Ein Plakat wird hochgehalten. Darauf abgebildet Albert Einstein, die Zunge hinausstreckend. Neben ihm brüllt ihn Trump an, der in Ketten zurückgehalten wird. Auf den Ketten steht geschrieben: "Education" und "Reason"
Nicht nur Trump, auch die Wissenschaften dürfen keinem Dogmatismus anheimfallen / picture alliance

Marsch für die Wissenschaft - Wahrheitssuche auf dem Holzweg

Kolumne: Schöne Aussicht. Die weltweite Bewegung „March for Science“ demonstriert gegen alternative Fakten und für freie Wissenschaft und Forschung. Jedoch wird bei aller Überschwänglichkeit verkannt, dass Wissenschaft gerade von Kritik, Diskussion und unterschiedlichen Standpunkten lebt. Die absolute Wahrheit gibt es nicht

Matthias Heitmann

Autoreninfo

Matthias Heitmann ist freier Publizist und schreibt für verschiedene Medien. Kürzlich hat er das Buch „Entcoronialisiert Euch! Befreiungsschläge aus dem mentalen Lockdown“ veröffentlicht. Seine Website findet sich unter www.zeitgeisterjagd.de.

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Der öffentliche Kampf gegen Lüge und Realitätsverdrehung wird mittlerweile als eine „neue globale Bewegung“ inszeniert: Am 22. April 2017 protestierten weltweit hunderttausende Menschen auf sogenannten Märschen für die Wissenschaft gegen das Umsichgreifen von Unwahrheit und Unwissenschaftlichkeit. Diese sich an den „Marsch der Frauen“ gegen den neugewählten US-Präsidenten Donald Trump anlehnende Initiative will „für die Freiheit von Wissenschaft und Forschung auf der ganzen Welt“ demonstrieren. Dutzende Wissenschaftsinstitutionen, aber auch Organisationen der Zivilgesellschaft und der Politik unterstützten in Deutschland die Aktionen, an denen sich nach Angaben der Veranstalter etwa 37.000 Teilnehmer in 22 Städten beteiligten.

Die Zielsetzung der Initiative klingt zunächst grundsätzlich vernünftig. Wer würde schon gerne von sich behaupten, sich nicht um Fakten zu scheren und stattdessen einem wissenschaftsfeindlichen Weltbild anzuhängen? So heißt es denn auch auf der deutschen Website der Veranstalter: „Kritisches Denken und fundiertes Urteilen setzt voraus, dass es verlässliche Kriterien gibt, die es erlauben, die Wertigkeit von Informationen einzuordnen. Wenn jedoch wissenschaftlich fundierte Tatsachen geleugnet, relativiert oder lediglich ‚alternativen Fakten‘ als gleichwertig gegenübergestellt werden, um daraus politisches Kapital zu schlagen, wird jedem konstruktiven Dialog die Basis entzogen.“ So weit, so Allgemeinplatz.

Schulmediziner und Homöopathen Seit‘ an Seit‘?

Bei genauerer Betrachtung kommen Zweifel auf, ob es sich bei den „Marches for Science“ wirklich um fortschrittliche Initiativen zur Rettung des rationalen Denkens handelt. Die bewusst wachsweiche und unpräzise Formulierung der Zielsetzungen wirkt eher wie ein Versuch, einen möglichst unkontroversen und somit breiten Nenner für eine globale „Bewegung“ zu beschreiben. Dies verwundert, denn gerade Themen mit direktem (Natur-) Wissenschaftsbezug gehören heute zu den am häufigsten kontrovers diskutierten. Wie sinnvoll sind da gemeinsame Nenner ohne jede inhaltliche Bedeutung? Doch offenbar gibt es weder bei Initiatoren noch bei Teilnehmern einen gesteigerten Bedarf an inhaltlicher Vorab-Klärung, welche Art von Wissenschaft und welche Art von Experten hier eigentlich „verteidigt“ werden sollen. 

Beim gedanklichen Weitermarschieren tauchen weitere Fragen am Horizont auf: Geht es den Initiatoren um die Verteidigung und Wertschätzung der abstrakten wissenschaftlichen Methode? Geht es um Rolle und Stellung von „Experten“ allgemein, oder betreffen die Überlegungen nur diejenigen, denen man zustimmt? Was ist eigentlich mit Wissenschaftlern, die Minderheitenpositionen vertreten oder mittlerweile widerlegt wurden? Geht es auch um die Verteidigung moderner Biowissenschaften, um Gen- und Nanotechnik? Wenn Biotechnologen und Impfgegner, Schulmediziner und Homöopathen sowie Atomphysiker und Anthropologen gemeinsam marschieren sollen – wohin um Himmels Willen soll diese Reise gehen, und warum? 

