Trumps Wahlkampfspruch "Make America great again" auf dem Parteitag der Republikaner in Ohio
Trumps Wahlkampfspruch auf dem Parteitag der Republikaner in Ohio / picture alliance

US-Republikaner und Trump - Eine politische Bankrotterklärung

Alles spricht dafür, dass die Republikaner bei ihrem Parteitag den Milliardär Donald Trump zu ihrem offiziellen Präsidentschaftskandidaten erklären werden. Inhaltlich hat sich die Partei völlig entkernt. Sie muss sich neu definieren – oder wird zerfallen

Autoreninfo

Markus Ziener ist Professor für Journalismus in Berlin. Zuvor berichtete er als Korrespondent aus Washington, Moskau und dem Mittleren Osten.

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Auf dem republikanischen Parteitag in Cleveland diese Woche wird Donald Trump offiziell als Spitzenkandidat nominiert. Der 70-Jährige soll am 8. November gegen die demokratische Bewerberin Hillary Clinton gewinnen und nach acht Jahren für die Republikaner das Weiße Haus zurückerobern. Doch die konservative republikanische Partei, auf deren Ticket Donald Trump antritt, gibt es schon länger nicht mehr. Die „Grand Old Party“ (GOP) liegt in Trümmern, nicht erst seit Trump. Der Milliardär aus New York ist es nur, der dies für jeden sichtbar macht.

Entfernt hat sich die republikanische Partei von ihrer Basis und ihren traditionellen Zielen schon vor vielen Jahren. Der entscheidende Richtungswechsel vollzog sich dabei während der Präsidentschaft von George W. Bush. Bush hatte nicht nur der parteiinternen Randgruppe der Neokonservativen freie Hand gelassen und die USA in zwei lange Kriege geführt. Er hatte auch sträflich missachtet, was den Republikanern einst wichtig gewesen war: Ein schlanker Staat, ein ausgeglichenes Budget und größtmögliche Freiheiten für die Bürger.

Umkehrung der republikanischen Werte unter Bush

Die Überschüsse, die Bush von Bill Clinton im Januar 2001 geerbt hatte, verwandelte der Texaner schon im ersten Amtsjahr in ein veritables Defizit. Das hatte nicht nur mit den Kriegskosten zu tun, sondern vor allem mit massiven Steuersenkungen. Am hohen Defizit sollte sich in den gesamten acht Jahren der Präsidentschaft von George W. Bush nichts mehr ändern.

Der Staatsapparat, gemessen an der Zahl der Beschäftigten, wuchs ebenfalls beträchtlich unter Bush – um knapp 14 Prozent zwischen 2001 und 2009. (Zum Vergleich: Während Barack Obamas Amtszeit beträgt der Anstieg acht Prozent). Und mehr noch: Mit Einführung des „Patriot Act“, einem umfassenden Gesetzespaket als Reaktion auf die Anschläge vom 11. September 2001, sicherte sich der Staat eine bis dahin ungeahnte Kontrolle über seine Bürger, die er seither nicht mehr preisgab.

Das Aufkommen der Teaparty-Bewegung

Die Reaktion auf diese Umkehr der Werte ließ nicht lange auf sich warten. Nach der Wahl des Demokraten Barack Obama schwenkte ein Teil der Republikaner um: Die Teaparty formierte sich als fundamentalistischer Flügel und propagierte Überzeugungen, die im 18. Jahrhundert wurzeln. Das Establishment der Partei um den Mehrheitsführer im Kongress, John Boehner, war dabei nicht im Stande, die Bewegung einzufangen. Wieder war es damit eine Minderheit, die den Republikanern ihre Meinung aufzwang.

Und was tat die Partei? Sie lässt sich bis heute von der Teaparty vor sich her treiben. Aus Angst vor den eigenen Fundamentalisten blockieren die Republikaner nahezu alles, was an Initiativen von Obama und den Demokraten eingebracht wurde. Ob es sich dabei um die Gesundheitsreform handelte, die als staatliches Monster gebrandmarkt wurde – dabei hat sie immerhin Millionen unversicherten Amerikanern eine soziale Absicherung beschert. Ob es um ein Einwanderungsgesetz ging, mit dem ein Weg zur Legalisierung des Status von rund elf Millionen in den USA lebenden Ausländern gefunden werden sollte, oder um die so überfällige Verschärfung der Waffengesetze. Nichts ging mit dieser republikanischen Partei. Dass 2010 zumindest die Gesundheitsreform gelang, hat lediglich damit zu tun, dass Obama im Kongress doch noch einen Weg fand, die Zustimmung des Senats zu umgehen, in dem die Demokraten kurz zuvor die Drei-Fünftel-Mehrheit verloren hatten.

