Jarosław Kaczyński
Jarosław Kaczyński, Vorsitzender der Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“ / dpa

Polnischer Streit um Reparationsforderungen - Herbe Rückschläge für das Regierungslager an der Weichsel

Anfang September hat die polnische Regierung Forderungen nach Reparationszahlungen für die deutschen Verbrechen im Zweiten Weltkrieg erhoben. Während die Bundesregierung deren Rechtmäßigkeit zurückweist, wird selbst innerhalb Polens über das Thema gestritten. Renommierte Wissenschaftler geben Deutschland Rückendeckung, während die Opposition der Regierung vorwirft, mit Deutschenfeindlichkeit von den eigentlichen Problemen ablenken zu wollen.

Autoreninfo

Thomas Urban ist Journalist und Sachbuchautor. Er war Korrespondent in Warschau, Moskau und Kiew. Zuletzt von ihm erschienen: „Lexikon für Putin-Versteher“.

So erreichen Sie Thomas Urban:

Für viel Aufregung zwischen Warschau und Berlin sorgt seit Anfang des Monats ein offizieller polnischer Bericht, der die von den deutschen Besatzern im Zweiten Weltkrieg zu verantwortenden Verluste und Zerstörungen auf 6,2 Billionen Zloty (1,3 Billionen Euro) taxiert. Premierminister Mateusz Morawiecki kündigte an der Seite von Jarosław Kaczyński, dem Vorsitzenden der Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS), eine diplomatische Note an, in der die Bundesregierung zu Reparationsverhandlungen aufgefordert werden soll. 

In der polnischen Debatte darüber gab es seitdem allerdings einige herbe Rückschläge für das Regierungslager an der Weichsel. Prominente Professoren für Völkerrecht und für Zeitgeschichte haben nämlich begonnen, den Bericht auseinanderzunehmen. Den größten Ärger aber bereitete Kaczyński ausgerechnet eine Parteigenossin aus der ersten Reihe, die frühere Außenministerin Anna Fotyga, nun Mitglied des Europäischen Parlaments und Generalsekretärin des euroskeptischen Bündnisses Partei der Konservativen und Reformer. 

Cicero Plus weiterlesen

  • Monatsabo
    0,00 €
    Das Abo kann jederzeit mit einer Frist von 7 Tagen zum Ende des Bezugzeitraums gekündigt werden. Der erste Monat ist gratis, danach 9,80€/Monat. Service und FAQs
    Alle Artikel und das E-Paper lesen
    • 4 Wochen gratis
    • danach 9,80 €
    • E-Paper, App
    • alle Plus-Inhalte
    • mtl. kündbar

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.

Ingo Frank | So., 25. September 2022 - 19:07

Nun ja, Polen hatte es in seiner langen Geschichte schwer…. auch m D
Es sei erinnert, an den Hitler- Stalin Pakt der prinzipiell Polen geteilt hat. Und nach dem Ende des II. Weltkrieges wurden die Grenzen Polens nochmals gen Westen verschoben in dem Russland weiter nach Westen rückte und D seine Gebiete östlich der Oder verlor. Und dann hat Russland mit der „Schaffung des Ostblocks“ auch die Länder mit zur Kasse (Reparationszahlung) gebeten die nicht deutscher Nation ,wie die DDR waren, u.a. auch Polen.
Was die damalige BRD außer an Israel ? gezahlt hat, weiß ich nicht. Bloß, so erzählte mein Großvater und Vater, haben die Russen alles was nicht Niet- od. Nagelfest war gen Russland transportiert. Wirtschaftshilfe aus USA erhielt der Osten nicht. Im Gegenteil.
Außerdem sollte man sich auch erinnern was die Großväter meiner Generation den P angetan haben. Das sollte nicht vergessen werden. Ich habe mit m. Enkel Buchenwald besucht um die Erinnerung des Unrechts weiterzugeben.
M f G a d

Gerhard Lenz | So., 25. September 2022 - 19:58

Besonders für viele Cicero-Foristen.

Denn im Prinzip fühlt man sich den rechtsnationalistisch-fundamental-katholischen Reaktionären in der polnischen Regierung ja durchaus verbunden. Denn diese Ewiggestrigen treten ja für ein Menschenbild und eine Art von Bevormundung ein (z.B. ein weitgehendes Abtreibungsverbot), das der durchschnittliche Wutbürger im AfD-Umfeld durchaus sympathisch findet.

