Milch und Hafermilch
Schock für Veganer auf dem Biobauernhof: „Und das sind unsere Hafertiere“ / dpa

Kulturkampf in der Kaffeetasse - Hafer gut – Milch böse

Unser Genusskolumnist hat – ausnahmsweise mal sehr liberal – nichts gegen Milchersatzprodukte im Kaffee einzuwenden. Aber das Gedöns von der „besseren Welt“, die deren Verzehr fördern würde, geht ihm gewaltig auf den Wecker.

Autoreninfo

Rainer Balcerowiak ist Journalist und Autor und wohnt in Berlin. Im Februar 2017 erschien von ihm „Die Heuchelei von der Reform: Wie die Politik Meinungen macht, desinformiert und falsche Hoffnungen weckt (edition berolina). Er betreibt den Blog „Genuss ist Notwehr“.

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Eigentlich begegne ich den Auswüchsen der Werbewirtschaft ja mit einem gewissen Gleichmut. Doch wenn man im Eingangsbereich eines Bio-Supermarktes fast über einen großen Werbeaufsteller stolpert, auf dem ein Tetrapak-Getränk namens „Ohne Muhhh“ angepriesen wird, kommt man unwillkürlich doch ein wenig ins Grübeln. Ist die Infantilisierung bis hin zur Verblödung der Kommunikation eigentlich noch aufzuhalten? Oder ist das einfach eine gelungene, zeitgemäße Werbebotschaft für ein Produkt, das derzeit voll im Trend liegt?

Getreidedrinks auf dem Vormarsch

Die Rede ist von Milchersatzprodukten, die derzeit nicht nur Bioläden, sondern auch gewöhnliche Supermärkte und Discounter nahezu überfluten. Und auch wenn ein Produkt nicht „Ohne Muhhh“, sondern eher schlicht „Haferdrink“ heißt, findet man auf der Verpackung in der Regel wenigstens einen Hinweis auf die „bessere Welt“, die man damit erreichen könne. Was natürlich die subtile Botschaft impliziert, dass der Verzehr von Milch tierischen Ursprungs für eine „schlechtere Welt“ steht. Tatsächlich sinkt der Milchkonsum in Deutschland stetig, und Getränke auf Basis von Soja, Hafer, Kokos u.a. sind auf dem Vormarsch. 2021 betrug der Anteil dieser Ersatzprodukte in Relation zur Milch bereits über 10 Prozent.   
 
Milch galt über viele Jahrzehnte als quasi unverzichtbarer Bestandteil einer gesunden Ernährung, besonders für Kinder. Doch seit sich in gewissen Kreisen gefühlt die Hälfte der Konsumenten als „laktoseintolerant“ einstuft (real sind es zwischen 10 bis 15 Prozent), hat sich der Wind gedreht. Gesättigte Fettsäuren stehen auch auf der schwarzen Liste, dazu kommen Bedenken wegen der ökologischen Folgen der Massenproduktion tierischer Lebensmittel, die von Veganern ohnehin konsequent abgelehnt werden. Rund um die Kaffeetasse ist ein regelrechter Kulturkampf entbrannt.

Während in den ersten Jahren des Milchersatz-Booms vor allem Sojaprodukte den Markt dominierten, ist mittlerweile Hafer mit einem Anteil von 65% die große Nummer. Marktführer ist das an der New Yorker Börse notierte schwedische Unternehmen Oatly. Besonders die speziell für den Kaffeegenuss entwickelte „Barista Edition“ erfreut sich trotz des vergleichsweise hohen Preises großer Beliebtheit. Durch Zugabe von Emulgatoren ermöglicht dieses Getränk tatsächlich die Bereitung von Milchschaum, woran es bei der Konkurrenz oftmals hapert. Und es schmeckt auch weniger süß.

Aus dem Labor der Lebensmitteltechnologie

Haferdrinks, die laut einer EU-Verordnung von 2013 wie alle anderen Ersatzprodukte nicht-tierischen Ursprungs nicht Milch genannt werden dürfen, basieren auf entspelzten und aufgeweichten Haferkörnern, die dann mit Wasser vermengt und gemahlen werden. Es folgen Fermentation, Homogenisierung und Filtration sowie bei der „Barista Edition“ die Zugabe von Würzmitteln, Aromen, Pflanzenöl, Dikaliumphosphat, Calciumcarbonat, Vitaminen u.a.

 

Zuletzt in „Genuss ist Notwehr“ erschienen:

 

Mittlerweile gehört es in Deutschland zum Standard, dass man in Cafés die Wahl zwischen Milch und Milchersatzprodukten hat, wenn man seinen Cappuccino oder Latte Macchiato bestellt. Sozusagen als Wahl zwischen Gut und Böse. Über den Geschmack der Milchersatzgetränke kann man sicherlich geteilter Meinung sein, und auch deren Wertigkeit in Bezug auf eine gesunde Ernährung ist umstritten. Aber ein „Naturprodukt“ sind sie nun wirklich nicht, sondern eher gestylte Zeitgeistprodukte aus dem Baukasten der Lebensmitteltechnologie.