Sie haben den Anschluss an die Welt verpasst

In all diesen Jahren wandelten sich die Republikaner von einer konservativen in eine sektiererische, eine in hohem Maße ideologische Partei. Während Teile der so genannte Basis sowohl nach rechts wie auch ins Bizarre rückten und mit der Unabhängigkeitserklärung aus dem Jahre 1776 herumwedelten, übersah das Establishment die grundlegenden gesellschaftlichen Veränderungen. Als Kandidaten aufgestellt wurden aber weiterhin die weißen, reichen, alten Männer: John McCain 2008 und Mitt Romney 2012. Beide verloren – nicht zuletzt, weil sie nicht mehr das Amerika des 21. Jahrhunderts repräsentierten.

Denn das ist schon lange nicht mehr jenes der Reagan- oder gar der Eisenhower-Jahre, als die republikanische Welt noch in Ordnung war. Die USA werden heute von den dynamischen Migrationsgruppen geprägt, von Hispanics und Einwanderern aus Asien. Homosexuelle verlangen nach ihrem Recht, Frauen suchen nach stärkerer Repräsentation in Politik und Gesellschaft. Mehr noch: Die soziale Ungleichheit in den USA nimmt zu. Dem reichsten Prozent gehört mit jedem Jahr mehr vom gesellschaftlichen Vermögen. Noch viel mehr aber frustriert die Amerikaner, dass die soziale Mobilität, die gesellschaftliche Durchlässigkeit leidet. Sozialer Aufstieg ist in den USA inzwischen schwerer zu erreichen als in vielen europäischen Staaten. Doch wenn der „American Dream“ nicht mehr gelebt werden kann, dann ist das Fundament der Vereinigten Staaten in Gefahr. Hatten die Republikaner darauf eine Antwort? Fehlanzeige. Oder besser: Totalblockade.

Trump ist nur er selbst

Das Feld war damit prächtig bestellt – für Donald Trump. Das Missvergnügen an den Verhältnissen, der Überdruss am Polit-Sprech und der Frust über die Unfähigkeit der regierenden Klasse fand in Trump eine Projektion. Weil der politische Farbenwechsler Trump nicht republikanisch ist, nicht konservativ, keiner von ihnen – sondern nur er selbst. Trump steht für nichts. Deshalb: Diesen Donald Trump jetzt in Cleveland aufs Schild zu heben bedeutet nichts weniger, als die Partei inhaltlich völlig zu entkernen. Für die Republikaner ist das eine politische Bankrotterklärung.

Wie auch immer die Wahlen am 8. November ausgehen: Die Republikaner können nicht mehr zurück in die Ära, als ein paar Granden Strategien und Posten ausgehandelt haben. Die Grand Old Party muss sich neu definieren – oder wird zerfallen.

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Arndt Reichstätter | Mo., 18. Juli 2016 - 12:01

Shizophren wie Hr. Ziener richtigerweise die Kriegspolitik von Bush kritisiert, aber im gleichen Maß die konservativen Gegner, z.B. die Tea Party Bewegung, als "fundamentalistisch" bezeichnet.

Shizophren wie Hr. Ziener nicht Obama kritisiert, der auf jene Länder, in denen er den Krieg angeblich beendet hat, ständig weiter Bomben wirft und sogar neue Kriege angefangen hat.

Shizophren wie er die seriöseste Bewegung gegen den Polizeistaat, die Libertären, nicht nennt, die heutzutage nicht wenige Überschneiden mit den Konservativen haben.

Shizophren wie er sich die Zukunft der konservativen, republikanischen Partei vorherzusagen anmaßt, ohne (im Gegensatz zu konservativen Autoren wie Ann Coulter) Trumps Erfolg vorhergesagt zu haben.

Arndt Reichstätter | Mo., 18. Juli 2016 - 12:13

Shizophren wie anscheinend der „American Dream“ nicht mehr gelebt werden kann, obwohl die heutige Unterschicht besser lebt als die Mittelschicht vor 50 Jahren und die Kinder der Unterschicht sogar die doppelte Portion an Fleisch, gemessen an den offiziellen Ernährungsstandards der USA, zu sich nehmen.

