Max Oppenheimers Gemälde "Das Orchester"
Gustav Mahler dirigiert die Wiener Philharmoniker auf Max Oppenheimers Gemälde „Das Orchester“ / dpa

Gustav Mahlers 3. Symphonie in der Philharmonie - Musik zwischen Romantik und Größenwahn

Bei unserem Genusskolumnisten mag sich Adventsstimmung nicht so richtig einstellen. Und statt einem weihnachtlichen Konzert wollte er lieber eine vermeintlich „große Symphonie“ hören. Doch mit der Symphonie Nr. 3 von Gustav Mahler hat er gehörig daneben gegriffen.

Autoreninfo

Rainer Balcerowiak ist Journalist und Autor und wohnt in Berlin. Im Februar 2017 erschien von ihm „Die Heuchelei von der Reform: Wie die Politik Meinungen macht, desinformiert und falsche Hoffnungen weckt (edition berolina). Er betreibt den Blog „Genuss ist Notwehr“.

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Der Dezember soll ja eigentlich ein Monat der Besinnlichkeit und der Vorfreude auf das Weihnachtsfest sein. Doch die allgemeine Stimmung ist anscheinend anders, so jedenfalls mein subjektiver Eindruck. Viele Menschen wirken eher angespannt oder gar ausgelaugt, die einschlägigen Dekorationen wirken eher abgeschmackt bis deplatziert.

Der Dezember ist auch ein Monat der Musik, denn in allen Epochen haben sich vor allem europäische Komponisten in irgendeiner Form der Advents- und Weihnachtsgeschichte gewidmet. Für viele Laienchöre, besonders jene der Kirchengemeinden, ist es der Höhepunkt des Jahres. Viele Monate haben sie sich auf die Aufführung recht großer Werke vorbereitet, oftmals einschlägige Kantaten von J.S. Bach oder Teile des „Messias“ von G.F. Händel. Verbunden mit der nervigen Bedudelung mit „poppiger“ Weihnachtsmusik kann das aber schnell zu einem Overkill an wirklich oder vermeintlich weihnachtlichen Klängen führen.

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Albert Schultheis | Sa., 3. Dezember 2022 - 10:53

"Einzufordern ist lediglich Offenheit und die Bereitschaft, Dinge auszuprobieren, auch wenn man nicht weiß, wie sie für einen funktionieren." - absolut richtig, das gilt nicht nur für große Musik, es gilt genauso für "Große Kunst" (wie für große, transformationelle politisch-ideologische Entwürfe)! Aber dabei kann man sich eben auch tierisch vertun bzw haarscharf daneben hauen. Ich vermute, das ist Ihnen bei einem der Größten, eben Gustav Mahler, passiert. Schade! Ich wünsche Ihnen tiefere Einsichten, bei Ihren weiteren Versuchen, sich Mahler zu nähern. Nur frisch ans Werk!

Gabriele Bondzio | Sa., 3. Dezember 2022 - 10:58

auch einfach schlecht finden.

Natürlich darf man(n)...Geschmack wird nicht zwingend vorgeschrieben.
Gustav Mahler ist doch vom Grundgehalt seiner Musik etwas schwierig.
Man(n) darf da keine fröhlich-beschwingte Weihnachtsmusik erwarten.
Und dazu ist es auch noch die welt-längste Symphonie im klassischen Bereich.

Bei der Dritten Symphonie (von der Natur zu Gott) intonieren schon die Bläser am Anfang eher dunkle Momente, was die Trommel noch betont.

Aber bei dem "Weihnachts-Oratorium von Johann Sebastian Bach mit dem Thomanerchor"
...Jauchzet, frohlocket...
...selbst letztmalig in Dresden (Frauenkirche) gehört...
dürfte die richtige Weihnachtsstimmung kommen.

Werner Peters | Sa., 3. Dezember 2022 - 11:45

Sehr mutig, Mahlers Musik zu kritisieren, noch dazu die Dritte. "Denn ich kann bei diesem Werk keinen Spannungsbogen erkennen, keinen „roten Faden“. - Geht mir genauso, würde mich aber nie trauen, das in der Öffentlichkeit so zu sagen.

Gabriele Bondzio | Sa., 3. Dezember 2022 - 13:23

Antwort auf von Werner Peters

...würde mich aber nie trauen, das in der Öffentlichkeit so zu sagen...

und jetzt ist es rausgerutscht.

Michael Bahr | Sa., 3. Dezember 2022 - 14:01

Nur weil der Auzor individuell mit Mahlers Dritter nicht klarkommt, muss er nicht gleich auf die Idee verfallen, dass mit dem Werk an sich etwas nicht stimmt. Ich beschäftige mich seit rund vier Jahrzehnten mit klassischer Musik. Ich kann - ohne zu übertreiben - behaupten, mich in diesem Bereich wirklich gut auszukennen. Auch ich haderte lange Jahre z.B. mit Mahlers 7. Symphonie. Ich verstand sie nicht, ich fühlte mich regelrecht abgestoßen von diesem Werk. Und dann plötzlich, vor einigen Jahren, machte ich bezüglich dieser Symphonie einen fundamentalen Wandel mit: pflichtschuldig unternahm ich mal wieder einen Versuch und packte eine CD mit Mahlers Siebter in den Player - und dann? Es riss mich quasi vom Hocker; plötzlich war ich bis ins Mark getroffen von dieser Musik. Danach hörte ich sie mir drei Monate lang täglich mindestens einmal an. Seither sage ich: für mich persönlich habe ich diese Musik nun verstanden. Aber es hat eben Jahrzehnte gedauert und .....

Michael Bahr | Sa., 3. Dezember 2022 - 14:09

... und es mussten immer wieder neue Anläufe erfolgen. Ich glaube, der Genusskolumnist wollte einfach mal genießen. Das klappt bei Kunstwerken dieser Dimensionen wie denen von Mahlers Dritter aber nicht einfach so. Übrigens: Mit der 8. Symphonie von Gustav Mahler, der "Symphonie der Tausend", geht es mir bis heute so: ich komm mit diesem Riesending nicht klar. Aber ich suche die "Schuld" daran eher in mir selber. Nicht jedes Werk ist etwas für jeden. Da muss man nicht das Kunstwerk an sich verdammen.
Andere Symphonien Mahlers, etwa die Erste, die Zweite oder die Fünfte erschlossen sich mir bereits in meiner Jugend nahezu beim erstmaligen Hören. Und anderes, wie die erwähnte Siebte, brauchte Jahrzehnte, um bei mir anzukommen.