Einspruch gegen den Islam wird häufig als Rassismus etikettiert. Bild: picture alliance

Nein zu Sprechverboten - Islamkritik ist kein Rassismus

Kisslers Konter: Jede Religion darf kritisiert werden. Wer es tut, ist kein Rassist. Im Fall der Islamkritik werden jedoch oft andere Maßstäbe angelegt. So entsteht ein Schutzwall, der weder der offenen Gesellschaft noch dem Islam guttut

Alexander Kissler

Autoreninfo

Alexander Kissler ist Redakteur im Berliner Büro der NZZ. Zuvor war er Ressortleiter Salon beim Magazin Cicero. Er verfasste zahlreiche Sachbücher, u.a. „Dummgeglotzt. Wie das Fernsehen uns verblödet“, „Keine Toleranz den Intoleranten. Warum der Westen seine Werte verteidigen muss“ und „Widerworte. Warum mit Phrasen Schluss sein muss“.

So erreichen Sie Alexander Kissler:

Das waren harte Worte, damals, vor 16 Jahren: Die „kulturelle Gesamtbilanz“ dieser Religion sei „insgesamt verheerend“. Ihre „sieben Geburtsfehler“ habe diese monotheistische Weltreligion nie ablegen können, sie laste „als Ideologie, Tradition und Institution als Fluch auf unserer Zivilisation“. Man könne dieser weltumspannenden Religion nur zur „Selbstaufgabe“ raten, das wäre ihr „letzter segensreicher Dienst“. Möge sie also, hoffte der Autor damals, endlich in Frieden ruhen und uns nicht länger mit ihren menschenverachtenden, intoleranten, Angst und Schrecken schürenden, Mord und Blutbad legitimierenden Lehren das Leben vergällen. Einmal reichte es.

Wie erging er dem Autor hernach? Musste der Philosoph Herbert Schnädelbach um seine Sicherheit fürchten, wurde er des Rassismus geziehen? Nein. Sein Zeit-Artikel, der im Mai 2000 Wellen schlug, hieß nicht „Der Fluch des Islam“, sondern „Der Fluch des Christentums“. Er wurde gesittet aufgenommen. Natürlich gab es scharfes Kontra ebenso wie begeisterten Applaus, endlich bekomme das Christentum seine Quittung präsentiert. Niemand aber verfiel damals auf die Idee, in dem Essay ein rassistisches Machwerk, in dem Philosophen einen Rassisten und in der Zeit ein christophobes Hassorgan zu sehen. All das wäre auch absurd gewesen.

Kritik am Islam als Ausnahmerscheinung

 

Wie anders verhält es sich doch derzeit in Ansehung des Islam. Wer sich über diese ihrerseits weltumspannende Formation aus Weltanschauung, Religion und Rechtslehre kritisch äußert, wird immer häufiger und gerne umstandslos des Rassismus bezichtigt. So erklärte jüngst in der Talkshow „Anne Will“ die Soziologin Bilgin Ayatan: Die Tatsache, dass man in Deutschland „über Islamkritik sprechen darf“, sei „eigentlich immer eine Verschleierung von rassistischen Denkmustern“.

Manchmal ist die Rede vom „antimuslimischen Rassismus“, einer besonderen Erscheinungsform sogenannter Islamophobie. Dabei gilt für den Islam wie auch für das Christentum das Faktum, dass es sich um keine Rasse, keine Ethnie handelt, ja deren programmatischer Gegenentwurf sein will.

Wer sich taufen lässt, ist Christ, und wer sich zum Islam bekennt, ist Muslim. So einfach geht das. Da wird im einen wie im anderen Fall nicht nach der Abstammung gefragt, da ist das Blut egal. Es gehörte zu den entscheidenden Erfolgsfaktoren in der Anfangszeit beider Religionen, dass sie alles Stammes- oder Volksdenken hinter sich ließen. Da war egal, was einer war oder woher er kam, es zählte nur die neue Gemeinschaft in Christus oder das Ja zu Mohammed und die Unterwerfung unter Allahs Willen. Antimuslimischen, antichristlichen Rassismus im präzisen Sinn kann es nicht geben.