Shizophren wie er nicht die Zentralbankpolitik und die staatlichen Hürden in den Arbeitsmarkt als Hauptgründe für (ungewollte) Armut nennt.

Shizophren wie er den "Patriot Act als eine bis dahin ungeahnte Kontrolle über seine Bürger" kritisiert, aber er Obamas "Umgehung des Sentas" lobt.

Shizophren wie er ObamaCare lobt, aber nicht zugibt, dass eine staatliche Krankenversicherung kein ökonomisches Argument ist.

Shizophren wie er für eine "Verschärfung von Waffengesetzen" ist, aber jeder Amoklauf und Terroranschlag in "Gun free zones" stattfindet.

Shizophren wie er illegalen Einwanderern ein Recht auf Legalisierung zuspricht.

Gewohnter arroganter Progressivismus...

Milo Jansel | Mo., 18. Juli 2016 - 12:51

...ein staatlich Angestellter ist für ein staatliches Gesundheitssystem. Und das, obwohl ObamaCare ein Desaster ist.
Wer übrigens auch für eine Verschärfung der Waffengesetze war: General Franco

Christian Schäkel | Mo., 18. Juli 2016 - 13:04

Immer mehr Einwanderer, immer mehr Minderheitenrechte, immer weniger "alter weißer Mann". Und trotzdem geht es den USA immer schlechter.

Das steht in totalem Widerspruch zur linkslinken Ideologie des Multikultralismus.

Warum? Ganz einfach: Man mag auf den "alten weißen Mann" schimpfen, so viel man will. Aber er war es, der Europa Frieden und Demokratie brachte, er war es, der den ersten Mann ins All brachte (Russland besteht ja auch nur aus "alten weißen Männern") und er war es, der die USA prosperieren ließ.

Wenn die linkslinken Ideologen nicht die Lüge des "demografischen Wandels" erfunden hätte, stünde es um Europa und die USA besser.

Matthias Jostvogt | Mo., 18. Juli 2016 - 13:31

Es stimmt: die Republikaner liegen in Trümmern. Die Demokraten allerdings auch. Nur wissen es die Republikaner wenigstens. Die Demokraten hingegen, deren soziale Demokratie bzw. demokratischer Sozialismus, ständig an sich selbst scheitert, haben die Argumentation auf Augenhöhe längst aufgegeben. Stattdessen haben sie nur noch eine Möglichkeit: Den Wahlbetrug durch den Import von armen und daher sicher sozialstaatlich wählenden Menschen. Soviel zu "Bankrotterklärung". Und zur angeblichen Solidarität mit der Unterschicht, die durch den Sklavenimport am meisten geschädigt wird.

Georg Duppner | Mo., 18. Juli 2016 - 13:39

"Alles spricht dafür, dass die CDU bei ihrem Parteitag die Pfarrerstochter Angela Merkel zu ihrer offiziellen Kanzlerkandidatin erklären wird. Inhaltlich hat sich die Partei völlig entkernt. Sie muss sich neu definieren – oder wird zerfallen."

Georg Duppner bringt die Fakten auf den Punkt.
Allerdings sollten wir die amtierende Bundeskanzlerin nicht mit diesem irregeleiteten und despotischen Kandidaten der US-Republikaner gleichsetzen.
Angela Merkel hat es bisher stets verstanden, ihre Regierungskoalitionen auch durch schwierigeres Fahrwasser zu steuern, selbst wenn der Kurs einigen nicht immer gefallen haben sollte.
Während dieser Ronald Trump selbst Dollar-Milliardär ist und sich deshalb von niemanden sponsern lassen müsste, sieht die Situation bei den Unionsparteien im Prinzip gänzlich anders aus.
Die deutsche Politik wurde und wird bisher durch finanzstarke Gruppierungen und Wirtschaftsverbände "gesteuert".
Sollten die Unionsparteien oder auch die SPD auf einen anti-kapitalistischen Kurs abdriften, dürften die Großspenden für diese beiden Parteien abrupt beendet werden.
Und genau dies wollen beide Koalitionspartner nicht - und "regieren" unverdrossen weiter, gleichsam als "Gefangene des Großen Geldes".

Ganz Recht, einen Artikel, den man geschrieben hat, sollte man nicht wegwerfen, man kann ihn nochmal veröffentlichen, mit anderen Namen versteht sich.

Von diesem Prinzip lebt inzwischen eine ganze Generation an Lügenjournalisten.

