Arbeiter verladen Frachtgüter im Handelshafen der chinesischen Stadt Yiwu, 2017 / Davide Monteleone

Internationale Abhängigkeiten - Tödliche Verflechtung

Internationale Handelsbeziehungen galten als der beste Garant für Frieden. Denn welche Nation gefährdet schon freiwillig ihren Wohlstand? Der Ukrainekrieg und die Taiwankrise widersprechen dieser These jedoch diametral. Wie konnte es so weit kommen?

Autoreninfo

Dale C. Copeland ist Professor für Internationale Beziehungen an der University of Virginia und Autor des Buches „Economic Interdependence and War“.

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Im vergangenen Jahr mussten die Vereinigten Staaten ein Szenario in Betracht ziehen, das seit dem Kalten Krieg als praktisch undenkbar galt: einen größeren militärischen Konflikt mit einer anderen Großmacht. Zum ersten Mal seit Jahrzehnten hatte Moskau mit Raketen gedroht, um Washing­ton wegen seiner Unterstützung für die Ukraine zu warnen. Und Anfang August, nach dem Besuch der Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, in Taiwan, hat Peking seine Drohung mit militärischen Aktionen gegen die Insel drastisch verschärft.

Fast ebenso verblüffend wie die Drohungen selbst sind deren Hinweise auf die Grenzen wirtschaftlicher Interdependenz als friedensstiftende Kraft. Sowohl China als auch Russland sind in außerordentlichem Maße auf den Handel angewiesen, um ihr Wirtschaftswachstum zu steigern und ihre Position auf der Weltbühne zu sichern. China hat es geschafft, sein Bruttoinlandsprodukt in den zurückliegenden zwei Jahrzehnten zu verfünffachen, und zwar größtenteils durch den Export von Industrieerzeugnissen; mehr als 50 Prozent der russischen Staatseinnahmen wiederum stammen aus dem Export von Öl und Gas. Einer einflussreichen Theorie der internationalen Beziehungen zufolge sollten diese entscheidenden wirtschaftlichen Verbindungen für beide Länder den Preis für militärische Konflikte hochtreiben. Doch zumindest dem Anschein nach übt sich keine der beiden Mächte durch den potenziellen Verlust eines solchen Handels in Zurückhaltung.

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Ingo Frank | Mi., 19. Oktober 2022 - 08:57

Ja, das ist richtig das alte Sprichwort. Und zuzufügen ist: auch Frieden. Und wenn im Artikel die gleichen „Voraussetzungen“ gefordert werden ist es a) richtig aber b) nicht, auch nicht vom Westen erfüllt. Prinzipiell werden gerade auch im Westen die Gewinne privatisiert und die Verluste sozialisiert. Bestes Beispiel Banken i.d. Vergangenheit und Energiehändler in der Gegenwart.
Und nun noch eine Bemerkung zu: „welche Nation gefährdet freiwillig ihren Wohlstand“
Na wir im Buntland Germany ist es rot grünes Staatsziel Verzicht zu üben bis hin zur grünen extremen Forderung den Industriestandort D abzuschaffen. Siehe taz F. Herrmann unseren Wohlstand halbieren und in 1978 „landen“. Und andererseits drückt die 15% Partei ganz D ihrer Dogmen auf und alle finden es toll, außer vielleicht die wenigen verirrten Ossis die jeden Motag gegen die derzeitige Regierungspolitik auf die Straße gehen und ihren Unmut äußern. Alles Nazis und rechtsextremes Pack……..
Und dem ist nicht so. Ich bin dabei

so ist es! Es sind aber nicht nur die Banken, der Euro z.B. wurde gegen den Willen der absoluten Mehrheit der Bundesbürger eingeführt, man wußte das ca. 95% dagegen waren und hat nicht gefragt. Die Franzosen wollten ihn – sie stellten als Bedingung für ihre Zustimmung zur Wiedervereinigung die verfrühte Einführung des Euros – und die deutsche Industrie wollte den Euro.