Wissenschaft gut – Politik schlecht?

Irritierend ist auch das Nebeneinander von betont unpolitischen und eindeutig politischen Beweggründen, die auf den Märschen zum Ausdruck kamen. Häufig hieß es, diese seien keine „politischen“ Proteste, gleichzeitig machten aber die Initiatoren selbst deutlich, es gehe auch darum, „auf die Gefahren durch populistische Tendenzen hinzuweisen“. Es ist genau die angeblich klare Trennung zwischen Wissenschaftlichkeit und Ehrlichkeit auf der einen und Politik und persönlicher Meinung auf der anderen Seite, die zum Ausgangspunkt stark moralisierender Argumentationen führt – nicht zuletzt auch durch die Nutzung einer eindeutig politischen Form der Meinungsäußerung, nämlich der des Demonstrationszuges. Es ist ganz offensichtlich, dass hier die Dimensionen verschwimmen und vermischt werden.

Denn es ist genau diese Vermischung, die die emotional aufgeladene Debatte über „fake news“, über „alternative Fakten“ und über das Verhältnis von Wissenschaft zur Politik kennzeichnet. Das Fatale daran: Meinungsverschiedenheiten werden nicht mehr als politische Konflikte ausgetragen, sondern zu einem Kampf zwischen Wahrheit und Lüge stilisiert. Während die eine Seite Wissenschaft, Neutralität, Richtigkeit und „common sense“ für sich reklamiert und das Verfolgen persönlicher und enger politischer Interessen strikt von sich weist, werden der anderen Seite niedere, persönliche, mithin „politische“ Motive unterstellt. Im Gegenzug werfen die so Angegriffenen ihrerseits der Gegenseite vor, sie missbrauche Wissenschaft, um eigene politische Interessen zu verhüllen.

Diese Polarisierung läuft aus mehreren Gründen der wissenschaftlichen Methode zuwider: Zum einen verbietet wissenschaftliches Denken jede Annahme einer unfehlbaren Wahrheit, weshalb der permanente Zweifel und der offene Widerspruch nicht nur toleriert, sondern als Korrektiv zwingend benötigt wird. Kritik und Disput sind elementare Stützen der wissenschaftlichen Methode, deren Ziel nicht die Festlegung „absoluter Wahrheiten“, sondern eine immer genauere Annäherung an wissenschaftliche Erklär- und Nachweisbarkeiten, mithin das wortwörtliche „Aufklären“ ist. Auf Basis dieser Methode können also weder Wahrheiten auf ewig festgeschrieben noch „Unwahrheiten“ aus dem Diskussionsbereich ausgeschlossen werden. Daher basiert auch jeder Versuch, wissenschaftlich komplexe Debatten für beendet und bestimmte Sichtweisen und Einschätzungen für endgültig erwiesen zu erklären, nicht auf Wissenschaft, sondern auf Meinung. Wer dennoch in diese Richtung tendiert, verwechselt Wissenschaft mit Dogmatismus.

Ohne Zweifel keine Wahrheit

Zum anderen führt die Polarisierung zwischen dem „Wahren“ und dem „Falschen“ einen Ton in die öffentliche Debatte ein, der nicht nur der wissenschaftlichen Ergebnisoffenheit widerspricht, sondern zugleich auch freiheits- und fortschrittsfeindlich ist. So werden bestimmte Faktenlagen zu unfehlbaren, quasi-religiösen Dogmen deklariert und als Munition antiaufklärerischen Denkens missbraucht. Dies hat zur Folge, dass die Freiheit nicht nur des Denkens, sondern auch des Redens, Schreibens, Lesens und Hörens nicht mehr als Wegbereiterin des Fortschritts, sondern als Komplizin der Häresie betrachtet und entsprechend bekämpft wird. In der heutigen Debatte wird häufig angeführt, die Meinungsfreiheit müsse beschränkt werden, um die Wahrheit zu „schützen“. Tatsächlich aber befördert selbst die wohlmeinendste Zensur nicht wahrhaftiges und robustes, sondern allein konformistisches und ängstliches Denken. 

Schon im 19. Jahrhundert argumentierte der britische Philosoph, Ökonom und einflussreiche liberale Denker John Stuart Mill, dass alle Versuche, das Recht auf freie Rede zu beschränken, Ausdruck der angenommenen Unfehlbarkeit staatlicher Autorität seien und damit als unmittelbare Angriffe auf die Wahrheit abgewehrt werden müssten. Von dieser Definition einer konstruktiven, den Zielen den Aufklärung folgenden Denk- und Debattenkultur sind wir heute nicht nur weit entfernt, sondern wir entfernen uns auch immer weiter davon. Unsere Auseinandersetzungskultur ist höchst emotional und hysterisch, alarmistisch und ängstlich. Sie tendiert dazu, „Wahrheiten“ dadurch zu verabsolutieren, dass sie sie der Notwendigkeit enthebt, sich gegen Kritik zu behaupten. So werden immer mehr Themenbereiche „tabuisiert“ und jeder Kritik entzogen. Wenn man sich an diese Diskussionsbeschränkungen nicht hält, gilt man schnell als „Leugner“, als „notorischer Querulant“, als „Verharmloser“ oder eben als „Lügner“ und „Faker“. 

