Das Rote Rathaus, Sitz der Regierenden Bürgermeisterin sowie des Senats von Berlin / dpa

Berlin-Wahl - Es wird wohl ein Weiter-so geben

Sie zetern und sie schreien, trotzdem wählen die Berliner den gleichen Senat wahrscheinlich nochmal. Denn trotz allem Gejammere über die Stadt, hatte Rot-Grün-Rot in allen Umfragen immer die Mehrheit. So dürfte es wohl auch am Sonntag aussehen. 

Autoreninfo

Moritz Eichhorn leitet das Politikressort der Berliner Zeitung. Er studierte Intl. Beziehungen und Pol. Philosophie in Großbritannien, publizierte unter anderem bei Vice und der Financial Times und war Politikredakteur bei der FAZ.

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Trotz allem, trotz Silvester-Attacken, trotz Wohnungskrise und Zeitlupenverwaltung, trotz maroder BVG und Baustellen-Hindernisparcours, trotz Schulen, die Tausende Jugendliche als funktionale Analphabeten verlassen, trotz Clan-Gewalt und obwohl die Wahl wiederholt werden muss: Am Ende dieses Wahlkampfs muss man feststellen, dass die Berliner die Verhältnisse gar nicht so schlimm finden. Auf jeden Fall nicht schlimm genug, um den Wechsel zu verlangen.

Denn auch wenn die CDU als Inbegriff der Opposition in den vergangenen Wochen in Umfragen zu Höhen fand, die sie seit acht Jahren nicht mehr gesehen hat, gab es zu keinem Zeitpunkt eine Mehrheit gegen Rot-Grün-Rot. Die Bürger sprechen sich, mit Abstrichen hier und da, mehr oder weniger für die gleichen Parteien und damit für die gleichen Mehrheiten aus – wenn wir den Umfragen glauben dürfen.

Mittlerweile hat Franziska Giffey ihren Konkurrenten Kai Wegner in der Frage, wen die Berliner direkt wählen würden, sogar wieder überholt. Und das, obwohl die SPD wie keine andere Partei mit 20 Jahren im Roten Rathaus für die Verhältnisse verantwortlich zeichnet. Andreas Geisel, der als Innensenator die Rechtsaufsicht über die gescheiterte Wahl hatte, versieht weiterhin ein Senatoren-Amt. Die Sozialdemokraten könnten nach jüngsten Umfragen sogar besser abschneiden als vor anderthalb Jahren. 

Doch noch schmecken die Döner

Das wahrscheinlichste Szenario für das Ergebnis am Sonntagabend ist, wie schon 2021, ein Weiter-so. Zwar versprechen Politiker immer wieder, dass es gerade das nicht geben werde, weil Wähler behaupten, dass sie das nicht wollen. Da aber die meisten die gleichen Parteien wählen, gibt es offenbar ein stilles Einverständnis: Ihr tut so, als würdet ihr etwas ändern – und wir tun so, als würden wir das glauben.
 

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Sebastian Czaja sagte in einem Interview mit der Berliner Zeitung vor kurzem, es würden ihn extrem ernüchtern, wenn Rot-Grün-Rot wieder vorn läge: „Dann fragt man sich wirklich, was eigentlich noch alles passieren muss, damit sich hier etwas ändert.“ Sehr viel mehr, möchte man dem FDP-Spitzenkandidaten zurufen. Offenbar sind die Verhältnisse noch lange nicht schlimm genug für eine echte Wechselstimmung.

Es wird zwar viel Bohei gemacht um die angebliche Failed City, doch noch fahren die U-Bahnen und kommen die Krankenwagen und fliegen die Flugzeuge vom BER und schmecken die Döner. Die Bahnen sind langsamer, die Döner teurer, aber noch ist Berlin nicht kollabiert. Und wenn Herr Söder Berlin als „Chaosstadt“ bezeichnet, fragen die Berliner sich nicht: Wie können wir es ihm bloß recht machen? Sondern: Wollen wir wirklich, dass es hier wie in Bayern zugeht?

Wer will überhaupt ins Bürgeramt?

Ja, die zahllosen Probleme der Stadt nerven, aber unerträglich finden die Bürger sie nicht. Denn das Ganze hat ja auch eine Kehrseite. Wenn die Regierung die Regeln nicht einhält, Dinge schleifen lässt, einen zweiten Anlauf für die Wahl braucht, dann fühlen auch die Bürger sich weniger verpflichtet, Regeln zu befolgen.
 

