Da man auf dem „Modernisierungspfad“ bleiben möchte, setzt man ganz auf die „ökologische Modernisierung“, die „Modernisierung der Arbeitsbedingungen“, „die „Modernisierung von Häusern und ganzen Stadtvierteln“, ein „modernisiertes Bahnnetz“, eine moderne Asylpolitik, eine „moderne und innovative Familienpolitik“, einen „modernen Verbraucher*innen- und Datenschutz“ und ganz generell eine „moderne und offene Gesellschaft“. 

Keine Frage: Die deutschen Parteizentralen befinden sich in einer Art Modernisierungs-Trance. Wie infantil und einfallslos der inflationäre Gebrauch des Attributes „modern“ für alles und jedes dabei ist, fällt schon keinem mehr auf. Dabei ist nichts so alt wie der Glaube an das Moderne – und nichts so inhaltsleer.

Wirklich modern ist nichts davon

Denn was mit „modern“ konkret gemeint ist, darüber schweigen sich die Wahlprogramme bezeichnenderweise aus. Auf jeden Fall anders muss alles werden und irgendwie innovativ. Das damit verbundene Innovationsgerede ist allerdings so ausgelaugt und oft gehört, dass es nur gestrig wirkt und alles andere als modern. Denn modern – so viel kann man vielleicht sagen – wäre es, ausgetrampelte Denkpfade zu verlassen und nicht das übliche Innovationsgeschwätz in der Endlosschleife zu reproduzieren Aber genau dazu fehlt die Phantasie und wahrscheinlich auch der Mut. Denn das würde einen radikalen Kurswechsel bedeuten. Doch den will man in Deutschland niemandem zumuten – vor allem nicht sich selbst.

Stattdessen speist man das Wahlvolk mit billigen Fortschrittsphrasen ab, die genau das konterkarieren, was sie beschwören sollen. So entlarvt sich eine ganze Branche gerade in ihrem verzweifelten Willen zur Modernität als Gefangene des Gestern.

Das alles wäre unfreiwillig komisch, würde dieser längst überholte Modernisierungsoptimismus nicht fatal an die blinde Zukunftseuphorie des frühen 20. Jahrhunderts erinnern – kurz vor der großen Katastrophe.

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.

Lucas Wagemann | Sa., 5. August 2017 - 11:41

Wenn dieser sprachliche Fortschrittswahn mal nicht nach hinten losgeht. Denn die meisten dürften sich längst an diese Sprache gewöhnt und lediglich ein Problem damit haben, die etablierten Parteien auseinander zu halten. Die wenigen Aufgeschlossenen überlesen diese Eigenwerbung einfach und schauen nach dem Inhalt.

Demokratie
ist
das
nicht.

Peter Schlönzke | Sa., 5. August 2017 - 11:54

...sind das zuallererst mal! Wo findet sich der Fortschrittsglauben und der Optimismus denn wieder jenseits von kokainbefeuerten Wahl- und Parteiprogrammen? In der einfachen Bevölkerungen? In den Unternehmen? An den Universitäten? Man will ja auch nicht zu schwarz malen, aber Agonie, Niedergang und Aussichtslosigkeit dürften als Umschreibungen näher an der Realität sein.

Sepp Kneip | Sa., 5. August 2017 - 12:12

"Denn nichts scheut man im Konrad-Adenauer-Haus so sehr, wie den Verdacht, konservativ zu sein."
Das mag in der Tat für das Konrad-Adenauer-Haus, also die Parteiführung gelten, sicher nicht für die ganze Partei. Nur hat das Parteivolk nicht den Mut zu zeigen, dass es konservativ ist. Modern und konservativ müssen sich aber auch nicht gegenseitig ausschließen. Auch Konservative können sehr moderne Menschen sein. Wenn man allerdings einen Bereich einschließt, den sie nicht genannt haben, "moderner Multikulturalismus", darf ein Konservativer hier nicht modern sein. Was nutzt die ganze Moderne, die ja eigentlich recht vorteilhaft sein kann, wenn man diese Errungenschaften durch die ungezügelte Massenimmigration wieder verspielt. Es ist Wahlkampf und da stellt man die als positiv geltenden Modernisierungen in den Vordergrund, während man das "Flüchtlings"-Thema, oder besser gesagt, die Massenimmigration, tot zu schweigen sucht - bis nach der Wahl. Dann wird es ein böses Erwachen geben.

Kostas Aslanidis | Mo., 7. August 2017 - 12:08

Antwort auf von Sepp Kneip

sind die modernsten Menschen schlechthin. Logisches Denken , langsame und sichere Schritte. Wie beim Wandern. Sie haben sich nur einreden lassen, das sie rückständig sind und trauen sich nicht dagegenhalten. Da sind sie selber schuld. Gegen die Frasendreher ist Kontra ein Muss.

Ines Schulte | Sa., 5. August 2017 - 13:20

dieser 20-seitigen, kompakten Wahlbroschüre der AfD fand ich nur ein mal das Wort "modern".
Nämlich: Wir sind davon überzeugt, dass moderne bäuerliche Betriebe mit Verwurzelung in den Regionen am besten geeignet sind, umwelt-und marktgerecht zu produzieren."
Schade, dass so wenige politisch Interessierte dieses Programm lesen und nochmals schade, dass es wohl zu wenige Landwirte tun.

