Ukrainische Soldaten stehen im Februar vor einem selbstfahrenden Artilleriefahrzeug an der Front im Gebiet Donezk / dpa

Ein Jahr nach Beginn des Ukraine-Kriegs - Deutschland auf der Couch

Seit genau einem Jahr findet in Deutschland eine schmerzhafte psychologische Transformation statt. Jahrzehntelang eingeübte pazifistische Reflexe kollidieren in unseren Köpfen mit dem Gefühl, den Ukrainern im Kampf gegen den Aggressor Russland helfen zu müssen.

Autoreninfo

Moritz Gathmann ist Chefreporter bei Cicero. Er studierte Russistik und Geschichte in Berlin und war viele Jahre Korrespondent in Russland.

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Zeitenwende. Dieses Wort, das Olaf Scholz wenige Tage nach Kriegsausbruch im Bundestag verwendet hat, ist ein sehr großes Wort. Es teilt unsere Gegenwart ein in ein vorher und nachher, das Ende einer Ära und den Beginn einer neuen Ära. 1933 und die Jahre danach markieren eine Zeitenwende. 1945. Und natürlich 1989, für uns Deutsche und für einen großen Teil Europas.

Um zu verstehen, was sich verändert hat, sollten wir noch einmal in die Zeit vor dem 24. Februar des vergangenen Jahres zurückblicken. In Deutschland schickte sich die neugewählte Ampelkoalition an, nach den zuletzt lähmend-zähen Jahren unter Angela Merkel mit einem neuen Politikstil in einer Mitte-Links-Regierung eine prosperierende Wirtschaft und die Energiewende unter einen Hut zu bringen.

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Andreas Dohmen | Fr., 24. Februar 2023 - 08:55

Ein sehr guter Artikel, danke dafür. Er spricht mir in vielen Teilen aus dem Herzen. Auch wenn es sehr hart und nach "Nestbeschmutzer" klingt: Ich - Jahrgang 59, ex Hauptmann der Reserve, aufgewachsen und gedient zu Zeiten des kalten Krieges - habe diese aus meiner Sicht naiven Friedensträume der Deutschen nie verstanden. Wie im Artikel gut beschrieben hat man sich wunderbar hinter unserer Geschichte versteckt. Die BW ist seit Jahrzehnten aufs übelste runtergewirtschaftet worden, aber keiner wollte es wirklich hören. D war im Wohlstands-/Freizeit- und Friedenstaumel. Und der Amerikaner war der Böse. Die Aussetzung des Wehr- und Zivildienstes war ein grandioser Fehler, zahlte aber auf das obige ein. Schröder's Netzwerk (Gott sei Dank kommen jetzt die ersten Bücher dazu raus) hat für mich unser Land "verkauft". Nun holt uns die Realität ein, die Realität, vor der uns die Amerikaner und Länder wie Polen, Ungarn etc. schon lange warnten. D wacht auf...aber erst sehr, sehr langsam.

Gabriele Bondzio | Fr., 24. Februar 2023 - 08:57

Nun Herr Gathmann, viele Dinge im Leben sind immer unter zwei Aspekten zu betrachten.
oder
wie Gerald Dunkl zitiert:
„Die Waffen sprechen, wenn der Verstand schweigt.“

Und wenn der Westen mit immer mehr Waffen antwortet, statt nach friedlichen Lösungen zu suchen, sterben immer mehr Menschen in der Ukraine.
Das Land wird verwüstet und vergiftet.
Die Gefahr einer Ausweitung oder atomarer Bedrohung der Welt ist nicht vom Tisch.
Weil an den Schaltknöpfen, nur Menschen sitzen-keine Übermenschen!

Ich bin in dieser Sicht gänzlich und unabrückbar
bei einem Text von Antje Vollmers: „Was ich noch zu sagen hätte“ (Berliner Zeitung).
Sie hat alles was ich an Bruchstücken zu diesem Krieg versucht habe (bei Cicero zu schreiben) eindrucksvoll zusammengefasst.