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Viel wird darüber gemeckert, dass man keinen Termin im Bürgeramt bekommt. Aber mal anders gefragt: Wer will überhaupt ins Bürgeramt? Das ist doch lästig. Man geht, weil man muss. Und weil jeder weiß, dass vieles nicht klappt, waltet auch allenthalben Kulanz. „Sie sind nicht gemeldet, obwohl sie schon so lange hier wohnen?“, fragt der Polizist bei der Kontrolle. „Krieg keenen Termin beim Amt“, antwortet der Bürger. „Ach so, verstehe, dann mal gute Weiterreise.“

Giffey ging es um Entlastungen

Außerdem sorgt der Senat ja auch für Wohltaten, die Berlinern die Verhältnisse schmackhaft machen. Immer wieder erzählte Franziska Giffey in diesem Wahlkampf, dass es keinem anderen Bundesland gelungen sei, einen Nachfolger des 9-Euro-Tickets zu bewerkstelligen. Das ist wahr. Aber ist es auch gut? Zahllose Verkehrsexperten raten von diesem Unterbietungswettbewerb beim ÖPNV ab. Selbst die Grünen in Berlin wollten das Ticket nicht.

In Wirklichkeit geht es auch gar nicht um den Nahverkehr. Giffey ging es um Entlastungen, und faktisch zahlt Berlin den Bürgern eine Art Stillhaltesumme. Auf Bayerns Kosten, denn finanzieren kann Berlin das nicht allein. Der Preis dafür, dass alle machen können, was sie wollen, ist nur, dass niemand tun muss, was er soll. Gerade geht das noch gut. Aber Rot-Grün-Rot bekommt wohl nochmal dreieinhalb Jahre. Vielleicht ist dann die Zeit reif für den Wechsel.

In Kooperation mit

Berliner Zeitung

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Ingo Frank | So., 12. Februar 2023 - 10:08

W a r u m sollte sich in Berlin etwas ändern?
Pleite gehen kann die Stadt nicht, die Finanzierung bleibt durch den Länderfinanzausgleich gesichert, ein wenig Tafelsilber in Form von Grundstücken und Immobilien welches versilbert werden kann ist auch noch da, den Bund gibts noch ganz nebenbei. Und der linke Senat tut genau das, was alle Linken eint, Geld auszugeben, welches eigentlich nicht da ist. Der Ostberliner Senat/ die SED - Führung haben es doch vorgemacht und, vom Sozialismus lernen, heißt Siegen lernen.
Und von der Erfahrung der alten Kader die m.u. auch noch mitmischen, haben ihre Nachkommen doch trefflich gelernt!
Da hilft nur eins, die Mauer, zumindest um Berlin, muss wieder her ….. aber mit „strengen Grenzkontrollen“ Das wäre doch ne’ Möglichkeit und nicht die schlechteste. Oder?
Mit freundlichen Grüßen aus der Erfurter Republik

Der Länderfinanzausgleich muß ganz anders aufgestellt werden! Er muß an Fristen und Maßgaben gebunden sein, die Selbstfinanzierung des Haushaltes in einem vorgegebenen Zeitrahmen zu erreichen.
Die Dauersubvention ist das Gift, daß die sozialistische Verkrustung stabilisiert.

Albert Schultheis | So., 12. Februar 2023 - 10:10

Wenn die Kälber ihre Metzger immer wieder selber wählen. Das ist auch völlig in Ordnung - aber warum müssen das andere bezahlen? Da hört die Demokratie eben auf!

Christa Wallau | So., 12. Februar 2023 - 11:23

denn die Verlierer werden so tun, als gehe sie das alles nichts an, was die Bürger an ihnen zu kritisieren haben, und erneut - frech wie Oskar - eine Koalition bilden.
Das nennt sich gelebte Demokratie in Deutschland.

Die enormen "Stillhaltesummen", die von Bayern und anderern Bundesländern seit zig Jahren in die deutsche Hauptstadt fließen, ermöglichen es den rot-grünen Genossen, weiter zu wursteln wie bisher.

So lange dies nicht abgestellt wird,
ändert sich g a r nichts in Berlin!

Urban Will | So., 12. Februar 2023 - 11:40

Wie am Ende angesprochen: Bezahlen müssen es ja andere und warum das Lotterleben aufgeben?
Ein Großteil der Berliner lebt vom Staat und Links – Grün schüttet das Füllhorn aus.
Schwarz ist deshalb keine Alternative, weil auch die mit Grün ins Bett gehen. Der gleiche Mist ginge weiter und „Links“ ist nun mal immer noch „cooler“ als diese Schwarzen.
Um in Berlin etwas zu ändern, müsste sich im ganzen Land etwas ändern. Noch immer ist niemand bereit zu akzeptieren, dass die Vergrünung der Schwarzen, auch vom Versager Merz munter weiter gepflegt, eine der größten politischen Katastrophen der Nachkriegszeit war. Das Bürgerlich – Konservative hat sich selbst abgeschafft, die Folgen sieht man immer mehr.
Nicht nur Berlin verlottert, auch der Rest. Auch Bayern, zumindest in München. Auf dem Land läuft es in vielen Teilen noch gut, nicht nur in Bayern.
Aber die Städte – und Berlin ist nun mal unsere größte – verkommen zusehends. Da helfen auch einige glitzernde Prunkbauten nichts mehr.

