In Europa kommt nicht nur Pizza auf den Tisch / Illustration: Martin Haake
In Europa kommt nicht nur Pizza auf den Tisch / Illustration: Martin Haake

Ein Plädoyer für Europa - Ein großes kulinarisches Potenzial

So große Vielfalt auf so kleinem Raum – auch deshalb bleiben die Küchen Europas ein globaler Innovationsmotor. Der Sternekoch Juan Amador schreibt, warum man sich um die Zukunft Europas nicht sorgen muss

Autoreninfo

Juan Amador, 1968 in der Nähe von Stuttgart geboren, zählt zu den besten Köchen Deutschlands. Sein Restaurant Amador in Mannheim wurde mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnet.

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Eine Lobeshymne auf Europa? Das mag in Zeiten des Brexit anachronistisch anmuten. Aber gerade jetzt braucht es Europäer, die daran erinnern, was diesen Kontinent lebenswert macht und warum wir die Europäische Union brauchen. Bereits vor zwei Jahren veröffentlichte Cicero in seinem Jubiläumstitel die leidenschaftlichen Plädoyers zehn namhafter Autoren. Diese Texte aus unserem Archiv möchten wir in den kommenden zwei Wochen mit Ihnen teilen.
Für den siebten Teil unserer Europareihe schreibt Michelin-Sternekoch Juan Amador über das kulinarische Europa.

Ich bin als Sohn spanischer Gastarbeiter in Schwaben aufgewachsen, und diese Herkunft war für mich natürlich auch beim Essen prägend – zu meiner kulinarischen Sozialisation hat die Paella meiner Mutter genauso gehört wie Maultaschen und Zwiebelrostbraten. Nicht zu vergessen französische Spezialitäten wie Käse, Geflügelgerichte oder sogar Gänseleberpastete, die ich bereits als Kind kennenlernen durfte, wenn wir früher regelmäßig Verwandte im Elsass besucht haben. Und genau darin zeigt sich eigentlich schon, was die „europäische Küche“ so besonders macht: Es ist ihre geradezu überwältigende Vielfalt, noch dazu auf einem eher kleinen Raum.

Eine gehörige Abwechslung auf dem Teller


Der gastronomische Variantenreichtum entspricht gewissermaßen dem Landschaftsbild unseres Kontinents, weswegen ich den Begriff „Küchen Europas“ bevorzuge. Wer etwa durch Asien reist, dem erscheinen die kulinarischen Unterschiede von Region zu Region doch eher nuancenhaft. Wer dagegen von Flensburg nach Freiburg fährt oder gar von Nordfrankreich ans Mittelmeer, dem wird unterwegs gehörige Abwechslung auf dem Teller geboten.

Europa war schon immer ein großer Impulsgeber für globale Küchentrends – man denke nur an den Siegeszug der Pizza oder an das Raffinement der französischen Haute Cuisine, die ganze Generationen von Spitzenköchen in aller Welt geprägt hat. Ich glaube, daran wird sich auch nichts ändern, weil Europa gerade wegen seiner unterschiedlichen Küchen eine Art kulinarisches Laboratorium bleibt. Aus Spanien, dem Land meiner Eltern, stammt ja eine der wichtigsten gastronomischen Innovationen der vergangenen zwei Jahrzehnte, nämlich die Molekularküche.

Die Küchen Europas fordern sich gegenseitig heraus


Und das ist gewiss kein Zufall, weil die Spanier (allen voran das Küchengenie Ferran Adrià) einen Nachholbedarf gegenüber ihren französischen Nachbarn spürten. Außerdem war die spanische Küche bis dahin ziemlich einfach und rustikal, was dort einen radikalen Neuanfang einfacher machte als in den traditionsbewussten Spitzenküchen Frankreichs. So fordern sich die Küchen Europas nicht nur immer wieder zu Höchstleistungen heraus; sie befruchten einander auch in Sachen Kochtechnik oder Produktauswahl.