March for Science als politische Aktivität  

Je weiter Tabuisierung und Polarisierung getrieben werden, desto weniger wird unterschieden zwischen den verschiedenen Positionen, die außerhalb des Konsenses stehen. Deren Differenzierung erscheint auch nicht wichtig, denn was zählt, ist die Ausgrenzung vom Mainstream. Und so verschwimmen offensichtliche Lügen und abweichende Interpretationen von Fakten zu einem ungenießbaren Brei, den man, um ihm keine größere Beachtung mehr schenken zu müssen, kurzerhand mit dem wenig wissenschaftlichen Begriff „populistisch“ tituliert. Es ist bezeichnend, dass die „Märsche für die Wissenschaft“ den Widerstand gegen „populistische Tendenzen“ als eins ihrer zentralen Ziele beschreiben. Dies macht sie zu eindeutig politischen Aktivitäten. Dagegen ist nichts einzuwenden. Man sollte sich nur darüber im Klaren sein: Wer seine eigene Einstellung als wissenschaftlich-neutral und somit als über der Sphäre der politischen Auseinandersetzung stehend verteidigt, tritt nicht nur die politische Kultur mit Füßen, sondern auch die Wissenschaft. 

Und mehr noch: Wer glaubt, aus einem Haufen Fakten Wahrheiten destillieren zu können, hat beides nicht verstanden. Wie das halb gefüllte Wasserglas zeigt, kann es auf Basis von Fakten ganz unterschiedliche Wahrheiten geben. Wahrheiten sind Interpretationen von Fakten, kombiniert mit eigenen Blickwinkeln, Überzeugungen und Visionen – sie sind somit etwas viel Größeres, als uns die heutigen „Fakten-Checker“ glauben machen wollen. Unterschiedliche Standpunkte und Überzeugungen einfach darauf zu reduzieren, dass einer von beiden auf einer Lüge basieren muss, ist daher nicht nur kindisch, sondern letztlich auch undemokratisch. Politische Auseinandersetzungen brauchen mehr als den notorischen „Fakten-Check“. Wer sich damit begnügt, beim politischen Gegner nach Lügen zu suchen, bringt selbst nicht den Mut und die gedankliche Stärke auf, die eigene Meinung als solche zu verteidigen.
 

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Detlev Flott | Mo., 1. Mai 2017 - 11:07

"Ich glaube nicht an die heilige Dreifaltigkeit, sondern an die 3 Hauptsätze der Thermodynamik".
Der liebe Gott wird genauso wenig in Frage gestellt wie der politische Mainstream, vertreten durch die Thesen der alternativlosen Kanzlerin.
Anders sieht es bei den Naturwissenschaften aus. Wie richtig dargestellt folgt der Diskurs dem dialektischen System von These und Antithese, selbst wenn Aussagen durch reproduzierbare Versuchsreihen zu Erkenntnissen führen sollten, bedeutet es noch lange nicht, eine These bestätigt zu haben. Von daher ist der wissenschaftliche Diskurs essenziell!
Dank Cicero dürfen hier auch Meinungen veröffentlicht werden (Antithese), die ansonsten tabuisiert werden, weil sie nicht der p.c. entsprechen.
Vielen Dank hierfür.

Geisteswissenschaften sind generell Theorie-Wissenschaften, Naturwissenschaften sind es nicht. Wer kritische Wissenschaftler ,z. B in der Klimafrage ,versucht zu kriminalisieren der ist ein Scharlatan.Die echte Wissenschaft, lebt und entwickelt sich nur durch Skepsis und ständiges Hinterfragen. Mit verlogener " Ethik " Atomkraftwerke wegen eines 9000 km entfernten Tsunamis abzuschalten, oder per Gesetz Abwärme in neue Energie umzuwandeln, das ist nur verantwortungslos. Wie hieß es in der DDR so schön? "Es gibt Marx und Murks. Marx ist die Theorie, Murks die Praxis." Und im Merkel Establishment übernehmen die Theoretiker die politischen Handlungsanweisungen. Mit dem erzeugten Murks dürfen sich noch unsere Kindeskinder rumschlagen.

