Ein Wahlplakat in Berlin zeigt Franziska Giffey / picture alliance

Wahlwiederholung in Berlin - Die Jugend muss es richten

Berliner Jugendliche haben sich in den letzten Wochen zu Wahlhelfern ausbilden lassen. Ihr Ziel: Eine abermalige Wahl-Blamage in ihrer Heimatstadt zu vermeiden. Noch ist es jedoch ungewiss, ob sie auch wirklich eingesetzt werden.

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Kurz bevor es losgeht, sind die jungen Wahlhelferinnen und Wahlhelfer noch ziemlich aufgeregt. „Ich überprüf' die Dinger lieber nochmal“, sagt der 18-jährige Tim und wirft einen schnellen Blick in die drei Wahlkabinen, die an der Fensterfront des großen Raumes aufgebaut wurden. Dann öffnet Leonardo, ebenfalls 18, die Tür: „Willkommen im Wahllokal“, sagt er. Sofort bildet sich eine Schlange vor dem Tisch der Wahlhelfer. Und nach wenigen Augenblicken wird die Stimmung pampig. „Dauert das noch lange?“, ruft eine junge Frau nach vorne. Eine andere, die gerade an der Reihe ist, wedelt mit einer Karte und sagt: „Ich habe meinen Personalausweis vergessen, aber ihr kennt mich hier doch, oder?“

Die Stimmung bleibt dennoch prächtig an diesem Samstagnachmittag, denn diese Wahl ist eine Übung. In den Räumen der Landeszentrale für politische Bildung lassen sich seit dem Morgen 14 junge Menschen als sogenannte Erstwahlprofis ausbilden. Das heißt, sie wählen in diesem Jahr nicht nur meistens das erste Mal – sie gestalten auch gleich mit. Wenn es am 12. Februar zur Wiederholung der Abgeordnetenhauswahl und der zu den Bezirksverordnetenversammlungen kommt, sind sie Experten im Wahllokal. An ihnen wird es nicht liegen, wenn es wieder Pannen geben sollte.

 

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Allerdings ist noch gar nicht sicher, ob Berlin auch wirklich auf diese neue Expertise zurückgreifen wird. Zwar hat der Landeswahlleiter Stephan Bröchler versprochen, dass alle, die an den Seminaren teilnehmen, auch bei der echten Wahl in den Wahllokalen eingesetzt werden sollen. Doch letztlich entscheiden das die Bezirke, die bei der Wahlorganisation vor Ort die Verantwortung haben.

Die dortigen Wahlvorstände wären allerdings schön dumm, wenn sie sich die neuen Fachleute entgehen lassen würden. Obwohl viele von ihnen eine kurze Nacht hatten – es ist schließlich Wochenende –, sind die jungen Leute am Samstag alle sehr konzentriert bei der Sache. Und die ist komplizierter, als es den Anschein hat. Da ist die Frau, die angibt, sie habe eigentlich Briefwahl machen wollen, es sich nun aber anders überlegt. Darf sie vor Ort wählen? Welche Unterlagen muss sie dabeihaben? Hinter ihr steht ein Sehbehinderter, der Hilfe bei der Stimmabgabe braucht. Darf ein Wahlhelfer mit in die Kabine? Und in der Schlange drängeln schon die nächsten.

„Die machen das wirklich toll“

Im Türrahmen steht Nicole Kleeb von der Bertelsmann-Stiftung und lächelt fast ein bisschen diabolisch. Sie hat alle „Wählerinnen“ und „Wähler“ mit Kärtchen versorgt, auf denen ihre Rolle beschrieben ist. Und so haben es die Helferinnen und Helfer in diesem fiktiven Wahllokal mit sehr vielen Problemfällen zu tun.

In die Schlange hat sich jetzt auch der Landeswahlleiter Stephan Bröchler eingereiht. Er versucht, eine Stimme für seine verstorbene Mutter abzugeben. Er habe es ihr in die Hand versprochen, beteuert er. Bei den Erstwahlprofis blitzt er mit der Story ab – und ist begeistert. „Die machen das wirklich toll“, sagt er, bevor er sich gleich noch mal mit einer anderen Geschichte in die Schlange einreiht. Es ist der zweite Wahldurchgang, den die 14 Jugendlichen hier proben. Der erste war ein bisschen chaotischer, erzählen sie später.

Insgesamt 200 junge Leute haben sich in Berlin zu den Seminaren für Erstwahlprofis angemeldet, 35 stehen noch auf der Warteliste. Organisiert wird das von der Bertelsmann-Stiftung gemeinsam mit dem Hamburger Bildungswerk Haus Rissen, das diese Fortbildungsreihe erfunden hat. In Berlin findet sie das erste Mal statt. Die Anmeldungen kamen querbeet von Schülern, Azubis, Studenten und auch vielen jungen Leuten, die gerade ein Freiwilliges Soziales Jahr absolvieren.

Diskussionen prägen die Zusammenkunft

Bei den Organisatoren ist man allerdings erstaunt über das Geschlechterverhältnis in den Gruppen: Unter den 14 jungen Leuten sind nur fünf Mädchen. Beim ersten Seminar am Mittwoch war es noch krasser, da waren von den 19 Jugendlichen gerade mal vier weiblich. Die Frauen in der Samstagsrunde lassen sich aber nicht einschüchtern. Zwei von ihnen übernehmen beim Auszählen der Stimmen Führungsrollen.

