Die öffentlich-rechtlichen Anstalten stehen derzeit massiv in der Kritik. / picture alliance

Konservative ARD-Rebellin Julia Ruhs - „Öffentliche und veröffentlichte Meinung unterscheiden sich“

Konservativ-liberal gesinnte Nachwuchsjournalisten haben in den ARD-Anstalten oftmals keinen leichten Stand. Die konservative BR-Volontärin Julia Ruhs ist eine von ihnen. Im Gespräch mit der erfrischenden Exotin sprachen wir über politische Voreigenommenheit in den öffentlich-rechtlichen Anstalten, ihre Kritik am Gendern und das gefährliche Erstarken aktivistischer Journalisten.

Autoreninfo

Clemens Traub ist Buchautor und Cicero-Volontär. Zuletzt erschien sein Buch „Future for Fridays?“ im Quadriga-Verlag.

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Julia Ruhs ist seit 2020 Volontärin des Bayerischen Rundfunks. Zuvor erlangte sie einen Master in Demokratiewissenschaftan der Universität Regensburg. Im März 2021 sprach sich Ruhs im Mittagsmagazin der ARD gegen das Gendern aus, was in den sozialen Medien für großen Aufruhr sorgte.

Frau Ruhs, CDU-Chef Friedrich Merz wirft dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk politische Einseitigkeit vor. Er bezieht sich unter anderem auf eine Umfrage unter ARD-Volontären, der zufolge 90 Prozent der Nachwuchsjournalisten Grüne, Linke oder SPD wählen. Sie sind offenbar die Ausnahme. Fühlen Sie sich als Außenseiterin?

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Lisa Werle | Mo., 19. September 2022 - 15:12

Einerseits: es gibt noch Hoffnung. Danke an Julia Ruh, vor allem für das klare, kluge Statement zum Gendern. Andererseits: erschreckend. Hier haben die sog. bürgerlichen Parteien (CDU/CSU und die Vor-Ampel-FDP) einiges versäumt. Links sein - bis hin zu links-radikal - wird offenbar immer noch, sogar von jemandem wie Ruhs, als gut bzw normal angesehen, während die AfD wieder einmal weitgehend beleglos diffamiert wird. Solange eine Partei rechts von der sich nach links entwickelnden CDU als rechts-radikal geframt wird, sollten gerade Journalisten nicht von Meinungsfreiheit reden.
Gutes Interview, Clemens Traub.

Kai Hügle | Mo., 19. September 2022 - 18:22

Antwort auf von Lisa Werle

Sagen wir mal so: Herr Traub weiß, was von ihm erwartet wird und bemüht sich nach Kräften, seiner Interviewpartnerin ein pauschales "Ja" zur These des "links-grün dominierten" ÖR abzuringen. Auch Frau Ruhs' Ermahnung, keine unzulässigen Schlüsse aus einer nicht repräsentativen Studie unter Volontären zu ziehen, ignoriert der wackere Praktikant und stellt unbeirrt seine Suggestivfragen. Mehr als Kritik am Gendern springt letzten Endes für ihn nicht dabei heraus.
Ihre Enttäuschung darüber ist Ihnen anzumerken, Frau Werle; was zu erwarten war von jemandem, der Union und FDP als links bis links-radikal bezeichnet und somit folgerichtig keine Hinweise auf rechtsextremistische Teile in der AfD entdecken kann.

Markus Michaelis | Mo., 19. September 2022 - 16:58

Die Unabhängigkeit der Journalisten ist sicher ein Thema, genauso wie die Unabhängigkeit der Wissenschaft und anderen.

Genauso sehe ich aber schon, dass es um wichtige Fragen geht - und wenn es nur um die wichtige Frage geht, ob gewisse Themen wichtig sind oder nicht.

Daher, ja, zum Teil würde ich mir mehr Journalisten wünschen, die mit mehr Distanz einfach berichten, was an Unis und anderen Orten gerade als wichtig wahrgenommen wird.

Die Diskussionen, z.B. über Migration, Gendern, alle möglichen Themen der Gerechtigkeit und Menschlichkeit, sind aber trotzdem wichtig, weil Menschen sie wichtig nehmen. Da kommt man glaube ich nicht drumherum auch einzusteigen und zu sagen dass einem das auch wichtig ist, man nur ganz andere Ansichten hat.

Ernst-Günther Konrad | Mo., 19. September 2022 - 17:07

Ein klasse Interview und vor allem der letzte Satz, sagt alles. "Viele Menschen haben ganz pragmatische Sorgen und interessieren sich nicht für Kulturkampf – und: Sie haben kein Twitter." Genauso ist es. Dieser ganze Genderunsinn und identitätspolitische Debatte hat nichts, aber auch gar nichts mit den Sorgen und Problemen der großen Mehrheit zu tun. Und dennoch schaffen es diese laut schreienden Minderheit immer wieder, das Thema bis hoch in die Politik zu tragen und dort nur der Wokeness zu Liebe und in Erwartung irgendwann mit GRÜNEN regieren zu können, Befürworter zu finden, die uns allen einreden wollen, dass es nichts Wichtigeres gäbe. Ich kann Ihnen nur zusprechen, Twitter in verträglichen Dosen an sich heranzulassen und vor allem nicht alles ernst zu nehmen, was da an Hass und Meinungsmache inzwischen zum Alltag gehört. Ich jedenfalls wünsche Ihnen alles Gute und bleiben Sie mutig selber zu denken. Jedenfalls lese ich, das Sie Hajo Friedrichs verstanden haben. Danke dafür.