Und die Wahrheit liegt wohl weit näher bei dem Sätzen:
"Bei Geschichte ist es immer wichtig, von welchem Anfang man sie erzählt."

die es schafft, der Ukraine die Möglichkeit zu geben, ihre demokratisch formulierten Willen umzusetzen. Vorher müssen sie Raketen aufhören. Welche Idee des Verstandes stoppt sie? Welcher kluge Gedanke garantiert im Fall eines Waffenstillstandes, dass Putin genug hat von weiterer imperialer Größe? Wie können Grundrechte der Menschen in Russisch dominierten Gebieten durchgesetzt und Kriegsverbrecher bestraft werden? Sind all diese Fragen „werteextremistisch“ oder bin ich „wertebesoffen“? Verstand - ja bitte. Dazu gehört leider manchmal auch Waffengewalt, um größere despotische Gewalt zu verhindern.

Robert Hans Stein | Fr., 24. Februar 2023 - 09:12

Danke für diesen Spiegel, den Sie uns bequem gewordenen Deutschen vorhalten, indem sie unsere beiden Grundirrtümer benennen. Pseudopazifismus und Antiamerikanismus. Und ja, auch ich reibe mir die Augen, wenn Leute, die 1990 froh waren den seinerzeit eher verhassten "Iwan" loszuwerden, sich im am liebsten wieder in die Arme werfen würden - hier im Osten. Und wenn ihnen dabei entgeht, dass sie ohne "die Amis" den Iwan nicht losgeworden wären. Es waren nicht nur die Bürger im Osten und auch nicht nur Gorbatschov - es war vor allem ein Sieg der Amerikaner im Kalten Krieg, der die "Wende" möglich gemacht hatte, der ständige Druck, besonders unter Reagan. Aber um das zu erkennen, muss man wohl etwas gründlicher nachdenken. Da ist es schon bequemer, verlognen Pazifismus mit verlogener Moral zu paaren.

wenn Leute, die 1990 froh waren den seinerzeit eher verhassten "Iwan" loszuwerden, sich im am liebsten wieder in die Arme werfen würden - hier im Osten.

Sie haben sicher auch nie unter Ulbricht/Honecker gelebt, werter Herr Stein.
und
begreifen nicht im mindesten, was uns (und der Welt) für ein historisch-einmaliges Geschenk von einem anderer "Iwan", mit Namen Gorbatschow, gemacht wurde.

Einen gewaltfreien Systemwechsel...sie können ja mal in der Geschichte nachforschen, ob sie ein ähnliches Ereignis finden.

Allerdings sind sie auch ein wenig realitätsfern, wenn sie glauben das der Iwan ( der ja schon in der Ukraine (nach westlichen Maßstäben/siehe Presse) versagt.
Demnächst in DE zu erwarten ist.

Norbert Heyer | Fr., 24. Februar 2023 - 09:19

Hier wird nicht unsere Freiheit verteidigt: Es kämpfen zwei ehemalige Sowjet-Republiken gegeneinander, nachdem sie jahrelang angebliche Friedensverhandlungen führten, zu denen ja Merkel kürzlich hilfreiche Erläuterungen lieferte. Wir sollen - und müssen- humanitäre Hilfe leisten, da machen wir schon mehr als alle anderen. Erst sollten keine Waffen, dann Verteidigungswaffen, jetzt Panzer, Jagdflugzeuge und U-Boote geliefert werden. Wenn der Schauspieler seine Jugend verheizt hat, kommen dann NATO-Truppen und zünden die letzte Stufe. Der Wehrdienstverweigerer Hofreiter als Grüner ist der größte Kriegshetzer. Er hat ja auch eine Immunität und die Gnade der frühen Geburt. Gerade er und manche Politikerin haben geradezu eine Hysterie entfacht, die Deutschland wieder einmal -und dann wohl endgültig- zerstört. Nur Frieden kann die Lösung sein, ich fürchte aber, dass die Akteure jenseits des Atlantiks darüber ganz anders denken. Krieg bedeutet aber auch für wenige Reiche sehr hohen Profit.