Auch hier muss wieder diskutiert werden: Macht eine Zeichnung am Rand einen Stimmzettel ungültig? Theoretisch ist das so. Aber wenn doch zwei deutliche Kreuze gemacht wurden und der Wählerwille damit eindeutig ist? Die Jugendlichen diskutieren und stimmen dann ab. So wird das auch in echt gemacht. Gibt es ein Patt, dann hat der Wahlvorstand zwei Stimmen, um den Ausschlag zu geben.

Große Diskussionen gibt es darum, ob man einen zweiten Wahlzettel bekommt, wenn man sich auf dem ersten verschrieben oder „verwählt“ hat. Da kann der Landeswahlleiter, der bei der Auszählung auch zuschaut, helfen: Ja, man kann sich einen neuen Wahlzettel geben lassen, den alten müssen die Wahlhelfer entsorgen.

Berliner Jugend hat so einiges an der Backe

Am Ende sind die 72 Übungswahlzettel ausgezählt, sortiert und archiviert, die Jugendlichen haben ihr Seminar erfolgreich abgeschlossen. Alle sagen, es habe ihnen Spaß gemacht und sei sehr lehrreich gewesen, weil sie jetzt genauer wissen, was auf sie zukommt. „Also, ich hätte es spätestens am Wahltag bestimmt bereut, wenn ich dieses Seminar nicht gemacht hätte“, sagt die 18-jährige Abiturientin Jodie. Sie hat sich als Wahlhelferin gemeldet, weil sie es spannend findet, mal hinter die Kulissen zu blicken.

Die 20-jährige Fanny ist außerhalb von Berlin auf die Idee gekommen, in ihrer Heimatstadt bei der Wahl mitzuhelfen. Sie studiert Politikwissenschaft in Bremen und hat sich geärgert, dass in den dortigen Seminaren so über die Hauptstadt gelästert wurde. „Jetzt will ich mithelfen, es besser zu machen“, sagt sie. Der 22-jährige David war sogar schon mal Wahlhelfer, bei der Wahl, die jetzt wiederholt werden muss. In dem Wahllokal, wo er mithalf, lief es ganz gut, sagt er. „Ich bin dann aber in mein eigenes nach Neukölln zum Wählen gefahren, und da war da ganz schön viel Chaos.“ Jetzt will er vermeiden helfen, dass es noch mal so weit kommt.

Der 18-jährige Azubi Tim hat sich noch mehr vorgenommen: Er will seine Eltern zum Wählen motivieren. Sie hätten bisher immer ihre Stimmen abgegeben, sagt er, aber mit der Politik seien sie von Jahr zu Jahr unzufriedener geworden. „Jetzt überlegen sie, gar nicht mehr hinzugehen“, sagt er. Es sieht so aus, als hätte die junge Generation in Berlin so einiges an der Backe.

In Kooperation mit:

Berliner Zeitung

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Enka Hein | Mo., 30. Januar 2023 - 20:05

...noch zusätzlich "aktivistisch" mit einer "Fortbildung" bei den einschlägigen NGOs richtig geschult, ähnlich den bezahlten Festklebe-Seminaren.
In diesem Falle wird das "korrekte" Wahlzettel zählen an das linksgrün querre Klientel gebracht und....schwupps sind die pösen Puben quasi angezählt.
Es muss doch schon mit dem Teufel (aufrichtiges Demokratieverständnis) zugehen, wenn das Ding in Berlin nicht a la DDR Wahl hinzubiegen ist.
So möge der Berliner Blödmichel und seine Trine glauben, das es diesmal anders zugeht.
Aber die linksgrünen Schmuddel-Ede's des MSM werden schon die fertigen Texte,ob der nun zu 200% korrekten Wahl, eingehakt haben.
Mögen die Spiele beginnen.

Ernst-Günther Konrad | Di., 31. Januar 2023 - 10:23

Eine gute Idee und irgendwie auch merkwürdig, das sich nur so wenige gemeldet haben. Ich traue den Jungen jedenfalls zu, dass sie das gewissenhaft versuchen zu machen. Ich frage mich nur, was ist mit den Wahlhelfern, die bei der ersten Wahl versagt haben? Wurden die auch noch beschult? Werden die überhaupt genommen oder sind das alles "Neue". Dann müssten die ja auch beschult worden sein.
Das BVerfG hat so lese ich eben, die Eilanträge der Beschwerdeführer, die Wahlen zu verschieben abgelehnt. In der Hauptsache wird nach den Wahlen entschieden.
Ich will mal optimistisch sein und davon ausgehen, dass man sich eine zweite Blamage nicht geben wird. Obwohl. Berlin ist ein Failed State. Nichts ist Toyota heißt es im Werbeslogan.
Und bei einer Betrügerin als Regierende Bürgermeisterin halte ich nichts mehr für ausgeschlossen. Wir werden sehen und die Wahlbeobachter hoffentlich auch.