Ballerina
Szene aus „From the World of John Wick: Ballerina“ / Leonine Distribution

Film der Woche: „From the World of John Wick: Ballerina“ - Pirouette mit Schuss

Virtuose Stunts und eine starke Heldin sind ein solides Fundament für einen modernen Actionfilm. „From the World of John Wick: Ballerina“ besitzt beides. Doch reicht es nicht, um damit als Spin-off aus dem Schatten der „John-Wick“-Reihe zu treten.

Autoreninfo

Ursula Kähler ist promovierte Filmwissenschaftlerin und arbeitete unter anderem am Deutschen Filminstitut & Filmmuseum in Frankfurt am Main. Sie veröffentlichte „Der Filmproduzent Ludwig Waldleitner“ (2007) und „Franz Schnyder. Regisseur der Nation“ (2020).

 

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Sie boxt, tritt, amputiert und schießt. Und dabei sieht sie auch noch umwerfend aus. Wer sich Eve Macarro in den Weg stellt, verliert. Nichts und niemand kann sie aufhalten. Denn sie strebt nach Vergeltung – für den Mord an ihrem Vater. Eves Geschichte erzählt „From the World of John Wick: Ballerina“, ein Ableger der erfolgreichen Actionfilmreihe „John Wick“, mit Keanu Reeves als melancholischen Profikiller. Der ambitionierte Blockbuster orientiert sich an der ästhetischen Neo-Noir-Franchise, will aber als eigenständiges Kunstwerk überzeugen. Leider gelingt dies nur teilweise. Zu groß sind die Fußstapfen, die Reeves mit seinem Wick-Universum hinterlassen hat.

Als Ballettschule getarntes Killer-Trainingslager

Len Wisemanns Film beginnt mit einer Rückblende. Nach dem brutalen Überfall der SWAT-Einheit einer kriminellen Sekte, die von einem Bösewicht namens Der Kanzler (Gabriel Byrne) angeführt wird, muss Eve als junges Mädchen mitansehen, wie ihr Vater stirbt. Auf einer Polizeiwache wartet das Waisenkind anschließend darauf, in Obhut gebracht zu werden. In den Händen hält sie eine Spieluhr, in der sich eine Ballerina zu Tschaikowskis „Schwanensee“ dreht. 

Ein gewisser Mister Scott spricht sie an. Er fragt, ob er sie zur Familie ihrer verstorbenen Mutter bringen soll. Dort könne sie lernen, zu tanzen. Diese „Familie“ ist die Ruska Roma, ein geheimer osteuropäischer Clan mit Verbindung zum globalen Verbrechernetzwerk High Table. Auch John Wick alias Baba Yaga gehört zu den Mitgliedern. In einem als Ballettschule getarnten Killer-Trainingslager beginnt Eves neues Leben – und 12 Jahre später ihr gnadenloser Rachefeldzug.

„Ballerina“ soll einen tieferen Einblick in das Wirken der Ruska Roma ermöglichen, die in der Hauptreihe bislang nur flüchtig vorkam. „Ich wollte die Umstände erforschen, die jemanden dazu bringen, sich für dieses Leben zu entscheiden“, so Wiseman. Seine Protagonistin finde durch die Organisation zu sich selbst. Die Handlung ist zwischen den Kapiteln 3 und 4 der Franchise angesiedelt, aus der einige Charaktere wieder auftauchen. Neben John Wick (verständlicherweise leider nur kurz) etwa Winston Scott (Ian McShane), Besitzer des berüchtigten Continental Hotels sowie die Direktorin der Tanzakademie und Chefin der Ruska Roma (Anjelica Huston). 

Das Licht, das in der Dunkelheit erscheint

Eve, fulminant gespielt von Ex-Bond-Girl Ana de Armas, trainiert hart. Die hohen Anforderungen der gefürchteten Schulleiterin und Ersatzmutter erfüllt sie gehorsam. Hinter den Kulissen eines alten New Yorker Theaters wird der kriminelle Nachwuchs neben dem Tanz auch in Kampfkunst und Tötungstechniken unterrichtet. In kultischen Versammlungen erhalten die meist weiblichen Mitglieder den Leitsatz „Lux in Tenebris“ auf die Rücken tätowiert. Ein Zitat aus dem Johannes-Evangelium. Dieser Initiationsritus verwandelt die jungen Clan-Mitglieder in göttliche Boten. Das Licht, das in der Dunkelheit erscheint, steht dabei für die vermeintlich moralisch ordnenden Mächte der High Table-Organisationen.

Eines Tages erhält Eve ihren ersten Auftrag. In einem glamourösen Nachtclub, der einem Eispalast gleicht, soll sie eine Frau vor einem asiatischen Mafiaboss beschützen. Sie tut dies mit vollem kämpferischen Körpereinsatz, bis im Finale ein Eispickel mehrfach im Torso des Rivalen landet. Dies ist der Anfang einer schier endlosen Serie zwar mitunter unterhaltsamer, stets perfekt choreografierter, früher oder später aber ermüdender Stunts. 

Eine Qual für jedes Trommelfell

Allzu offensichtlich trägt sie die Botschaft des Female Empowerments. Wie in den Werken Quentin Tarantinos, Martin Scorseses und last but not least von John-Wick-Regisseur Chad Stahelski wird Gewalt zum stilistischen Spektakel. Kann man machen. Atmosphärisch, subtil und intelligent sind diese Sequenzen jedoch nicht. Im Verlauf des 125 Minuten dauernden Gemetzels irritiert ebenso das allzu bombastische Sounddesign. Eine Qual für jedes Trommelfell.

Im düsteren Prag verteidigt Eve einen Mann namens Daniel Pine (Norman Reedus, bekannt aus der Serie „The Walking Dead“) und dessen kleine Tochter. Der Kanzler lässt ihn mit Hilfe eines millionenschweren Kopfgeldes jagen. Entgegen den Anweisungen der Direktorin – denn die High Table-Clans sollen sich nicht in die Quere kommen – begibt sich die Rächerin anschließend auf ihre persönliche Mission. Dafür reist sie in das abgelegene Bergdorf Hallstatt, das komplett unter dem Einfluss der Kanzler-Sekte steht. Hier scheinen Himmel und Hölle aufeinander zu treffen, wenn die Szenerie in ein flammenreiches Inferno verwandelt wird. Eine weitere Begegnung mit John Wick in einer verschneiten Ruine entspannt die Nerven und stimmt versöhnlich – wenigstens temporär.

Pseudophilosophisches Geraune

„From the World of John Wick: Ballerina“ liefert vor allem ein Übermaß an Hochglanzmassakern, die mit aufgesetzter Tiefgründigkeit und lächerlichem Mystik-Getue langweilen. Der mittlerweile altbekannte Stilmix aus exzessiver Gewalt, symbolisch überhöhtem Rachefeldzug und pseudophilosophischem Geraune wirkt letztlich nur albern. Man kann nur hoffen, dass sich die geplante Sequel „John Wick: Kapitel 5“ auf altbewährte Qualitäten zurückbesinnt.  

 

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Hanno Woitek | Do., 5. Juni 2025 - 14:53

Feminismus in Gestalt von Geilheit , Bums und Mord und Totschlag!!! wer hätte das gedacht! Und ich dachte die FRauen sind die bessere Welt. Aber von Netflix über die neuen Komissarinen der ÖRR sie sind auch nichts weiter als perverse Männer in Frauengestalt. Wäre doch ne Rolle auch für die Baerbocks-Weibchen der Grünen.