Wer Rassismus ruft, will Debatten beenden

 

Aha, heißt es dann aus denselben Reihen, die sonst das hohe Lied der absoluten Pluralität und des endlosen Differenzierens singen. Aha, dann handele es sich eben um „kulturellen Rassismus“. Als wäre Kultur nicht das Gegenstück zu allem ethnischen Denken. Der Islam, kontrafaktisch als einheitliche Kultur betrachtet, soll nicht herabgesetzt werden dürfen. Dem entgegen steht das trotzige Beharren auf dem Skandalwort: Wer „Rassismus!“ ruft, will Debatten beenden.

Echte Rassisten – sie gibt es auch, Gott sei‘s geklagt – sind denkbar schmutzige Schmuddelkinder, mit denen sich niemand an den Diskurstisch setzen muss. Ist es erst einmal gelungen, Kritik am Islam zur Hetze umzuetikettieren und diese Hetze als Rassismus zu markieren, hat der Islam ein Sonderrecht errungen. Er ist dann der, über den nichts Schlechtes gesagt werden darf. Sprach schon jemand vom „religiösen“ oder „antireligiösen Rassismus“? Damit wäre das begriffliche Schelmenstück vollendet.

Warum wird derzeit, sieht man von politischen Rändern und Stammtischen ab, an einem diskursiven Schutzwall um den Islam gebaut? Unbeschadet der Tatsache übrigens, dass es intolerable, beklagens- und ahndenswerte Explosionen des Hasses und der Gewalt sowohl gegen als auch durch Muslime gibt. Warum aber solch ein pseudo-antirassistischer Schutzwall im Kreis der Wohlmeinenden, Saturierten, Korrekten und Mächtigen?

Aus Angst. Es ist nicht die neu erwachte Liebe zu den Religionen in einem sich einerseits säkularisierenden, andererseits islamisierenden Land wie Deutschland, die den Islam in ein schönes Licht rückt. Es ist die Angst – die Angst davor, als intoleranter Menschenfeind gebrandmarkt zu werden. Und die Angst vor der Auseinandersetzung mit einer sich immer mächtiger und selbstbewusster gebärdenden Weltanschauung.

Deutschland islamisiert sich

 

Ja, Deutschland islamisiert sich im Zuge der neuen Migrationswellen, das mag man bedauern oder begrüßen; bestreiten lässt es sich nicht. Mittlerweile lassen sich deutsche Beamtinnen vor Auslandsbesuchen mit Kopftuch ablichten, um vorab schon den „Gepflogenheiten des Gastlandes“ zu gehorchen. Treibt die Sorge um die Einhaltung islamischer Fastengebote in keineswegs nur von Muslimen bewohnten staatlichen Asylbewerberheimen seltsame Blüten. Findet die Ehe mit minderjährigen Mädchen schleichend Anerkennung, boomen „Halal“-Imbisse nicht nur in den Metropolen.

Dennoch oder deshalb: Islamkritik ist Menschenrecht, heute vielleicht sogar Menschenpflicht. So wie die Geschichte des Christentums die Geschichte der Christentumskritik ist und der christlichen Kritik eben dieser Kritik, kann der Islam nur dann zum Gedeihen der Menschheitsfamilie beitragen, wenn er schroffe, scharfe, selbst ungerechte Kritik akzeptiert.

Und wenn die Repräsentanten der nichtmuslimischen Mehrheitsgesellschaft vom vorauseilenden Gehorsam überwechseln zu Kritik und Kontroverse. Auf keinem anderen Weg ist ein freiheitliches Zusammenleben unter pluralistischen Vorzeichen organisierbar. Religionen müssen sich nicht zivilreligiös schrumpfen; Staat und offene Gesellschaft aber dürfen sich ebenso wenig zu Erfüllungsgehilfen einer weithin unverstandenen, in mancher Hinsicht abgründigen Weltanschauung verzwergen. Machen wir die Probe aufs Exempel: „Der Fluch des Islam“ – wäre ein solcher Artikel anno 2016 in der Mitte unserer Gesellschaft denkbar?

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.

Monika Kindler | Di., 14. Juni 2016 - 23:14

DANKE, Alexander Kissler, für immer Ihre "Gabe der Unterscheidung"!
Ja, hier in unserer und in jeder wirklichen Demokratie kann jeder seine Meinung sagen, also auch Kritik. Damit möchte ich zu Zivilcourage ermutigen, was Alexander Kissler ja auch tut. Besinnen wir uns auf das, was wir hier im christlichen Abendland schätzen und so halten wollen. Und stehen wir dazu. Mutig, obschon es eigentlich selbstverständlich ist.