Heidemarie Heim | So., 12. Februar 2023 - 11:50

Na, denn ist ja alles gut liebe Berliner! Hat man schon sozusagen präventiv einen Antrag für den Neubau der 3 Toilettenhäuschen am "Kotti" gestellt? Man erinnere sich, für die Ersterstellung dieser baulichen Errungenschaft dauerte es mehrere Jahre! Alle Metropolen dieser Welt verneigen sich;)
Vielleicht sollte man wie Herr Brodkorb sagte doch wieder die Alliierten verwaltungsmäßig zu Rate ziehen?
Persönlich denke ich (als Verfechterin der Beibehaltung Bonns als Hauptstadt!), dass diese Stadt ohne Wechsel und Regierungswaschmaschine aufgrund der dann wahrscheinlich viel niedrigeren Mittel aus dem Länderfinanzausgleich schon längst den Status Kalkuttas erreicht hätte. Aber man sieht, alle bemühen sich diesen zu erlangen.
MfG

Ernst-Günther Konrad | So., 12. Februar 2023 - 12:15

Ja, es wird wahrscheinlich RRG kommen. Und das Giffey den CDU-Kandidaten überholt haben soll kann sein, ihr Bekanntheitsgrad ist deutlich größer als der von Herrn Wegner, den man bundesweit bislang eben noch nicht zur Kenntnis genommen hat und der wenn, nur in Berlin bekannt sein dürfte. Ich las gerade im Focus eine "neue" INSA-Umfrage für die Bundespolitik. Danach sollen AFD und GRÜNE inzwischen mit 16% gleichauf liegen. Ach. Die letzte Woche las ich hier noch eine Umfrage, wonach die AFD bei 12% liegen soll und davor wochenlang, lag die AFD bei 15% konstant. Ja, ich weiß, Umfragen kann man nur glauben, wenn man sie selbst durchgeführt hat. Soll die neuerliche Umfrage „AFD auf 16%“ als Warnung für unentschlossene und Nichtwähler dienen, das das 3. Reich mit der AFD bevorsteht? Jedenfalls sind die Aussagen der CDU, RRG würde ihnen die Wahl "stehlen" falsch. Die UNION selbst stiehlt sich eine einfach und grundsätzliche mögliche Regierungsführung, weil sie die AFD nicht anerkennt.

Gerhard Lenz | So., 12. Februar 2023 - 13:54

Antwort auf von Ernst-Günther Konrad

Gefälschte Umfragen, die den Wähler vor einem Erstarken der AfD warnen sollen!

Es gibt mittlerweile nichts, was es nicht gibt - in diesem Forum.

Schon haben wir, präventiv sozusagen, eine Entschuldigung (oder Erklärung) für das Abschneiden der AfD.

Wird es heute Abend mal wieder weniger, als von deren folgsamen Anhängern fantasiert, liegt es daran, dass man den Wähler eingeschüchtert hat!

Wird es heute so viel oder gar mehr, war das ja nur eine Bestätigung eines Trends, der im Focus vorhergesagt wurde.

Denn dann hat der Deutsche endlich, nach 80 Jahren, den Ruf erhört, und ist "erwacht"!

Allerdings werden es wohl in Berlin weniger als 16 werdem, die Hälse bleiben also lang, die Augen werden im Verlauf des Abends zunehmend glasiger, denn der dumme Michel hat noch immer nicht kapiert, was gut für ihn ist.

Und das, wo die AfD doch so wahnsinnig gute Arbeit leistet!

Oder nicht? Kleiner Scherz am Rande: Besonders aktiv scheint sie gerade darin, sich bei Putin einzuschleimen.

Frieda Frey | So., 12. Februar 2023 - 15:10

Berlin zieht ja eine gewisse Klientel magisch an - junge und sich jung fühlende Partypeople, die wahrscheinlich allein schon den Gedanken an bürgerliche Ordnung und den Zusammenhang von Wirtschaft und Wohlstand unendlich öde finden.
Es hat schon einen Grund, warum in Unternehmen der Vorstand und nicht die Belegschaft Entscheidungen trifft - vielleicht sollte das Wahlrecht dahin reformiert werden nur noch Steuerzahler an die Wahlurnen zu lassen.

Nachrufer | So., 12. Februar 2023 - 20:57

am 12. Februar: Fortsetzung der jetzigen Koalition wäre für die CDU am besten, denn bs zur nächsten Senatswahl in 2 1/2 Jahren hätte Grün-Rot-Rot weiter Gelegenheit, die Stadt so zu dekonstruieren, dass diese Koalition dann abgewählt werden könnte.