Charakteristisch für ALLE Wissenschaften ist es, dass sie Fakten im Lichte einer Theorie zeigen. Naturwissenschaft ohne Theorie ist einfach keine Wissenschaft, und die Debatte um Klimawandel zeigt das deutlich – ausgehend von denselben Wahrnehmungen machen die Wissenschaftler radikal unterschiedliche Deutungen: alles eine Sache von Theorie. Ob Natur- oder Geisteswissenschaft (die sich nur nach Gegenstand und Faktenmaterial unterscheiden): schon die Auslese und Darstellung von Fakten nach Relevanz ist eine großenteils theoretische Sache. Ohne Theorie bleibt alles Gerede Geschwätz, denn erst die Theorie zeigt die Relevanz.

Michael J. Glück | Mo., 1. Mai 2017 - 12:33

Sir Isaac Newton (1643-1727) und Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) - beide erst spät geadelt - hatten unterschiedliche Vorstellungen zu Farben. Goethe widersprach mit seiner Farbenlehre den entsprechenden Erkenntnissen Newtons. Goethe hatte mit seiner Polemik Unrecht, Newton hatte Recht. Doch solche wissenschaftlichen Auseinandersetzungen waren damals üblich. Heute müsste man vor dem Hintergrund der Intentionen der "Märsche für die Wissenschaft" Goethe als Populisten bezeichnen, der "fake news" verbreitete. Armes Abendland!.

Cecilia Mohn | Mo., 1. Mai 2017 - 19:29

Antwort auf von Michael J. Glück

Goethe hatte nicht Unrecht. Es hat sich herausgestellt, dass die Farben tatsächlich im Auge des Betrachters entstehen, wie er vermutet hatte. Die Dinge an sich haben gar keine Farben. Das ist wirklich spannend.
Cecilia Mohn

Rudi Knoth | Mo., 1. Mai 2017 - 20:07

Antwort auf von Michael J. Glück

Sicher ist die Farbenlehre von Goethe aus heutiger Sicht falsch. Dies ist aber auch die Korpuskulartheorie von Newton. Goethe beobachtete Effekte, die eher mit der Wellethorie erklärt werden können. Es war also nur eine alternative Theorie und keine Alternative zu Fakten.

Heinrich Niklaus | Mo., 1. Mai 2017 - 12:40

Ich hoffe das „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“ bald im Bundesgesetzblatt lesen zu können. Damit eröffnet sich die Möglichkeit, dieses in Wirklichkeit als „Meinungsfreiheitsbekämpfungsgesetz“ entwickelte „Gesetz“ unseres Herrn Justizministers vor das BVerfG zu bringen.

Dann werden wir sehen, ob das BVerfG noch die Kraft aufbringt, die „Wahrheitsbesitzer“ in Berlin in die Schranken zu weisen.

Hervorragender Artikel, Herr Heitmann, Chapeau!
(Anmk. d. Red.: bearbeitet)

Andreas Balmert | Mo., 1. Mai 2017 - 12:50

Wir werden auch diesmal Toleranz üben und den „March for Science“" marschieren lassen. Eine Klamotte mehr - so what?
Schließlich habe wir uns ja auch bei "Veggie-Day", "Gendertoiletten" und "Polizei-Bashing" artig benommen, oder ?

Nun der Marsch ist schon eine Woche her. Auch wollten hier keine Politiker neue Vorschriften machen, sondern Wissenschaftler auf sich aufmerksam machen.

Matthias Junglewitz | Mo., 1. Mai 2017 - 13:49

Kann morgen schon als überholt, falsch oder nicht ganz ausgereift gelten.
Der ganze Marsch erschien mir irgendwie als eine Manifestion von sogenannten Fakten wie zum Beispiel beim Kima Wandel, die gerade gut in den Mainstream passen und natürlich gut dotierte Posten und Förderungsgelder beinhalten. Also eigentlich mit Wissenschaft wenig zu tun hat, die ja gerade davon lebt sich immer wieder in Frage zu stellen und neue technische Möglichkeiten, die vor ein paar Jahren undenkbar waren in den neuen Entscheidungsprozess einzubinden. Das Thema Klima wird uns noch Jahre wenn nicht gar Jahrzehntelang bekleiden. Genauso wie in der Ökonomie oder andere Wissenschaften schlechthin. Der Marsch an sich wäre nicht schlecht gewesen, wenn er wirklich für die Wissenschaft geworben hätte und nicht für das Beharren auf eigenen Standpunkten, die wissenschaftlich alles andere erwiesen sind. Und auf den Blick auf die eigenen Pfründe und Verdammen anderer Meinungen.

Zitat:"Der ganze Marsch erschien mir irgendwie als eine Manifestion von sogenannten Fakten wie zum Beispiel beim Kima Wandel, die gerade gut in den Mainstream passen und natürlich gut dotierte Posten und Förderungsgelder beinhalten. "
Der Klimawandel und vor allem die Politik und Aussagen von Trump waren sicher das Hauptthema. Allerdings wurden auch Themen wie Impfung angesprochen.