Albert Schultheis | Fr., 24. Februar 2023 - 09:54

Ja, der Putin ist der Aggressor - das klingt nach unumstößlicher Wahrheit, Herr Gathmann. Aber die Wahrheit in der Ukraine ist Pravda! Ein Vexierbild! Man kann es so halten oder leicht kippen, plötzlich verkehrt es sich in sein Gegenteil. Fängt die Geschichte am 24.02.2022 an, dann ist alles klar, Schwarz und Weiß, Recht und Verbrechen - fängt man 8 oder 10 Jahre früher an, stellt sich ein ganz anderes Bild ein: die Kategorien der Moral kehren sich um in ihr genaues Gegenteil. Gleiches passiert mit dem Fokus, dem Gesichtsfeld: Reduziert man es auf die beiden Rivalen Russland und Ukraine ist da wieder Pravda, Schwarz und Weiß. Erweitert man das Gesichtsfeld um die Spieler EU bzw USA, auch dann kippt Ihr Bild, Herr Gathmann. Jede Reduktion der Komplexität ist eine Verfälschung der Wirklichkeit - aber häufig kommen sie sehr gelegen um entscheidungsfähig, um handlungsfähig zu werden. Daher gibt es keine menschliche Entscheidung noch viel weniger Handlung, die nicht zugleich Unrecht schafft

Immer das gleiche Gesülze. Die Hintergründe! Die Hintergründe! Und die Amis sind keinen Deut besser! Im Gegenteil: Sie sind die Schuldigen!

Denn DIE haben doch den Krieg erst verursacht. Die Situation ist angeblich viel komplexer - nur der manipulierte, zum Kriegstreiber mutierte Durchschnittsdeutsche versteht das nicht!

Was für ein Blödsinn.

Bis vor nicht allzu langer Zeit war die Ukraine ein relativ funktionierender, relativ wohlhabender Staat, in dem die Menschen - ausser in jenen Regionen, in denen Putin bereits seit Jahren zündelt - friedlich zusammenlebten.

Dann begann Putin, seinen Wahn auszuleben - und überzog das Land mit einem erbarmungslosen Vernichtungskrieg. Es sind keine NATO-, keine US-Flugzeuge, die dort Bomben abwerfen, es sind russische! Es sind russische Soldaten oder Söldner die dort morden, vergewaltigen, Kinder verschleppen, Menschen vertreiben.

Das ist eindeutig.

Aber klar, die "Hintergründe". Putin wehrt sich doch nur...

"Bis vor nicht allzu langer Zeit war die Ukraine ein relativ funktionierender, relativ wohlhabender Staat, "

Nichts liegt weiter von der Realität entfernt. Die Ukraine war und ist das zweitärmste Land Europas. Ihre Wirtschaftskraft lag 2020 bei rund 3.700 US-Dollar pro Einwohner. Die Eliten des Landes sind korrupt bis in die unmittelbare Umgebung von Selenskyj.

Dies rechtfertigt selbstverständlich keinen Überfall aber Ihr Umgang mit Fakten ist beneidenswert.

… differenziertes Denken war noch nie Ihre Stärke. Und nichts geht doch über ein befestigtes Feindbild, oder?

Widerspruch von Ihnen ist wie ein ex cathedra-Segen für meine obige Feststellung, Danke! Es tut gut, Sie als Gegner zu haben denn es gibt einem die Gewissheit, auf der richtigen Seite zu stehen.
Das was Sie da verzapfen: "Bis vor nicht allzu langer Zeit war die Ukraine ein relativ funktionierender, relativ wohlhabender Staat, in dem die Menschen - ausser in jenen Regionen, in denen Putin bereits seit Jahren zündelt - friedlich zusammenlebten." ... das nennt man ja in Ihren Kreisen neuerdings "Narrativ"! Ein ursprünglich wertfreier literarischer Begriff aus dem Englischen, der nichts anderes als Erzählung oder Novelle bedeutete, der aber in seinem heutigen Gebrauch um die Konnotation der Verfälschung von Geschehnissen, von Geschichte mit propagandistisch-demagogischer Absicht angereichert wurde. Aber wo das Streben nach Erkenntnis erlahmt, erwachen die Monster!