Hier die Zwischenergebnisse einer Online-Umfrage von agrarheute. CDU/CSU: 35 % (449 Stimmen) AfD: 25 % (323 Stimmen) FDP: 25 % (318 Stimmen) Bündnis90/Die Grünen: 6 % (72 Stimmen) SPD: 3 % (38 Stimmen) Die Linke: 3% (38 Stimmen) Andere: 2 % (25 Stimmen) Wahlverweigerer: 2 % (30 Stimmen)
Die Landwirte sind anscheinend nicht so uninteressiert. Beste Grüße Bettina

Christa Maria Wallau | Sa., 5. August 2017 - 13:27

Schon im Sept. 2015, als die Bilder von willkommenstrunkenen Menschen bei der Masseneinreise v. Migranten auf dem Münchener Bahnhof über die Bildschirme flimmerten, habe ich in einem Kommentar hier geschrieben, daß mich das fatal an 1914 erinnert. Damals - vor mehr als hundert Jahren - taumelten die Deutschen siegesgewiß in den 1. Weltkrieg - mit Pauken und Trompeten.
Die heutige "blinde Zukunftseuphorie", von der Sie zu recht sprechen, lieber Herr Grau, ähnelt dem irrationalen Vertrauen, das damals die Deutschen in ihre Regierung u. in die Zukunft setzten.
Merkels "Wir schaffen das!" ist Ausdruck einer totalen Verkennung der realen Welt, und doch
kann sie anscheinend damit immer neu ihre
"Gläubigen" betören.
Was wir brauchten, wäre ein Memorandum - ein Innehalten und eine Neu-Orientierung nach gründlichem Überlegen in
e r g e b n i s - o f f e n e n Diskussionen.
Wahrscheinlich muß aber erst Schlimmstes passieren, bis das hohle Gerede von der "Moderne" sich von selbst erledigt.

nach einer Empfehlung von Vera Lengsfeld lese ich derzeit Stefan Zweigs "Die Welt von gestern". Es bestätigt Ihren Kommentar.

Frau Wallau
Perfekt erkannt, das erforderliche Innehalten sowie Neu-Orientierung ist wie ein Reset bzw. Update beim PC, im Laufe der Jahre sammelt sich Müll, notwendige neue Treiber fehlen, macht man nichts hängt der PC sich auf, nichts geht mehr.
Im schlimmsten Fall, Erneuerung des Betriebssystems.
So wird es DE ergehen, denn mit diesem "Betriebssystem" wird das nichts mehr.
Wenn ich die Kommentare hier, bei TE usw. konsumiere, wird mir nicht bange, da schlummert ein recht ordentliches Potential

Axel Kreissl | Sa., 5. August 2017 - 14:44

(OK, nur tausend Zeichen!) Man versucht, aus Nanoeffekten mit unendlich viel Geld noch Lebensgefühl zu erzeugen, man versucht, den fast toten Patienten mit immer stärkeren Anreizen zu reanimieren. Die politische und geistige Elite ist eigentümlich geistlos,weil sie dem Zeitgeist nachläuft. Die geistig moralische Erneuerung, die Adenauer, Kohl und Herzog forderten, sie ist ausgebleben. Die politsche Klasse übt sich in einer Art (Verzeihung!) pseudoelitärem Komasaufen. Am Ende stünde der Exitus (noch fünfhundert!). Anderer Ansatz: rückwärts schauen. Die Kathedralen des Mittelalters könnte heute niemand mehr bauen. Und Nobelpreise gab es auch während der Weltkriege. Der Schöpfergeist ist also unabhängig von Wohlstand und Zeitgeist. Geistig hochbegabte analoge Menschen stehen für Zukunft. Sie brauchen Zeit und keine Ablenkung. Das bedeutet im praktischen Leben VEREINFACHUNG, VERTIEFUNG und VERZICHT. Aber das traut sich in der Tat keiner zu sagen! Doch, ich bin ja schon einer!

Wolfgang Tröbner | Sa., 5. August 2017 - 15:19

Fortschrittsphrasen abgespeist. Da kann ich Ihnen, lb. Herr Grau, nur zustimmen. Egal, ob CDU, SPD oder Grüne, es wird nur inhaltslos gelabert, aber nichts oder nur wenig gesagt. Eigentlich nicht wirklich verwunderlich, wenn man sich die Vertreter dieser Parteien anschaut. Viele von ihnen haben nichts oder nur wenig gelernt. Man schaue sich bloß die grüne Truppe von Studienabbrechern an. Bei den anderen Parteien sieht es nicht viel erfreulicher aus. Von einem solchen Personal kann man wirklich keinerlei innovativen Gedanken erwarten. Das würde voraussetzen, dass man die Dinge auch versteht. Ich kann mir keinen einzigen Abgeordneten oder Minister vorstellen, der über wissenschaftliches und/oder technisches Fachwissen verfügt, das über das hinausgeht, was in den Medien verbreitet wird. Das Einzige, was diese Personen wirklich beherrschen, sind Strategien zur Erhaltung der eigenen Macht.