Hans Jürgen Wienroth | Mo., 1. Mai 2017 - 13:53

Eine sehr gute Analyse, Gratulation dazu Herr Heitmann.
Es ist schade, dass mit steigendem Anspruch auf alleinige Wahrheit der eigenen Aussage, immer weniger Hintergrundinformationen darin enthalten sind. Damit kann die Aussage bei wissenschaftlichem Anspruch nur mit großem Aufwand als falsch oder richtig identifiziert werden.
Bedenklich finde ich, dass sich immer mehr Politiker auf diese Vorgehensweise einlassen. Allerdings lässt sich auf diese Weise verbergen, dass man für eine Entscheidung nur wenige Einflussfaktoren bei komplexen Zusammenhängen berücksichtigt hat. Genau diese Oberflächlichkeit ist aber gerade hochmodern und passt zu einer Generation „Hype“.

Elke Halefeldt | Mo., 1. Mai 2017 - 14:02

Ich habe den Verdacht, die Unübersichtlichkeit bzw. Konfliktfülle der globalisierten Welt schreit geradezu nach Bewegungen (March for Science, Pulse of Europe, Demokratie leben!), die abstrakt formulierte positive Ziele mit deutschlandweitem oder Nationen-übergreifendem Gemeinschaftsgefühl verbinden und die Welt klar ordnen möchten. Letztendlich können diese Bewegungen tendenziell das Schwarz-weiß-Denken fördern. Wo wir stehen, da sind die Wahrheit und Fakten und Demokratie und Menschenliebe. Auf der Marchforscience-Webseite Berlin ist ein Demo-Banner mit dem Slogan „Zu Fakten gibt es keine Alternativen!“ zu sehen. Das ist, von Wissenschaftlern formuliert, ein ziemlich banales Credo. Selbstverständlich gibt es zu Fakten keine Alternativen, aber wir sind in unserem Alltag umgeben von Tatbeständen und Prognosen, die nicht sicher sind, jeweils unterschiedlich interpretiert werden können; von Meinungen und politischem Streit, der manchmal auch die hehre Wissenschaft in seinen Bann zieht.

ingrid Dietz | Mo., 1. Mai 2017 - 14:31

es war ein schöner Spaziergang !

Gerhard Hellriegel | Mo., 1. Mai 2017 - 15:43

Er hat ja recht. Auf der Demo war ich dabei, aber mit einem leicht mulmigen Gefühl. Wissenschaft schwimmt, Wahrheiten müssen revidierbar bleiben. Aber wenn ein Kreationist die Evolution bezweifelt, dann weiß ich, warum er das tut. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Und das ist nun gar keine Methode zur Wahrheitsfindung. Überhaupt ist es gang und gäbe, eine These zuerst darauf zu prüfen, ob sie einem schmeckt. Und ketzerisch: Haben nicht Theologen und Philosophen erheblich dazu beigetragen, dass der Begriff "Wahrheit" zuerst zur "ewigen Wahrheit" überdehnt wurde, um dann festzustellen, dass die nicht erreichbar sei, um ihn dann der Beliebigkeit zu überlassen? Inklusive "höherer Wahrheit".

Holger Stockinger | Mo., 1. Mai 2017 - 16:14

Daß "nichts unpolitsch" sei, wußten die Kader der "K"-Gruppen der 68iger aus dem FF.

Zielten Kopernikus oder Galilei aber auf "politischen Umsturz"?

Ist "Marxismus" eine Wissenschaft oder eine Ideologie?

Wird eine Behauptung dadurch wahrer, dass in sogenannten Nachrichtensendungen der "wissenschaftliche Experte" als Garant für die Richtigkeit einer These verkauft wird?

Eine Phrase wie diejenige, politisch keinen Einfluss nehmen zu wollen, ist rhetorischer Trick und dümmliche Verneinung. "Gegen Polpulismus" hingegen ist klare Kampfansage gegen alles, "was Recht(s) ist" ...