Nett zu lesen, aber völlig witzlos.

Dass Sie überall "Verfälschung" wittern, ist selbstverständlich wiederum Ihrem höchst persönlichen Narrativ geschuldet. Wonach der Ukraine-Krieg letztendlich nur die Explosion war, die durch jahrelanges Zündeln des durch und durch bösartigen, verdorbenen Westens unvermeidlich war.

Eingefügt in Ihr bekanntes Weltbild und die Ihnen eigene Geschichtsinterpretation (die, wie ich anderswo bereits anmerkte, völlig an mir vorbeiging), wird natürlich sichtbar, was Sie hier treiben.

Für Sie sind, wie Sie schrieben, die "Alliierten" noch immer unsere Feinde? Wahrscheinlich würden Sie gleichfalls behaupten, wir hätten noch keinen Friedensvertragt. Und nun soll Vladimir richten, was Adolph versemmelte? Den Kampf gegen den "widerwärtigen Westen - und seinem Stellvertreter Ukraine" möglichst schnell zum erfolgreichen Ende führen?

Herr Windisch: Wohlstand ist relativ. Die Ukraine WAR einer der grössten Getreideexporteure.

Vergangenheit. Dank Putin.

warum setzen Sie sich mit Hügle u. Lenz überhaupt noch auseinander. Sie wissen doch dass es keinen Zweck hat. Man stachelt sie nur zum Widerspruch an. Darauf warten sie nur, um ihren Hass Ausdruck zu verleihen. Möge Gott Ihnen die Gelassenheit eines Stuhles geben, der muss auch mit jedem Körperteil, auf dem man sitzt, zurechtkommen.

Gerhard Lenz | Fr., 24. Februar 2023 - 09:54

Wie sich die Seiten verkehrt haben! Jene, die früher für einen bedingungslosen Pazifismus eintraten, gestehen heute der Ukraine zu, sich zu verteidigen, wollen ihr sogar mit Waffen im Abwehrkampf gegen den Aggressor Putin zur Seite stehen.
Diejenigen, die früher die bedingungslosen Pazifisten als Naivlinge verlachten, treten plötzlich angeblich für Frieden ein und verstehen darunter meist die sofortige Kapitulation der Ukraine - angeblich um weiteres Blutvergiessen zu vermeiden.
Natürlich kann man diese auf wundersame Weise zu Friedensfreunden Mutierten - deren Pazifismus auf Demos sich gegenüber Journalisten oder Polizisten meist in Grenzen hält - nicht ernst nehmen. Wenn eine Wagenknecht nach wie vor behauptet, der ehemalige israelische Ministerpräsident habe in Verhandlungen kurz vor dem Durchbruch gestanden, sei aber von GB oder den USA ausgebremst worden - was von Bennett lautstark bestritten wird - ist das hochgradig verlogen.
Dahinter steckt der blanke Hass auf den Westen.

Wenn eine Wagenknecht nach wie vor behauptet, der ehemalige israelische Ministerpräsident habe in Verhandlungen kurz vor dem Durchbruch gestanden, sei aber von GB oder den USA ausgebremst worden - was von Bennett lautstark bestritten wird - ist das hochgradig verlogen.
Dahinter steckt der blanke Hass auf den Westen.

Haben Sie einen Beleg oder eine Quelle für Ihre ausfällige Behauptung?

Gerhard Lenz | Fr., 24. Februar 2023 - 10:38

Antwort auf von Bernd Windisch

Googlen Sie Bennett und Ukraine.

Das schaffen Sie schon.

Sie finden ja sonst auch "Wahrheiten" nach Ihrem Geschmack.

Und wo wir gerade beim Thema sind: Auch die Verhandlungen des türkischen Außenministers waren im Grund nur Geplänkel um Nebensächliches.

Es bleibt dabei: Putin will nicht verhandeln, wer will siegen!