Yvonne Walden | Sa., 5. August 2017 - 15:30

Herr Grau hat im Prinzip Recht. Das "moderne" Gerede beziehungsweise das Gerede über Modernität soll auf elegante Weise verdecken, daß es hierzulande so gar nicht "modern" zugeht.
Es soll den fehlenden Ausgleich beziehungsweise die fehlende Gerechtigkeit und Gleichheit sozusagen überdecken.
Wir wissen doch alle, daß es über Jahrzehnte keine Lohn- und Gehaltsanhebungen gab und nur Wenige immer reicher wurden.
Für die Vorstände gab es Zuwächse, aber für das gemeine Volk der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer?
Modern wäre es, den Forderungen von Karl Marx und Friedrich Engels zöu folgen, die vor mehr als einem Jahrhundert forderten: Jeder/jedem nach seinen Bedürfnissen und jede und jeder nach seinen Möglichkeiten.
Eine gesellschaftlilche Umgestaltung wäre "modern", nicht jedoch ein "weiter so" mit all` den Ungerechtigkeiten, die ja verschleiert werden sollen.
So lange es keine Wirtschaftsdemokratie gibt, so lange bleibt unsere Demokratie ein Torso, altmodisch und nicht modern-gestaltet.

Manfred Endrich | Sa., 5. August 2017 - 16:34

Selbst Verantwortung übernehmen und konkret handeln statt moralisierendes Geschwätz absondern.
Familie leben und Kinder gut erziehen statt Gendergeschwätz absondern.
Im eigenen Umfeld Schwachen helfen, z.B. Hartz4-Kindern, Bettlägrigen, Alten, Einsamen und auch Flüchtlingen statt großmäulig von der Couch aus die ganze Welt retten.
Ernsthaft verschiedene Meinungen diskutieren und darüber ruhig und gründlich nachdenken statt Andersdenkende hilflos als dumm, Nazi oder Angstbürger zu diffamieren.
Vernünftig und vertrauensvoll miteinander umgehen statt überall angebliche Diskriminuerung und Rassismus herbeizuphantasieren.
Recht und Unrecht klar unterscheiden und Straftaten klar benennen und sanktionieren statt inhaltsleere und verschwurbelte Verharmlosung und Relativierung zu predigen.
Ist aber alles zu unmodern - hurra, wir wählen jeweils die moderne Variante. Aber: Ohne mich, Ihr Lieben!

Ihrer Fibel des unmodernen Lebens kann ich uneingeschränkt folgen. Und wie bei Ihnen wahrscheinlich auch, deckt sich meine "Programmatik" nicht mehr mit der
von den etablierten Parteien postulierten. Schon Charlie Chaplin in seinem Film
"modern times" zeigte die Auswüchse des Fortschritts oder wie man im Räderwerk
der Moderne untergehen kann. Schönen Tag noch! MfG

Super, das Gute liegt so nah. Lieber mal den ersten Schritt tun als den hundertsten vor dem ersten. Das sind wirklich alte Weisheiten,die immer gelten.

Dorothee Sehrt-irrek | Sa., 5. August 2017 - 18:41

Der Zeit voraus gingen die Gründerjahre, eine naturwissenschaftlich/technische Revolution, besser rasante Entwicklung, auch die der Städte, kombiniert mit Umbrüchen der Gesellschafts-/ Herrschaftsschichten.
Der Adel war als Tonangebender entmachtet worden, an die Macht kam das Großkapital, die Industriellen und mit ihnen die technische Intelligenz.
Konservative Werte wurden entsorgt, auch die christlichen.
Eine Zeit noch ohne neue Moral, ohne konkrete Ziele oder Rückhalt-> Moderne.
Nietzsche hat das aufgezeigt im Zarathustra und weil er nicht wieder Gott am Kreuze sehen wollte, hat er den Übermenschen auf Ungeheuerliches verpflichtet.
Da lehnt man gerne ab, sowohl theologisch, philosophisch, als auch machttheoretisch.
Machiavelli war einmal?
Die Verantwortung bleibt, weniger aus Angst vor einem Rückfall in einen Mythos, als aus Umsicht bzgl. allg. Entfesselung.
Ohne Kenntnis der Zusammenhänge extrem gefährlich.
Mit unkontroll. Handhabung Gefahr von Usurpation/Chaos

Robert Müller | Sa., 5. August 2017 - 19:59

Der letzte Satz scheint mir unpassend für diesen Text zu sein. Es geht in den Wahlprogrammen nicht wirklich um Modernisierung, sondern nur um eine scheinbare Modernisierung. Es wird behauptet, dass man modern sei, tatsächlich ist man aber zutiefst bewahrend: Das weiter-so und keine-Experimente ist Trumpf. Auch bei den Wählern. Zuletzt z.B. in FR, wo Macron gegen Le Pen stand und es beim Alten blieb und ganz Europa aufatmete. In DE wird Merkel zum 4mal gewählt und selbst ein Kanzler Schulz wäre keine Abkehr vom Bewährten. Das heißt nicht, dass die AfD besser wäre, denn die will nicht etwas Neues, sondern sie will das Alte zurück, also noch weniger Wandel.
Ich glaube das viele "Neue" kommt von der Unzufriedenheit der Wähler. Das hat man registriert, aber man will es nur rhetorisch aufgreifen. Die entscheidende Frage ist für mich wo Neues herkommen könnte. Momentan sehe ich da nur den technologischen Wandel aus Kalifornien. Alles andere ist Wandel aus der Not heraus geboren.

