So ungefähr stellt sich Reinhard Sprenger die Rolle der Frau in der Arbeitswelt vor
Cookery lesson, Morden Terrace School, Greenwich, London, 1908 / picture alliance/Heritage Images

Reinhard Sprengers Management-Tipps - Banal, reaktionär und frauenfeindlich

Bestsellerautor Reinhard Sprenger gilt als einer der wichtigsten Management-Berater. In seinem neuen Buch „Das anständige Unternehmen“ gibt er Führungskräften wirtschaftsethische Ratschläge. Entega-Chefin Marie-Luise Wolff-Hertwig hat das Werk gelesen – und war entsetzt

Autoreninfo

Marie-Luise Wolff-Hertwig ist Vorstandsvorsitzende des hessischen Regionalversorgers Entega AG mit Sitz in Darmstadt.

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Reinhard Sprenger, in den Klappentexten seiner zahlreichen Bestseller-Bücher als „Deutschlands profiliertester Managementberater und einer der wichtigsten Vordenker der deutschen Wirtschaft“ bezeichnet, hat ein neues Buch veröffentlicht. Es heißt „Das anständige Unternehmen“, ein interessanter Titel, der in die Zeit passt. Denn wer traut sich schon zu, Antworten auf Ethik- und Wertefragen der Wirtschaft zu geben, also Themen anzupacken, die im Management oft umfahren werden. Ich war gespannt auf dieses Buch!

Sprenger beginnt mit einem Lagebericht über unsere „wirtschaftsethisch abschüssigen Zeiten“, er tritt in seiner Einleitung beherzt ein für mehr Freiräume in den Organisationen, für die „Kraft der Zurückhaltung“ von Top-Managern, für eine Philosophie des „kraftvollen Weglassens“ statt des immer noch mehr Draufsattelns auf die Projektlisten. Soweit, so gut. Bis Seite 27 ist das 380 Seiten starke Buch in Ordnung.

Fast in Ordnung, möchte ich sagen. Als verstörend empfindet man bereits eine Passage der Einleitung, in der Sprenger seine eigenen Leser bedroht. Man möchte das Buch direkt wieder beiseitelegen, wenn man liest: „Wer das Folgende für abseitig oder vielleicht sogar rückwärtsgewandt hält, der unterliegt der optischen Täuschung, die sich nur durch die allgemeine Hypnose erklärt. In Zeiten politisch korrekter Gehirnvernebelung braucht es, um klar zu denken, oft mehr Mut als Verstand.“

Sammlung von „Prinzipien“

Im Wesentlichen ist Sprengers aktuelles Buch eine Sammlung von „Prinzipien“, die Manager sich endlich zu Herzen nehmen sollten. Solche, die seine Gebote befolgen, von denen er Teile schon in seinen alten Büchern präsentiert hat, ist er gewillt, als „anständig“ zu bezeichnen.

Sprengers Botschaften im Hauptteil des neuen Buches sind nicht nur verwunderlich, sondern oft verstörend. Hier ein Auszug. Für ein anständiges Unternehmen gilt: „verzichte auf Zielvorgaben“ („Gegenwartsvermiesung“), „behandle Mitarbeiter nicht wie Kinder“, unterlasse Mitarbeiter-Motivierung („entwürdigend“) und verzichte auf unbefristete Arbeitsverträge („unternehmerischer Selbstmord“). Als anständiger Manager verzichte auf die „entmündigende Haltung der Fürsorglichkeit“ gegenüber deinen Mitarbeitern, unterlasse Gesundheitsförderung (widerspricht dem Prinzip Selbstverantwortung), schaffe Feedback-Runden und Mitarbeiterbefragungen ab (fördert „Selbst-Infantilisierung“), höre auf mit aktiver Mitarbeiterbindung („naiv und übergriffig“), wahre soziale Abstände (zum Beispiel durch das Führen von Titeln!), verzichte auf Frauenförderung („betriebswirtschaftlich nicht zu rechtfertigen“) sowie auf jede betriebswirtschaftlich nicht zu rechtfertigende Förderung von Gruppen.

