
- Ausgebremst
Die SPD verliert die Landtagswahl Schleswig-Holstein deutlich und ihr Kanzlerkandidat Martin Schulz muss jetzt einige ziemlich unangenehme Fragen beantworten. Angela Merkel kann erst einmal aufatmen. Die Bundestagswahl hat die CDU trotzdem noch lange nicht gewonnen
Auweia SPD. Das Ergebnis der Landtagswahl in Schleswig-Holstein ist eine Klatsche. Da braucht man gar nicht lange drum herumreden. Der sozialdemokratische Ministerpräsident Torsten Albig wurde von den Wählern abgewählt. Seine rot-grün-blaue Küstenkoalition hat ihre Mehrheit im Landtag verloren und zwar deutlich. Zwar konnten die Grünen laut Hochrechnungen mit 12,9 Prozent und der SSW mit 3,5 Prozent ihre Ergebnisse von 2012 in etwa halten. Aber die SPD verlor mehr als 4,2 Punkte und kommt nur noch auf 26,5 Prozent. Nicht einmal von seinem Amtsbonus konnte Albig profitieren. Und auweia Martin Schulz. Die Niederlage in Schleswig-Holstein ist ein klarer Dämpfer für die Ambitionen des SPD-Kanzlerkandidaten. Das Kanzleramt ist für die Sozialdemokraten wieder in weite Ferne gerückt.
Mit Günther triumphiert Merkel
Die CDU hingegen jubelt. Sie kommt auf 33,3 Prozent. Daniel Günther wird aller Voraussicht nach neuer Ministerpräsident in Schleswig-Holstein. Aber weil die AfD in den Landtag einziehen wird, spricht vieles dafür, dass eine Große Koalition unter Führung der CDU die kommenden fünf Jahre das Land regieren wird. Ein Nobody mischt damit die Landes- und die Bundespolitik auf. Ein junger Kandidat, der in der schleswig-holsteinischen CDU eigentlich nur zweite Wahl war und erst im November vergangenen Jahres eher notgedrungen die Spitzenkandidatur übernommen hatte, nachdem sein Vorgänger überraschend zurückgetreten war. Erstmals seit 2005 gelingt es der CDU damit, ein Bundesland, dass sie während der Kanzlerschaft von Angela Merkel an die SPD verloren hatte, zurückzugewinnen. Mit Daniel Günther triumphiert also Angela Merkel. Auch ihre Popularität hat zum Stimmenzuwachs der CDU in Schleswig-Holstein beigetragen.
Natürlich müssen sich die Sozialdemokraten jetzt ein paar ziemlich unangenehme Fragen stellen. War es das schon für die SPD? Ist der Schulz-Effekt verpufft? Kann die SPD den Bundestagswahlkampf bereits abschreiben?
Niederlage auch die Niederlage von Schulz
Auf jeden Fall haben sich seit Januar zwei Dinge gezeigt. Erstens: Mit Autosuggestion alleine lassen sich keine Wahlen gewinnen. Natürlich helfen Selbstbewusstsein und Geschlossenheit im Wahlkampf. Aber am Ende reicht es nicht, bei jeder sich bietenden Gelegenheit „Martin, Martin“ zu skandieren. Das allein überzeugt die Wähler nicht. Diese Lehre ließ sich schon aus den Landtagswahlen im Saarland am 26. März ziehen. Dort hatten lokale Einflüsse eine starke Rolle gespielt, vor allem eine populäre christdemokratische Ministerpräsidentin und kontraproduktive rot-rot Spekulationen. Darauf kann Martin Schulz an diesem Wahlabend nicht verweisen. Die Niederlage in Schleswig-Holstein ist auch seine Niederlage.
Denn zweitens hat Schulz die SPD in den vergangenen Monaten als Ein-Themenpartei präsentiert, er hat allein auf das Thema soziale Gerechtigkeit gesetzt. Das reicht in Schleswig-Holstein, um die Stammwähler zu mobilisieren, und dafür könnte es auch im Bund reichen, also für 25 bis 30 Prozent. Aber das reicht nicht, um Wahlen zu gewinnen, nicht in Kiel und auch nicht in Berlin. Als Betriebsrat der Nation, der sich bei anderen wichtigen innen- und außenpolitischen Themen hinter Merkel versteckt, wird es für die SPD auch in Zukunft nicht mehr zu gewinnen geben als die Rolle des Juniorpartners in der Großen Koalition. Um enttäuschte Wähler zurückzugewinnen und neue Wähler hinzuzugewinnen, muss die SPD mehr bieten. Mehr Wirtschaftskompetenz zum Beispiel, eigene Konzepte für die Innere Sicherheit oder die Flüchtlingspolitik. Und wenn die CDU eine Leitkultur-Debatte beginnt, reicht es nicht, als Sozialdemokraten auf das Grundgesetz zu verweisen. Denn es ist ganz offensichtlich so, dass viele Deutsche angesichts der massiven Zuwanderung der vergangenen beiden Jahre um gesellschaftliche Orientierung ringen.