Cecilia Mohn | Mo., 1. Mai 2017 - 16:52

Natürlich gibt es die absolute Wahrheit in der Wissenschaft. Das Universum gehorcht Gesetzen - wenn wir sie noch nicht erkannt haben und im Dunkeln tappen, heißt das noch lange nicht, dass es keine Wahrheit gibt. In Politik und Gesellschaft dagegen sieht es in der Tat anders aus - da herrschen gegensätzliche Meinungen, die es auszudiskutieren gilt.
Toll, habe durch Cicero vom March for science erfahren - der wichtigsten Initiative seit Jahrzehnten.
Ja, Wissenschaft ist die Suche nach der Wahrheit - Politik die nach der Lüge.
Werde mich dieser Bewegung anschließen. Politik spielt eine viel zu große Rolle in der Gesellschaft - sie sollte bedeutungslos werden - wäre das schön - Wissenschaft und Technik sind in der Tat das, was Menschen wirklich brauchen - natürlich bei Beachtung der Nachhaltigkeit.
Cecilia Mohn

Josef Garnweitner | Di., 2. Mai 2017 - 16:13

Antwort auf von Cecilia Mohn

eine Kleinigkeit hinzuzufügen, Frau Mohn. Wissenschaftler - und damit natürlich auch die Wissenschaft - werden aber auch zunehmend unglaubwürdiger, da sie sich vor den Karren der Politik und zahlungskräftiger Konzerne spannen lassen. Es gibt genug Beispiele dafür, daß Wissenschaftler das abliefern, was der Auftraggeber bestellt. Frei nach dem Motto "wer zahlt, schafft an". Hält sich der Professor nicht daran, verschwindet seine Studie im Tresor.

Auch die freien Professoren an den Unis sind nicht wirklich frei. Wenn sie nicht die eigene Karriere aufs Spiel setzen wollen.

Leider ist das so.

Michael Maschke | Mo., 1. Mai 2017 - 17:01

Es ist bezeichnend, dass in der gegenwärtigen Diskussion überhaupt nicht mehr der Begriff "Medienkompetenz" auftaucht. Dabei war dieser doch noch vor wenigen Jahren in Zusammenhang mit der zunehmenden Bedeutung des Internets und digitaler Medien in aller ("Experten"-)Munde. Das war auch gut so, bedeutet es doch; Menschen innerhalb einer freien, offenen Gesellschaft zu kritischen und selbstbewussten Bürgern zu bilden. Diese sind dann - ganz im demokratischen Sinne -eigenständig in der Lage, zwischen Wahrheit und Lüge, zwischen Fakten und Vermutungen zu unterscheiden. Was im Gegensatz dazu von den Demonstrierenden missbräuchlich im Namen der Wissenschaft befördert wird, ist nichts anderes als Zensur. Als würde man sagen: "Lieber Staat, liebe Medien, beschützt uns vor den bösen Lügnern und Populisten, wir selber können es nicht." So wird die Meinungsfreiheit langsam aber sicher zu Grabe getragen. Meine persönliche Forderung stattdessen: Verbot von kommerzieller Werbung im Kinderprogramm..

Jürgen Althoff | Mo., 1. Mai 2017 - 17:03

In den USA versteht man unter science in erster Linie technisch-naturwissenschaftliche Fächer, in denen gemessen, gewogen und gerechnet wird. Hier wird viel Geld benötigt, denn Messapparaturen, Computer und Expeditionen werden immer teurer, sodass ohne Drittmittel von Firmen, Stiftungen und vor allem staatlichen Stellen so gut wie nichts mehr läuft. Als eine wichtige Voraussetzung für eine Förderung hat sich in den letzten Jahrzehnten erwiesen, die beantragten Arbeiten als wichtig für die Mainstream-Klima- bzw. Umweltforschung darzustellen, was zu einem enormen Zuwachs an Instituten und Fachpersonal geführt hat, geeint durch einen gemeinsamen Glauben an Klimaschutz und die Notwendigkeit, nach immer neuen Umweltgefahren zu fahnden und sie Institutionen wie der EPA zum Erlass weiterer Verbote zu melden.
Und nun kommt ein Herr Trump und nimmt den Deckel von diesem pseudowissenschaftlichen Selbstbedienungsladen. Das kostet sicher geglaubte Arbeitsplätze und Karrieren.

Michael Maschke | Mo., 1. Mai 2017 - 17:36

Wenn es nämlich einen Bereich des reinen Populismus gibt, dann ist es die mittlerweile allgegenwärtige Werbung. Das ist so lange o.k., wie ich mich dem freiwillig entziehen kann, z.B. durch Weiterklicken oder Umschalten.(wobei das inzwischen übermenschliche Reaktionszeiten voraussetzt), Kinder können aber noch nicht erkennen, dass es dabei ums reine Geldverdienen und Verkaufen geht, und nicht um die "Wahrheit". Da aber wohl kommerzielle Werbung "systemrelevant" ist, muss man das eben hinnehmen. Schöne neue Welt...
Im Übrigen ist die Welt der sogenannten Fakten eine sehr kleine, überschaubare, nämlich durch nackte Zahlen und Ereignisse darstellbare. Was in der Welt der Fakten fehlt: Emotionen, Interpretation, Motive, Überzeugungen, Ansichten, Kunst, Literatur, Musik, Geschmack, Freundschaft, Liebe...und und und... Kurz gesagt: So ziemlich alles, was unser menschliches Leben ausmacht und lebenswert macht.
Hierzu mehr in meinem Blog "Wissenschaft und Spiritualität im 21. Jahrhundert".

