Genuss hat viele Facetten. Es kann auch ein herbstlicher Waldspaziergang sein. /dpa

Kleine Freuden im Krisenmodus - Einfach genießen – egal wie

Nicht nur unser Genusskolumnist hat den Herbst-Blues. Dafür gibt es viele Gründe, und das Schmuddelwetter ist beileibe nicht der wichtigste. Aber er hat ein paar Ideen, wie man da ein bisschen rauskommen kann.

Autoreninfo

Rainer Balcerowiak ist Journalist und Autor und wohnt in Berlin. Im Februar 2017 erschien von ihm „Die Heuchelei von der Reform: Wie die Politik Meinungen macht, desinformiert und falsche Hoffnungen weckt (edition berolina). Er betreibt den Blog „Genuss ist Notwehr“.

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Es ist keine schöne Zeit. Dass der Oktober mit kühlem Schmuddelwetter beginnt, und ein so oft besungener „Goldener Oktober“ weit und breit nicht in Sicht ist, kann man ja noch irgendwie verschmerzen. Aber das trübe Wetter passt zur allgemein trüben, gedrückten Stimmung. Wenn man im Büro ab und zu die Heizung aufdreht, bekommt man unwillkürlich ein schlechtes Gewissen. Zu Hause ist es nicht besser. Da hat man zwar keine Gewissensbisse, aber ein mulmiges Gefühl wegen der drohenden Energiepreislawine. Einkaufen wird zur Zumutung, gefühlt wird jeden Tag irgendetwas teurer.

Krieg und Krise machen keine gute Laune

Alle scheinen irgendwie auf den großen Knall zu warten, wie immer der auch aussehen mag. Denn es gibt viele potentielle Brandstellen und Explosionsherde. Vor der Haustür tobt ein Krieg, dessen Ende nicht abzusehen ist und der noch zahlreiche Eskalationsstufen mit sich bringen könnte. Die äußerst professionelle Zerstörung von zwei Pipelines vor der dänischen und schwedischen Küste wirkt da nicht gerade beruhigend. Es mag ein sehr subjektiver Eindruck sein, aber sehr viele Menschen wirken derzeit nervöser, reizbarer und auch verwirrter.

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Gabriele Bondzio | Sa., 1. Oktober 2022 - 14:11

Auch wenn der Regen (seit Tagen) uns melancholisch macht, ist er willkommen.
Der Herbst hat ja auch viele schöne Seiten, die der Krieg vor unserer Haustür zu verwischen droht.
Nützen tut es uns wenig.

Baum im Herbst
Noch ringt verzweifelt mit den kalten
Oktobernächten um sein grünes Kleid
mein Baum. Er liebt’s, ihm ist es leid.
Er trug es fröhliche Monde lang,
Er möchte es gern behalten.Und wieder eine Nacht und wieder
Ein rauher Tag. Der Baum wird matt
Und kämpft nicht mehr und gibt die Glieder
Gelöst dem fremden Willen hin,
Bis der ihn ganz bezwungen hat. Nun aber lacht er golden rot.
Und ruht im Blauen tief beglückt.
Da er sich müd dem Sterben bot,
Hat ihn der Herbst, der milde Herbst
Zu neuer Herrlichkeit geschmückt.
Hermann Hesse

Georg Kammer | Sa., 1. Oktober 2022 - 15:36

Antwort auf von Gabriele Bondzio

Einfach wundervoll, wie einfach, nur schweigen und der Natur lauschen.
Macht auch gesund und den Kopf frei.

Dorothee Sehrt-Irrek | Mo., 3. Oktober 2022 - 11:52

Antwort auf von Georg Kammer

aber kann mir dann einmal jemand erklären, was dieses "Geschrei" jeden Montag soll?
Geht das jetzt solange, bis alle Forderungen erfüllt wurden?
Das ist absolut illusorisch, denn es gibt in der Bundesrepublik Deutschland vielfältige Positionen, die austariert werden müssen.
Sie dürfen auch artikuliert werden.
Manchmal kommt mir das vor, wie ein später Rückgriff auf eine Zeit, in der eine Meinung immer das Sagen hatte und also das Beharren auf genau nur der eigenen Meinung.
Zu DDR-Zeiten war es unglaublich mutig, auf die Strasse zu gehen und diese Beharrlichkeit verhinderte sicher auch eine blutige Revolution.
Der 3. Oktober ist genau der Tag, an dem ich Ostdeutschland dafür meinen Respekt zolle und meine Dankbarkeit bezeuge.
Dann aber gilt meine Aufmerksamkeit den Menschen, die in Ostdeutschland, sogar trotz Abwicklung, ihren Beitrag, manchmal einfach nur ehrenamtlich, zu unserem Gemeinwesen leisten.
Das wirkt auf mich soviel stiller, aber auch nachhaltig.
Verpasse ich etwas montags?