Das Bedürfnis der Europäer nach regionaler Identität


Seit einigen Jahren gibt es ja den Trend zur verfeinerten Regionalküche, sogar auf allerhöchstem Niveau. Ich selbst bin zwar kein Anhänger davon, weil ich mir bei meiner Arbeit keine Beschränkungen auferlegen will. Aber ich habe großen Respekt davor, wie konsequent etliche meiner Kollegen – besonders im hohen Norden – diesen Ansatz verfolgen. Denn darin spiegelt sich ja auch das Bedürfnis der Europäer nach regionaler Identität. Von europäischer Gleichmacherei kann also keine Rede sein, im Gegenteil. Ich denke, dass wir in dieser Hinsicht besonders aus den Küchen Osteuropas in Zukunft noch einiges zu erwarten haben. Denn vom kulinarischen Potenzial her haben Länder wie Polen, Bulgarien, Rumänien oder auch Russland sehr viel zu bieten. Um die Zukunft Europas braucht man sich also keine Sorgen zu machen – zumindest nicht, was die Gastronomie betrifft.

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Arndt Reichstätter | Mi., 13. Juli 2016 - 10:36

Europäer werden auch in Zukunft sicher leben können, weil Pizza...

Ok, nur für den Fall, dass alle intellektuell zu satt sind, was eigentlich nicht sein kann, angesichts des Hungers, den viele Leser in den Kommentarspalten hier oder in anderen Publikationen offenbaren:

"Essen" ist kein moralphilosophisches Argument für einen Staat. Weder für einen lokalen spanischen oder schwäbischen, noch einen gesamteuropäischen.

Auch ist "Regionalküche" kein ökonomisches Argument für die Notwendigkeit von den 40.000 hochbezahlten EU-Bürokraten.

Wer übrigens, auch ohne EU, stets vorzüglich isst, sind die Schweizer. Denn haben - angesichts unbürokratisierter Marktstrukturen - genug Geld, sich ein gutes Essen leisten zu können.

Übrigens geht es um "Europäer" und nicht um "Europa". Europa ist kein Wesen, um das man sich Sorgen machen braucht. Europa gibt es gar nicht. Es ist ein Konzept. Leider derzeit eines, welches überbezahlte Köche hat, die ihren Wählern FastFood servieren.

Petra Wilhelmi | Mi., 13. Juli 2016 - 14:34

Zitat:"Eine Lobeshymne auf Europa? Das mag in Zeiten des Brexit anachronistisch anmuten."
Was hat bitteschön der Brexit mit dem Kontinent Europa an und für sich zu tun. Das gehört zur Sache "EU". Es nervt, das so viele die EU mit Europa verwechseln! Was hat Molekularküche und anderer Schnickschnack mit dem Brexit zu tun und mit dem täglichen Essen derjenigen, die sich kaum einen einfachen Gaststättenbesuch leisten können. Im Artikel wird auf einem Niveau fabuliert, der kaum etwas mit dem Leben der normalen Bürger zu tun hat. Ein Sternekoch erklärt uns Bürgern den Kontinent Europa. Anscheinend gibt es zu viele Kochshows mit überbewerteten Köchen.

Walter Wust | Mi., 13. Juli 2016 - 15:08

Ist doch eigentlich ganz schön sattsam, was man nicht im Kopf hat, hat man auf dem Teller. Europa als Völkervielfalt auch in der Küche, dazu braucht es keine Normen und keine Zertifizierungen. Was zählt sind die Köche, ihr Wissen und ihr Anspruch aus den lokalen Köstlichkeiten mit viel Inspiration und Motivation das Maximum an kulinarischem Raffinesse zu zaubern und zwar ganz individuell und ohne Zwang. Diese europäische Küche ist ein Ausbund an Freiheit und Kunst, ohne Norm dafür mit viel Phantasie und Herzblut. Vive l'europe.

Bernd Fischer | Mi., 13. Juli 2016 - 18:14

Klar die Europäische Küche bietet tausendfache Vielfalt die man, wenn man in Europa unterwegs ist, einfach nicht missen möchte.

Aber wie so immer kommen hier ( wieder einmal ) die EU-Bürokraten ins Spiel die sogar in das Essen eingreifen , und jahrhunderte alte Traditionen ( was die Bezeichnung betrifft ) verbieten.

Ist doch toll oder was?

Eigentlich schlägt ja das Essen ( so sagt man doch ? ) eine "Brücke zwischen den Kulturen".

Die Bürokraten der EU zerstören die.

Ja sicher es ging nur um die Bezeichnung des Produktes, und nicht um ein Verbot des Produktes.

http://www.radio.cz/de/rubrik/tagesecho/tschechiens-produzenten-enttaeu…