Schloss Bellevue / picture alliance

Steinmeier, die SPD und das Wahlrecht - Bauchschmerzen in Schloss Bellevue

Die von den Ampelparteien mit der Brechstange durchgesetzte Wahlrechtsreform sorgt für jede Menge Ärger. Und nach aktuellem Stand hätte Bundespräsident Steinmeier noch gut zwei Monate Zeit, sich zu überlegen, wie er mit dem heißen Eisen umgehen will.

Autoreninfo

Jens Peter Paul war Zeitungsredakteur, Politischer Korrespondent für den Hessischen Rundfunk in Bonn und Berlin, und ist seit 2004 TV-Produzent in Berlin. Er promovierte zur Entstehungsgeschichte des Euro: Bilanz einer gescheiterten Kommunikation.

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Koalition und Opposition haben sich mit der im bitteren Streit durchgesetzten Reform des Wahlrechts gleichermaßen in eine schwierige Lage gebracht. Und zugleich auch den Bundespräsidenten. Frank-Walter Steinmeier nahm, das mag im Bundespräsidialamt niemand bestreiten, das lagerübergreifend anhaltend verheerende Presse-Echo auf die mit der Brechstange durchgesetzte Abschaffung der Grundmandatsklausel sehr aufmerksam zur Kenntnis. Auch der Appell des bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Chefs Markus Söder, dem sich die Linke heute angeschlossen hat, Steinmeier möge seine Unterschrift unter das Wahlrechtsänderungsgesetz verweigern und damit sein Inkrafttreten in dieser Fassung verhindern, wurde in Schloss Bellevue zur Kenntnis genommen. 

Allerdings gibt es niemanden im Regierungsviertel und in der Münchner Staatskanzlei, der im Moment noch einen halbwegs eleganten und gesichtswahrenden Ausweg aus der selbstverschuldeten Lage zu erkennen vermag. Es läuft auf weitere Konfrontation hinaus. Und das liegt am vorgezeichneten weiteren Verfahren der Gesetzgebung. Stand jetzt erwarten die Beteiligten eine mehr oder weniger brachiale Entscheidung durch Karlsruhe – wann auch immer diese fallen würde.

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Walter Bühler | Mi., 22. März 2023 - 18:11

... ist nicht vom Volke, sondern von der Bundesversammlung gewählt worden, die sich fest in der Hand der Parteifunktionäre befindet.

Außerdem zeichnet er sich nicht durch besonders große Geradlinigkeit und Eigenständigkeit aus. Deswegen erwarte ich erst mal nicht, dass er die Kraft und den Mut aufbringt, sich seinen Parteifreunden zu widersetzen.

Karlsruhe muss wahrscheinlich entscheiden. Aber auch dort sitzen Menschen, die von Parteifunktionären dahin gewählt worden sind, allerdings nicht unbedingt mit denselben Farben.

Tomas Poth | Mi., 22. März 2023 - 18:44

Wie entkommt man dem Kokolores des derzeitigen Streites um Verhältnis- und Direktmandat?
Grundsätzlich die Republik in 455 Wahlkreise gleicher Wähleranzahl aufteilen.
In jedem Wahlkreis kann jeder als Kandidat antreten und sich wählen lassen.
Wer im ersten Wahlgang mehr als 50% der Stimmen erhält ist im Bundestag.
Kann keiner diese Stimmenzahl auf sich vereinigen, gehen die beiden Kandidaten mit den höchsten Stimmenanteil in eine Stichwahl.
Der Sieger der Stichwahl zieht in den Bundestag.
Der Bundestag kann damit nicht mehr überdehnt werden. Alle sind direkt vom Volk gewählt, haben also ein echtes Mandat. Das hebt auch die Qualität der Abgeordneten, denn sie müssen sich der Abstimmung stellen und um ihr Mandat kämpfen. Der Parteisoldat, vom Typ Kreißsaal, Hörsaal, Parteitanzsaal, der über die Liste in den Bundestag rutscht, wird dann wenige repräsentiert sein. Das wäre nur gut!

Ingo frank | Mi., 22. März 2023 - 18:52

Osten
Ach das ist doch nicht schlimm, die paar Jammerossis die in der Summe noch nicht einmal an die Bevölkerungszahl von NRW herankommen. Die spielen doch keine Rolle belegte mich vor einigen Jahren ein links grüner Mitforist. Aber egal wie das neue Wahlgesetz auch aussehen mag, sowohl Steinmeier als auch das BVG werden der Hanpelampel folgen. Passiert das noch vor der Bayern Wahl, fliegen hoffentlich Grüne & FDP aus dem Bayrischen Parlament. Ich drücke die Daumen, dass beide Parteien ihre Quittungen bekommen, und das mit Recht!
Und das werden nicht die einigen LTWahlen werden, wo die beiden Parteien erhebliche Federn lassen werden. Auch in Thüringen steht’s um FDP & Grüne schlecht Beide eiern um die 5% ….. mal sehen was daraus wird ……
Mit freundlichen Grüßen aus der Erfurter Republik