Neben seiner offensichtlichen Geringschätzung von Managern („Das Management ist krank“), darunter vor allem Personaler, Marketiers und Berater, manchmal aber auch Mitarbeiter, neben der Verachtung von Werten wie sozialer Gerechtigkeit („ein emotionaler Schwallwert“) oder Nachhaltigkeit („eine Großwort-Ruine“) und der Infragestellung Burnout-assoziierter psychischer Erkrankungen in Unternehmen (vielleicht hat nur die Zahl der Psychologen zugenommen?), wundert und schockiert Sprengers offen vorgetragene, massive Abneigung gegenüber der Förderung von Frauen im Management, zu der er sich in seinem Buch recht ausführlich äußert.

Frauen müssen schon besser als Männer sein

Man kann gegen die Frauenquote sein, aber es geht nicht, dass man Frauen heute noch abwertet, wie Reinhard Sprenger es tut. „Frauenquoten, die Leistung und Erfahrung durch Geschlecht ersetzen“, sieht er als Folge einer übermäßigen Moralisierung der Wirtschaft. Die von ihm lakonisch in den Raum gestellte Frage, worum es bei der Quote denn überhaupt gehe, beantwortet er sich selbst wie folgt: „Eine Menschengruppe, die man offenbar für besonders schwach und daher für schutzwürdig hält, will man direkt und ohne Umwege an die Spitze der Unternehmen befördern.“

Sprenger hält die Frauenquote wahlweise für „kurios“, „amüsant“ oder „irrsinnig.“ Frauen seien allenfalls genderstereotypisch benachteiligt, damit sei aber keine Rechtsverletzung gegeben. Also müssten sie als Managerinnen schon besser sein als ihre männlichen Kollegen, damit überhaupt betriebswirtschaftlich zu rechtfertigen sei, dass sie in Unternehmen gefördert werden, oder es ihnen gestattet werde, dort Männer zu verdrängen.

Seltsam liest sich auch Sprengers Kapitel über die angebliche Feminisierung der Unternehmen („Weiblichwerden; Die Pathologisierung des Mannes“), gegen die sich „anständige Unternehmen“ zur Wehr zu setzen haben. Die Standards der modernen Führungskräfteentwicklung offenbaren nach Sprengers Meinung „ein dunkles Geheimnis“. Sie bevorzugen nämlich ungerechtfertigterweise „Einstellungen und Verhaltensweisen, die man traditionell als ‚weiblich‘ bezeichnet.“ Der Chef werde heute zum „Mitarbeiterversteher“, zeige sich als „guter Zuhörer“, gebe den Mitarbeitern das Gefühl, „wichtig zu sein“. „Nicht durchsetzen will er mehr, sondern sich hineinversetzen.“

Rückständiger als unsere Großväter

Sprengers Aufruf zur Erhaltung der althergebrachten Geschlechterunterschiede in der Mitte des Buches hat etwas Peinliches. Es ist schade, dass ein so erfahrener Autor tiefer gesunken ist, als es das Schrifttum in den Rumpelkammern unserer Großväter und Großtanten hergibt. Lesen Sie das: „Frauen schauen dispositionell nach innen, Männer nach außen. (...) Und da draußen tobt der Wettbewerb, das Überbieten. Die Idee des Überbietens ist maskulin. Konkurrenz, verbissen und bis auf die Knochen – das ist die männliche Domäne. Das Unbedingtwollen, das Leisten um jeden Preis. Es ist eine Welt der Schnelligkeit und der feindlichen Übernahmen, in der man, neurochemisch gesprochen, Antreibersubstanzen wie Testosteron, Dopamin, Adrenalin braucht und kein Bindungshormon wie Oxytocin.“

Man möchte Reinhard Sprenger zurufen: Hab‘ nicht solche Angst, lies Sartre, Beauvoir oder Lacan, oder auch Butler, die schon immer wussten, dass Geschlechterunterschiede ein gesellschaftliches Konstrukt und ein Spiel sind, auf das wir natürlich nicht verzichten wollen. Nimm zur Kenntnis, dass sich Geschlechterunterschiede ändern, dass wir sie nicht festschreiben können und wollen. Darüber hinaus sollte natürlich auch ein Management-Guru zur Kenntnis nehmen, dass Kunden und ihre Bedürfnisse zur Hälfte weiblich sind, dass Kunden gebunden und nicht über den Tisch gezogen werden wollen, und dass wir in unseren Unternehmen dafür sorgen sollten, dass Frauen wie Männer gleiche Chancen haben und neben ihrer Arbeit ein gesundes und ausgeglichenes Privatleben führen können.

