In Frankreich entscheidet man nach nationalem Interesse und lässt sich nicht von ausländischen Botschaftern vorführen / dpa, Montage: Dominik Herrmann

Europa und der Ukrainekrieg, Teil 2 - Frankreich: Diskussionen – wozu?

Wie wird in verschiedenen europäischen Ländern über den Ukrainekrieg, Waffenlieferungen und mögliche Friedensverhandlungen debattiert? Die Ukraine ist die Ukraine und Frankreich ist Frankreich – so in etwa könnte die Kurzfassung lauten. Denn: Vom westlichen Rand des Kontinents betrachtet ist Osteuropa doch ziemlich weit weg.

Kay Walter

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Kay Walter arbeitet als freier Journalist in Frankreich

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Aus französischer Sicht verteidigt sich die Ukraine gegen eine imperialistische Aggression und verdient daher jede Unterstützung. Und also hilft Frankreich, liefert Waffen, Cesar-Raketen und Geld, unilateral und im Verbund von EU und Nato. Frankreich schickt außerdem Soldaten nach Rumänien in die Nähe der Kampfzone. Denn Frankreich ist einerseits ganz prinzipiell davon überzeugt, dass Russland den Krieg nicht gewinnen darf, wie andererseits auch davon, dass es am Ende Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland wird geben müssen. Und davon abgesehen haben die Menschen andere Probleme.

Nur in den allerersten Kriegstagen hat es sehr kurz eine öffentliche Debatte darüber gegeben, ob die Aussage von Präsident Macron, die Nato dürfe unter keinen Umständen Kriegspartei werden, eventuell „unverantwortlich“ gewesen sei. Das war aber keine inhaltliche Frage, problematisiert wurde ausschließlich, ob der Präsident mit diesem Satz Putin zu viel Einsicht in strategische Pläne geliefert und ihm so die Angst vor einem atomaren Gegenschlag der Nato genommen habe. Sonst ist der Krieg ein Thema für Empathie mit der geschundenen Bevölkerung, aber nicht für Streit im sonst so diskussionsfreudigen Frankreich.

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Walter Bühler | Do., 9. März 2023 - 12:18

Im überbordenden Selenski-Kult der deutschen Leitmedien sind derartige AN DER REALITÄT orientierte Artikel über die Lage bei unseren Nachbarn viel zu selten!

Bei uns besteht ein ungeheurer Bedarf an solchen Informationen, die über die Propaganda-Inhalte hinausgehen, die unsere Staats-Medien permanent über uns auskippen.

Mehr und ehrliche Zusammenarbeit mit Frankreich, auch auf militärischem Gebiet, verbunden mit einer tatsächlichen Ertüchtigung der Bundeswehr - das ist das, was Europa WIRKLICH braucht.

Sonst wird Europa bzw. die EU bald endgültig von Nationalisten dominiert und in die Luft fliegen!

in die Luft fliegen. Die Frage ist nur: Wann und wie genau?
Alles hängt davon ab, wie lange Deutschland noch den Part des Ackerpferdes "Boxer" aus der lehrreichen Fabel "Animal Farm" von G. Orwell spielen kann. Danach beginnt sowieso eine neue Zeit in Europa.
Wie wichtig unser Kontinent in Zukunft überhaupt noch sein wird, ist längst nicht ausgemacht. Zur Zeit ordnet sich die Welt ja neu, u. es sieht jeder Staat auf seine Art, wo er bleibt. Jedenfalls handeln die Länder, die ihr ur-eigenes Interesse ins Zentrum aller Überlegungen/Entscheidungen stellen, m. E. besser (vernünftiger) als solche, in denen Ideologien die Marschrichtung vorgeben, wie bei uns. Frankreich, ja a l l e Staaten der EU haben immer klar zu erkennen gegeben, daß sie von der Zusammenarbeit vor allem p r o f i t i e r e n wollen - im Gegensatz zu D, das stets mit hehren Werten ("Friedensprojekt EU") seine Bürger (erstaunlich erfolgreich) zur Solidarität für andere begeistert - jetzt gerade wieder für die Ukraine.

Bez der deutschen Hofberichterstatter mit ihrer Nähe zu Regierungskreisen gebe ich Ihnen völlig recht. Frankreich hat seine Interessen - wir haben unsere, nur werden unsere völlig von unserer Regierung und Medien ignoriert. Unsere Pipeline wurde zerstört von unseren Verbündeten (egal ob von den USA mit den Ukrainern oder mit den Norwegern) - Frankreich dürfte darüber frohlocken, sind wir doch umso mehr darauf angewiesen, teuren, schrottigen AKW-Strom von denen zu kaufen. Egal wie, für uns müsste das bedeuten, keine Waffen mehr für diesen falschen Krieg, ohne offengelegte Kriegsziele - der nicht unser Krieg ist.
Was die militär.-industrielle Zusammenarbeit mit Franzosen angeht, da habe ich meine eigenen beruflichen Erfahrungen mit französischen Firmen sammeln dürfen: die laufen immer darauf hinaus, dass am Ende alle Server, Produktionsstätten und Arbeitsplätze, alle Entscheidungsfunktionen nach Frankreich gehen. Das sage ich Ihnen, obwohl einige meiner besten Freunde Franzosen sind.