Ulv Jakobi Hjort | Di., 9. August 2016 - 09:59

Die Grundlagen der westlichen Kultur:
Humanismus
Aufklærung
Demokratie
Sækularisation
Die fæhigkeit und der Wille zu Reformen
Menschenrechte
MENSCHENBEZOGENE Philosophie

Nichts davon findet sich im Islam!

Noch Fragen?

walter behrens | Di., 30. Mai 2017 - 21:21

Antwort auf von Ulv Jakobi Hjort

Keine weiteren Fragen, nur weitere Feststellungen:
Der Islam versteht sich eben nicht als Religion im Sinne unseres GG, sondern als die allein gültige Weltanschauung, die nicht kritisiert werden darf! Er kennt keine Apostasie, die unser GG aber garntiert, und damit ist er nicht verfassungskonform.
Der Islam spricht den Frauen zwar die gleiche Würde, aber nicht die gleichen Rechte zu wie den Männern (Zwangs- und Kinderheirat; Öffentlichkeitsverbot durch Zwangsverschleierung; kein Selbstbestimmungsrecht ...); ein klarer Verstoß gegen Art. 1 unseres GG!
Der Koran fordert von den Muslimen die Segregation, nicht die Integration, indem er den Muslimen das Recht auf den Umgang mit Menschen anderer Weltanschauungen regelrecht abspricht (man darf keinen Juden oder Christen zum Freund oder gar zum Partner haben usw.); ja, der Koran sagt sogar aus, dass Muslime keinen Nicht-Muslim zu ihrem politischen Führer wählen dürfen; siehe Indonesien; die FAZ berichtete darüber).
Quo vadis, Deutschland?

Jakob Nielsen | Do., 15. Dezember 2016 - 12:26

Es muss doch möglich sein, Islamkritik zu üben, ohne von der falschen Seite Applaus zu bekommen. Auch der Dänische Karikaturist Kurt Westergaard wehrt sich dagegen, dass seine Karikaturen von Rechtsextremen missbraucht wird. Abgesehen von der Copyrightverletzung halte ich es für eine Frechheit, eine kluge wohlüberlegte witzige Aussage in eine dumpfe undifferenziert Migrantenhetze umzufunktionieren.

Matthias Neumann | Di., 31. Januar 2017 - 12:58

Danke für diesen Artikel. Kritisiert man in Deutschland (zu recht!) neofaschistische Auswüchse, wie Intoleranz, Gewaltbereitschaft, Frauenverachtung, autoritären Antipluralismus, Homophobien und Antisemitismus, dann ist man in Deutschland (zu recht!) ein demokratischer Held und ein gefeierter Vorkämpfer der Demokratie und Freiheit! Kritisiert man aus genau denselben Gründen den Islam (intolerant, gewaltbereit, frauenverachtend, homophob, antisemitisch etc.), dann ist man ein Rassist! Oder schlimmer noch: Ein Rechtsradikaler oder Nazi! Ich hab mein Leben lang gegen Nazis und Rechtsradikale gekämpft und lasse mich nicht in diese Ecke drängen, nur weil ich jetzt den Islam aus genau denselben Gründen konsequent kritisiere und mich gegen die schleichende Islamisierung Deutschlands auflehne.

Ruth Müller | Di., 23. Mai 2017 - 22:55

dem ist nichts hinzuzufügen.
Das einzige besondere daran ist das die die solches postulieren ehemalige Verehrer und Bewunderer und Verehrer von Mao, Stalin und PolPot sind.
Warum lässt sich der Bildungsbürger von solchen Menschen vorführen - das ist Frage.
Ist das Ignoranz oder Dummheit?

Hans-Jürgen Schulze | Mi., 24. Mai 2017 - 16:06

Ein sehr großes Danke für Ihren Artikel. Endlich ist mit genau den richtigen Worten zur richtigen Zeit eine ganze demokratisch gewählte Partei rehabilitiert worden. Die Genossen, die Sympathisanten, die Wähler und Nichtwähler sind des Rassismus freigesprochen. Auch wird man das in Verbindung gebrachte Wort Faschismus mit anderen Augen beleuchten müssen. Herr Kissler Sie sind ein echter Revolutionär unserer Zeit. Viele Parteien werden zwar gegen Ihre Worte opponieren, macht aber nichts weil Sie 100% tig die Wahrheit geschrieben haben. Schluss mit den Hetztiraden gegen die geschundene AFD, Auf zu gesunden demokratischen Wortwechsel und Ideenaustausch. Nur das kann Zukunftsweisend für ganz Deutschland sein.

