Julian Reichelt. Online-Chef von Bild. dpa/picture alliance

Presserat versus Bild - Absurder Streit um Syrien-Berichterstattung

Der Presserat hat eine Missbilligung gegen die Syrien-Berichterstattung von Bild Online ausgesprochen. Bild-Online-Chef Julian Reichelt bezeichnete den Presserat daraufhin als „Handlanger des Kreml“

Autoreninfo

Petra Sorge ist freie Journalistin in Berlin. Von 2011 bis 2016 war sie Redakteurin bei Cicero. Sie studierte Politikwissenschaft und Journalistik in Leipzig und Toulouse.

So erreichen Sie Petra Sorge:

Der Deutsche Presserat ist eigentlich ein Gremium der medialen Selbstverwaltung, besetzt zu gleichen Teilen mit Journalisten und Verlegern. Ein Schiedsrichter, an den sich jeder wenden kann, wenn Zeitungen oder Zeitschriften gegen die journalistische Ethik – fixiert im Pressekodex – verstoßen. Der Presserat kann dann Sanktionen verhängen.

Eigentlich eine seriöse, vertrauenswürdige Institution. 

Im jüngsten Fall zur Syrien-Berichterstattung von Bild Online aber gibt das Gremium kein gutes Bild ab. Da verharmlost der Presserat Bomben und Gräueltaten von Putin und Assad als „kritikwürdig“. Und Bild Online-Chef Julian Reichelt wirft dem Gremium vor, sich zum „Handlanger der Kreml-Propaganda“ zu machen.

Für beide Seiten ist das, bei einem solch ernsten Thema, peinlich.

Zur Klarstellung: Die Bild-Zeitung und ihr Webableger gehören zu den regelmäßig Gerügten des Presserates. Dort wird journalistische Ethik mitunter sehr originell ausgelegt, wenn sie denn überhaupt zur Kenntnis kommt

Im vorliegenden Fall berichtete Bild Online am 12. Februar über russische Luftangriffe in Syrien kurz nach einem Treffen der Kriegsbeteiligten in München. Der Titel der Geschichte: „Nach der Einigung in München – Putin und Assad bomben weiter!“Bild Online dokumentiert die Gräueltaten gewissenhaft, zeigt Fotos der Vakuum-Bomben, zitiert örtliche Quellen.

Der Vorwurf des Presserates: Bild Online habe suggeriert, dass die russischen und syrischen Truppen einen vereinbarten Waffenstillstand verletzt hätten, den es gar nicht gegeben habe. In der Begründung heißt es: „Dem Beschwerdeführer ist darin zuzustimmen, dass ein durchschnittlich verständiger Leser – auf einen solchen ist hier bei der Prüfung des Pressekodex abzustellen – den Artikel so auffasst, dass die Einigung auf eine Feuerpause von einer Partei gebrochen wurde.“ Das werde unterstrichen durch eine Formulierung im Artikel, wonach die Bombardements sich „nur wenige Stunden nach der nächtlichen Einigung auf eine Feuerpause“ ereignet hätten.“

Tatsächlich hätten sich die USA, Russland und andere Konfliktparteien aber in München auf eine Reduzierung der Gewalt und ein Ende der Kampfhandlungen binnen einer Woche geeinigt. Außenminister Frank-Walter Steinmeier sagte direkt nach dem Syrientreffen: „Seit heute Abend, hier in München, gibt es die klare Münchener Verpflichtung für alle Seiten, innerhalb von wenigen Tagen alles für eine landesweite Feuerpause zu tun [wohlgemerkt: nicht im Kampf gegen IS und al- Nusra]“.

Missbilligung: zweitschärfste Sanktion nach der Rüge

Der Presserat sieht den Verstoß gegen die publizistischen Grundsätze als „so schwerwiegend“ an, dass er eine Missbilligung aussprach. Das ist das zweitschärfste Mittel nach der Rüge.