Unsere Industrie profitiert wie kein zweiter vom Euro, daraus resultierende Gewinne werden privatisiert, die massiven Kosten für den Erhalt des zum Scheitern verdammten Euros tragen die Bürger Europas aber insbesondere die Deutschlands! Griechenland, Italien, Spanien, Portugal, Frankreich alle müssen mit Unsummen an deutschem Steuergeld „Quersubventioniert“ werden, weil sie sich den Euro sonst nicht leisten könnten!

Der Euro ist nichts anderes als eine Umverteilung von Steuergeldern vom Bürger zur Industrie!

Ansonsten volle Zustimmung, bin kein „Ossi“, aber schon immer hoch allergisch gegen das grüne Pack!

Gabriele Bondzio | Mi., 19. Oktober 2022 - 09:06

"Großmächte müssen sich um Handelsbeziehungen bemühen, die es den kleineren Staaten ermöglichen, in absoluten Zahlen zu wachsen."...da stimme ich ihnen zu werter Herr Copeland.

In der Vergangenheit wurde sie dagegen um einen Apfel und ein Ei, um ihre Bodenschätze gebracht und als Müllhalde für westlichen Abfall aller Art missbraucht (siehe besonders Lateinamerika und Afrika).

Daher müssten zuerst Multi-Konzerne über eine faire Strategie in dieser Sicht nachdenken.
Denn hier kommt auch eine sehr akkute Beeinflußung der Politik zustande.

Bernd Windisch | Mi., 19. Oktober 2022 - 09:17

Die Rückkehr zum außenpolitischen Topos, dass Staaten untereinander, um jeden Preis, in Schach gehalten werden müssen hat das Potential diesen Planeten unbewohnbar zu machen. Anders als der Autor glauben machen will hat die sogenannte Entschlossenheit des Westens neben drastischen Verwerfungen in der eigenen Hemisphäre und Eskalation im Ukraine Krieg noch nichts Wesentliches erreicht.
Deutschlands Wirtschaft geht gerade erst den Bach hinunter und ein neues deutsches Geschäftsmodell ist nirgendwo erkennbar.

Auf die platte Annahme Westen gut, Russland böse kann hier aus Platzmangel nicht eingegangen werden. Sie ist aber unterkomplex und absurd. Wir zwischenzeitlich in einer multipolaren Welt.

„Solang ein Tropfen Blut noch glüht, Noch eine Faust den Degen zieht, Und noch ein Arm die Büchse spannt, Betritt kein Feind hier deinen Strand.“

Erbfeindschaft Frankreich Deutschland. Vor rund 80 Jahren noch TOP Aktuell, heute nur noch ein Anachronismus, über den man den Kopf schüttelt.

Dorothee Sehrt-Irrek | Mi., 19. Oktober 2022 - 10:07

Wer Beziehungen als Abhängigkeit inszeniert und auch vor Wirtschaftskriegen nicht halt machen würde, der muss sich nicht wundern, wenn Menschen, Nationen oder Staaten Vertrauteres suchen.

Rainer Mrochen | Mi., 19. Oktober 2022 - 10:43

sollten gelernt haben, daß ihre Kanonenboot-Politik auch nicht der Verbesserung des Weltfriedens dienlich war und zukünftig dienlich sein wird.
Sind sie dahingehend lernfähig? Ich fürchte nein. Das bleibt ein ewiges Ringen an dessen Ende nahezu immer Krieg steht.
Die Menschheit hat ein Problem: Es ist die jeweilige US-Amerikanische Administration und die sie antreibenden Plutokraten, denen nichts wichtiger ist als ihr Erhalt hegemonialer Macht und ihrer Kapitalinteressen zu Lasten des Restes der Menschheit.