Heidemarie Heim | Mi., 22. März 2023 - 21:08

Abseits der gepflegten Animositäten auf Twitter, nun weiß ich wieder warum ich dort stets durch Abwesenheit glänzte;), dämmert es nun den ein oder anderen Ampelmitgliedern, dass sie mit Pyrrhos I., alias Rolf Mützenich in der Schlacht um Berlin zwar einen Sieg über die Bayern errungen haben, aber wie das Gedenken an die Schlacht von Asculum bis heute zeigt, könnte die Bilanz ähnlich schlecht ausfallen. Besonders beeindruckend fand ich die Performance der FDP, die sich damit heldenhaft ins eigene Messer gestürzt haben dürfte und gemeinsam mit den Linken den überfüllten Plenarsaal in 2025 wohl etwas lichten wird, sowie der unheilbaren Allergie aller aufrechten Demokraten gegenüber Blau, unser Land noch ein wenig mehr unregierbar gemacht haben. Obwohl, wenn ich es mir so recht überlege, wird Team Grün dadurch endgültig unentbehrlich für rot und schwarz. Oder alternativ GroKo auf immer und ewig! Ich glaub` mir wird nun auch ein bisschen blümerant;). Karlsruhe übernehmen Sie! MfG

Gisela Hachenberg | Mi., 22. März 2023 - 21:45

Lieber Herr Paul, wie immer: klasse Artikel! Ihr Fünkchen Optimismus in Ehren. Aber ich glaube nicht an ein Einlenken von Steinmeier. Er ist zu sehr SPD-ler. Und er wird es seinem Freund Mützenich nicht antun, , auch wenn seine Berater ihm das empfehlen sollten, den Gesetzentwurf nicht zu unterschreiben. Und was das BuVG anbelangt, traue ich denen gar nicht mehr. Beim Bundesrat kenne ich mich nicht aus. Weiß momentan nicht, wie die Kräfteverhältnisse dort sind. Ich schätze mal, es wird gekungelt und gerungen werden. Für mich kommt es darauf an, wie weit Söder gehen wird. Für ihn steht, Linke hin oder her, am meisten auf dem Spiel! Ich mag Mützenich überhaupt nicht. Er ist arrogant, unberechenbar und überheblich. Ich frage mich, wieso. Ok, er ist Fraktionschef, so what! Ich würde mir wünschen, dass sein Coup nicht gelingt. Es wäre besser für unser Land!

Norbert Heyer | Do., 23. März 2023 - 08:23

Unser BP ist ein schwacher, angepasster und stromlinienförmiger Mensch ohne Gewissen und Rückgrat - er wird unterschreiben. Der Posten wurde von Merkel ihm vergeben, weil hier nicht der geringste Widerstand zu erwarten war - was sich dann auch schnell bewahrheitete. Mit dem Krieg in der Ukraine und dem selbstverordneten Öl-Embargo wurde seine unrühmliche Rolle als langjähriger Außenminister und der leichtsinnigen Abhängigkeit von Russland in Energie-Fragen offensichtlich. Er wurde für den ukrainischen Schauspieler zu einer „unerwünschten Person“ erklärt und er nahm diese Demütigung hin wie einen Ritterschlag - ohne jede erforderliche scharfe Reaktion den undankbaren Geistern der Ukraine gegenüber. Nein, von diesem Statthalter der stummen oder wahlweise falschen Reaktion ist nichts zu erwarten, was zu einer Kehrtwendung eines undemokratischen Wahlverfahrens führen würde. Er wird seine Restzeit absitzen und diesen beschlossenen unseligen Schwachsinn mit seiner Unterschrift versehen.

Gerhard Hellriegel | Do., 23. März 2023 - 12:30

Kennt man schon: Medien wollen Aufregung bei einem Thema erzeugen, das den Bürger überhaupt nicht interessiert. Fragen Sie einmal, wer seinen Wahlkreisabgeordneten überhaupt kennt. Fragen Sie einen Abgeordneten, woraus seine "Wahlkreisarbeit" denn besteht. War ein direkt gewählter CDU-Abgeordneter denn jemals auf einer Sitzung des SPD-Ortsvereins? Oder auch umgekehrt. Er ist doch der Vertreter aller Bürger seines Wahlkreises? Es geht allein um Eigenwerbung in der eigenen Partei, sonst um nichts. ---
Ach, die verlorenen Stimmen! Bei der letzten BT-Wahl erreichte ein einziger Kandidat 50% der Erststimmen, in allen anderen wollte die Mehrheit diesen nicht - alles verlorene Stimmen. Starke 4 Millionen Zweitstimmen waren wegen der 5%-Klausel verloren, die CSU erhielt lediglich 2,4 Mio. Zweitstimmen. Wenn die Bürger etwas wollen, dann eine angemessene Größe des Parlaments und keinen Selbstbedienungsladen.