Gute Analyse, Herr Müller!
"Modern" ist eine reine Leerformel. Eigentlich kann es nur um einen Wandel zum Besseren gehen, ob nun nach vorne oder rückwärts, ist doch ganz egal. Jede Änderung muss sich erst einmal bewähren, Menschen machen Fehler und können auch nicht alle Folgen im Detail voraussehen.

Doch was soll Ihr Schuss gegen die AfD, sie wolle nichts Neues, sondern nur das Alte zurück?? Auch so eine Leerformel. Im Parteiprogramm z.B.:
- Volksabstimmungen nach Schweizer Vorbild (hatten wir noch nie!).
- Direktwahl des Bundespräsidenten (neu),
- Amtszeitbegrenzung für Abgeordnete und Bundeskanzler/in (neu),
- Versorgung der Parlamentarier reformieren,
- Strategiewechsel Entwicklungspolitik,
- missbrauchtes Asylrecht ändern,
- Väter stärken (mal ganz was Neues!)
- Zwangsbeitrag für Rundfunk abschaffen,
- drastische Vereinfachung des Steuersystems (noch nie geschafft!) usw.

So viel Neues reicht für mehrere Legislaturperioden!

Wäre dies das Programm der CDU/CSU, die Medien vor Allem die ÖR, würden uns Tag und Nacht damit berieseln. Allerdings traue ich Merkel eine solche Programmatik nicht zu. Viel zu viele Unwägbarkeiten. Merkel braucht kurzfristige Erfolge, die ins Auge fallen und blenden. Fotogene Situationen, die keinerlei Denkprozesse fordern und schon garkeine Intelligenz voraussetzen. Bei der AfD reicht schon der Hinweis, in ihren Reihen tummeln sich "Rechte" und ein paar aus dem Zusammenhang gerissene Sätze eben jener "Rechten" und schon spielt das Programm überhaupt keine Rolle. Was uns das noch Alles bringen wird und wer letzten Endes die Zeche zahlen muss ist bekannt, wird aber vehement verdrängt wenn nicht gar geleugnet.

Frau Schneider, meine Zustimmung haben Sie. Alle Altparteien haben ein vitales Interesse daran, die AfD möglichst schlecht aussehen zu lassen, denn sie stellt eine Bedrohung ihrer Machtbasis dar. Dazu wird vor allem die eigene Definitionsmacht genutzt.

Deshalb versucht man alles, die Partei als populistisch, rechts bis rechtsradikal, rückschrittlich, ideenlos, tendenziell undemokratisch bis extremistisch, stockkonservativ, innerlich zerrissen und überflüssig im demokratischen Spektrum erscheinen zu lassen. Insgesamt wird dieses Zerrbild von den meisten Medien transportiert, die damit ihrer Rolle als vierte Gewalt nicht gerecht werden.

Man grenzt sie im öffentlichen Dialog aus und vermeidet jede inhaltliche Auseinandersetzung, um vergessen zu machen, daß sie als einzige Partei ein zwar hartes, aber letztendlich notwendiges Konzept gegen die negativen Auswirkungen einer ungesteuerten und ungebremsten Massenmigration hat.

Ich kann nur hoffen, daß die Wähler das durchschauen.

Robert Müller | Do., 10. August 2017 - 22:20

Antwort auf von Hans-Hasso Stamer

Ich sehe das genau wie sie, aber ich bewerte das nicht negativ. Das zeigt mir nämlich, dass die "Altparteien" noch nicht tot sind. Was wir hier sehen ist tatsächlich echter Wettbewerb, der die Schwächen der Parteien aufdeckt. Die AfD hat die Union zum Politikwechsel gezwungen, selbst in Europa hat man sich auf Druck der Rechten zu Änderungen entschieden. Momentan gibt es auch in der Beziehung Italien - Libyen einen Wandel. Die Notsituatien in Europa und Deutschland, die den politischen Wandel befördert, kommt ja nicht durch die Einwanderer zustande, sondern durch AfD und Co. Die "Altparteien" waren / sind in Not geraten, weil ihre Politik nicht mehr durch alle Wähler unterstützt wurde. Das Ausgrenzen der AfD ist ein Versuch der Not zu entkommen, ein anderer die eigene Politik zu ändern. Auch in Bezug auf Italien ist es wieder Österreich, dass mit der Schließung der Grenze nach Italien die Wende in Europa eingeleitet hat. Österreich ist das neue Schlüsselland in der EU. Bemerkenswert!