Rudi Knoth | Mo., 1. Mai 2017 - 20:24

Nun ich war auf dem Marsch hier in München. Ich habe mich eine Woche vorher noch mit dem Initiator an dem Stand unterhalten. Meine Zweifel, daß es sich nur um einen Anti-Trump Marsch wurden zerstreut.

Nun zum Marsch am 22.4. Er bestand aus Kundgebungen am Stachus und am SIegestor. Folgende Themen wurden angesprochen:

1. Die Mittelkürzungen von Trump und die drohende Schließung der CEU (Ungarn). Also eine Art Solidarisierung mit den Wissenschaftlern in USA und Ungarn.

2. Die Aussagen von Trump zum Klimawandel.

3. Die Ablehnung von Masernschutzimpfungen.

Die Slogans waren überwiegend wenn nicht alle auf Trump und den Klimawandel gemünzt. Allerding auch solche wie Wissenschaft ist keine Meinung. Ganz nett war ein Mann mit dem Slogan "Science saved my live August 2016". Es gab auch Plakat mit dem Thema Homöpathie, in dem diese aber durchgestrichen wurde.

Von March im engeren Sinne konnte man nicht sprecen. Es war wohl mehr ein kleiner Ausflug.
2.

Dimitri Gales | Mo., 1. Mai 2017 - 20:38

Resignierend und angefeindet verliess er die politische Arena. Ich warne immer wieder Wissenschaftler, in die Politik zu gehen. Politik und Wissenschaft sind zwei paar Schuhe.
In der Wissenschaft gilt das absolute Prinzip: Hypothese und Verifikation der Hypothese. Das ist quasi en Endloslauf, eine finale Gewissheit gibt es nicht.

Dr. Wolfgang Will | Mo., 1. Mai 2017 - 22:19

Ernsthafte Naturwissenschaftler - und in aller Bescheidenheit rechne ich mich zu diesen - glauben nicht, „aus einem Haufen Fakten Wahrheiten destillieren zu können“, wie das Matthias Heitmann annimmt. Sie leiten vielmehr aus Beobachtungen und Messungen unter strengen Standards Theorien zur Beschreibung der Welt ab. Diese haben Gültigkeit, bis sie durch andere Messungen unter ebensolchen Standards gegebenenfalls strittig widerlegt werden. So werden heute die verschiedenen Lebensformen nicht mehr mit der biblischen Schöpfungsgeschichte sondern durch die naturwissenschaftlich basierte Evolutionstheorie erklärt. Die Anstrengungen christlich-fundamentalistischer Politiker, den Kreatonismus im Biologieunterricht zu vermitteln, sind ein Versuch, „alternative Fakten“ naturwissenschaftlichen Erkenntnissen gleichwertig gegenüber zu stellen, wogegen sich der „March for Science“ richtet - für Matthias Heitmann ein Holzweg, für mich eine Demonstration für die Aufklärung und gegen das Mittelalter.

Arne Bruhn | Di., 2. Mai 2017 - 01:03

"Jedoch wird bei aller Überschwänglichkeit verkannt, dass Wissenschaft gerade von Kritik, Diskussion und unterschiedlichen Standpunkten lebt. " schreibt der Autor. Erst einmal leben Wissenschaftler von Geld, darunter viel Steuergeld! Um z.B. herauszufinden (immer im Team), dass die Affenmännchen mit dunkler Stimme die besseren Partner sind (aus 'nature'),
die alten Germanen bei Aarhus Würmer hatten (die damaligen Bewohner in Gallien auch!!!), dass ein Volk (?) in der Gegend Kirgisiens schon vor 4.000 Jahren Pferde züchtete. - Bei allen Beispielen eine Frage: Na und ??? Diese Forschungsprojekte kosten alle eine Unmenge Geld. Fragt man danach, dann antwortet z. B. ein Fraunhofer-Chef "Wir sind in der Politik gut vernetzt" - und einer seiner Kollegen nannte das "Wir haben da einen Forschungsauftrag an Land gezogen!" Wortwörtlich! Als Hobby in der Freizeit - warum nicht - aber nicht auf Kosten der Allgemeinheit!