Ernährungssoziologe warnt vor „Zwangsverordnung“

Der Ernährungssoziologe Daniel Kofahl outet sich auf Nachfrage als „großer Freund des Hafers“ – aber eher im Müsli und in Keksen. Warum man ihn, den Hafer, aber trinken „muss“,  erschließe sich ihm nicht. Gelegentlich vermute er, dass die Hafer-Prediger „habituell auch James Bond statt Martini lieber ,Gänsewein‘ geben würden und behaupten, der sei überhaupt genauso gut, eigentlich noch besser und auch nicht so mikromininanoaggressiv“ (was immer das sein mag).  

Kofahl, im Kern eigentlich ein eher linker Zeitgenosse, setzt in diesem Fall auf den freien Markt, auf dem „der Konsument und sein Geschmack entscheiden – hoffentlich, denn Essen und Trinken sollte nie zwangsverordnet sein“. Milch im Kaffee mache für ihn gustatorisch durchaus Sinn, und auch ein Verweis auf die Bibel hat der Soziologe zu bieten: Schließlich sei dort vom Land, in dem Milch und Honig fließen, die Rede, wenn es um das Gelobte Land geht – und nicht „vom bürokratischen Supranationalstaat, in dem Sojamilch und Agavendicksaft triefen“.

Cashcow für Gastonomen

Jedenfalls ist besonders die aufwendig beworbene „Barista Edition“ in einschlägigen Kreisen mittlerweile zu einem Kultgetränk avanciert. Und ich räume gerne ein, dass man das (anders als viele Konkurrenzprodukte) tatsächlich unfallfrei trinken kann, jedenfalls in Kaffeegetränken. Für Cafébetreiber ist das vor allem eine wahre Cashcow, denn für Oatly und andere Milchersatzprodukte werden oftmals Preisaufschläge (gegenüber Milch) von 30 bis 50 Cent pro Getränk veranschlagt. Das macht pro Liter, der für sechs bis acht Kaffeegetränke ausreicht, einige Euros Extragewinn, denn die Differenz beim Einkaufspreis ist nicht sonderlich hoch, zumal ja Kuhmilch gerade einen kräftigen Preisschub erfährt. Aber das mit Modewellen kräftig abgezockt wird, ist ja nichts Neues.

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Thomas Hechinger | Sa., 6. August 2022 - 09:35

Ich kann mir nicht vorstellen, einen wunderbar duftenden frischen Kaffee mit irgendwelchen Zusätzen zu verderben. Bei mir kommt weder Milch noch Zucker noch sonst was in den Kaffee. Aber das soll jeder für sich entscheiden. Ob der nun Hafermilch, Kuhmilch, Kamelmilch oder Zwetschgenwasser rein tut – wenn's ihm schmeckt...

Achim Koester | Sa., 6. August 2022 - 10:06

Sehr richtig erkannt, lieber Herr Balcerowiak, es geht bei den Milchersatzprodukten nicht um Gesundheit oder Lactoseintoleranz. Hinter der Kampagne steckt eine Ideologie, ich vermute einmal veganer Art, die unsere Essgewohnheiten in ihrem Sinne beeinflussen will. Ich finde es einfach grotesk, wie sich eine winzige Minderheit von geschätzt 1% der Bevölkerung einen solchen Einfluss in Werbung, Handel und Konsumverhalten erwerben konnte. Wer vegan leben will, soll das tun, aber keinen Druck auf omnivore Menschen ausüben.
Was ist das größte Glück für einen Veganer?
Wenn er ins Gras beißt.

Günter Johannsen | Sa., 6. August 2022 - 11:14

" ... von der „besseren Welt“, die deren Verzehr fördern würde, geht ihm gewaltig auf den Wecker." Mir auch ... und ich bin sicher, dass es einer großen Mehrheit in der Bevölkerung genau so geht! Speisevorschriften, Sodamilch, Getreidedrinks, Müsli: keinen Bock auf Zwangsverordnungen. Und ich bin sicher, dass die Verordner sich ebenso an ihre eigenen Vorschriften halten, wie eine gewisse grüne (bayrische) Gute-Laune-Schleuder, die sich aufgrund ihrer hohen monatlichen Diäten mal eben so übers Wochenende einen Flug in die USA leistet, sich dort mit Plastik Eisbecher und Plastiklöffel ablichten lässt nach dem Motto: ich bin der Wegweiser, der den Weg weist , ihn aber nicht mitgeht! Auf diese scheinheilige "bessere Welt" verzichte ich gern und lebe, wie ein normaler Mensch eben lebt: Schnitzel; Steak, Bier oder Wein dazu ... und ohne schlechtes Gewissen Eis (im Plastik, oder Pappbecher)!
Von Übel sind Verordnungen von Zwangsweltverbesserer, die den Weg weisen, ihn aber nicht mitgehen!