Gegenstück:

"Wer stark ist, kann sich erlauben, leise zu sprechen."
Theodore Roosevelt

oder:

Laute Menschen sind in der Regel extrovertiert (eine nach außen gewandte Haltung auch bestimmt durch die Adjektive bestimmt, aktiv, energisch, dominant), weil es ihnen an inneren Reizen mangelt. Leise Menschen in der Regel introvertiert (wenden ihre Aufmerksamkeit und Energie stärker auf ihr Innenleben) ohne das sie schüchtern sein müssen.

Günter Johannsen | Mo., 19. September 2022 - 18:40

Konstruktiver Journalismus zu Politik und aktuellem Geschehen speist sich aus Realitätsnähe, Weitsicht und angemessener Toleranz gegenüber Religionen, Ideologien, gesellschaftlichen Ereignissen. Destruktive Hofberichterstattung ist: Realitätsverleugnung, Wahrheitsbeugung, Menschen- und Volksverachtung, Ignoranz und Volkspädagogik! Letzteres haben die Journalisten der Öffentlich Rechtlich*innen in Fülle bewiesen und führen damit Deutschlands Demokratie und Glaubwürdigkeit ad absurdum. Sie sollten alle samt die Verantwortung für ihre unwürdige „Arbeit“ übernehmen müssen … aber es scheint, als haben es die Hofberichterstatter nicht so mit selbstkritischer Betrachtung und vor allem Verantwortung?!

Gerhard Lenz | Mo., 19. September 2022 - 19:15

oder blau-braun, was oder wer ständig über den ÖR meckert. Frau Ruhs' politische Farbe mag schwarz sein, aber man muss ihr zugute halten, dass sie nicht durchweg "einfarbig" argumentiert.

Frau Ruhs hat beispielsweise bemerkenswert über die russische Desinformationspolitik gegenüber dem Westen geschrieben. Oder wachsenden Antisemitismus, bedingt durch die Corona-Proteste, thematisiert.

Andererseits ist Ihre Nähe zur Union ziemlich offensichtlich; sie wird ja auch in der Einleitung als konservative "Voluntärin" ausgewiesen. Sie hat ja auch beispielsweise eindeutig gegen das "Gendern" Stellung bezogen, das passt dann schon.

Konservative haben oft, und da scheint Frau Ruhs keine Ausnahme, ein schwieriges Verhältnis gegenüber den Leitmedien, und besonders zum ÖR. Gerade in Bayern, ihrer gegenwärtigen Wahlheimat, war man mit Kritik am "Rotfunk" anderswo oft besonders schnell. Und verließ punktuell schon mal das gemeinsame Erste TV-Programm, wenn es zu "unanständig" wurde.

muß man wahrlich kein konservativer sein.
Das "schwierige Verhältnis" betrifft den belesenen medienkompetenten konservativen, linken, rechten, oben, unten oder sonstwas gleichermaßen.
Denn der Konsum von Leitmedien, gepaart mit dem selbstständigen überprüfen der dort genannten "Fakten", lässt einen nicht immer, aber immer häufiger an deren "Qualitäts-Journalismus" zweifeln.
Typisches Beispiel sind Leitmedien-Kommentare zum Wahlausgang in Schweden.
Während jeder belesene weiß, dass der Grund für das erstarken der Rechten in Schweden die jahrelange hartnäckige Verschleierung von Migrationsproblemen, um nicht zu sagen die mangelnde Integrationsfähgkeit vieler Migranten ist, wird in den deutschen Leit-Medien meist nur von Populismus und Rattenfängern geredet.
Die Hintergründe werden verschwiegen, oder nur oberflächlich in einem Nebensatz angerissen.
Den Ruf einer "Lückenpresse" haben sich die Leitmedien selber zuzuschreiben.

Dirk Weller | Di., 20. September 2022 - 11:28

Zitat :
"Dieses Gefühl des Auslassens treibt leider viele Menschen in die Arme von „alternativen Medien“, "

Genau so ist es.
Dagegen ist das "Hypen", also Bevorzugen bestimmter Themen wie Gendern, Rassismus oder LGBT in den Leitmedien leider die Regel.
Allerdings benötigt man für diese Feststellung keine "alternativen Medien" wie Facebook, Twitter oder andere soziale Medien.
Der ZUSÄTZLICHE Konsum z.B. vom CICERO, NZZ, Standard, Jüdische Allgemeine oder der WELT ist völlig ausreichend.
Dadurch bemerkt man z.B., wenn es in den Leitmedien um Migration, muslimischen Antisemitismus oder generell Kriminalität von Migranten geht, nicht immer, aber häufig "Auslassungen" oder schlicht Falschaussagen.
(diesbezügliche "Auslassungen" sind ein wesentlicher Grund, der die Rechten in Schweden erstarken ließ)
Wer auf dieses Auslassen faktenbasiert hinweist, der wird dann als AfD-nah oder schlicht "Rechts" abgetan.
Den immer schlechteren Ruf haben sich die Leitmedien also selbst mühsam erarbeitet.

Sabine Lehmann | Di., 20. September 2022 - 16:14

Liebe Frau Ruhs, schalten Sie einfach ihr Handy aus oder löschen Sie Ihren Account bei twitter und anderen asozialen Netzwerken. Die Realität ist nicht DAS Internet. Realität und das wahre Leben, das findet außerhalb dieser Dienste und Geräte statt, auch in Ihrem Leben. Das sind Blasen, Konstrukte und überflüssige Plattformen, die kein Mensch wirklich braucht. Wer sich darauf fokussiert, lebt in einer Matrix. Es ist nicht wichtig zu wissen, was Hinz und Kunz über Sie denken. Wichtig ist, was Sie über sich denken und die Themen, die Ihnen wichtig sind. Bewahren Sie weiterhin Haltung und Rückgrat und etwas mehr Resilienz. Dabei hilft auch Abstinenz vom Internet!