Forum ist kein Gericht.

Drehen Sie den Spies um. Ihre Opponenten hier, sind keine besseren Menschen, wenn Ihnen den Hass unterstellen. Ich bin nicht selten Ihrer Meinung, Herr Lenz, aber ich benutze das hässliche Wort Hass nicht, womit hier massenweise umhergeschmissen wird. Man könnte es mit weiterer ´Steigerung des Genderblödsinns betiteln. Hass korreliert mit Z-Buchstabe an der Aggressors Kriegs-/Mördertechnik in der UA.

Im Forum geht es um Ansichten/Meinung/Überzeugung, meiner Auffassung nach. So, wie bei allen anderen Medien. Wir sind keine politischen Forensiker.
??

Karl-Heinz Weiß | Fr., 24. Februar 2023 - 10:01

Der Autor beschreibt sehr treffend den in Deutschland tief verwurzelten Anti-Amerikanismus - intellektuell unterfüttert durch Oskar Lafontaine mit seiner Fangemeinde. Die angebliche Zögerlichkeit von Kanzler Scholz beschreibt aber das Dilemma dieses Konflikts: es wird keinen russischen Rückzug hinter die Linien von 2014 geben. Jedem ist dies bewusst, aber keiner will es als erster aussprechen.

Hans Süßenguth-Großmann | Fr., 24. Februar 2023 - 10:03

Sehr geehrter Herr Gathmann,
ich werde mich nicht auf Ihre Couch legen, weil man die von Ihnen aufgeführten Sachverhalte auch anders sehen kann.
Grundsätzlich bleibt für mich festzustellen, dass es in den ganzen 2000 er Jahren nicht um eine Sicherheitsarchitektur in Europa ging sondern um eine Ausdehnung der NATO nach Osten, ohne sich zu fragen was denn die Russen davon halten. Unsere Nachbarn im Osten huldigen einem "hardcore" Nationalismus, bei dem für die Russen nur Platz als Kinderschreck ist.
Ich werde heute auf eine Friedensdemonstration gehen, die Resolution habe ich schon unterschrieben.
Denn mag kommen was will, die Russen bleiben unsere Nachbarn und Frieden gibt es nur mit ihnen. Wie und wann und ob man überhaupt mit ihnen reden wird, steht nicht fest, aber eine Ignoranz dieses Sachverhalts wird uns nur weiter in die Bedeutungslosigkeit führen. Den richtigen Beweis der Wertschätzung haben uns unsere Freunde mit der Sprengung der Pipeline bereits geliefert.

Christoph Kuhlmann | Fr., 24. Februar 2023 - 10:06

Es muss dies für viele Jahre tun. Auch wenn wir nicht wissen, wer der nächste amerikanische Präsident sein wird. Die "Friedensdividende" hat uns den politischen Spielraum gekostet. 500 Milliarden seit den frühen 90ern. Das aufzuholen kostet mindestens 300 Milliarden in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren. Dann haben wir allerdings immer noch keine nukleare Abschreckung gegen Russland, dessen Politiker und Medien täglich mit Atomschlägen drohen. Wir haben zu viel Angst vor deutschen Verbrechen und ermöglichen damit die Verbrechen anderer Staaten. Es gibt eine weit verbreitete Denkverweigerung in sicherheitspolitischen Fragen. Waffen sind böse, Frieden ist gut. Diese Argumentation reicht für politische Mehrheiten im Bundestag und bundesweite Resonanz in den Medien. Moralisch induzierte Denkblockaden sind genauso gefährlich wie andere Orthodoxien. Sie sind in freien Gesellschaften jedoch wirkungsvoller, weil die, welche sie aufbrechen wollen, automatisch die Bösen sind.

Kann es sein, werter Herr Kuhlmann, dass Sie nicht Fortschritt, sondern Steinzeit predigen. Sollten sich die Staaten dieser Welt tatsächlich dazu versteigen, jeder für sich, ausreichende (was soll das sein) Waffenarsenale konventionell als auch atomar anzulegen brauchen wir über die Lösung der tatsächlichen Probleme wie Überbevölkerung und Ressourcenverbrauch nicht mehr nachzudenken. Dann lösen sich die Menschheitsprobleme alle von allein. Der letzte macht das Licht aus.