Reinhard Sprenger will Angst verbreiten

Manche Ratschläge in „Das anständige Unternehmen“ sind an Banalität nicht zu überbieten („Wer mit Handys nach Mitarbeitern wirft, sollte schlicht das Weite suchen“). Viele Themen arbeitet Sprenger in polemischer Manier mit dem Ziel der Angstverbreitung auf, so das Thema der „Frauen“, der „Psychologie“ oder auch das der „sozialen Medien“. In seinem neuen Buch stellt sich Sprenger als radikaler Reaktionär alter Schule vor, er unterschätzt permanent, woran in vielen Unternehmen von Managern, Betriebsräten und Mitarbeitern längst gearbeitet wird, und er outet sich als Testosteron-Fan.

Sollte Reinhard Sprenger wirklich als Ratgeber für die meisten der hundert DAX-Konzerne in Deutschland gefragt sein, müsste man beginnen, sich Sorgen zu machen. Aber soweit braucht man vielleicht gar nicht zu denken.

 

Reinhard Sprenger: Das anständige Unternehmen, DVA, September 2015, 26,99 Euro

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Arndt Reichstätter | Fr., 22. Juli 2016 - 14:36

Obwohl mir die politische Korrektheit des Matriarchats in Deutschland etwas auf den Nerv geht, stimme ich den Thesen der Autorin weitestgehend zu. Geschlechter sollen gleich behandelt werden!

Da die Autorin ja offenbar für Gerechtigkeit ist, hoffe ich bald Artikel von ihr über das folgende, viel wichtigere Thema zu lesen:

FIAT MONEY:

eine nicht rohstoffgedeckte Währung in Verbindung mit einem Teilreservesystem sorgt 1) für zyklische Wirtschaftskrisen und 2) für Ungleichheit, indem die Erstempfänger des frischen Geldes übermäßig profitieren (Cantillon-Effekt).

Die Geldschöpfung aus dem Nichts ist außerdem der treibende Motor der Militarisierung der Gesellschaft. Würden die Politiker ihren Sponsoren aus der Rüstungsindustrie deren Staatsverträge mit Zahlungen nicht durch öffentliche Schulden sondern durch sofortige Steuererhöhungen zusichern, gäbe es viel weniger Zustimmung für Kriege.

Frauenfeindlich sind heute vorrangig Merkels Rüstungsgeschäfte auf Pump.

Dimitri Gales | Fr., 22. Juli 2016 - 15:10

Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein erfolgreicher, gegenüber seinen Mitarbeitern und seinem Geschäft verantwortlich handelnder Unternehmer oder leitender Angestellter solche Bücher liest. Solche Schriften werden wohl eher von frustrierten Angestellten gelesen, die (vergeblich) darin Antworten suchen.

Karola Schramm | Fr., 22. Juli 2016 - 20:18

Na ja, mit dem Foto, das den Artikel ziert, kann man eine ganze Menge negativer Assoziationen einleiten.
Ich lese:"Man kann gegen die Frauenquote sein, aber es geht nicht, dass man Frauen heute noch abwertet, wie Reinhard Sprenger es tut. „Frauenquoten, die Leistung und Erfahrung durch Geschlecht ersetzen“, sieht er als Folge einer übermäßigen Moralisierung der Wirtschaft. " die jedoch von Politik, bzw. v.d.Leyen, als Arbeitsministerin, dazu gezwungen wurde, müsste es weiter heißen. Alle Parteien, außer Linkspartei, stimmten für die Frauen Quote. Wobei anzunehmen ist, dass sich hier Poltikerinnen, ähnlich wie die Männer, eine Tür zur Wirtschaft aufstoßen wollten.
Denn an die Gehälter der vielen anderen Frauen haben sie nicht gedacht, was deutlich macht, wie elitär und exklusiv diese Diskussion insbes. von den Politikerinnen geführt wurde.

Ansonsten kann ich manches von Sprenger besser nachvollziehen, als das, was mir die Autorin so erzählt.

Ist ja interessant. Wissen Sie, warum DIE LINKE gegen die Frauenquote gestimmt hat?

Ich sehe die Herkunft der FQ ganz klar in Ideologie, und weniger in konkreten Fällen, in denen sich so manche Politikerin oder Unternehmerin eine spätere Stelle erhofft hat.

Ursprung dieser Ideologie ist der Glaube, alle Menschen - ob Geschlecht, Alter, Ethnie, Kultur - seinen gleich, womit jede Art von Ungleichheit eine soziale Ursache haben muss. Und da man soziale Unterschiede, zur Not mit Gewalt, ausgleichen kann, ist aus dieser ideologischen Sicht jedes Mittel notwendig.

