Putin und  Xi Jinping
Die Weltdimension des Konflikts in zwei Gesichtern: Russlands Präsident Putin und Chinas Staatschef Xi Jinping / dpa

Zwang zu großer Politik - Der Krieg in der Ukraine ist ein Weltkonflikt

Die Berliner Regierung und die Talk-Shows scheinen im kleinen deutschen Krisenmodus festzustecken. Dabei müssen schon jetzt die großen Zukunftsfragen angegangen werden: Wie gehen wir mit den Wohlstandsverlusten um? Wie sieht die Zukunft der Ukraine aus? Und wie entwickeln wir unsere Handelsbeziehungen mit China? Denn der Ukraine-Krieg hat eine Weltdimension.

Autoreninfo

Hans-Ulrich Seidt war deutscher Botschafter in Afghanistan (2006–2008) und in Südkorea (2009–2012). Er war von 2014 bis 2017 Chefinspekteur des Auswärtigen Amts und leitete von 2012 bis 2014 die Abteilung für Auswärtige Kulturpolitik und Kommunikation des AA in Berlin. Aktuell ist er Fellow des Liechtenstein Institute on Self-Determination der Princeton University und Stiftungsbeirat des Schweizer Afghanistan Instituts/Bibliotheca Afghanica.

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Sieben Monate nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine hebt sich der Vorhang. Der Blick erfasst die ganze Bühne, und der russisch-ukrainische Krieg erweist sich als Teil eines die Welt umspannenden Machtkampfes. Die Szenerie erinnert an das späte 19. Jahrhundert. Damals prognostizierte Friedrich Nietzsche das Ende der kleinen und den „Zwang zur großen Politik“. Dämmert diese Erkenntnis nun auch in Berlin? 

Mit dem Scheitern des russischen Vormarsches in der Ostukraine, dem Übergang zum ressourcenverzehrenden Abnutzungskrieg, den örtlich erfolgreichen ukrainischen Gegenoffensiven und dem Beginn der Schlammperiode verändert der Krieg der slawischen Brudervölker seine Dynamik. Moskaus Führung sieht sich nördlich des Schwarzen Meeres in der strategischen Defensive. Die bevorstehende Annexion der russisch besetzten Gebiete der Ukraine signalisiert ihre Flucht nach vorn. Das damit verbundene Eskalationspotential ist brandgefährlich. Dennoch geht es um mehr als nur die Ukraine. 

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Bernd Windisch | Fr., 23. September 2022 - 11:18

"Die Berliner Regierung und die Talk-Shows scheinen im kleinen deutschen Krisenmodus festzustecken."

Kleiner Krisenmodus?!?! Der deutschen Politik entgleitet gerade die Kontrolle über die multiplen Krisen im Lande (Kontrollverlust) soll aber die Weltpolitik neu ordnen.

Größenwahn hat einen Namen!

Karl-Heinz Weiß | Fr., 23. September 2022 - 11:34

Inmitten der stets schnur-stracks geführten deutschen Talkshow-Runden eine abgewogene Analyse. Polen will klar unter Anknüpfung an das frühere Polen-Litauen eine Führungsrolle in Mitteleuropa übernehmen. Rechtsstaatsmechanismen oder Überlegungen zu einer feministischen Außenpolitik sind da erst mal zweitrangig, denn die Gelegenheit einer eklatanten Schwäche Russlands kommt nie mehr. Drei polnische Teilungen sind nicht vergessen. Und China wird den Teilen der Russischen Föderation nördlich des Urals in absehbarer Zeit auch eine Perspektive abseits der russischen Mangelwirtschaft bieten.

Walter Bühler | Fr., 23. September 2022 - 14:32

Antwort auf von Karl-Heinz Weiß

Ursprünglich vorgeblich anti-bolschweistich, aber doch immer nationalistisch gefärbt, gab es schon zwischen den Kriegen in Polen unter dem seltsamen Titel "Prometheismus" ein Konzept zur Abtrennung der Ukraine und zur Errichtung eines polnischen Reiches zwischen Ostsee und Schwarzem Meer.. Die dort lebenden anderen Völker (Litauer, die galizischen Ukrainer, Weßrussen und Großrussen) erlebten die polnische Herrschaft durchaus nicht als Befreiung, sondern als gnadenlose Fremdherrschaft. Es ging nicht um ihre Befreiung, sondern um nationalistische Großmachtphantasien, wie man sie jetzt Putin vorwirft.
Der polnische Nationalismus ist keineswegs verschwunden, und er ist in seiner Haltung gegenüber Deutschland genauso eindeutig (s. 1,5 Bio Reparationen) wie gegenüber Russland.
Der ukrainische Nationalismus, den wir ja von Herrn Melnyk exzessiv vorgeführt bekommen haben, wird auf der gleichen Spur arbeiten, nur auf die Ukraine ausgerichtet.