Kai Hügle | Sa., 6. August 2022 - 11:25

So ganz ist mir nicht klar geworden, welches Problem Sie haben.
Wie viele Menschen in Deutschland wirklich unter Laktoseintoleranz leiden, darüber gibt es unterschiedliche Schätzungen. Wahrscheinlich sind es mehr als die von Ihnen genannten 10 bis 15%, denn manch einer mag sich über die Ursache seiner Beschwerden gar nicht bewusst sein, sie ignorieren und daher niemals statistisch erfasst werden. So oder so reden wir hier von mindestens 10 Millionen Menschen, denen nun eine weitere Alternative zur Verfügung steht, die ihre Lebensqualität verbessert. Von daher ist es mir vollkommen schleierhaft, warum Sie den „Kulturkampf“ ausrufen und Herrn Kofahl zitieren mit: „Essen und Trinken sollte nie zwangsverordnet sein“. Zeichnet sich denn ein Milchtrinkverbot ab oder ist das einer dieser hysterischen Phantomdiskussionen, die hier hochgezogen werden soll?
Sie trinken Kaffee mit was immer Sie wollen. Ich bevorzuge Earl Grey („mit Muhhh“!). Alles gut. :-)

Thomas Hechinger | Sa., 6. August 2022 - 20:20

Antwort auf von Kai Hügle

Ich für mich lehne den ganzen Popanz um die gesunde Ernährung ab und halte mich an die alte philosophische Weisheit μηδὲν ἄγαν (medèn ágan) – nichts im Übermaß. Es gibt pflanzliche oder tierische Produkte, die ißt man in seinem Leben nur einmal, dann ist man nicht mehr. Von anderen bekommt man Krämpfe, die sollte man meiden. Ansonsten gilt: Was guttut und schmeckt, das esse ich auch. Ich selbst habe eine starke Laktoseintoleranz und reagiere auf manche Kohl- und Gemüsesorten mit heftigsten... nein, die Einzelheiten will ich den geneigten Foristen ersparen. Offenbar ist das Zeug für mich nicht gesund. Andere haben damit keine Probleme, dann sollen sie es auch essen, wenn es ihnen schmeckt. Wir sollten weg von der ideologisch überladenen Ernährungsdiskussion und auf unseren eigenen Körper vertrauen und seine Signale wahrnehmen und deuten.

Und nach diesem Kommentar mache ich eine Flasche Rotwein auf und genehmige mir ein Gläschen, oder auch zwei. μηδὲν ἄγαν, dann schadet das auch nicht.

Karl-Heinz Weiß | Sa., 6. August 2022 - 11:46

Faszinierend, aus zwei Gramm Beiwerk zu Kaffee ein Geschäftsmodell zu entwickeln, an dem sich auch ein weltbekannter Finanzinvestor beteiligt. Einfach Kaffee ursprünglich genießen-aber dann würde ja das unerschöpfliche und für das Café-Servicepersonal nervenaufreibende Gesprächsthema "Laktoseintoleranz" fehlen.

ines Schulte | Sa., 6. August 2022 - 12:09

Was in Bezug auf tierische Massenproduktion gilt, müsste dann auch bei Soja und Kokos Anwendung finden. Die wachsen schließlich nicht vor unserer Haustür und müssen meist erst herangeflogen werden. Die Zusatzstoffe in den von Ihnen genannten Modegetränken blenden die Verfechter wohl auch aus?

Der zitierte James Bond wäre ggfs. früher für die damals zeitgeistige Werbekampagne "Milch macht müde Männer munter" infrage gekommen?

Also abwarten und Tee trinken....

Jens Böhme | Sa., 6. August 2022 - 12:12

Ich konsumiere seit ca. drei Jahren kein Schweinefleisch. Das tut meinem Körper sehr gut. Ich käme nie auf die Idee, dass ich das wegen der Weltrettung täte. Es reicht völlig aus, wenn ich aus Genuss oder gesundheitlichen Gründen konsumiere und nicht noch eine ideologische Note dazu packe, um meine Entscheidung zu verstärken. Die "Vegetarisierung" der Lebensmittel hat neben Vorteilen auch Nachteile, wie alles im Leben. Die Chemisierung der Nahrung durch vegetarisch und vegan nimmt dramatisch zu, dass man sich rechtzeitig fragen sollte, ob die absolute Verteufelung tierischer Nahrung nur den Weg vom Regen in die Traufe manifestiere. Deshalb ist mein Mix aus tierischer und vegetarischer Ernährung genau der richtige, natürliche Weg. Und das ist übrigens keine neue Erkenntnis aus Medizin und Ernährungswissenschaft.