Bild Online-Chef Reichelt moniert, der Presserat habe sich „auf beschämende Art und Weise zum Schutzpatron zweier Regime gemacht, die ihre Schandtaten durch Scheindiplomatie, leere Versprechungen, gezielte Desinformation und Propaganda zu vertuschen versuchen“.

Der Vorsitzende des Presserates, Lutz Tillmanns, entgegnete, Reichelt argumentiere hier „gesinnungspolitisch“, wenn er dem Presserat eine „Pro-Putin-Kampagne“ unterstelle. Das Gremium habe rein nach journalistischen Handwerkskriterien entschieden.

Da hat er Recht. Nur: Dann hätte auch der Beschwerdeausschuss nicht politisch argumentieren dürfen.

Denn in dem Schreiben des Presserates an Bild Online-Chef Reichelt heißt es weiter: „Ebenso erweckt der Artikel für den Durchschnittsleser den Eindruck, nur eine Konfliktpartei sei nach der Einigung weiterhin militärisch aktiv. Tatsächlich führte allerdings auch die USA im Rahmen ihres Kampfes gegen den IS weiterhin Bombardements durch.“

Russische Angriffe werden mit den amerikanischen Angriffen gleichgesetzt

Hier stellt das Gremium die russischen Angriffe gegen unbescholtene Zivilisten auf die gleiche Stufe wie die amerikanischen Bomben gegen Terroristen. Schlimmer: Es will den Medien implizit vorgeben, gleichwertig über russische wie amerikanische Angriffe zu berichten.

Wie brutal aber die Putin-Bomber vorgingen, berichtete Bild Online unter Berufung auf einen örtlichen Aktivisten: „Helfer des Zivilschutzes versuchten Verschüttete zu retten, als russische Flugzeuge einen weiteren Luftschlag auf die gleiche Stelle flogen“. Dabei sei ein Zivilschutz-Mitarbeiter getötet worden. Insgesamt starben bei Angriffen mit 20 Vakuum-Bomben 16 Menschen, Dutzende wurden verletzt.

Die amerikanischen Militäraktionen gegen den „Islamischen Staat“ dagegen waren nach den Verhandlungen von München legitim. Alle Konfliktparteien hatten sich darauf geeinigt, dass Angriffe gegen Terrormilizen weiterhin geführt werden dürften. Der IS und die Al-Nusra-Front waren explizit aus der geplanten Feuerpause ausgenommen.

Vielleicht hätte auch der Presserat hier einmal recherchieren sollen.

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.

Yvonne Walden | Fr., 17. Juni 2016 - 17:27

Die BILD-Zeitung steht nach wie vor auf der Seite des US-Imperialismus und lässt diese Haltung jetzt sogar offiziell durchblicken.
Das Schlimme an der Sache ist, dass die BILD immer noch die meistgelesene Tageszeitung (darf BILD überhaupt als "Zeitung" bezeichnet werden?) in Deutschland ist.
Das läßt auf den Geisteszustand vieler BILD-Leserinnen und BILD-Leser schließen.
Hier tun sich Parallelen zu den US-Republikanern und deren Frontmann Trump auf.
Das lässt für die Zukunft wenig Gutes ahnen.
Hoffentlich kommt es nicht so arg, wie befürchtet werden muss.
Die BILD-Redaktion steht indessen felsenfest auf der Seite des US-Imperialismus.
Wann endlich erkennen dies auch die letzten BILD-Leserinnen und BILD-Leser?