Christa Wallau | Fr., 23. September 2022 - 12:23

Dieser Weltkonflikt ist von a l l e n Seiten willentlich herbeigeführt bzw. gefördert worden.
Und die Menschen, die eigentlich nur in Frieden leben wollen, müssen die Folgen dieser skrupellosen Macht- und Geldgier ihrer sog. "Eliten" ausbaden.

Wer sich in dieser - seit Ewigkeiten bestehenden - Weltlage natürlich so dumm verhält wie die Wähler in Deutschland, der ist wirklich selber schuld an seinem Elend.
Dilettanten, Opportunisten und Apokalyptiker sind eben keine guten Politiker.
Da braucht es Menschen anderen Formates:
Kluge, politisch (geschichtlich) gebildete Realisten, die ihr Land und seine Leute lieben, wie es z. B. Helmut Schmidt war.

"Europas Flachland" (Deutschland), lieber Herr Nietzsche, ist leider inzwischen noch viel platter geworden...

Gerhard Lenz | Fr., 23. September 2022 - 14:21

Antwort auf von Christa Wallau

Die übliche Beschimpfung derer, die Ihrer AfD fernbleiben. Der Wähler will einfach nicht Ihr "Weltbild" übernehmen.

Und Putin in den ......kriechen. Das besorgt dann schon die AfD. Verbal, aber wenn es nicht auffällt, auch ganz praktisch.

So wie die Herren Christian Blex, Daniel Wald und Hans-Thomas Tillschneider in den Donbass reisen wollten, wohl um die ordentliche Durchführung der (Annexions-)referenden zu "bezeugen". Auf Kosten des deutschen Steuerzahlers!

https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/innenpolitik/id_1000569…

Und jetzt von der eigenen Partei zurückgepfiffen wurden. Denn soviel Kriecherei ist dem Wähler dann doch schwer zu vermitteln. Auch wenn die Partei inhaltlich vermutlich in großen Teilen zustimmt - denn der Ukraine-Krieg ist ja nur die Schuld der Amis, egal wessen Panzer wo stehen.

In der Tat, so töricht kann der Wähler sein...Genauer, 10,3%, Tendenz abnehmend.

Nach neuesten Umfragen steht die AfD nicht mehr bei 10,3, sondern zwischen 12 und 13%. Tendenz zunehmend.
Warten wir mal ab, wie die Stimmung im Lande sich verändert, wenn die horrenden Preise für Energie und Lebensmittel voll auf die Kassen der meisten Bürger durchschlagen!

Das "Weltbild", von dem Sie im Hinblick auf die AfD reden, dürfte sehr plötzlich bei vielen Deutschen reduziert sein auf die täglichen, realen Sorgen und Nöte, welche sie umtreiben: Arbeits- und Perspektivlosigkeit, Hunger, Kälte. Dann wählen sie diejenigen, die ihnen versprechen, Abhilfe zu schaffen. - wie auch immer. Die Solidarität mit den Ukrainern wird stark zurückgehen, was durchaus nachvollziehbar und verständlich ist; denn jedem ist das Hemd näher als der Rock.

Aber, wie gesagt: Der Verdienstorden ("Verteidiger von Moral und Demokratie") ist Ihnen - egal, was auch passiert - in jedem Falle sicher!

also Tendenz steigend. Außer natürlich, in Wolkenkuckucksheim, wo man den Islam als Unterdrückungsorgan alter weißer Männer sieht und feststellt, dass mehrheitlich nur junge muslimische Frauen zu uns kommen, geht Mathematik anders.
Vielleicht lässt mich d Redaktion Ihnen wenigstens das mitteilen.
Passende Antworten zu all dem, was Sie sonst so los ließen in letzter Zeit, kommen leider nicht durch.
Herr Lenz, wohl kaum jemanden wird in D mehr in d „A…“ gekrochen als dem Islam. Aber das Thema hier ist ein anderes..
Sie können sich winden und schimpfen wie Sie wollen, man wird am Ende mit Putin reden müssen. Man wird d Realitäten anerkennen müssen, was den Hirnakrobaten in Berlin wohl, wenn überhaupt, als letzten gelingen wird.
D stolpert hochverdient auf dem Talkshow-Niveau dem unvermeidlichen Resultat der Tatsache entgegen, dass es von historisch einmaligen Stümpern regiert wird.
Mit Hurra begleitet von Untertanen, die ihren Abstieg auch noch zelebrieren.