Walter Bühler | Do., 9. März 2023 - 15:17

Antwort auf von Albert Schultheis

... dass die Zusammenarbeit mit Frankreich (oder mit Polen, oder mit Ungarn, oder mit ...) völlig konfliktfrei wäre. Nein, unsere Regierung müsste sicherlich hart arbeiten, um die Interessen unseres Landes zu wahren.

Nur im Schlaraffenland läuft alles von selbst. Im realen Leben bleibt es dabei: Leben heißt Problemlösen, und deswegen führt Bequemlichkeit und Faulheit meistens in die Irre.

Aber ich fände es am schlimmsten, wenn wir in Zentral-Europa wieder auf das nationalistische Niveau von 1930 zurückfallen würden. Dafür sind im letzten Weltkrieg wirklich viel zu viele Europäer gestorben.

Deswegen setze ich trotz aller Schwierigkeiten weiter auf unsre französischen, italienischen, englischen, Schweizer, .... Freunde. Wir dürfen nicht zu bequem, zu arrogant oder zu faul werden, die Beziehungen zu unseren Nachbarn am Leben zu erhalten.

Zu Ihrer Behauptung: „Frankreich dürfte darüber frohlocken, sind wir doch umso mehr darauf angewiesen, teuren, schrottigen AKW-Strom von denen zu kaufen.“

„(…) mehr als die Hälfte der 56 französischen Atomkraftwerke sind derzeit wegen Instandsetzungsarbeiten sowie nach dem Auftreten von Rissen seit Wochen außer Betrieb. Der zweitwichtigste Stromlieferant der Franzosen ist die Wasserkraft, doch auch sie lieferte im Sommer wegen der extremen Hitze nicht zuverlässig. Dadurch ist Frankreichs Energieversorgung deutlich mehr in Schwierigkeiten geraten als durch ausbleibende russische Gaslieferungen, die im Energiemix keinen so großen Anteil haben. (…)“

Und nun dürfen Sie einmal raten, wer Frankreich aushilft…

https://www.bloomberg.com/news/articles/2023-01-04/deutschland-lieferte…

Bleibt eigentlich nur die Frage, ob Sie solche Falschbehauptungen vorsätzlich platzieren oder weil Sie es nicht besser wissen…

Tomas Poth | Fr., 10. März 2023 - 13:48

Antwort auf von Kai Hügle

Tagesaktuell befinden 44 der 56 Kernkraftwerke am Netz, also 78%. Wer verbreitet hier also Falschbehauptungen!!
Bei zweien, Penly und Cattenom wurden Risse entdeckt.
Wasserkraft hat in Frankreich nur 12% Anteil an der Stromerzeugung.

Wenn Leute wie Sie ohne Belege Zahlen in die Welt setzen, werden Leute wie ich natürlich hellhörig.
Ich habe belegt, dass das Atomenergie-Land Frankreich letztes Jahr Strom aus Deutschland importieren musste - und zwar mehr als jemals zuvor! Aus dem Land also, von dem es in diesem Forum hieß, es würde ohne russisches Gas binnen weniger Monate kollabieren, frierender und hungernder Deutscher inklusive. Im Vergleich zum Sommer hat sich die Lage in Frankreich stabilisiert, sie bleibt aber angespannt.

https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/frankreich-atomkraft-atomkraftwe…

So viel zu den Fakten. Haben Sie auch irgendwelche Belege oder löst hier wieder mal nur ein Lügenbaron den anderen ab?

Tomas Poth | Do., 9. März 2023 - 12:19

Genau diese politische Betrachtungsweise der Franzosen sollten wir uns zu eigen machen.
Nur das ist mit den Altparteien in ihrem gegenwärtigen Zustand nicht möglich.

Möge am Ende des Ukraine Konfliktes, als eines der Ergebnisse, auch die Einhegung der US-Amerikanischen Regime-Change und Interventionspolitik, ein neues Kräftegleichgewicht in der Welt stehen.
Dann kann sich Deutschland auch von der Fremdbestimmung durch die USA lösen.

Urban Will | Do., 9. März 2023 - 12:41

demokratischen und auch diplomatischen Tradition im Gegensatz zum östlichen Nachbarn, der auftritt wie ein von Selbsthass, Infantilität und vor allem Naivität und Dilettantismus durchsetzter Kindergarten.
Deutschlands Auftreten ist zum Schämen.
Man wünscht sich einen Schmidt oder Kohl oder, ja, auch Schröder als Kanzler und einen Genscher als Außenminister.
Menschen, denen WK 2 noch in Erinnerung war, mindestens aber aufgrund ihrer Bildung präsent.
Ein Genscher würde permanent zwischen Kiev, Moskau und Washington unterwegs sein und die besondere Rolle Deutschlands aufgrund seines historischen Verhältnisses zu Russland wenigstens auszunutzen VERSUCHEN, um dieses Gemetzel zu beenden
So aber trampelt eine minder intelligente, historisch komplett unterbelichtete Schnattergans durch die Welt und quakt moralischen Unsinn.
Und, wie im Artikel beschrieben, lässt sich die deutsche Politik vor sich herjagen wie ein räudiger Hund.
Das ist alles nur noch zum Heulen.