Leider - oder Gott sei Dank - sind nicht alle Menschen gleich, womit ein künstlicher Ausgleich der Ungleichheit nur bis zu einem gewissen Grad möglich ist.

Während ich gegen einige wenige Maßnahmen nichts hätte, vor allem wenn sie rein durch sozialen Druck und Diskussion geschehen, so ist der Sozialstaat bereits völlig aus dem Ruder gelaufen.

Aus ökonomischer Sicht wäre eine FQ für die meisten Frauen von Nachteil.

Luise Grallert | Sa., 23. Juli 2016 - 20:58

Sehr geehrte Frau Wolff-Hertwig,

zu einem großen Teil kann ich mit den Aussagen in Ihrem Artikel zumindest so weit mitgehen, dass ich mich nicht genötigt sehe, sie an dieser Stelle zu diskutieren. Ich bitte Sie aber, für Ihre weiteren literarischen Tätigkeiten zur Kenntnis zu nehmen, dass der korrekte Imperativ von "nehmen" "nimm" lautet.

Vielen Dank,

Luise Grallert

Ruth Falk | Sa., 23. Juli 2016 - 23:49

Muss der Minderwertigkeitskomplexe haben, dass er solche Muffen vor tüchtigen Frauen hat! Schon mal einen Haushalt mit Kindern gemanaged? Er würde mit fliegenden Fahnen untergehen.

Horst Brandner | Mo., 25. Juli 2016 - 11:09

Antwort auf von Ruth Falk

Sie haben Recht, Frau Falk. Aber die Arbeits- (und Sozialsystem-)welt wurde von Männern für Männer geschaffen. Wenn sich eine Frau frauentypisch benimmt, hat sie eine Kinderschar am Hals. Die wird ihr immer wichtiger als sein, als ihre Arbeit. Die Arbeitswelt ist nämlich gerade so organisiert, dass jeder grundsätzlich ersetzbar - ganz anders als die Familie. Wer will, dass Frauen gleichberechtigt sind, muss die Dinge, die Frauen besser können - Kinder kriegen, erziehen und Familie organisieren - nicht nur in Sonntagsreden als Leistung sondern auch materiell anerkennen. Ein nicht ganz ernst gemeinter Vorschlag dazu wäre, die Renten einfach zu streichen. Die Alten können sich dann ja an ihre Kinder wenden, wenn es mit dem Arbeiten nicht mehr klappen will.

Ruth Falk | So., 24. Juli 2016 - 16:05

Der Herr hat einen schon pathologischen Minderwertigkeitskomplex, sonst hätte er nicht so Angst vor starken Frauen. Beim Managen eines normalen Haushalts mit Kindern und begrenztem Budget ware er völlig überfordert. Wäre längst Zeit, ein Gehalt für Familienmanagement festzusetzen, damit Männer - so wie mein Vater z.B. - nicht mehr behaupten können, dass die Arbeit der Hausfrauen nichts kostet, und ergo nichts wert ist. Dann erübrigten sich die Diskussionen über Frauen in verantwortungsvollen Posten von selbst.

Christian Lange | So., 24. Juli 2016 - 21:48

Wer sich mit dem Autor R.K. Sprenger etwas umfassender befasst , weiß dass er ein Vertreter eines systemischen Ansatzes ,als Ersatz für tayloristische Managementtheorien ,ist. Hiermit trägt er den zunehmend komplexeren Anforderungen an Unternehmen im Zeitalter der Globalisierung Rechnung. Die hierarchische komplizierte Trennung von Denken (Management) und Handeln (Mitarbeiter) , wie sie J.Taylor im 19ten Jahrhundert für die beginnende Industrialisierung vorsah , passt nicht mehr zu den heutigen Anforderungen. In diesem Kontext ist auch sein aktuelles Buch zu verstehen , das in keinster Weise "frauenfeindlich" ist. Ganz im Gegenteil verzichtet das anständige Unternehmen nach seiner Interpretation auf schematische Einteilung von Mitarbeitern , verzichtet auf gängelnde Vorgaben und nutzt die intrinsischen Motivationskräfte , die in jedem Menschen , unabhängig vom Geschlecht wirken. Die Kritik greift daher zu kurz bzw. zeugt nicht davon das Buch verstanden zu haben.