Gabriele Bondzio | Sa., 6. August 2022 - 12:21

Da haben sie wohl recht, Herr Balcerowiak.
Frühkindlicher Verhaltensweisen liegen im Erwachsenenalter sehr im Trend.

Bei uns im Ort gibt es eine prima Milch-Tankstelle...mit einer ganz tollen Milch.
Kochen sie da mal einen Pudding von....lecker!

Aber Pudding wird ja auch selten gekocht...
lieber aus dem Markt, an dessen Geschmackstoffe sich die Leute gewöhnt haben.
Bei den ganzen Inhaltstoffen (besonders Zucker), wundert es mich nicht, dass Kinder dick werden.

Aber das Anfüttern und sooo gesund (Werbung) tun das ihrige.

Jedenfalls ziehe ich noch selbst gemacht vor, da weis frau was sie isst.
Für das Geld was für Markt-Pudding ausgegeben wird, stelle ich die vier bis fünffache Menge her.

Und wenn sie bei unserer Milch-Tankstelle den Einfüllknopf bedienen, nach dem sie die mitgebrachte Flasche (Umwelt!) in Position geschoben...
ertönt ein lautes Muuuuuuuh und die Milch läuft.
Der Kuhstall ist gleich nebenan.

Meine Enkel waren begeistert.

Georg Kammer | Sa., 6. August 2022 - 13:21

Milchbauern werden schon seit Jahren in den Ruin getrieben, ne Ötzdemir!
Jeden Tag geben 6 Milchbauern auf
www. agrarheute. com

Deutscher Milchbauernverband: Tausende Milchbauern vor der Pleite
www.z eit.de Wirdschaft
Habecks " Farm der Tiere", wird es dann wohl noch immer geben, denn die Schweine haben die Macht übernommen.
Die grün rote Khmer will uns zwingen nur noch Blätter und Körner zu fressen, übler geht er schon nicht mehr.

Georg Kammer | Sa., 6. August 2022 - 17:04

Die Milchbauern werden schon seit Jahren in den Ruin getrieben, durch die EU und unsere grünen Körnerfresse
Erst wen jeder Bauer tot, färbt sich die Milch grün - rot.
Da gibt es bessere Themen !!!
84 Prozent für Abschaffung der Rundfunkgebühren.
Lauterbach, das Netz muss sicherer werden (totale Überwachung)
Italien gibt der Ukraine 200 Millionen zinslosen Kredit, meine Steuergelder !
Verfassungsschutz warnt, Extremisten träumen von Wutwinter !
Deshalb wurden auch bei der Polizei schwer gepanzerte Fahrzeuge an geschafft.
Die können, Gummigeschosse, Blendgranaten, Tränengas und wenn nötig ein MG aufpflanzen.
Bin mal gespannt, wenn 10.000 Familien mit ihren Kinder gegen Armut protestieren, was dann passiert.
Tausende Nazis legen die BRD lahm.
Göring - Eckart, Zitat:
Deutschland wird sich verändern und ich freue mich darauf, Zitat Ende.
Ich mich auch , ganz dolle !!!
Milch war gestern.

Dorothee Sehrt-Irrek | So., 7. August 2022 - 12:07

Herr Balcerowiak, ich glaube auch, dass es ums Geschäft geht und um den Topos "Diese Welt ist wert, dass sie zugrunde geht", also gewissermaßen die Apokalypse.
In unserer Konsumgesellschaft kennen wir kaum noch so etwas wie Hunger, jedoch Lebensmittel im Abfall.
Das aber den Lebensmitteln zuzurechen wäre grober Unfug.
Ich ehre also, was mich wachsen und gedeihen liess.
Jedoch sehe ich an Milchgebenden Lebewesen, dass sie sich vegetarisch ernähren.
Milch ist Nahrung und zwar hochwertige.
Das passt zum Kaffee, der nicht soviele Kalorien hat, ansonsten aber halte ich es für ratsam, sich selbst kritisch zu betrachten.
Manches passt auch nicht gut zusammen und belastet unseren Organismus.
Ideologie belastet mich in dem Zusammenhang zunehmend auch, allerdings gab es das immer, überall, leider und ist kein Grund, sich über die schlimmen Grünen aufzuregen.
Sie sind gewählt, Alternativen aufzuzeigen.
Schwerstarbeit mag noch anderes brauchen, aber es gibt auch vegetarische Hochleistungssportler.