Martin Arndt | Sa., 5. August 2017 - 20:49

Daß es „so weiter“ geht, ist die Katastrophe. Sie ist nicht das „jeweils Bevorstehende, sondern das jeweils Gegebene.“ (Walter Benjamin) „Die Rache einer für die Legitimation von Herrschaft über die Jahrtausende ausgebeuteten Kultur bestünde dann, im Augenblick der Überwindung uralter Repressionen, darin, daß sie keine Gewalt, aber auch keinen Gehalt mehr hätte ...“ (J. Habermas). Die sich aus der Hoffnung auf ein besseres Leben speisende Kritik der ‚Frankfurter‘ an der Entsubstantialisierung des Lebens hat sich bewahrheitet. Die ‚Moderne‘ modert: Die politischen „Gestalter“ geben das beste Beispiel dafür ab, was es heisst, ‚modern‘ zu sein: Banausenhaft und bar jeder Leidenschaft für Kultur. Die Axt wurde gelegt, als Bildung ersetzt wurde durch Kompetenzfetischismus, dessen Opfer die jetztige Politikergeneration ist. Es lebe die Trivialisierung nach dem Motto: ‚Hauptsache, wir verstehen uns‘ – und auch wenn wir nichts verstehen. Es werden ‚Einser-Abiturs‘ produziert =fake pur.

Dirk Gutmann | Sa., 5. August 2017 - 22:26

sollt ihr sie messen oder - sinngemäß Herr Müntefering zitiert - "Wir werden an den Wahlversprechen gemessen - das ist unfair!". Daher gilt für mich ein Blick auf die geleistete Arbeit einer Partei und erst zweitrangig auf das Wahlkampfprogramm (welches nach der Wahl sowieso vergessen ist). Ansonsten wie üblich: modern verpackte Worthülsen...

Alexander Mazurek | Sa., 5. August 2017 - 23:33

... hat das Elend des modernen Menschen schön treffend beschrieben "Wenig begreift das Volk das Grosse, das ist: das Schaffende. Aber Sinne hat es für alle Aufführer und Schauspieler grosser Sachen.
Um die Erfinder von neuen Werthen dreht sich die Welt: – unsichtbar dreht sie sich. Doch um die Schauspieler dreht sich das Volk und der Ruhm: so ist es der Welt Lauf.
Geist hat der Schauspieler, doch wenig Gewissen des Geistes. Er glaubt immer an Das, womit er am stärksten glauben macht, – glauben an sich macht!
Morgen hat er einen neuen Glauben und übermorgen einen neueren. Rasche Sinne hat er, gleich dem Volke, und veränderliche Witterungen.
Umwerfen – das heisst ihm: beweisen. Toll machen – das heisst ihm: überzeugen. Und Blut gilt ihm als aller Gründe bester."
Das heißt uns heute Parteiprogramme und "Fortschritt". Zur Heilung dieser Geisteskrankheit empfehle ich die Lektüre von G. K. Chesterton, gerne "Ketzer", was nützt uns "der Fortschritt", wenn wir das Ziel nicht kennen?

Susanne Dorn | Sa., 5. August 2017 - 23:50

...präsentiert ein „modernes Wahlprogramm“. Man hat sich offenbar vorgenommen, auch weiterhin von der immer kleiner werdenden Substanz dieses Landes zu leben, es sich bequem zu machen und auch weiterhin alle Völker dieser Erde nach Deutschland auf Kosten der Bürger einzuladen.

Ich glaube kaum, dass sich irgend ein Politiker jemals Gedanken machte, was zu tun ist, um ein Land zu modernisieren. Sie können es alle nicht. Und das nötigt mir keinerlei Respekt ab.

Jeder berufstätige Bürger dieses Landes muss sich täglich neu beweisen, 150% Leistung bringen, durch innovative Ideen und unglaublichen Einsatz seinen Arbeitsplatz verteidigen. Gegen Konkurrenten ankämpfen und sein Einkommen selbst „verdienen“.

Politiker, Abgeordnete, Beamte sind nur Kostenfaktoren und haben mit dem Erfolg dieses Landes rein gar nichts zu tun!

Bei so viel Dünkel und Unfähigkeit unserer "Eliten" fällt mir nichts mehr zu diesem Thema ein. Ich habe meine Wahlentscheidung unumstößlich getroffen!

Klaus Wenzel | So., 6. August 2017 - 12:45

Auf den Punkt. "Modern" ist doch nur eine inhaltsleere Floskel im grauenhaft langweiligen Wahlkampf 2017. Die Spitzen unserer Parteien sind allesamt bestenfalls Verwalter des Status Quo und der erarbeiteten Errungenschaften dieses Landes. Viele alte "Wutbürger" und ebenso junge Leute ahnen aber, dass die Basis unseres Wohlstandes, unseres demokratischen Zusammenlebens, der gemeinsame kleinste gesellschaftliche Nenner dieses Staates, gegenwärtig erodieren. Über die Ursachen dieser Entwicklung und was dagegen politisch zu tun wäre, wird aber geflissentlich geschwiegen. Stattdessen reden Politiker bedeutungsschwanger über " demographischen oder digitalen Wandel", "Globalisierung" etc. pp. ohne auch nur ansatzweise Chancen und Herausforderungen konkret zu benennen. Daher ist zu vermuten, dass der gesellschaftliche, kulturelle, ökonomische und technische Wandel von außen kommen wird, wie so oft in der Geschichte. Vielleicht wird dieses Jahrzehnt seit 2010 dereinst als vertane Zeit gesehen.