Bernd Windisch | Fr., 24. Februar 2023 - 10:07

"In Deutschland schickte sich die neugewählte Ampelkoalition an, nach den zuletzt lähmend-zähen Jahren unter Angela Merkel mit einem neuen Politikstil in einer Mitte-Links-Regierung eine prosperierende Wirtschaft und die Energiewende unter einen Hut zu bringen."

Das hat schon mal geklappt: Die Energieversorgung ist teuer wie nie und hängt vom Wetter ab. Auch die Wirtschaft prosperiert nicht mehr. Beides passt also blendend unter einen Hut!

Bernd Windisch | Fr., 24. Februar 2023 - 10:13

Moritz Gathmann spult seine bekannten Positionen ab, bedient die üblichen Reflexe gegen rechts und links, verkennt dabei aber, dass die ukrainische Bevölkerung längst nicht mehr um ihre politische Freiheit, sondern vielmehr um ihr physisches und wirtschaftliches Überleben kämpft.

Es war und ist falsch den lokalen Oligarchenzwist zur europäischen Frage hoch zu stilisieren. Der Konflikt hat sich nun internationalisiert und wird physisch (noch) allein auf dem Rücken der wirtschaftlich ärmsten Europäer ausgetragen.

Wer jetzt immer noch nicht, mit mehr, als einem völlig unterkomplexen Verteidigungsrecht gegen „Wladimir Putin dem brandschatzenden Vergewaltiger“ kommt und damit einen brutalen Abnutzungskrieg in der Ukraine zu rechtfertigen sucht ist für rationale Realpolitik nicht mehr erreichbar.

Alle die sich unter dem Begriff "Abnutzungskrieg nichts vorstellen können sei die Neuverfilmung von Erich Maria Remarques "Im Westen nichts Neues" anempfohlen.

Helmut Bachmann | Fr., 24. Februar 2023 - 14:24

Antwort auf von Bernd Windisch

die Franzosen hätten damals auch einfach aufgeben sollen. Dann wäre der Abnutzungskrieg nicht so lange gegangen. Oh Mann.

Romuald Veselic | Fr., 24. Februar 2023 - 10:28

die "Jahrzehntelang eingeübten pazifistischen Reflexe" ist nichts anderes, als Suizid Made in Germany. Eingebettet inmitten einer westlichen Schlafwiege, denn der Aggressor den Weg über Baltikum/Polen u Osteuropa nehmen muss, bis er in wehrloses D ankommt. Einen besseren Schutz kann man sich nicht ausdenken.

Dafür aber zeichensetzende feministische Außenpolitik, Wokeness, Cancel Culture, Gender & LGBTIQ → Ultimo. Irgendwie komm ich nicht von der Idee weg, dass nicht wenige D-Politikerinnen, einen Intelligenzquotient der aufblasbaren Puppen haben.

Stefan Forbrig | Fr., 24. Februar 2023 - 10:47

"… hier die großen (westdeutschen) Unterstützer der Ukraine, dort die ostdeutschen Putin-Freunde. .."

Herr Gathmann ich frage mich, wieso wird das von Ihnen wieder so schablonenhaft gesehen?
Es ist bei weitem nicht so, daß der ganze westdeutsche Teil nur aus Ukraine-Unterstützern bestünde. Ebenso sind die wenigsten hier im Osten "Putin-Freunde". Schon das Wort allein ist falsch und irreführend. Nur weil das die meisten Ostdeutschen etwas differenzierter sehen und die Interessen BEIDER Kriegsparteien beachtet werden sollten, sind wir doch noch lange keine "Putin-Freunde". Ich bin mir sicher, kaum einer, sowohl im Westen, als auch im Osten bezweifelt Putins Schuld am Krieg. Aber ähnlich wie bei einer Ehekrise trägt selten nur Einer die Schuld, es gibt immer zwei Seiten der Medaille. Und das sollten Sie im Artikel mehr herausarbeiten.