Dr. Wolfgang Will | Di., 2. Mai 2017 - 12:13

Antwort auf von Arne Bruhn

Sehr geehrter Herr Bruhn,
zugestanden: Es gibt auch wissenschaftliche Ergebnisse, ohne die man ebenso gut weiterleben könnte. Aber es gibt auch solche, ohne die - im wahrsten Wortsinn - das nicht möglich wäre: So betrug die durchschnittliche Lebenserwartung eines in den 1870er Jahren in Deutschland geborenen Jungen (gerundet) 36 Jahre und steigerte sich für einen aus 1950 auf 65 Jahre. Ein 2010 geborener Junge kann sich sogar auf 78 Jahre freuen. Für Mädchen liegen die Vergleichzahlen bei 38, 68 und 83 Jahren. Das alles ist dem medizinischen Fortschritt und den besseren Lebensbedingungen aufbauend auf wissenschaftlicher Forschung zu verdanken. Schon mal darüber nachgedacht?

Dieter Erkelenz | Di., 2. Mai 2017 - 07:45

"Und so verschwimmen offensichtliche Lügen und abweichende Interpretationen von Fakten zu einem ungenießbaren Brei, den man, um ihm keine größere Beachtung mehr schenken zu müssen, kurzerhand mit dem wenig wissenschaftlichen Begriff „populistisch“ tituliert."
Treffend formuliert und insbesondere auf die meisten unsere Medien anwendbar.

Bernhard Jasper | Di., 2. Mai 2017 - 08:40

Herr Heitmann, es muss immer gefragt werden, wer hier beurteilt und auswählt, bzw. wie sich das vollzieht. Wissenschaftliche Erkenntnis unterscheidet sich auch vom naiven Erlebnis (das sich oft als Verwirrung äußert). Und man benötigt immer den richtigen Interpretationsschlüssel. Die Entschlüsselung in den Wissenschaften erfolgt methodisch und materiell. Wollen sie etwa diese Voraussetzungen für die Politik oder den Journalismus reklamieren? Journalisten obliegt es, Werke und Ereignisse im kulturellen Feld zu taxieren, um es dem Publikum bekannt zu machen. Journalismus und Politik reden oft von Weltanschauungen oder bedienen sich dem Zeitgeist. Das bedarf jedoch ebenso der Erklärung. Und diese Illusion, dieses unmittelbare Verstehen, benutzt oft einen falsch gewählten Schlüssel der Interpretation. „Nicht-Wissenschaftler“ fordern auch oft eine „realistische Darstellung“, wobei man die Frage stellen sollte, was ist eigentlich Realismus?

Das wäre doch mal ein dankbares Thema für Sie.

Bernhard Jasper | Di., 2. Mai 2017 - 10:14

Hier handelt es sich ja um einen „essayistisch geschriebenen“ Kommentar, nicht um eine Art der „Berichterstattung“.

In dem Kommentar, in der Aussage, wird ja auch etwas behauptet. Ob diese Behauptung überhaupt Relevanz hat und ob die Behauptung überhaupt berechtigt ist entscheidet der Autor, definiert den Autor, nicht die Sache. Unter Verwendung von Sätzen, werden Begrifflichkeiten benutzt (Be-Greifen), die nicht weiter definiert werden. Der Beitrag bleibt beim spontan wahrgenommen stehen, beschränkt sich auf Oberflächlichkeiten. Diese thematische Meinungs-Beliebigkeit (in Form von „story telling“), finden wir im prekären Journalismus immer häufiger und ebenso der politische Populismus arbeitet in der Medienwirklichkeit damit.
Hier wird einem „Publikum“ etwas scheinbar „Problematisches“ problematisiert, was selbst in höchstem Maße wissenschaftlich problematisch ist.

Tendenz: Form follows fiction, oder aber auch Polit-Entertainment.

Bernhard Jasper | Di., 2. Mai 2017 - 11:26

Es ist gut, dass wir in großen Teilen eine an Rationalität orientierte Gesellschaft sind (Natur-Wissenschaften, Rechtswissenschaften etc.). Ich persönlich will nicht ins Mittelalter zurück! In einigen Disziplinen sind die Maßstäbe jedoch verrückt. Dieses betrifft vor allem die Akteure, die sich in der sogenannten medialen „Öffentlichkeit“ bewegen und dort auftreten und ihre Mitläufer suchen. Da werden oft Erklärungen abgeben, was doch selbst der Erklärung bedarf. Die Politik- und Sozialwissenschaften, sollten zunächst einmal eine gesellschaftliche Bestandsaufnahme machen, denn das Leben liegt weit mehr in der Gewalt von Fakten, als von Überzeugungen.

Thomas Nichterlein | Do., 4. Mai 2017 - 14:38

Die Demonstranden scheinen das jedenfalls zu meinen. Sonst würden sie nicht alternative Fakten, die Nichts Anderes sein können, als in einer Theorie bisher unberücksichtigte FAKTEN mit fake news gleichsetzen. Von den alternativen Fakten lebt die Wissenschaft, sie provozieren zu neuen, besser zur Realität passenden Theorien. Wer dagegen demonstriert, betreibt die Abschaffung der wissenschaftlichen Methode.