Winfried Sautter | So., 6. August 2017 - 15:46

"Die Moderne" ist nichts anderes als eine säkularisierte Heilsreligion des Westens, die das Telos der Geschichte durch "Fortschritt" im Hier und Jetzt verwirklichen wollte und will. Beginnend mit den Jakobinern zieht sich seitdem eine Blutspur des Utopismus durch die Geschichte der Menschheit. Mit der Diskreditierung des Kommunismus und des Nationalsozialismus (ja, auch der war in seinen Methoden und seinem Anspruch modern), verbleibt jetzt nur noch die Moderne "westlichen", viz. amerikanischen Musters. Dass sie scheitern wird, kann man spätestens seit 9/11 vermuten. Wenn die deutsche Politik so ständig den Begriff der "Modernisierung" bemüht, so hat sie weder Ahnung noch Verstand, das urspüngliche Konzept zu begreifen. Für sie ist es nur das Weiterdrehen im Hamsterrad.

Giesela Kramski | So., 6. August 2017 - 16:31

Ich fange mal mit einem ganz bescheidenen Vorschlag an, auch innovativ gesehen ganz bescheiden. Kann aber Existenzen retten.

Der deutsche Staat möge einen "Fond" auflegen, in den JEDER Hauseigentümer einen überschaubaren Versicherungsbetrag einbezahlt ("überschaubar" weil nicht so hoch, wie in der Privatversicherung, wenn die das überhaupt bietet.)
Und aus diesem Fond werden Hochwasseropfer entschädigt. Die können oftmals, auch nicht zu horrenden Beiträgen, eine Elementarversicherung abschließen, weil die Versicherer in gefährdeten Gebieten das Risiko einfach ablehnen. Man will halt nur in sicheren Gebieten Gewinne machen.

Ich finde, da müsste der Vater Staat einspringen. Die Schäden übersteigen (oft) die Finanzkraft der Häuslebesitzer.

Franz Ruprecht | So., 6. August 2017 - 18:22

Bravo herr Grau, leider werden sie nur ungenügend gehört werden.

Stefan Hölker | So., 6. August 2017 - 19:01

Wenn man statt modern (langes e) im Sinne von Moderne "modern" (kurzes e) im Sinne von Moder (stinkender Matsch) liest, machen die Wahlprogramme gleich viel mehr Sinn und ich würde direkt zustimmen, dass man da auf einem guten Weg ist. Die Schulen sind bspw. bereits modern-isiert, sie riechen auch so, die Infrastruktur wird auch immer moderner, 100000 Ingenieure in der Leiharbeit zeigen auf jeden Fall ein modern(d)es Zeitarbeitswesen.

Auch das Luftdrehkreuz in Berlin, es modert nur so vor sich hin...

Ja, Deutschland ist ein modern(d)es Land...

Rose Hundal | So., 6. August 2017 - 21:21

Den Wahlprogrammen und ihrem “bedingungslosen Optimismus” muss man die Realität gegenüberstellen. Mir kommt dann allerdings jeder Optimismus abhanden. Wir sind zu einem Staat geworden, der mehr für Täuschung, Betrug , Überwachung und deren Mechanismen steht, als für die Grundwerte einer Demokratie- womit diese Regierung ihr Handeln aber begründet.
Dass Veränderung zu jedem lebendigen Wesen – auch einem Staatswesen – gehört , ist ein Naturgesetz – was ich in diesem sogenannten „ Modernisierungs-Anstrich“ sehe, ist Perversion.
Herr Grau, Ihnen sei Dank für diesen Artikel.

Christian Gohlke | So., 6. August 2017 - 23:51

Zeitgemäß würde schon reichen. Modernisierung und Innovation kann man nicht planen. Die kommt aus kreativen Köpfen frei denkender Menschen. Wir hatten einmal eine erfolgreiche Solarbranche. Diese wurde aber wegen der Verschleppung der Entscheidung künftiger Subventionsmodelle praktisch über Nacht zerstört. Die Energiekonzerne waren hierüber natürlich nicht besonders traurig, weil ein weiterer Solarausbau ihre Geschäfte gestört hätte. Elektroautos dürfen auch erst kommen, wenn die Herren bei VW signalisieren, dass sie damit konkurrenzfähig sind, also erst mal nicht. Die Modernität kommt ganz von alleine, wenn die Menschen das wollen und man Ihnen sinnvolle Lösungen anbietet. Ein Beispiel hierfür ist das Smartphone - erfunden vor gerade einmal 10 Jahren. Aufgabe er Politik sollte es sein, Grundlagen zu schaffen und die Optionen offen zu halten. Das hat auch den Vorteil, dass es kein Festhalten an offensichtlich beschrittenen Irrwegen gibt, weil man dann peinliche Fehler zugeben müsste.

Willi Mathes | Mo., 7. August 2017 - 11:49

Top Herr Grau !

Politische und gesellschaftliche " Besitzstandswahrer ", sind immer im " Modernisierungswahn " !

