Piazza de Ferrari in Genua
Die Piazza de Ferrari im Herzen Genuas / dpa

Erlebnisbuchen mit der Deutschen Bahn - Ich will doch nur nach Genua

Ein schönes Symbol für ein gemeinsames Europa sind Schienen, die von Deutschland über Österreich nach Italien führen. Also, dachte unser Autor, sei es umso mehr eine gute Idee, samt Fahrrad im Schlepptau von München mit dem Zug nach Genua zu fahren, von wo aus seine Reise dann Pedaltritt für Pedaltritt nach Pisa gehen soll. Deutlich einfacher gedacht als gekauft. Eine kleine Geschichte über das Leben als Simulation und Erlebnisbuchen mit der Deutschen Bahn.

Autoreninfo

Ben Krischke ist Leiter Digitales bei Cicero, Mit-Herausgeber des Buches „Die Wokeness-Illusion“ und Mit-Autor des Buches „Der Selbstbetrug“ (Verlag Herder). Er lebt in München. 

So erreichen Sie Ben Krischke:

Mich treibt schon länger die Befürchtung um, dass wir in einer Simulation leben. Wie in der Kino-Trilogie „Matrix“, in der intelligente Roboter die Menschen in einen Dauerschlaf versetzen, samt Traumwelt, die ihnen ihr Leben nur vorgaukelt. Oder – weniger postapokalyptisch – wie in dem wunderbaren „Die Truman-Show“ mit Jim Carrey, der darin Truman Burbank spielt. Burbank ist Hauptdarsteller in einer Fernseh-Serie, ohne das zu wissen. Und alle, die er kennt – vom Milchmann bis zum besten Freund – nur Schauspieler, die nach Drehbuch und Regie-Anweisungen handeln. 

Der Gedanke, dass es uns allen ebenso ergeht wie Neo in „Matrix“ oder Truman Burbank in der Kulissen-Stadt Seahaven, ist gleichermaßen angsteinflößend wie tröstlich. Angsteinflößend deshalb, weil all das, was uns als Individuum ausmacht, all die Erlebnisse und Erinnerungen, all die Überzeugungen und Ziele, eben nur Teil einer Illusion wären. Tröstlich aber auch, weil es dann endlich eine plausible Erklärung gäbe für all den Irrsinn, dem wir uns tagtäglich stellen müssen. Denn jede gute Simulation braucht das kleine wie große Drama, damit die Handlung nicht einschläft. Womit wir bei der Deutschen Bahn wären. 

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Tomas Poth | Mi., 17. August 2022 - 11:42

Amüsant und vielleicht steckt da auch eine Botschaft seitens der Bahn drin, nämlich:
- Wir wollen gar keine Kunden, die stören uns nur.
- oder bleibt alle schön zu hause oder nimmt den eigenen Wagen, ist zwar teuerer bringt dem Finanzminister aber mehr Einnahmen.
- oder bleibt alle schön zu hause und wartet bis ihr ein E-Auto habt, spätestens dann wißt ihr den schlechten Service der Bahn schätzen, weil ihr mit dem E-Auto irgendwo liegengeblieben seid.
- oder wählt RotGrün damit ihr mehr vom gleiche Mist bekommt.

Andre Möller | Mi., 17. August 2022 - 12:14

sind eine klassische Fehlleisung der EU. Null Synchronisation, kaum gemeinsame Standards. Technische Unterschiede en masse. Es müsste doch längst gute, schnelle Verbindungen zwischen den Hauptstädten der EU geben á la TGV oder Shinkansen. Stattdessen weitgehende Fehlanzeige. Dieser Zustand bekräftigt meine Ablehnung der EU in ihrem heutigen Zustand.
Der derzeitige betriebliche Kollaps der Dt. Bahn ist hausgemacht: falsche Strukturen, keine Verantwortung bei den eigentlich Verantwortlichen (Vorstand etc.), zu wenig Eisenbahner, zu wenig Hardware. Klaus Weselsky for Bahnvorstand! Wie wäre es mit der Wiedereinrichtung einer Hochschule für Verkehrswesen (Technik, Betrieb, Bau,...), die eng mit der Bahn und der Bahnindustrie zusammenarbeitet. Das war früher einmal Standard und gute Praxis in allen dt. Staaten und Eisenbahnverwaltungen. Die Bahn beherrscht heute ihr eigenes System nicht und die Verkehrsministerien schauen zu....

