Ein Stier mit Stangen, die in seinem im Rücken stecken
Macron ist gegen ein Verbot des Stierkampfes, doch der wird landesweit von 73 Prozent der Franzosen abgelehnt / picture alliance

Parlamentswahl in Frankreich - Macrons Torera gegen Le Pens Stier

Bei der Stichwahl der französischen Parlamentswahlen könnten viele Politneulinge in die Nationalversammlung einziehen. In Südfrankreich tritt eine bekannte Stierkämpferin gegen den alteingesessenen Front National-Abgeordneten an

Stefan Brändle

Autoreninfo

Stefan Brändle ist Frankreich-Korrespondent mit Sitz in Paris. Er berichtet regelmäßig für Cicero.

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Das ist also die Frau, die Hunderte von Stieren getötet hat. Mit ihren langen blonden Haaren und der schlichten Türkisbluse wirkt Marie Sara aber nicht grausam, sondern grazil und feminin, während sie in Grau-du-Roi mit Besuchern eines Volksfestes plaudert. Die ungeschminkte 53-jährige Französin spricht so, wie sie sich bewegt: präzise, entspannt, aber stets bereit zum Sprung. 

Ja, Emmanuel Macron habe sie persönlich angerufen und gebeten, bei den Parlamentswahlen im hiesigen Department Gard für seine Bewegung „En Marche“ anzutreten. Nach ein paar Stunden Bedenkzeit habe sie zugesagt, erzählt die Mutter zweier Kinder, die wie so viele Kandidaten des Macron-Lagers noch nie Politik betrieben hat.

Die Torera polarisiert

Marie Sara
Marie Sara 1999 / picture alliance

Mit 19 Jahren war sie gegen den Willen ihrer Künstlereltern von Paris in die 600 Kilometer und geistig noch viel entferntere Camargue gezogen – um Stierkämpferin zu werden. Marie schaffte es, sich in der Männerwelt der Matadore einen Namen zu machen. Mehr als fünfzehn Jahre lang betätigte sie sich in den Arenen Südfrankreichs und bald darüber hinaus als Torera zu Pferde (in der Fachsprache: Rejoneadora). Die schöne Blonde wurde bis in die Klatschspalten bekannt, zeigte sich beim Filmfestival in Cannes und heiratete der Reihe nach einen Stierkampf-Manager, einen Tennisstar und zuletzt einen Werbemagnaten, der sie mit Macron bekannt machte.

Dass Marie Sara jetzt in die Politik einsteigt, gefällt nicht allen. In Nîmes, der Hauptstadt des Gard, mobilisierten Corrida-Gegner an Pfingsten wie üblich gegen die weitherum bekannte Stierkampf-Feria. Zudem fordern sie Macron in mehreren Petitionen mit insgesamt 200 000 Unterschriften auf, Saras Kandidatur zurückzuziehen. Die Torera habe bis 2007 „hunderte von Stieren abgeschlachtet“, heißt es zur Begründung, begleitet von Bildern, in denen Sara einem blutüberströmten Camargue-Stier den Degen in den Nacken treibt.

„Stierkampf ist Kunst“

Marie Sara geht den militanten „No Corridas“ in Nîmes aus dem Weg. An diesem Samstag verlagert sie ihre Wahlkampagne nach Grau-du-Roi an der Küste, wo gerade ein Volksbrauch gefeiert wird. Mit Holzstangen und -schilden stoßen sich Jugendliche im Camargue-Kanal gegenseitig von ihren Ruderbarken. Jedesmal, wenn einer ins Wasser fällt, johlt die Menge zu Trompetenstößen. Auch für die Beteiligten in ihren weißen Hemden und Strohhüten ist es eine pure Gaudi.
 
Mann gegen Mann, ohne dass einer das Leben lässt: Ist das nicht fairer, ja humaner als ein Stierkampf? „Das ist nicht dasselbe“, antwortet Marie Sara. „Man kann auch nicht Pétanque mit Schach vergleichen. Stierkampf ist kein Volkssport, das ist Kunst.“ Aber nicht eine morbide Kunst? „Ich züchte Stiere und Pferde, das ist voller Leben“, meint die heutige Leiterin der Arena von Saintes-Marie-de-la-Mer. Auf ihrer Wahlkampfbroschüre, auf der sie neben Macron abgebildet ist, verlangt Sara die Einschreibung der „courses camarguaises“ – der Camargue-Stierrennen, die nicht tödlich enden – in das Unesco-Welterbe. 