Allerdings geht dem gleichen Rechtsrandigen die Forderung nach Reparationszahlungen dann wiederum gehörig gegen den Strich. Nicht nur dass sie/er sich noch lange nicht mit dem Verlust der Ostgebiete abgefunden hat - so manche versucht immer wieder, die deutsche Kriegsschuld zu relativieren bzw. auf die kleine Nazi-Führerclique zu reduzieren. Gerade so, als wäre das deutsche Volk, das in "besten" Zeiten Hitler und verbündete Nationalisten und Erzkonservative mit mehr als 50% wählte, am ganzen Naziterror sowie den Überfällen auf Nachbarländer unbeteiligt gewesen wäre.

Bernhard Homa | So., 25. September 2022 - 23:05

Wer meint, seit Jahrzehnten abgeschlossene Konflikte wieder anfachen und ohne Not Krach mit dem direkten EU-Nachbarn provozieren zu müssen, zeigt damit vor allem seine staatspolitische Unreife. Was in diesem Fall für nahezu die gesamte politische Klasse in Warschau gilt.
Aber so ist es häufig in den osteuropäischen Staaten nach 1990: Opfer war man nur selbst, Täter waren immer die anderen.

Zum Thema Reparationen wäre historisch noch zu bemerken, dass diese – je höher und je länger je mehr – ein ideales Mittel sind, Hass und Revanchismus zu säen. Was man insbesondere nach dem Ersten Weltkrieg feststellen konnte – mit, neben anderen Faktoren, "durchschlagendem Erfolg" ab 1933.

Jochen Rollwagen | Mo., 26. September 2022 - 08:21

"wird selbst innerhalb Polens über das Thema gestritten"

Bei fast 20% Inflation, knappem Brennholz, knapper Kohle, einem bereits beginnenden harten Winter und Teilen Ost-Polens (alles im Umkreis von ca.100 Kilometer um die polnisch-ukrainische Grenze) die jetzt de facto ukrainisch sind haben die Pol*Innen gerade andere Probleme.

Gabriele Bondzio | Mo., 26. September 2022 - 09:23

von den eigentlichen Problemen ablenken zu wollen."

Problem der Deutschen ist, ein Paradebeispiel für kollektive kognitive Dissonanz in der EU zu sein. Sie sind unzweifelhaft die besten Klimaretter, Windfänger, Sonnenanbeter usw.
(Das deutsche Problem/Makroskop)

Das macht bekanntlich in einer "Gemeinschaft" böses Blut.
Wenn einen immer der Meinung ist, er stehe an der Spitze der menschlichen Erkenntnis.

Jedoch hat die Regierung Polens auch entscheidente, politische Fehler gemacht.
Die Teuerungswellen/Versorgungsengpässe sind ja auch aus dem schnellen Ausstieg aus der russischen Energieversorgung entstanden.

Nun, so kurz vor dem Winter ist guter Rat teuer.
Öl, Gas, Kohle (in Polen heizen noch viele Bürger damit) ist nicht im mindesten abgesichert, die Bürger auf den Barikaden.
Der Slogan: Schnell weg von Putins Gas, Öl und Kohle, hat dort noch massiver zugeschlagen.

Das die Regierung mit der Schaffung eines
andernen Problems kompensiert...eine angehende Spirale für die EU/Polen.

Alexander Brand | Mo., 26. September 2022 - 13:17

Deutschen macht entspricht dem was das deutsche Linkssystem mit den Rechten respektive der angeblichen Gefahr von rechts macht: man baut einen Sündenbock auf, um von dem eigenen Versagen abzulenken.

Die verbohrte Politik der PiS/Herrn Kaczyński hat Polen in den letzten Jahren viel Schaden angerichtet. Das Hetzen gegen Rußland und die daraus gezogenen Konsequenzen haben der polnischen Wirtschaft massiv geschadet. Auch hier Parallelen zu Deutschland: die Linkspolitik der letzten knapp 20 Jahre hat Deutschland massiv geschadet und das Verhalten der deutschen Regierung im Ukrainekonflikt wird das Ende unseres Wohlstands herbeiführen ohne das es auch nur mit einem einzigen Vorteil für die Deutschen verbunden wäre. Man „bekämpft“ die gleichen abstrakten Gefahren wie es die Polen tun und der Preis dafür ist für die Bevölkerungen unermeßlich hoch.

Die PiS braucht Geld und was ist da einfacher als die dumme deutsche Kuh zu melken! Leider aber hat die deutsche Kuh nichts mehr.