Brigitte Simon | Sa., 24. September 2022 - 10:00

Antwort auf von Christa Wallau

Helmut Schmidt war so wie Sie ihn schildern, liebe Frau Wallau, ein Mensch und Politiker mit Format. Dazu ein kleines Zitat von ihm:

"Man kann aus Deutschland mit immerhin einer tausendjährigen Geschicht seit
OttoI. nicht nachtäglich einen Schmelztiegel machen. Aus Deutschland ein Ein-wanderungland zu machen ist absurd.

Ein schönes Wochenende,
Ihre Brigitte Simon

Albert Schultheis | Sa., 24. September 2022 - 10:53

Antwort auf von Christa Wallau

Ich hatte bereits Ihre geschätzten Kommentare vermisst, schön dass Sie wieder da sind. Ich hoffe, es geht Ihnen gut. Auch sehr schön, dass die geschundenen Hunde wieder bellen, das zeigt nur, dass es zunehmend eng und ungemütlich wird in ihren plüschigen Nischen. Sogar der Herr Vizekanzler klagt über die zunehmende Arbeitsbelastung, ja wer im Alter von 52 Jahren erst anfängt zu arbeiten, der wird längst im Pensionsalter sein, bis er gelernt hat, einen Nagel einzuschlagen. Aber ich bin dennoch wieder einmal baff über die Fähigkeit der Grünen Khmer und ihrer polit-medialen Entourage, die ganze, von ihnen selber herbeigeführte multi-thematische Katastrophe dem Putin in die Schuhe zu schieben. Auch wenn die sonst nichts gebacken bekommen - das schaffen die! Und vermutlich 80% der Wähler glauben ihnen das. Und die USA wähnen sich in der Rolle des großen Gewinners, dabei pfeifen die aus dem letzten Loch - allen voran der müde, korrupte Joe mit seinem verlotterten Sprössling Jägermeister.

Rainer Mrochen | Fr., 23. September 2022 - 13:19

"armer Agrarstaat mit zerstörter Infrastruktur, maroder Industrie, hohem CO2 Ausstoss und skrupellosen Oligarchen."
War das Land schon lange, lange vor dem währenden Konflikt. Welches Interesse, als ein strategisches, Ressourcen stehlendes, Billiglöhnersystem in formal sklavischer Abhängigkeit vom Wertewesten, sollte denn dieser Westen jemals gehabt haben?
Der Preis dafür scheint immer noch nicht hoch genug zu dein. Die Kriegsdividende des Westens muss weitaus höher liegen als die gegenwärtigen Kosten. Was für ein perfides Spiel auf dem Rücken der "Normalbürger." Der Wahlbürger ist nach der Wahl nur noch lästiges Beiwerk einer vermeintlichen Elitenorganisation die die Welt ab dann nach ihren "Wertvorstellungen" und im ausschliesslichen Eigeninteresse zurecht biegt. Was hat sich eigentlich in dieser Hinsicht, im Lauf der Geschichte, geändert? An dem Punkt, wo Wählermeinung egal wird, (Baerbock) ist die Demokratie am Ende. Wer wollte je etwas Anderes von fanatischen Ideologen erwarten.

Ingo Frank | Fr., 23. September 2022 - 13:32

von dem „Wohlstandsverlust“ nicht mehr hören.

Davon reden nur die, die genug verdienen oder schlimmer noch in Staatsdiensten (Botschafter mit entsprechender Pension) alimentiert werden. Wenn der Wohlstandsverlust darin besteht, an der Wursttheke nicht mehr 30 Sorten
Aufschnitt, od. b. Bäcker 20 Sorten Brot und Brötchen vorzuhalten ist das o.k. Aber eine Einschränkung von Fortschritt & Entwicklung einhergehen mit einem deutschen Sonderweg = „Vorreiterrolle“ bei einer Energiewende, die so einfach technisch nicht funktioniert, ist hirnrissig!
….. so wie diese grün rote Regierung mit Ihrer
„Fortschrittskoalition“
Mit freundlichen Grüßen aus der Erfurter Republik

Wohlstandsverlust macht frei:

"Freedom is just another word for nothing left to lose,.."
sang schon Janis Joplin.