Rudolf Stein | Sa., 18. Juni 2016 - 12:43

Antwort auf von Yvonne Walden

Sehr verehrte Genossin Walden, Sie sind ein bißchen spät dran. Ihr Beitrag hätte in jede (absolut jede!) Gazette der DDR gepasst. Man hätte an Ihrem Beitrag kein Wort ändern müssen. Mit sozialistischem Gruß, ein ehemaliger DDR-Bürger.

peter hauser | So., 19. Juni 2016 - 20:14

Antwort auf von Rudolf Stein

Es wirklich erstaunlich, wie blauäugig "junge" Menschen auf das Geschehen der Welt blicken.
Ich kann, obwohl nicht die Erfahrung von Herrn Stein gehabt zu haben, seiner Anmerkung nur zu stimmen.
Selektive Information war und ist schon immer ein handicap. Aber Urteilsvermögen sollten Journalisten dem Leser voraus haben....natürlich nicht Urteilskraft !!__:-)
Was ich damit sagen möchte, ist eine "Anklage" an Unterscheidungsmangel, der sich nicht mehr objektiv zurücknehmen kann.
Der ganze Artikel "trieft" von Wertungen...i.e. unbegründeten Urteilen. Bezeichnend sind die häufig zu erkennenden "Hervorhebungen", die nur Unsicherheit offenbart.
Es sprengt jeden Ramen, hier noch im Detail auf diverse Quellen, die letztendlich nur Interessen verfolgen, hinzuweisen......Summa sumarum, die USA ist gut, die Russen sind "böse"....:-)

Harro Meyer | Mo., 20. Juni 2016 - 13:05

Antwort auf von Rudolf Stein

Da ist er also wieder, der USA-Kapitalismus, zu Hitlers Zeiten jüdisch anglo-amerikanischer Kapitalismus genannt, für dessen Glauben 3 Mill. deutscher christl. getaufter Männer auf dem Felde der Ehre in Russland verreckt sind. Sollen wir uns denn noch einmal vor den kapitalistischen Karren spannen lassen, bei dem der Judenbüttel Hitler schon gescheitert ist? Da kann auch eine Ossi mal recht haben

Ernst Reutlinger | Fr., 17. Juni 2016 - 17:45

Laut Wikipedia erhält der Deutsche Presserat e.V. etwa 180.000 € an staatlichen Zuschüssen (Statistik 2007). Das macht der Staat natürlich nicht, weil er so nett ist (oder zu viel Geld hat), sondern um Einfluss zu nehmen.
Eine "politische Argumentation" verwundert also nicht.
Im Gegenteil: Angesichts des Totalausfalls von Kritik am amerikanischen Imperialismus und dessen Finanzierung vom anschließend gejagten IS verbreibt sich das "seriöse" Gremium entweder die Zeit mit politisch korrekter Kritik.
Oder es spielt gar eine Art öffentliches Theaterstück vor, indem es vorgibt, überhaupt ethische Standards zu haben und grundlegend Kritik äußern zu können.
Außerdem arbeiten die großen Mafiabosse, zu denen Obama und Putin gehören, sowieso zusammen (siehe Anthony Suttons Bücher).

Siegfried Stein | Fr., 17. Juni 2016 - 19:44

Ich lese BILD nicht, und diesen ominösen und überflüssigen 'Presserat' brauche ich genauso wenig.

Ist auch so eine NGO - im Staatsauftrag.

Herbert Trundelberg | Sa., 18. Juni 2016 - 14:33

wie die Frau Sorge erkennt wer die guten Bomben und wer die schlechten Bomben wirft. Auch die Drohnen können natürlich unterscheiden. Frau Sorge sie sind ein Phantastikum gehen sie ins Panoptikum oder direkt in die Klappsmühle.

paul peters | So., 19. Juni 2016 - 08:47

ich hielte es für äußerst interessant zu erfahren, wer in syrien mit welchem mandat bombadieren darf. auf welches mandat berufen sich die westlichen akteure dieses kriegs?

Gerald | Mo., 20. Juni 2016 - 09:39

"russischen Angriffe gegen unbescholtene Zivilisten" sagt wer? Die Russen bekämpfen die sogenannten "gemößigten Rebellen" und keine unbescholtenen Zivilisten. Was sind eigentlich "gemäßigte Rebellen"? Verabreichen diese vorher noch ne Aspirin, um eventuellen Kopfschmerzen ihrer Enthaupteten vorzubeuen?
Sind US Bomben bessere Bomben? Mit welchem Völkerrecht ist es vereinbahr, dass die USA und ihre europäischen Kriegsbrüder in Syrien Bomben werfen?