Dimitri Gales | Mo., 18. Juli 2016 - 14:51

Die Republikaner wie auch die Demokraten haben fundamentale Evolutionen des Landes nicht wahrnehmen wollen. Wer die USA aus den siebziger Jahren kennt und jetzt wieder dort ist kann sehen, wie sich das Land verändert hat - es ist nicht mehr dasselbe Land. Die Mittelschicht, die Säule der US-Gesellschaft bröckelt unaufhaltsam weg, die Prekarisierung weiter Bevölkerungsschichten nimmt rasant zu, ebenso wie natürlich die soziale Unischerheit, das Megaproblem der schwarzen Bevölkerung ist nicht annähernd gelöst......Die Politik versucht, diese Probleme möglichst nicht öffentlich zu erwähnen, ganz einfach, weil sie keine Rezepte hat.
Wie auch immer die Republikaner-Partei aussehen wird, Trump hat etwas ins Rollen gebracht, was bleiben wird: die Revolte gegen das Establishment wo es nur noch um Geld und Vorteilnahme geht, das ganze "befriedet" durch political correctness und moralisierendes Gerede.
Demagogisch bietet sich für Trump ein ideales Wahlschlachtfeld.

Jay Smith | Mo., 18. Juli 2016 - 16:02

*
Die GOP ist schon lange nicht mehr was sie einst war. Trump ist das Produkt einer Partei die den Wandel Amerikas komplett verpennt hat. Seine Wählerschaft sind disillusionierte, ungebildete, überwiegend weisse Nostalgiker und Wirrköpfe, welche im realen "Wandel" den Untergang Amerikas sehen.
Es ist komplett irrationales Denken aber es funktioniert mit dieser Wählergruppe.

Wie sagte doch Trump:
"I love the poorly educated"

Und er wurde dafür von seinen Fans bejubelt wie ein Gott. Wie sollten sie auch wissen das er seine eigenen Anhänger gerade "blöd" nannte? ;-)

Fakt ist das man in Amerika nur mit Stimmen der "Weissen" keine Wahl mehr gewinnt und Trump hat, ausser dieser "Elitetruppe", so ziemlich alle anderen Gruppen verprellt. Nicht nur ethnische Gruppen, auch Frauen, Behinderte, Schwule usw.

Trump wird die Wahl verlieren. R.I.P. - GOP

Doch genau das birgt die Chance für den Neuaufbau der Partei Abraham Lincolns'.

Und das ist gut.

Schmerzlichst...

Albert Keller | Mo., 18. Juli 2016 - 16:27

...die Amis ihr eigenes Ding drehen und kümmern wir uns um die politischen Bankrotteure hierzulande. Wir haben ja wahrlich genügend.

Dimitri Gales | Mo., 18. Juli 2016 - 22:07

Ihre Diagnose stimmt leider. Merkel wird von mächtigen (internationalen) Interessengruppen der Wirtschaft gesteuert, ihr Vorgänger der Ex-Kanzler Schröder, hat ausschliesslich im Interesse der Arbeitgeber und Investoren gearbeitet (ebenso wie sein damaliger Kumpel Blair). Politik und Business bilden eine nicht mehr zu trennende Einheit. Das Wahlvolk scheint dies aber zu akzeptieren.

Petra Wilhelmi | Di., 19. Juli 2016 - 17:18

Wieso maßen wir es uns an, den US-Amerikanern in den Wahlkampf hineinzureden. Vielleicht wollen sie Trump. Na und ... Das wäre ihr gutes Recht. Vielleicht wollen sie die Hillary. Auch das wäre ihr gutes Recht. Wir müssen entweder mit dem einen oder der einen auskommen. Oder wollen wir, falls Trump die Wahlen gewinnt, uns schmollend in die Ecke zurückziehen. Das sind inner-us-amerikanische Probleme. Wir haben genügend mit unseren Pappnasen in der Regierung zu tun und sollten uns um uns kümmern.

Walter Wust | Mi., 20. Juli 2016 - 16:31

Wer sieht, wie es mit Deutschland und seinen Nachbarn bestellt ist, wer außer den ÖR eventuell noch ein paar unabhängige Medien bemüht, stellt mit Erstaunen fest, wie unabhängig die us-amerikanische Politik von ihren "Gestaltern" ist. Was mich dabei am Meisten beruhigt, solche demokratische Freidenker wie Merkel, Juncker oder Erdogan hätten im Land der unbegrenzten Möglichkeiten ihre tatsächlichen Grenzen. Beruhigend.