Wie passt der Stierkampf zu Macron?

Von den eigentlichen Corridas ist darauf nichts zu lesen. Dafür verspricht die einstige Torera mehr Gendarmen im Gard und weniger bürokratische Normen für Fischer und Bauern. Im Gespräch sagt sie, sie trete „gegen Obskurantismus und Rassismus“ an. Das ist auf ihren wichtigsten Widersacher gemünzt, den seit 2012 amtierenden Abgeordneten des Front National, Gilbert Collard. Ein Anti-Corrida-Appell aus den eigenen Reihen hält ihr indessen vor, sie trete für einen „rückständigen und barbarischen“ Brauch ein. Das sei alles andere als die moderne Zivilgesellschaft, die Macron mit seinen apolitischen Kandidaten verkörpern wolle. 
 
Der neue Präsident hatte kurz vor seiner Wahl erklärt, er sei gegen ein Verbot des Stierkampfes, denn dieser sei „in Südfrankreich Teil von Kultur, Wirtschaft und Tourismus“. Die Stierkampfbefürworter sind allerdings überall in Frankreich in der Minderheit: Während die Corrida landesweit von 73 Prozent abgelehnt wird, sind auch im Gard 66 Prozent der Befragten gegen das Töten der der Stiere. 

Dazu will sich Sara aber jetzt nicht weiter äußern. Von zwei bulligen Bewachern geschützt, hastet die Torera zum nächsten Wahlkampftermin in der „Petite Camargue“. Die „Kleine Camargue“ ist eine der ärmsten Landesgegenden; hinter der idyllischen Kulisse aus Salzseen, Stierherden und weißen Pferden prangen soziale Abgründe voller Alkoholismus, Arbeitslosigkeit bis hin zum Jihadismus: Aus dem Städtchen Lunel 15 Kilometer nördlich von Grau-du-Roi sind vor zwei Jahren gleich 20 junge Männer in den heiligen Krieg nach Syrien gezogen.

Der Gegner steht auf derselben Seite

Im nähergelegenen Aigues-Mortes tritt am Abend Gilbert Collard auf. Ein Gewitter geht gerade über den mittelalterlichen Kreuzfahrerort nieder, und nur zwei Dutzend Gäste folgen dem Plädoyer des 69-jährigen Staranwaltes, einem von nur zwei Vertretern des Front National in der Nationalversammlung. „Marie Sara hat Angst vor meinen Stierhörnern“, höhnt Collard, weil sich die Kandidatin weigert, im Regionalfernsehsender France-3 zu einem Streitgespräch der Kandidaten anzutreten. „Kein Wunder, die Torera ist seit Jahren nicht mehr auf einem Pferd gesessen.“ 
 
Nach diesen Aufwärmsprüchen vermeidet aber auch der schlecht rasierte FN-Mann das Thema Stierkampf: Als bekannter „Aficionado“ steht er auf der gleichen Seite wie Sara. Nur verwundert das bei einem Frontisten weniger als bei einer En Marche-Kandidatin. Collards Zuhörer schimpfen sowieso lieber gegen Terroristen, Einbrecher und – für sie fast so schlimm – die Pariser Politikerkaste. Collard verspricht, sich dieser Themen anzunehmen, wenn sie ihn wiederwählen. 
 
Beim Stopfen seiner Tabakpfeife betont Collard gegenüber dem ausländischen Journalisten, hier in der ländlichen Camargue töte man den Stier nicht – anders als in der römischen Arena von Nîmes oder in Spanien. „Und Sie werden sehen, am nächsten Sonntag wird der Stier sogar gegen die Matadora gewinnen.“

Favoritin ist Sara

Sicher ist das mitnichten. Im ersten Wahlgang hat Marie Sara 32,15 Prozent der Stimmen erhalten, ähnlich viel wie Gilbert Collard (32,27 Prozent). Die dahinter platzierten Kandidatinnen der konservativen Republikaner und der linken „France insoumise“ sind ausgeschieden. Ihre Stimmen könnten sich laut Kennern aber mehrheitlich auf Sara übertragen. Collard gibt sich dennoch nicht geschlagen. Er setzt auf eine stärkere Stimmbeteiligung im entscheidenden Wahlgang an diesem Sonntag.