Karola Schramm | Mo., 20. Juni 2016 - 10:28

Der Punkt ist der, dass die Bild-Zeitung, egal ob online oder Print, ein Blatt der Regierung ist und gar nicht daran denkt, neutral nach Ethik und Moral zu schreiben.
Für "Bild" steht die Hetze gegen Assad und Putin im Vordergrund. Wobei Assad, immer noch amtierender Präsident Syriens, Putin um Hilfe gebeten hat und die NATO, USA und DE aber nicht. Diese nehmen sich einfach das Recht, auf Syrien Bomben zu werfen und es ist ganz leicht, hinterher zu behaupten, es seien die bösen Russen gewesen oder Assad, der Schlächter.
Ich habe schon -zig Beschwerden gelesen, die an den Presserat gegangen sind, auch gegen ARD und ZDF. Dennoch berichten sie weiter einseitig im Freund/Feind-Schema und scheuen sich nicht, auch falsche Fotos oder Fotomontagen zu benutzen um zu beweisen, dass alles echt ist.

Jede Bombe die auf Syrien fällt ist eine zu viel, und dass DE sich auch daran beteiligt, ist einfach nur eine Schande für unser Land.

Der Krieg in Syrien hätte längst beendet werden können, wenn alle Beteiligten das getan hätten, was Assad von Anfang an beworben hat: Miteinander reden.
Aber dann hätten die USA zugeben müssen, dass sie ihr Ziel, einen Regime-Wechsel in Syrien herbei zu führen, nicht erreicht haben. So geht das Bomben und die Lügen der Presse, einseitige Berichterstattung, eben weiter wie bisher.

Der Kommentar entspricht den Tatsachen und ist die Richtigstellung der uns täglich von der gleichgeschalteten Presse (Atlantik - Brücke) untergeschobenen Lügenmärschen. Mit etwas Mühe kann man die Tatsachen aus seriösen Quellen in Internet recherchieren. Danke für den guten Kommentar.

Roman Nasucinski | Do., 23. Juni 2016 - 11:16

Wo fange ich am besten an...
russischen Angriffe gegen unbescholtene Zivilisten ... Ja genau, sobald Russen bomben trifft es nur "unbescholtene" Zivilisten. Was für ein Schwachsinn!
Wie brutal aber die Putin-Bomber vorgingen ...
Darf ich fragen was ein "Putin-Bomber" ist? Werfen die Dinge Putins ab? Warum werden US-Bomber nicht Obama-Bomber genannt? Oder türkische Bomber "Erdogan-Bomber"?
Und warum sollen russische Bomber brutaler sein als amerikanische? Beide Flieger werfen Bomben ab, beide treffen regelmäßig Zivilisten. Es gibt keine "guten" Bomben und es gibt keine "bösen" Bomben.
Vielleicht würde es euch auch mal gut tun, wenn hier weniger Kampagnenjournalismus betrieben wird.

Klaus Scharff | Mo., 27. Juni 2016 - 18:27

welche quellen haben sie , die das narrativ von “bild” - autor julian röpke unabhängig bestätigen , wenn sie folgendes schreiben :

“Wie brutal aber die Putin-Bomber vorgingen, berichtete Bild Online unter Berufung auf einen örtlichen Aktivisten: „Helfer des Zivilschutzes versuchten Verschüttete zu retten, als russische Flugzeuge einen weiteren Luftschlag auf die gleiche Stelle flogen“.

können sie mir bitte ihre diesbezüglichen quellen nennen ?

nur dass wir uns nicht falsch verstehen : die quelle , die sie hier aus zweiter hand zitieren ( und unseligerweise auch darüberhinaus noch interpretieren ) ist ein gewisser herr firas al said , der bedauerlicherweise bereits im jahr 2013
“russische migs” am himmel über homs sah :
http://www.spiegel.de/politik/ausland/buergerkrieg-in-syrien-chat-aus-d…