Romuald Veselic | Fr., 24. Februar 2023 - 11:31

Antwort auf von Stefan Forbrig

(das ist er, seitdem er 18 geworden ist). Es geht um vorsätzliche Verbrechen (gg Menschlichkeit), die das Putin System zulässt/organisiert/forciert.

Er war bei KGB sozialisiert. KGB war Nachfolgeorganisation von NKWD. NKWD war nichts anderes, als kommunistischer Spiegelpart von RSHA/Gestapo im 3. Reich. Ergo; die Verbrecherorganisationen per se.

Denn Butscha/Irpin 2022, sind nur andere Varianten von Lidice 1943/Oradour-sur-Glane 1944. Putin ist kein Psychopath, sondern tut dies bewusst realisieren. Man nennt dies Psychokrieg.

Herr (Gott), wenn es dich gibt, verzeih ihm nicht, denn er weiß, was er tut.

Werter Herr Veselic...auch wenn ich Putin nicht für diese Verbrechen entschuldigen kann...
Krieg ist immer ein Verbrechen. Kennen sie einen, wo mit Wattebällchen geschossen wurde?

Jeder sucht den anderen durch physische Gewalt zur Erfüllung seines Willens zu zwingen; sein nächster Zweck ist, den Gegner niederzuwerfen und dadurch zu jedem ferneren Widerstand unfähig zu machen.

"Der Krieg ist also ein Akt der Gewalt, um den Gegner zur Erfüllung unseres Willens zu zwingen.
Da der Gebrauch der physischen Gewalt in ihrem ganzen Umfange die Mitwirkung der Intelligenz auf keine Weise ausschließt, so muß der, welcher sich dieser Gewalt rücksichtslos, ohne Schonung des Blutes bedient, ein Übergewicht bekommen, wenn der Gegner es nicht tut." (Carl von Clausewitz/vom Kriege)

Inana | Fr., 24. Februar 2023 - 10:49

Was der Autor beschreibt ist aus meiner Sicht bestenfalls das eigene Wunschdenken. Deutschland befände sich in einem praktisch evolutionären Prozess zu dem Staat, den er gerne hätte.
Was natürlich real nicht der Fall ist. Die Bevölkerung bleibt über weite Teile skeptisch und was wir eigentlich sehen ist eine Transformation des Debattenklimas, das an die USA nach 9-11 erinnert. Durch ein Ereignis hat sich eine bestimmte Gruppe an die Spitze gesetzt, dominiert die Debatte und geht v.a. auch mit aller Schärfe gegen jeden Kritiker vor.
Der Autor versucht sie hier alle zu psychologisieren, als veraltet und lächerlich zu bezeichnen und der nächste Schritt ist dann, sie als Kollaborateure zu bezeichnen.
Und das ist halbwegs erfolgreich - die "Freiheit" fördert es natürlich nicht.

Helmut Bachmann | Fr., 24. Februar 2023 - 10:53

Wie schon oben einige gut beschreiben, ist die deutsche Naivität unterträglich gewesen. Erschreckend, dass das heute wieder so hoch kocht, erstaunlich, dass die nützlichen Idioten für Putin heute nicht nur von links kommen, sondern auch von rechts.

Jens Böhme | Fr., 24. Februar 2023 - 11:43

Dass Corona in Osteuropa kein Thema war, sieht man am Krieg in der Ukraine, lange vor 2020, und den Massendemos in Belarus 2020.