....für die klaren Worte, werter Herr Will. Insbesondere über die Scheinriesin im AA.
Ich warte auf den Tag wo ihre Beschreibung dieser infantilen Figur jemand mal im ÖRR kundtun würde. Ich weiß es bleibt ein Wunsch.
Aber es wäre der Fakt schlechthin.

Bernd Windisch | Do., 9. März 2023 - 13:29

sind zwei Paar Stiefel. Deutschland nimmt 100 x mehr Ukrainer ins Bürgergeld inkl. freie Krankenversorgung auf. Der Franzose nickt und geht mit 62 in Rente. Der Deutsche lässt sich gern als zögerlich beschimpfen, bietet seine sozialen Sicherungssysteme als Weltsozialamt an und denkt im Übrigen darüber nach ob mit Vollendung des 67 Lebensjahres tatsächlich schon Rente sein soll.
Die deutsche Außenpolitik ist teuer, dumm, schwach und schädlich. Was sagt dies über die Insassen diese Landes aus?

Ernst-Günther Konrad | Do., 9. März 2023 - 13:37

Meine drei Mitforisten Bühler, Poth und Will haben in glänzender Manier als das niedergeschrieben, was mir bei dem Artikel auch so durch den Kopf ging. Vielen Dank meine Herren und Chapeau.

Albert Schultheis | Do., 9. März 2023 - 14:11

Antwort auf von Ernst-Günther Konrad

Ich kann nur beipflichten! Trotz aller grauen und grauenvollen Aussichten für die selbstverschuldete, düstere Zukunft unseres Landes ist es für mich ein winziger, beinahe unbedeutender Funke Hoffnung, dass in diesem Forum so viel gesunder Menschenverstand und Skepsis gegenüber den schillernden "Narrativen" unserer Regierung und ihren Staatsmedien versammelt sind.

Gerhard Weißenberger | Do., 9. März 2023 - 17:05

Ohne die Rückendeckung der USA wäre die Ukraine-Regierung nicht in diesen Krieg geschlittert. Die Europäer haben anfangs vermutlich nicht mit einem langjährigen Abnutzungskrieg gerechnet im Gegensatz zu den USA, die diesen Stellvertreter-Krieg bis zum letzten Ukrainer durchfechten werden.
Frankreich ist kein Vasallenstaat der USA wie Deutschland, das die Sprengung von NS1+2 und den Verlust sämtlicher russischer Energieträger klaglos hinnehmen und jetzt auf deren Druck die Rüstungsindustrie in den Kriegsmodus versetzen muss, um die unverschämten Forderungen der Ukraine-Regierung nach permanentem Munitions-Nachschub zu erfüllen.

Lisa Werle | Do., 9. März 2023 - 17:27

Solange sich Deutschland die absurde Pseudo-Moral leistet, sich für alles und jedes schuldig und gleichzeitig zuständig zu fühlen für alles vermeintlich 'Gute' in dieser Welt, solange werden die anderen Länder dieses Schuldknöpfchen drücken. Funktioniert ja. Schlimmer noch: die deutschen Politiker drücken ja fleißig mit.
Deutschlands Politiker handeln gegen das eigene Land und vernachlässigen sträflich die ureigensten Interessen, die Interessen der Bürger, die ihnen die Steuern erwirtschaften. In Frankreich wären solche Politiker längst zum Teufel gejagt worden. Es ist Zeit, auch hier den Widerstand zu verstärken, mindestens in Form einer ständigen Gegenrede und klarer Kritik.
Egal, wohin wir schauen, ob EU-Politik, Krieg in der Ukraine, Migration, Entwicklungs’politik‘, Klimakatastrophismus, Wirtschafts’politik‘ inklusive der dümmsten 'Energiewende' der Welt – überall handeln Politiker, handelt die Regierung gegen die Interessen Deutschlands.

Christoph Kuhlmann | Do., 9. März 2023 - 18:08

Frankreich erwartet. Es ist natürlich klar, dass diejenigen, die das verlangen Deutschland führen wollen. Ich finde, die deutschen Interessen werden auf vielen Politikfeldern von der Regierung verletzt, jedoch nicht bezüglich der Ukraine. Solange Russland die Devisen doch nur in die Rüstung steckt, muss man das Gas und das Öl ja doppelt bezahlen. Einmal an den Lieferanten und noch einmal an die Bundeswehr, weil man irgendwann mit rüsten muss. Warum soll man eine korrupte Kleptokratie, welche die Freiheitsrechte Ihrer Bürger mit Füßen tritt, finanzieren. Andere Lieferanten bedrohen uns wenigstens nicht militärisch. Ich finde, es ist ein paar hundert alte Leos wert, dass Putin und sein Gefolge, dass von der Herrschaft über Europa schwafelt, etwas auf die Schnauze kriegt. Wir verbrennen doch sonst wesentlich höhere Summen für Fremde. Warum nicht für die Ukraine?