ingo Frank | Mi., 17. August 2022 - 12:25

Das kommt darauf an….
Wenn wir in D mit dem Auto Urlauben sehe ich mir vorher die Strecke an, und verlasse mich nicht blind aufs NAVI. Und mein antiquierter Autoatlas hat auf der Doppelseite kleine Bildchen von Sehenswürdigkeiten die in dem betreffenden geografischen Bereich liegen. Und so besuchen wir die verschiedensten Sehenswürdigkeiten, gern auch Museen, oder Landschaften u.ä. entlang der Strecke und lernen unser Heimatland kennen.O.k. Wir leben fast am geographischen Mittelpunkt D und sind auf direktem Weg egal wohin der Weg uns führt in knapp 5 Stundenen am Ziel. Und über den Faktor kosten brauche ich auch nicht nachzudenken da wir zu zweit sind. Und, wir können spontan fahren ohne Reservierung. Und Kofferschleppen/ Umsteigen entfällt ebenfalls. Sitze ohne Massagefunktion, aber mit Lendenwirbelstützen elektrisch = besser a. i. ICE. Auch Fahrräder brauchen keine Extra- Buchung + Kosten nur ein Aufnahmegestell.
Mit freundlichen Grüßen aus der Erfurter Republik

Thomas Hechinger | Mi., 17. August 2022 - 12:44

Ach wäre es nur die Bahn! Aber es ist in Wahrheit gar nicht die Bahn. Es ist das dysfunktionale Deutschland 2022. Die Bahn ist nur ein Symptom dieser Dysfunktionalität. Ich kann mich schon nicht mehr jammern hören. Ich gehe mir selber damit auf den Wecker. Hör endlich auf herumzuflennen, Thomas! Die Welt ist so schön. Gestern fand ich eine kleine häßliche Baby-Kröte in einer feuchten Ecke meines Kellers. Ja, ich habe mich über sie gefreut, sie vorsichtig auf meine Kehrschaufel geschoben und draußen freigelassen. Ich lerne gerade, mich an den kleinen Dingen des Lebens zu freuen. Not macht erfinderisch.

Lieber Herr Hechinger, amüsiert las ich Ihre Zeilen und fand mich dort sofort wieder. Direkt nach dem eher beschwerlichen Aufstehen heute morgen, schob ich mich mit lädierter Bandscheibe u. leise fluchend, auch weil mir derweil die gestrigen Abendnachrichten wieder einfielen, die hauseigene Holztreppe hinunter, als mein Blick auf eine kleine Vogeltränke vor unserem Flurfenster fiel. Dort amüsierten sich zwei putzige Jungvögel in ihrem kleinen Wasserparadies u. freuten sich des Lebens. Schmunzelnd stellte ich fest, dass es manchmal die ganz kleinen Dinge sind, die echte Freude vermitteln. Aber sicher mache auch ich mir etwas vor, weil die Ansprüche mit den aktuellen Gegebenheiten so dermaßen absinken, dass man sich selbst an der mentalen u. emotionalen Null-Linie noch Dinge illusioniert, die für ein besseres Gefühl sorgen, obwohl man mit der Gesamtsituation unzufrieden ist. Und unsere Katze erinnert mich gerade genau daran, denn sie mäkelt;-) In diesem Sinne: einen schönen Abend noch.

Nun, ganz so schwarz sehe ich nicht Herr Hechinger. Eines klappt doch im Buntland Germany hervorragend. Die Methodik, dem Bürger das Geld aus der Tasche zu stehlen, ist an Perfektion nicht zu überbieten. Nicht nur die galoppierende Inflation die Tag für Tag die aufgesparten Rücklagen für eventuell erforderliche Pflege auffrisst, mit der Folge der Zwangsenteignug der lange abgezahlten Immobilie für die Pflege oder die hausgemachte Energiekriese, die in ihrer Blödheit alles auf Sonne + Wind zu setzen nicht zu überbieten ist. Von den unsäglichen selbst auferlegten Lieferstopp von russischem Gas, Öl und Kohle ganz zu schweigen. Russisches Öl nach Indien, dort in Diesel veredelt und nach D importiert. Jeder halbwegs denkende Kaufmann kann errechnen, wann die Firma bankrott ist, die dies tut. Nur unsere Oberen gehen unbekümmert diesen Weg weiter.
Mit freundlichen Grüßen aus der Erfurter Republik

Juliana Keppelen | Mi., 17. August 2022 - 13:36

Ich habe fast Tränen gelacht (in dieser Zeit wo man sonst so wenig zum Lachen hat). Ja wer kennt sie nicht die Bahngeschichten und da spielt es keine Rolle in welche Himmelsrichtung man fahren will. Was soll ich sagen alles schon erlebt. Wenn man dann das Abenteuer "Ticketkauf" bewältigt hat, warten erst die richtigen Bahnabenteuer auf den willigen Fahrgast.