Gerhard Fiedler | Fr., 24. Februar 2023 - 12:01

Medien, ÖR und H. Gathmann geht es darum, unserem Volk Russland als Aggressor zu verkaufen. Dass R gegen die U Krieg führt, ist nicht zu bestreiten. Doch seine Vorgeschichte wird ausgeblendet, so dass die USA als Kriegstreiber nicht infrage kommt. Man lässt den Krieg erst im Febr. 22 oder mit der zunächst nicht geplanten Krim-Annexion beginnen. Das aber ist unredlich. Tatsächlich begonnen hat er mit der Nichteinhaltung von Zusicherungen hinsichtlich der Nato-Erweiterung auf osteuropäische Länder, die man 1990/91 Gorbatschow und R zu seiner Sicherheit gemacht hatte. Mit der Aufnahme von Polen 1999 in die Nato nahm die Aggression der USA seinen Lauf, die auch 2001 mit dem Ausstieg der USA aus dem ABM-Vertrag deutlich wurde. Spätestens mit Bekanntgabe 2008, die U in die Nato aufzunehmen, war für R die rote Linie überschritten. Es sah sich eingekreist, seinen Einfluss in der Region untergraben und seine Sicherheitsinteressen verletzt. Für R ist dieser Krieg daher ein Verteidigungskrieg.

ursula keuck | Fr., 24. Februar 2023 - 12:56

Bevor es zur Eskalation- Atomkrieg kommt, möchte ich gerne auf den Liedermacher Reinhard Mai und seinem Lied aufmerksam machen:
„Ganz sicher nicht für euch hat ihre Mutter
Sie unter Schmerzen auf die Welt gebracht
Nicht für euch und nicht als Kanonenfutter
Nicht für euch hab' ich manche Fiebernacht
Verzweifelt an dem kleinen Bett gestanden
Und kühlt' ein kleines glühendes Gesicht
Bis wir in der Erschöpfung Ruhe fanden
Nein, meine Söhne geb' ich nicht
Nein, meine Söhne geb' ich nicht
Sie werden nicht in Reih' und Glied marschieren
Nicht durchhalten, nicht kämpfen bis zuletzt
Auf einem gottverlass'nen Feld erfrieren
Während ihr euch in weiche Kissen setzt
Die Kinder schützen vor allen Gefahren
Ist doch meine verdammte Vaterpflicht
Und das heißt auch, sie vor euch zu bewahren
Nein, meine Söhne geb' ich nicht
Nein, meine Söhne geb' ich nicht“
Das Lied sollten sich beide Kriegsparteien sofort zu Herzen nehmen.

Gerhard Fiedler | Fr., 24. Februar 2023 - 13:39

Nach dem Terroranschlag der USA und Norwegen auf Deutschlands Energieversorgung und dem Beifall und der Schadenfreude, die von Seiten Polens dazu folgte, diese Länder weiterin als unsere befreundeten Staaten zu sehen, kann von uns Deutschen wohl nicht mehr erwartet werden. Von daher deren Aufforderungen folgend der Ukraine weiterhin Waffen zu liefern und an den Sanktionen gegenüber Russland festzuhalten, käme einer Zumutung gleich und hieße für Deutschland, sich zum Sklaven von Terrorristen zu machen.

Tomas Poth | Fr., 24. Februar 2023 - 14:18

Eines erscheint mir völlig klar, die Lieferung von weiteren Waffen an die Ukraine wird nicht den Frieden bringen, sondern die europäischen Staaten tiefer in den Konflikt ziehen, bis hin zum größtmöglichen Schaden an Leib und Leben!
Wer diesen Weg gehen will, der ist derjenige der auf die Couch gehört!!!
Die derzeitige Lage ist eine gute Voraussetzung, um die europäischen Kleinstaaten zu einem Bündnis zusammenzubringen, um die eigene Verteidigung ohne einen "Großen Bruder" auf die Beine zu stellen.

Last die USA an Waffen in die Ukraine liefern was sie wollen, es ist schließlich ihr Krieg den sie dort gegen Russland führen!
Indem wir unsere Mittel darauf konzentrieren schnellstmöglich ein eigenes starkes Bündnis zu bilden, entkoppeln wir uns auch von der nuklearen Gefahr die sich zwischen Russland und den USA aufbaut.
Sollen die sich doch gegenseitig zerschießen, es ist doch ihr Krieg, den beide heraufbeschworen haben!
Europa befreie dich von fremden Interessen die dich nur versklaven.