Natürlich verweisen die Sozialdemokraten darauf, dass Torsten Albig in seinem Wahlkampf in Schleswig-Holstein schwere Fehler gemacht hat. Natürlich verweisen sie darauf, dass die SPD in allen bundesweiten Umfragen zwischen 28 und 30 Prozent steht und damit sechs bis acht Punkte über dem Niveau des vergangenen Jahres. Der Wechsel von Gabriel zu Schulz war also nicht vergebens. Und natürlich hoffen sie auf einen Wahlsieg von Hannelore Kraft in Nordrhein-Westfalen am kommenden Sonntag. Aber ein Selbstläufer wird auch die Landtagswahl an Rhein und Ruhr nicht.
Merkel bleibt schlagbar
Noch ist es für Martin Schulz und die SPD nicht zu spät. Denn was Anfang des Jahres galt, gilt auch jetzt noch: Merkel ist im September schlagbar. Sie steht nicht mehr so unangefochten da wie noch 2013. Denn eines hat der Schulz-Hype im Januar gezeigt. Viele Wähler in Deutschland sehnen sich nach einer anderen Politik, sie sehnen sich nach einer Alternative zur Großen Koalition. Viele Wähler waren Anfang des Jahres bereit, sich auf den Kanzlerkandidaten Schulz einzulassen, der bis dato ein bundespolitisch weitgehend unbeschriebenes Blatt war. Nur muss Schulz sie anders ansprechen als bisher.
Es gibt noch drei Lehren, die sich aus der Schleswig-Holstein-Wahl ziehen lassen. Der Höhenflug der AfD ist beendet, der innerparteiliche Streit schlägt voll durch. Die Zeiten, in denen die Rechtspopulisten von zweistelligen Ergebnissen träumten und davon, das bundesdeutsche Parteiensystem aufzumischen zu können, scheinen vorerst vorbei zu sein. Wenn sie im Herbst knapp in den Bundestag einziehen, können sie froh und zufrieden sein. Die FDP ist zurück, kann deutlich zulegen und kommt mit 11,2 Prozent auf ein zweistelliges Ergebnis. Zudem kommen alle Nachtrufe auf die Grünen anscheinend zu früh. Mit einem engagierten Wahlkampf und überzeugendem Spitzenpersonal kann die Öko-Partei noch Wahlen gewinnen.
Brechen FDP und Grüne aus Lagerdenken aus?
Bleibt die Frage, ob es in Schleswig-Holstein zwangsläufig zu einer Großen Koalition kommen wird. Vermutlich ja. Für eine Schwarz-Grüne Mehrheit wird es knapp, ob sie überhaupt möglich ist, wird sich erst zeigen, wenn das amtliche Endergebnis feststeht. Als Alternative zu einem Bündnis von CDU und SPD böten sich zudem eine Jamaika- oder eine Ampel-Koalition an. Doch dafür müssten entweder die Grünen oder die Liberalen aus der Lagerlogik ausbrechen. Die Grünen müssten Schwarz-Gelb zu einer Mehrheit verhelfen oder die Liberalen Rot-Grün. Grundsätzlich zuzutrauen ist dies beiden Parteien. Vor allem die beiden Spitzenleute Robert Habeck (Grüne) und Wolfgang Kubicki (FDP) haben immer wieder gezeigt, dass sie bereit sind, aus der klassischen Machtlogik auszubrechen und sich auf ungewöhnliche politische Pfade zu begeben.
Vor der Bundestagswahl am 24. September jedoch werden sie sich dies kaum trauen. Denn die Stammwähler beider Parteien würde ein solcher Schritt wohl stark verunsichern. Nach der Wahl aber könnte das schon ganz anders aussehen. Es sage niemand, die Bundestagswahl 2017 sei schon entschieden und die Deutschen müssten sich auf vier weitere Jahre Große Koalition unter Führung der CDU und mit Kanzlerin Angela Merkel an der Spitze einstellen. Das Wahljahr 2017 bleibt spannend und könnte ganz am Ende doch noch eine Überraschung bereithalten.