Eine gelungene und fabelhafte Gegenwartsbeschreibung !

Freundliche Grüsse

Raimund Zoller | Mo., 7. August 2017 - 14:08

Warum gehe ich, Raimund Zoller, diesmal zur Wahl? Um einen Kanzler zu wählen? Mitnichten! Stattdessen gehe ich hin, um dafür zu sorgen, dass wieder jemand da ist, der im Bundestag aufsteht, ans Rednerpult geht und sagt: SO NICHT! Dieses Land braucht wieder eine Opposition, die diesen Namen verdient.
Die Abnicker von Linkspartei und Grünen waren Merkels Steigbügelhalter, aber keine Opposition.
Im Übrigen ist an den Systemparteien nichts modern. Der Begriff Altparteien gefällt mir nicht, denn alt ist ja oft positiv besetzt, beim Weinbrand allemal. Es sind die Parteien des Systems GroKo, dieser verschwurbelten, verwachsenen BRD-Demokratie, dieser verselbständigten, bürgerfernen Parteiendiktatur, die auch den Namen Demokratie im Sinne echter Volksherrschaft nicht mehr verdient. Nicht das Volk herrscht, die Systemparteien herrschen.

Klasse, Herr Zoller. Nicht das Volk herrscht, die Systemparteien herrschen. Und warum? Weil Pfründe auf Dauer verführbar, korrumpierbar und reformunfähig machen. Solange die Parlamente selbst über ihre Einkünfte und Versorgung, über ihre Größe und die wichtigtsten Posten entscheiden, wird sich daran leider kaum etwas ändern. Vielleicht kann frischer Wind bei der Opposition wenigstens ein bisschen Staub aufwirbeln.

Gerdi Franke | Mo., 7. August 2017 - 15:05

Schulz hätte die Chance gehabt. Hätte er EU-Politik vertreten und nicht einen Abklatsch von Merkels Moralpolitik. Die EU-Wirtschaftspolitik, Energiepolitik, Flüchtlingspolitik sind tragfähiger und zukunftsorientierter als das was uns in Deutschland geboten wird.

Ronald Jacob | Mo., 7. August 2017 - 15:11

Hat Herr Grau wieder getroffen
Die Menschen bewegende Fakten mit beißender Ironie gemixt. Den sog. "Eliten" die keine sind müssen doch jeden Tag die Ohren klingeln. Sicher werden die das gar nicht lesen aber um so heftiger wird die Berührung mit dem "Boden der Tatsachen" werden

Karin Zeitz | Mo., 7. August 2017 - 15:18

gehören die am Meisten benutzten Worte immer zu den Themen, die entweder keiner der Entscheidungsträger richtig verstanden hat oder gar nicht erst anfassen will. Wie lange wird schon von der Verbesserung des Bildungssystems und der Beseitigung der Kinderarmut gefaselt, ohne dass sich etwas Wesentliches geändert hätte. Daher reden die Parteien eben mal über ein anderes Thema - alles wird zwar nicht besser, sondern modern, was immer das auch heißen mag.

Frau Zeitz. Die Steuerreform - längst überfällig - wird zwar auch immer wieder als nötig angesehen und genauso regelmäßig heißt es von unseren Sprechblasenakrobaten "das ist in dieser Legislaturperiode nicht durchsetzbar". Dann hat man erstmal wieder 4 Jahre Ruhe.

Übrigens Frau Zeitz, hat Ihnen schon mal jemand schlüssig beschrieben was eine moderne Gesellschaft sein soll? Auch hier im Forum wird zwar häufig "modern" angeführt, aber was man darunter versteht, sagt auch keiner wirklich.

Gerhard Hein | Mo., 7. August 2017 - 16:07

Unmodern ist gestern, modern ist Gegenwart und die Zukunft war schon immer ungewiss ! Um mit einem norddeutschen Bürgermeister zu sprechen : "ich werde ordenlich regieren" ; zu schön um wahr zu sein ! Mir würde genügen, wenn ich vor Einbrechern sicher wäre, auch nachts sorglos spazieren gehen und den Nahverkehr nutzen kann und kein Mörder um die Ecke kommt, meine Steuern für Erhalt der Infrastruktur und andere Abgaben meine Gesundheit und mein Alter sichern sowie für Arme verwendet und nicht für Prestigeobjekte verpulvert würden, wenn Massentierhaltung verboten würde und Fleisch wieder ein Wochenendvergnügen, auf das man sich freut
werden würde, wenn es wieder eine sprechende Medizin gäbe und Patienten anständig zu behandelnde Kunden werden, wenn Wohnungen
dort gebaut werden, wo Menschen Arbeit finden, der Vernichtung der dörflichen Strukturen Einhalt geboten wird, Produkte ohne
eingebautem Verfallsdatum wieder den Preis rechtfertigen usw. usw. Ist das modern oder
veraltet ?