Alexander Brand | Mi., 19. Oktober 2022 - 11:01

"China wäre durch Sanktionen am Boden"

Das mag sein, aber der Westen ist mindestens genauso abhängig von China wie umgekehrt, wir sind nicht mehr willens/in der Lage Dinge zu produzieren die wir im Alltag dringend brauchen, Grundstoffe für Medikamente z.B.

Wenn wir China mit Sanktionen belegen würden, würden diese uns mindestens genauso hart treffen wie China. Die VSA unter Trump haben das erkannt und steuern seit dem dagegen, geriatric Joe nutzt den von den VSA instigierten Krieg in der Ukraine, um unsere Industrie mit billiger Energie und geringen staatlichen Auflagen in die VSA zu locken – auf Kosten Europas!

Und was macht Europa? Richtig, NICHTS bzw. weiter wie immer, wir singen nach wie vor das hohe Lied der unendlichen Globalisierung! Dümmer geht’s nimmer!

Es wird gegen China keine nennenswerten Sanktionen geben und China weiß das genau, allein schon, weil China nach und nach ungehindert wichtige Infrastruktur in Europa aufkauft, Erpressungspotential inklusive!

Heidemarie Heim | Mi., 19. Oktober 2022 - 11:40

Danke für die zumindest für mich plausiblen Erklärungen, welche Interessen zu welchen Erwägungen von Machthabern oder Regierungen führen. Die Interessen und der Hang seine Vormachtstellung, in wirtschaftlicher wie militärischer Hinsicht unterlagen bisher einer für scheinbar alle Großmächte akzeptablen Aufteilung, von kleineren Scharmützeln und Drohgebärden einmal abgesehen. Ebenso toleriert die vereinzelten Regime Change-Versuche und die damit verbundenen stellvertretenden Unterstützungsmaßnahmen wie Waffenlieferungen an den jeweiligen Partner in Konflikten. Dies alles ließ man untereinander in einem bis Februar geltenden Rahmen zu ohne, versteht sich, dabei aus den Augen zu lassen. Das EU und speziell Deutschland trotz aller externen wie internen Warnungen meinte weiterhin auf Kosten der USA als Schutzmacht o. wirtschaftlich auf Kosten anderer Wirtschaftsinteressen alle Bedrohungen/ Androhungen ignorieren zu können hat die Abhängigkeitsfalle zuschnappen lassen. Schlafwagenpolitik! FG

Gerhard Lenz | Mi., 19. Oktober 2022 - 12:43

Ist doch nicht so schwierig

Nach dem Kollaps des Kommunismus dachte man, eine neue friedlichere Zeitordnung würde anbrechen. In der sich Völker nicht mehr anfeinden, sondern friedlich miteinander kooperieren, Handel treiben.
Und dann kauft man Rohstoffe eben da, wo sie angeboten werden. Und fragt sich nicht, ob ein Herr Putin - der ja zu Beginn seiner Regierungszeit noch zivilisiert wirkte - irgendwann den Verstand verlieren könnte.

Oder sollte jegliches politischen und wirtschaftliches Handeln von MIßtrauen geprägt sein?

Davon abgesehen: Wir Deutschen verbrauchen Rohstoffe in ganz ordentlichen Mengen, haben aber selbst fast keine. Das trifft besonders auf Energie zu. Davon abgesehen sind bestimmte Produktionszweige ins Ausland abgewandert - dort waren Bedingungen besser und Löhne niedriger.

Das kann man nicht alles voraussehen. Ein Land muss heutzutage Handel treiben,

Oder wollen wir wieder Kaffee aus Getreide trinken?

... nur zur Auffrischung ihrer Erinnerung, wegen friedlicherer Zeitordnung, seit 1990 Kriege mit US/Nato Beteiligung:
Jugoslawien-Kosovokrieg, Irakkriege, Afghanistan, Libyen, Jemen, Syrien ... und nun der Ukrainekrieg.
Ja, ist klar alles nur zum Guten der jeweiligen Bevölkerungen und das tut nun mal leider etwas weh. Die Toten der GutenBösen sind nicht so tot wie die Toten der BösenBösen.