Hans Schäfer | Do., 23. März 2023 - 17:26

Antwort auf von Gerhard Hellriegel

das GG schreibt aber nicht vor, dass man den Kandidaten kennen muss, wohl aber das die Abgeordnetendes DBT- neben anderen Kriterien- "unmittelbar"gewählt werden müssen.
Jeder hat aber die "Möglichkeit" seinen Direktkandidaten kennenzulernen!
Wer kennt den Listenkandidaten, der an 10' er Stelle steht?

Armin Latell | Do., 23. März 2023 - 12:55

wie immer ein informativer, mit Sachverstand gut geschriebener Artikel. Allerdings hat mir da doch irgendwie etwas gefehlt, und am Ende ist es mir dann aufgefallen: da werden Personen von linken, grünen, cdu, csu, fdp, spd zitiert, nur niemand aus der Opposition. Leider muss ich das für unjournalistische Absicht halten, wo doch die politische Empörung exakt dieser gilt. Niemand darf sich über Demokratiefeindlichkeit der Ampel empören, wenn der einzigen demokratisch legitimierte Oppositionspartei im Bundestag sämtliche Mitspracherechte verwehrt werden und damit millionen Wählerstimmen faktisch ignoriert werden. Dieses Gesetz ist nur ein weiteres Geschoss gegen die fast schon geschleifte Schutzburg für Bürger, ehemals Demokratie genannt.

Brigitte Simon | Do., 23. März 2023 - 14:09

Steinmeier wird unterschreiben. Denn, wie ich im Betreff angeführt habe, wird er nach seiner Zeit als Bundespräsident, seine SPD-Zugehörigkeit aufleben lassen.

Während seines Jura-Studiums als linksliberaler Bürgerrechtler und Mit-Herausgeber von "Demokratie und Recht" war und Mitglied der Deutschen Kommunistischen Partei - DKP -eine Aufgabe für den Verfassungs-Schutz.

Am 18.02.2022 gratulierte er der RAF-Terroristin Ensslin zum 80.Geburtstag. Sie war für ihn die "große Frau der Weltgeschichte". Auch wenn sich seine Sprecherin für diese Glückwünsche entschuldigte. Ein übler Nachgeschmack bleibt Steinmeier erhalten.

...und die SPD ihn nicht mehr will, könnte er aus "Rache"
doch unterschreiben? Dann wäre für mich Rache süß.

Ernst-Günther Konrad | Do., 23. März 2023 - 15:17

Es wäre nicht das erste Gesetz, das vom Wissenschaftlichen Dienst mehr als bedenklich eingestuft wird und wurde und dennoch von Walter dem Spalter unterzeichnet wird. Da können sich noch so viele Hausjuristen und Verfassungsrechtler öffentlich kritisch äußern, Recht und Gesetz interessiert Politiker schon lange nicht mehr. Einfach mal mit Brechstange und wenn es schief laufen sollte, wird einfach anhand des Urteils versucht, was Neues zu stricken. Solange bis es halt klappt. Deshalb erwarte ich da keine ernsthafte Reaktion beim BP, dieses Gesetz aufzuhalten. Inzwischen wird ein nicht vom Volk gewähltes BVerfG dazu missbraucht, politische Entscheidungen zu treffen, weil die Gesetz von vorne herein verfassungswidrig auf Teufel komm raus durchgepeitscht werden. Und damit das alles komod abläuft, wurden die Senate von den Parteien besetzt. Diese Politiker sind so beratungsresistent und soweit vom GG und den Bürgern, die sie vorgeben zu vertreten entfernt, das sie schneeblind wurden.

Brigitte Simon | Do., 23. März 2023 - 20:44

"Wir wollen die 20er Jahre prägen" sagt Scholz in der SPD-Zeitung "Vorwärts" - der Name noch ein Relikt aus seiner affinen SED-Zeit? appelliert er an die Genossen*innen. und fordert Unterstützung. Doch die Ampel scheint zu zerbrechen. Seine Wiederwahl gelingt nur ohne Opposition. Eine Wahlrechts-Reform muß zurechtgebogen werden. Egal wie, Genosse Bundespräsident Steinmeier unterschreibt.

Worauf will Scholz hinaus? Er will mit seiner Reform den Oppositionssouverän zum Schweigen bringen. Seine Genossen und ihn stört deren Kritik. Sie fürchten die Wahrheit. Von den megalomanen rot/grünen Polit-Hassardeuren ist Demokratie und Recht und Ordnung nicht zu erwarten. Rechtsstaatlichkeit, Rechtsbeugung, der Verlust unserer Redefreiheit. Andersdenkende werden der Kriegstreiberei und Rassismus verfolgt.

Wie schrieb der Philosoph Carl Friedrich von Weizsäcker? "Der Politik ist eine bestimmte Form der Lüge zwangsläufig zugeordnet". Das Ausgeben des für eine Partei Nützlichen als das Gerechte".

Tina | Do., 23. März 2023 - 23:09

Kann es nicht sein, dass das Wahlrecht, das den Bundestag verkleinert, den Grünen und den Linken auf die Füße fällt?