Robert Müller | Mo., 7. August 2017 - 19:50

Abseits der großen Versprechen gibt es viele gute Gesetze, was auch erklärt warum DE im Vergleich zum Rest der EU ganz gut dasteht. Nur die große Erzählung funktioniert nicht mehr. Ich selber war mit Merkel bis 2015 ganz zufrieden, auch wenn ich sie nie gewählt habe (einmal Direktstimme für einen CDU-Kandidaten in meinem Wahlbezirk). So hat sie bei den Themen Eurokrise, Ukraine, NSA bessere Entscheidungen getroffen als alle anderen Politiker. Wenn ich an die vielen Vorschläge zur Eurokrise denke, die so gemacht wurden, bin ich froh, dass aus denen nichts wurde. Merkel kann defensiv, aber da wo sie visionär wird, kommt es zur Katastrophe (2015/2016).

Wie käme etwas neues in die Politik? In DE gibt es den Ansatz bei Problemen keinen Lösungsweg vorzugeben, sondern nur das Ziel (mil. Auftragstaktik). Bei den Erneuerbaren wurde das so gemacht. Das ist der Königsweg, weil das Raum für Innovationen lässt. Wie könnte man so etwas zB bei der Bildungspolitik realisieren?

Bernhard Jasper | Di., 8. August 2017 - 11:34

Metaphern für Fortschritt und Zukunftshoffnungen gibt es im politischem Marketing und in der Werbung viele. Nun verlangen ja Menschen immer nach dem großen Konsens- nach übergeordneten Symbolen und symbolischen Gesten. Die Moderne war da eher zurückhaltend und wollte nüchtern manifestieren. Heute ist eben vieles Inszenierung.
In der deutschen Mentalität gibt es jedoch auch sehr viele Bedenkenträger, das geht dann bis hin zu apokalyptischen Szenarien – transportiert durch Medien. Die Apokalypse als Medienprodukt. Hoffnungslos reagiert man dann mit Verboten, Geboten und Vorschriften. Und das wird auch mit Gewalt durchgesetzt. Da ist man konsequent- da geht es immer um die Betrachtung des Ganzen. Darum ist alles so voller Lebenstheorien und Weltanschauungen.

Gottfried Meier | Di., 8. August 2017 - 14:24

Wahrscheinlich fallen aber gar nicht so viele auf dieses Modernisierungsgewäsch herein. Das geht zu einen Ohr rein und zum anderen Ohr raus.

Ich könnte eine Partei ernst nehmen, die das modern durch vernünftig ersetzt.

Vielleicht ein Beispiel: Wir sind so modern, dass wir jeden noch so kleinen Weiler, indem in 20 Jahren wahrscheinlich niemand mehr wohnen wird, für Hundertausende von Euros mit schnellem Internet versorgen werden. Die Investition wird sich in tausend Jahren nicht lohnen! Aber wir sind modern. Vernünftig ist das nicht. Das Geld, dass wir da in unserem Modernisierungswahn verschwenden, könnte man an vielen anderen Stellen besser und sinnvoller einsetzen. Das war wie gesagt nur ein Beispiel. Mir würden noch viele andere einfallen.

Bernhard Eber | Di., 8. August 2017 - 18:06

Sehr geehrter Herr Grau, gerne lese ich Ihre Artikel und Ausführungen. Immer interessant, teils bissig aber fair geschrieben und horizonterweiternd. Wo ich Sie zutiefst bedaure, sind die Kommentare dieser vielen AfD-Trolle, auf deren Ansichten man meist nur noch tief durchatmen kann. Darauf antworten hätte sicherlich keinen Sinn. Offensichtlich hat niemand mit einem objektiven Politikverständnis Lust, sich in die Reihe dieser Kommentare einzureihen. Das beobachte ich schon über lange Zeit. Schade. Sie hätten Besseres verdient.

Wolfgang Lang | Mi., 9. August 2017 - 00:15

Die Menge und Intensität der aufgefahrenen Sprechblasen beweist, die haben alle fertig.

Bernhard Jasper | Mi., 9. August 2017 - 12:32

Sehr geehrter Herr Eber,
natürlich ist cicero-online zur AfD- Trolle-Plattform geworden. Es gab schon bessere Zeiten.
Viele scheinen im Ruhestand zu leben, ich kann mir ansonsten diese Weltfremdheit nicht erklären.

der Ausdruck gefällt mir, Herr Eber/Herr Jasper!
Klingt wie aus einer anderen Welt - einer Welt, in der Recht und Gesetz herrschen und nicht ständig Verträge gebrochen werden, in der die Politiker für die Bürger da sind und nicht umgekehrt, in der das Volk regelmäßig zu wichtigen Entscheidungen befragt wird (z. B. Währung, Souveränitätsrechte, Einwanderung usw.), in der das Parlament die Regierung kontrolliert u. nicht nur parteigesteuerter Erfüllungsgehilfe ist ... Ich mag die Trolle in der Schweiz, bei denen der Souverän - eben das Volk - das Sagen hat und - o Wunder - meist sehr vernünftig entscheidet.

Klingt alles echt "trollig", ich weiß, und hat mit "objektivem Politikverständnis" natürlich nichts zu tun.

Warum aber, Herr Eber, bedauern Sie Herrn Grau?? Das verstehe ich nicht. Er bekommt von den Trollen doch meist begeisterte Zustimmung. Ist es gar das, was ihn so bemitleidenswert macht?