Heidemarie Heim | Mi., 17. August 2022 - 13:51

Zum Zoo, ohne Fahrrad aber mit Freundin;) Von einem 3-Tage-Trip nach Dresden, Berlin usw., wo sie noch nicht war und was ich ihr schon immer mal gerne gezeigt hätte, ganz zu schweigen. Denn von 3 Tagen zwei allein davon im Zug mit mehrmaligen Umstieg und Nervenkrieg bezüglich verpasster Anschlüsse etc., haben wir uns mit dem 9€-Ticket in den Nahverkehr gewagt. Wobei der Begriff, zumindest was den dafür erforderlichen Zeitaufwand betrifft auch eine Täuschung beinhaltet. Brauche ich für Nahziele im Radius von 45-75km für die Anreise Minimum anderthalb Stunden plus diverse erquickliche Aufenthalte in luxuriös ausgestatteten Bahnhöfen ohne Toilette, dafür aber mit Dauerdurchsagen eventueller Verspätungen oder das man seine Handtasche festgekrallt an der Frau lassen sollte;) Ohne Sonderpreis sollte uns dieses Vergnügen vorher 56€ kosten. Deshalb haben wir damals meinen Kleinhybriden betankt, nach ca. 45 Minuten 1 Tag im teuersten Parkhaus geparkt wie sich das für Umweltsau-Omas so gehört;)

Urban Will | Mi., 17. August 2022 - 14:59

haben Sie noch vor sich.
Die Fahrt als solche.
Man kann das in etwas so einordnen:

Es sollte genügen, überhaupt irgendwann mal ans Ziel zu kommen.
Man sollte froh sein, wenn es noch am gleichen Tag geschieht.
Man kann sich glücklich schätzen, wenn es innerhalb von zwei Stunden Verspätung bleibt.
Man gehört zur Ausnahme, wenn man in dem Zug auch ankommt, den man gebucht hat.

Und man sollte – gerade im Sommer – hoffen, dass genügend „Notwasser“ eingepackt wurde.
So wurde letztens mein eh schon ins Nirvana verspätete Zug in Stuttgart (für die Strecke nach Mannheim, wie wir alle wissen führt sie durch ca. 5000km trockenste Wüste) nochmals auf unbestimmte Zeit aufgehalten, weil eben dieses nicht mehr ausreichend an Bord war und nachbeladen werden musste. Es bestünde nun mal die Gefahr, dass man unterwegs strandet und die Menschen verdursten. Notwasser muss an Bord sein, basta.
Immerhin war es nach ca. einer Stunde da und es ging weiter.
Ich war glücklich.

Ernst-Günther Konrad | Mi., 17. August 2022 - 15:32

Unterhaltsame Geschichte Herr Krischke. Ich sage es Ihnen ehrlich, ich hätte bereits nach dem ersten Versuch aufgegeben und mir eine andere Option gewählt dorthin zu kommen, wohin sie wollen. Und was Sie da schildern ist nicht nur auf Bahnseiten beschränkt. Bei etlichen Behörden die gleichen oder ähnliche Probleme und wenn sie es telefonisch probieren, dann muss ich erst Zahlen drücken und verständlich sprechend mein Anliegen formulieren. Aber, es ist ja angeblich immer alles besser.
Ich wünsche Ihnen jedenfalls einen schönen Urlaub und viel Erfolg und mögen sich ihre Bedenken in Luft auflösen. Ich weiß, ein schwacher Trost, leben wir immerhin in Deutschland dem Weltmeister im Schaffen von Problemen. Ich will ja nicht unken, aber noch sitzen sie in keinem Zug. Sie können ja mal berichten, wie es ausgegangen ist.

Sabine Lehmann | Mi., 17. August 2022 - 19:08

Lieber Herr Krischke, ich habe mich kringelig gelacht bei der Lektüre Ihres unterhaltsamen Artikels. Hat mich sehr an Ephraim Kishon erinnert, der über die Hürden des täglichen Lebens u. die damit verbundenen Absurditäten auch so herrlich skurril u. humorvoll berichten konnte. Am besten fand ich die Stelle mit dem "Puh" u. Ihren aussichtslosen Kampf mit dem Internet, den ich zufällig gerade vorhin auch hatte, indem ich auch immer wieder das gleiche tat u. trotzdem oder gerade deswegen(?) jedesmal scheiterte;-)
Mit dem Zug von München nach Italien bin ich zuletzt vor 25 Jahren gefahren, mit einem Schlafwagen der Deutschen Bahn. Ich möchte dieses Geruchs- und Geräuscherlebnis nicht wiederholen; bei der bloßen Erinnerung an die dunkelgrünen, wegen einer lecken Wasserleitung leicht durchfeuchteten Plüschsitze, dieser Geruch kombiniert mit einer leichten Dieselnote, ein Albtraum. Im Gegensatz zu Italien, in Rom war alles vergessen, bis zum Abreisetag. Nie wieder DB! Ciao Bello, Ciao Italia!

Jochen Röschmann | Mi., 17. August 2022 - 20:10

Werter Herr Krischke,
grandios geschrieben. Hat, wie ich Ihnen glaube ich vor ein paar Monaten schonmal rückmeldete, Don-Alphonso-Qualität!
Eine Frage, die mir beim Lesen in den Sinn kam: Haben Sie versucht, das Ticket über das Buchungs-System der italienischen Bahn zu ordern?
Pardon ob der Schlaumeierei - als Außenstehender hat man ja bekanntlich immer leicht reden… ;-)