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Benda Regalin | Fr., 16. Juni 2017 - 16:28

eingebracht und ich she bestimmt nicht so positiv, wie die Mehrheit der Franzosen, Macron wird auch nur unser d. Euro gebrauchen und davon sehr viel, weil er in Frankreich investieren will. Wir investieren in Griechenland lieber und sonstwo in der Welt ohne Gewinn.....

helmut armbruster | Fr., 16. Juni 2017 - 17:16

ich habe die Dame vor ca. 10 Jahren in der Plaza de Toros von Malaga erlebt. Sie wurde vom spanischen Publikum nicht ganz ernst genommen. Die Attraktion war, dass sie eine Frau war. Ihre Darbietung war mehr Show als wirkliche Corrida.
Wenn Macron so jemanden brauchen kann, dann nur zu...

Dimitri Gales | Fr., 16. Juni 2017 - 20:27

dass es auch eine Stierkämpferin gibt. Nun ja, für die Politik vielleicht keine schlechte Vorbildung.
Macron hat Recht, wenn er politische Funktionen mit Neulingen besetzt. Denn die bisherige Politklasse - die Sozialisten wie die Konservativen - ist mehr durch Netzwerkarbeit aufgefallen - zu oft zum eigenen Nutzen.
Der Front National muss sich jetzt neu erfinden. Er hat entscheidende Fehler während des Wahlkapfes gemacht und dadruch die Chances Le Pens signifikant vermindert.

Mathias Trostdorf | Fr., 16. Juni 2017 - 21:41

Falls Macron einen Plan hat, scheint es der zu sein, keinen zu haben. Ob er schon realisiert hat, daß das lustige Wahlkampfleben bald vorbei sein wird, daß er dann regieren und vor allem liefern soll?

Der Mann ist gerade mal etwas über 5 Wochen im Amt und schon muss er seine Regierung umbilden. Wenn das so weitergeht, bildet der nur um und kommt gar nicht zum Regieren. Kann man das schon eine Rücktrittswelle nennen? Wie lange sich wohl seine Stierkämpferin im politischen Sattel hält? Wenn das einem Trump passiert wäre...

Michaela Diederichs | Fr., 16. Juni 2017 - 21:59

Quereinsteiger können mit ihrem unbefangenen Blick auf das Geschehen in Unternehmen und Politik viel Gutes bewirken. Allerdings die gute Mischung aus Erfahrenen und Quereinsteigern macht es. Ich habe den Eindruck, dass Herr Macron sich (scheinbar) gerne der Führung älterer, vor allem aber mächtiger, starker Frauen hingibt, die ihm in den Sattel der Macht helfen. War Napoleones Josephine nicht auch älter als er? Und war Napoleone nicht auch ein Muttersöhnchen, das am Ende wegen Selbstüberschätzung verlor? Napoleone hat auf die Frauen gesetzt und am Ende verloren. Schauen wir mal, wie es Herrn Macron bekommt.

Heidemarie Heim | Di., 20. Juni 2017 - 11:08

Habe vergeblich nach dem Ergebnis dieses Duells
gegoogelt.Vielleicht ergänzt die Redaktion dies mit einem aktuellen PS unter dem Artikel?Aufgefallen ist mir dabei, das meine Anfragen fast immer mit gleichlautenden Artikeln in der Suche beantwortet wurden.Als hätten,mit der ein oder anderen Ergänzung,alle voneinander abgeschrieben. So krass habe ich mir dies bisher nicht vorgestellt.Aber egal wer der Urheber zwecks Vorstellung dieser Kandidaten für die Camargue ist, wäre Madame Sara mit ihrer "Kunst des Tötens"
die Letzte, die ich daraufhin wählen würde.
Und das President Macron als "Kunstmäzen" dazu hier in Erscheinung tritt, hat ihn bei mir umgehend
durch mein ethisches Sympathie-Raster fallen lassen! War mit 21 auf meiner ersten und letzten
corrida und habe heute noch den Blutgeruch und die Verzweiflung der geschundenen Kreatur in
Erinnerung, sowie meine Abscheu gegen das johlende "Kulturpublikum",die ich mir nach Flucht aus der Arena an deren Mauer ausgekot..
habe.No way!!