Sabine Lehmann | Sa., 1. Oktober 2022 - 14:45

Sorry, aber nach Genuss ist mir grad echt nicht. ich habe gerade gehört, dass man uns hier in NRW „kontrolliert“ den Saft abdrehen wird. Dazu gibt es die groteske Aktion „besserbereitsein“. Liest sich wie der Leitfaden zur Apokalypse, eines Industrielandes unwürdig. Bisher kannte ich nur „Backen ohne Mehl“.
So „intelligente“ Flyer wie „Heizen ohne Strom“ oder „Kochen ohne Strom“ geben Tipps, die man eher für eine Polarexpedition, einen Survivaltrip im Urwald oder bei durchgeknallten Untergangspropheten vermuten würde. Wie wärs mit der Broschüre „Einkaufen ohne Geld“? Deutschland im falschen Film. Deutschland zurück in der Steinzeit. Deutschland hat das Ziel Kalkutta schneller erreicht, als anzunehmen war. Ich kann es nur wiederholen: Nix wie weg aber hurtig. Dieses Land ist im A…..

Sabine Lehmann | Sa., 1. Oktober 2022 - 15:45

Zu keiner Zeit hat ein Gedicht besser gepasst:

Geh nicht gelassen in die gute Nacht,
Brenn, Alter, rase, wenn die Dämmerung lauert;
Im Sterbelicht sei doppelt zornentfacht.

Weil keinen Funken je ihr Wort erbracht,
Weise – gewiss, dass Dunkel rechtens dauert-,
Geh nicht gelassen in die gute Nacht.

Wer seinen schwachen Tuns rühmt künftige Pracht
Im Sinken, hätt nur "grünes Blühn"(*) gedauert,
Im Sterbelicht bist doppelt zornentfacht.

Wer jagt und preist der fliehenden Sonne Macht
und lernt zu spät, dass er nur sie betrauert,
Geh nicht gelassen in die gute Nacht.

Wer todesnah erkennt im blinden Schacht,
Das Auge blind noch blitzt und froh erschauert,
Im Sterbelicht ist doppelt zornentfacht.

Und du mein Vater dort auf der Todeswacht,
Fluch segne mich, von Tränenwut vermauert.
Geh nicht gelassen in die gute Nacht.
Im Sterbelicht ist doppelt zornentfacht.
(*kann von der Redaktion entfernt werden und zum Unwort des Jahrzehnts erklärt werden)

Brigitte Miller | Sa., 1. Oktober 2022 - 17:09

Stimmt melancholisch.

Christa Wallau | Sa., 1. Oktober 2022 - 18:56

Die Welt wird zwar nicht besser, wenn man sich ganz bewußt ab und zu aus ihr zurückzieht, aber man selbst wird ruhiger, gelassener, friedlicher.
Das eigene Grundgefühl darf nicht ununterbrochen "mies" sein, sonst wird man zum absoluten Pessimisten oder sogar zum Zyniker.

Heute waren wir auf einer Tauffeier.
Die Tochter meiner Nichte wurde in unserer Pfarrkirche auf den Namen LAURA getauft und damit in die große Gemeinschaft der auf Jesus Christus Getauften aufgenommen.
Es war eine erhebende, festliche Zeremonie, und hinterher ging es sehr gemütlich zu bei Kaffee und Kuchen. Von Politik, Krieg und Energieknappheit war nirgends die Rede.
Das hat uns allen sehr gut getan.
Der harte Alltag holt uns zwar spätestens am Dienstag (Montag ist ja auch ein Feiertag) wieder ein, aber wir durften einmal kurz aufatmen.
Wunderbar!

Maja Schneider | Sa., 1. Oktober 2022 - 20:06

Alles gut und richtig, ein wunderbares Essen, ein Gang durch den herrlichen Wald mit seiner würzigen Luft, ein schönes Konzert oder ein Theaterbesuch und vieles mehr sollte man sich gönnen und genießen, um für eine kurze Zeit abschalten zu können und etwas für die Seele und auch die Gesundheit zu tun. Aber leider muss das bei vielen Menschen jetzt schon alles wegfallen, weil sie es sich eben nicht mehr leisten können, und in Zukunft wird es sehr Viele betreffen, weil wir eine Regierung haben, die entweder völlig überfordert ist, das Versagen ihrer eignen Politik nicht sehen will oder aber dieses Land, seine Gesellschaft und Wirtschaft ebenso wie den Wohlstand bewusst vor die Wand fahren will.