Gerhard Lenz | Do., 20. Oktober 2022 - 09:04

Antwort auf von Django Reinhardt

Daran liegt es also, an früheren NATO- oder US-Kriegseinsätzen.

Donnerwetter, was für eine Schlussfolgerung!

Wollen Sie damit sagen, die NATO oder die USA sind Schuld daran, dass Putin den Verstand verloren hat?

Und, werter Herr Reinhardt, das Gerede über "die Guten", die in Ihren Augen natürlich das Gegenteil von Gut verzapft haben, dürfen Sie sich aufheben zur Bekehrung jener, die nicht mehr bekehrt werden müssen...

Django Reimhardt | Do., 20. Oktober 2022 - 13:09

Antwort auf von Gerhard Lenz

... die Hoffnung auf eine friedlichere Zeitordnung kann man nicht in die Hände der USA/Nato legen, das ist die Aussage.

Ja Herr Lenz, das haben autoritäre Herrschaftssysteme/Herrscher so an sich, so lange es so läuft wie sie es gerne haben, so lange "wirken" sie zivilisiert. Läuft es aber einmal daneben, so zeigen sie ihr wahres Gesicht und glauben Sie mir Herr Lenz, das werden Sie bei den Grünen auch beobachten können, noch wirken sie halbwegs zivilisiert, auch wenn die Fassade schon die ersten Risse zeigt! Schauen wir wie es in 10 Jahren aussieht, die ersten Tendenzen eines (links-)autoritären Staates zeigen sich ja schon überdeutlich, zumindest all denen die nicht mit Scheuklappen durchs Leben laufen.

Tomas Poth | Mi., 19. Oktober 2022 - 13:02

Na, das ist doch amüsant!
Wenn die im friedlichen Handel erworbenen Dollardevisen dann plötzlich vom Herausgeber dieser Währung blockiert oder gar konfisziert werden. Da hört dann doch jede Freundschaft auf oder.
Insofern können sich die USA doch glücklich schätzen, daß bisher noch kein Inkassokommando vor dem Weißen Haus aufgeschlagen ist oder?
Freiwillig gefährdet hauptsächlich Deutschland seinen Wohlstand in sklavischer Haltung gegenüber der US-Nato.
Auch Russland gefährdet sich in seinem Krieg gegen die Ukraine, der in Wirklichkeit ein Krieg gegen die US-Dominanz ist.
China liegt auf der Lauer und beobachtet welchen Vorteil es aus diesem Konflikt für sich ziehen kann.
Wir erleben hier eine Art Endspiel, ein Finale bei dem auch als Ergebnis das Ende der US-Dominanz stehen könnte, auf dem Trümmerfeld der Ukraine als Kampfarena.

Niels-Christian Otzen | Mi., 19. Oktober 2022 - 17:13

Solche Texte nennt man höflich „Narrativ“, oder auch Märchen, denn hier werden ganz ungeniert amerikanische Hegemonial-Interessen damit gerechtfertigt, dass „die Bösen“ angeblich genau nach der Vorherrschaft streben, die doch nur einem Land auf diesem Globus zustehen.

„Chinas Position als „Werkstatt der Welt“… verleiht dem Land einen gewissen Einfluss auf seine Handelspartner. Es kann diesen Partnern mit selektiven Ausfuhr- und Einfuhrbeschränkungen drohen, wenn ihm deren Außenpolitik nicht gefällt.“

Das nennt man „Haltet den Dieb“. Genau dieses Verhalten ist seit Jahrzehnten Grundlage der US-amerikanischen Außenpolitik. Belege dafür, dass China Handelspartner derart erpresst, fehlen allerdings.

Kommentare zur völlig verkürzten Sicht auf den Ukraine-Konflikt müssen aus Platzgründen entfallen, denn man kommt aus dem Kopfschütteln darüber, wie man die Dinge so gründlich von den Füßen auf den Kopf stellen kann, kaum heraus.