Wolfgang Lang | Mo., 29. Mai 2017 - 16:34

eine Religion mit Rasse verwechselt, hat sich schon disqualifiziert.
Aber weiter, tiefer gedacht gilt: Innerhalb des homo sapiens gibt es keine Rassen. Wir, die heute lebenden, sogenannten Menschen, gehören alle zu einer einzigen Rasse. Graduelle Unterschiede in Hautfarbe, Augenfarbe, Körperform sind was ganz anderes. Einen aktuellen Rassisten kann es also nur geben, wenn ein lebender homo sapiens einen lebenden Neandertaler als minderwertig betrachtet. Das kommt so gut wie nicht vor. Wie das damals war, als beide Menschenrassen noch nebeneinander lebten, wissen wir nicht. Es ist beides wohl vorgekommen: Sex über Rassengrenzen hinweg und Mord aus rassistischen Motiven. Nur wir haben überlebt, das Thema Rassismus hat sich also überlebt. Wir können aber über Diskriminierung reden. Wer meint, ein Mensch mit weißer Haut-Farbe wäre besser als einer mit schwarzer soll das rational begründen. Bisher habe ich keinen plausiblen Grund für diese Meinung vernommen.

In Kisslers Beitrag geht es keineswegs um Hautfarbe, sondern einzig und allein darum, ob man den Islam in Deutschland kritisieren darf. Die Antwort darauf lautet n e i n. Warum das so ist, man fürchtet die Konsequenzen. Der Islam duldet keine Kritik, im Gegenteil, er sieht in ihr eine Gotteslästerung. Das tut er übrigens auch bei anderen Glauben, egal welcher Konfession. Deshalb gilt die Religionsfreiheit nicht im Islam, denn dieser ist Religionszwang neben all den anderen Zwängen, die den Tagesablauf vorschreiben und das Leben unter Muslimen genau regeln, wie sie auch das Miteinander von Anders- und Ungläubigen verbieten.

Andreas Dornow | So., 11. Juni 2017 - 00:09

Um die Frage am Ende des Artikels zu beantworten: in der Mitte der Gesellschaft durchaus. In dem, was medial als angebliche Mitte inszeniert wird, nicht. Dort findet vielmehr ein winziges, geistig mehr oder weniger abgeschottetes Profi-Meinungsmacher-Häufchen statt, das sich derart routiniert gegenseitig bestätigt, daß ihm zusehens die Rationalität abhanden kommt, weil wohl, so könnte man zynisch sagen, das Hirnareal, das für logisches Denken und Argumentation zuständig ist, einfach zu selten benutzt wird. Man glaubt offenbar, Probleme durch das Zurschaustellen einer "Haltung" angehen zu können, durch Optimismus. Und wo die komplette Ratlosigkeit einkehrt, dann durch Redeverbote und Zensur.

Wolfgang Lang | Mi., 14. Juni 2017 - 03:07

hätte heute keine Chance mehr. Er würde als Hetzer, Islamophober, Rassist gnadenlos vom Mainstream erledigt werden. Ein Glueck für ihn, dass er so früh geboren ward. Heute haben die Dummen in den Gazetten das Privileg, die Klugen medial zu exekutieren.

willi behle | Mi., 11. April 2018 - 21:13

dieser artikel müsste zur pfichtlektüre eines jeden bundestagsabgeordneten aller parteien werden. dieser artikel spiegelt real das problem der deutschen gesellschaft mit islamverbänden und der vorauseilenden unterwerfung deutscher politiker unter die von diesen verbänden propagierten religiösen rassismusdebatte. wer als islamischer verband nicht mehr diskutieren und sich nicht dem grundgesetz anpassen, aber
die grundsätze der scharia durchsetzen will, beruft sich bei kollision mit den gesetzen und dem grundgesetz auf religiösen rassismus. damit kann keine religiöse diskussion entstehen, was von den islamverbänden anscheinend auch so gewollt ist.