Wursttheke mit mehr als 30 Sorten Wurst? Mir reicht grobe Aalrauchwurst aus Schleswig- Holstein, das ist mein persönlicher Sonderweg. Ganz selten auch Thüringer Blutwurst, aber wirklich nur ganz selten. Sie liegt ganz rääächts, noch neben der Krakauer.

Gerhard Fiedler | Fr., 23. September 2022 - 14:20

Mit dieser Bewertung kann man etwas anfangen. Doch als neu kann man sie nicht sehen. Immerhin die Erkenntnis, dass es um mehr geht, als nur um die Ukraine!
Schon kurz nach der Wiedervereinigung wurde klar, dass die USA Großmachtinteressen verfolgt. Eine europäisch-russische Großregion, die von Wladiwostok bis Lissabon reichen würde, war für sie eine Horrorvorstellung. Und so tat sie was sie immer schon konnte, sie trieb einen Keil hinein. Er nennt sich Osterweiterung. Für Deutschland, blind oder zu feige dies zu erkennen, blieb nur die Rolle des Lakaien. Und so wird in Deutschland Entrüstung und Verurteilung über Russlands Krieg von Politik und Medien großgeschrieben, die imperialistischen Kriege der USA hingegen stets als Befreiung oder Kampf für die Demokratie gepriesen. Nein, Kriegstreiber Nummer 1 sind die USA. Der Ukrainekrieg Russlands ist ein Krieg von der Angst getrieben, von den USA und China als Großmacht ausgelöscht zu werden. So oder so, Tod und Leid bringen alle Kriege.

Fritz Elvers | Fr., 23. September 2022 - 23:30

wird es nicht geben könen. Es sei denn, die NATO würde direkt eingreifen. Aber einen solchen Sieg möchte ich jedenfalls nicht erleben, würde ich wohl auch nicht. Auch das Lagezentrum der Bild-Zeitung wohl eher nicht.

Was also könnte zumindest eine temporäre Lösung sein? Diese brennende Frage läßt auch der ansonsten sehr plausible Artikel von Hans-Ulrich Seidt offen. Unsere Regierung sowieso.

Christoph Kuhlmann | Sa., 24. September 2022 - 08:47

Sie ist die Fortsetzung der Selbstzerstörung Europas, die wir seit Jahrhunderten beobachten können. Sowohl die Ukraine als auch Russland haben ungeheure Kosten an Blut und materiellen Werten zu tragen. Russland hat bereits vor Monaten auf Kriegswirtschaft umgestellt. Nun werden auch noch Donezk, Luhansk und Cherson Teil des russischen Staatsgebietes. Damit kann die russische Armee jeden Mann, den sie in die Finger kriegt, gesetzeskonform in die Ukraine schicken. Der Widerstand der Zivilbevölkerung wird sich von selbst erledigen. Wer aufmuckt, wird eingezogen und verheizt. Das heißt, Russland stehen noch Millionen schlecht ausgebildeter Soldaten mit noch schlechterem Material zur Verfügung. Ich weiß nicht wie China darauf reagiert oder Indien. Sie werden vermutlich ihr Fähnchen nach dem Wind richten. Es ist mir auch egal angesichts der humanen Katastrophe, die sich auf den Schlachtfeldern der Ukraine abzeichnet. "Stärke gibt recht!" (Ein Spruch aus Russland)

Gisela Fimiani | Sa., 24. September 2022 - 14:38

Nach Helmut Schmidt sollte jeder Politiker über ein „gerüttelt“ Maß an historischer Bildung verfügen. Deutsche Politiker, Frau v.d.Leyen stellt sich hier als ein besonders frappantes (machtberauschtes) Negativ-Beispiel dar, blicken nicht über den Tellerrand hinaus. Die von Ihnen angemahnten Fragen, die den Blick zu weiten haben, die Konsequenzen und Folgen betrachten müssen, stellen eine völlige Überforderung dar. Schönwetterdemokraten haben für einen immer verengteren Meinungskorridor gesorgt, um die eigene Ignoranz und Inkompetenz zu verschleiern. Nietzsche sagte auch: „ Die Menschen werden am besten genasführt mit der Moral.“ So verseuchten unsere Politiker das Land mit einer rechthaberischen, infantilen Hypermoral, die doch nur auf der altbekannten Helden-Ethik von Macht und Unterwerfung beruht. Das ist der Rückfall in einen moralischen, feixenden Triumphalismus, der alle Errungenschaften von Menschlichkeit und Zivilisation zu zerstören droht - durch politisches Totalversagen.