Xi Jinping
Macht das Wirtschaftswachstum zur Chefsache: Chinas Präsident Xi Jinping während einer Übertragung des chinesischen Staatsfernsehens / dpa

Fall Evergrande und andere - China setzt auf Säuberungen, um die eigene Wirtschaft zu retten

Die chinesische Führung ergreift Maßnahmen, um die unter anderem wegen der strikten Corona-Maßnahmen unter Druck geratene chinesische Wirtschaft zu retten und die Bedenken möglicher Investoren zu zerstreuen. Neben einer Säuberungswelle, die auch prominente Köpfe aus der Wirtschaft trifft, sollen die wirtschaftlichen Beziehungen zum Westen und insbesondere zu den USA verbessert werden.

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Victoria Laura Herczegh, die fließend Mandarin, Spanisch, Französisch und Englisch spricht, ist Analystin bei Geopolitical Futures und Doktorandin für Internationale Beziehungen und Politikwissenschaft der Corvinus-Universität in Budapest.

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Die Umstrukturierung des chinesischen Immobilienriesen Evergrande Group verläuft nicht gerade nach Plan. Bis Ende Juli sollte das Unternehmen einen vorläufigen Umstrukturierungsplan vorlegen, der jedoch nicht zustande kam. Stattdessen hat die chinesische Regierung selbst Maßnahmen ergriffen: Peking zwang den Vorstandsvorsitzenden und den Finanzchef zum Rücktritt – und verhaftete sie anschließend wegen des Vorwurfs der Veruntreuung.

Ähnliche Schicksale ereilten Beamte kleinerer Immobilienentwicklungsunternehmen, und es gibt Anzeichen dafür, dass sich das harte Durchgreifen auch auf den Technologiesektor ausweiten wird. Alles deutet auf eine mögliche landesweite Säuberung hin, die zeitlich perfekt auf die Tagung des Zentralkomitees im November und die Annäherungsgespräche zwischen China und den Vereinigten Staaten abgestimmt ist.

Politisch gesehen, helfen die Säuberungen Präsident Xi Jinping dabei, die Opposition zu beseitigen; wirtschaftlich gesehen könnten sie dazu beitragen, die Interaktion chinesischer Unternehmen mit dem Westen zu verbessern. Peking braucht beides, wenn es die chinesische Wirtschaft retten will. Denn die steht unter anderem infolge der strikten Corona-Maßnahmen des Landes massiv unter Druck. 

BIP im Vergleich zum Vorjahr nur um 0,4 Prozent gewachsen

Pekings Eingreifen bei Evergrande ist also eine Folge einer Debatte darüber, wie sich das Land wirtschaftlich erholen kann und soll. Das Unternehmen war Ende Dezember 2021 mit Verbindlichkeiten in Höhe von über 300 Milliarden Dollar in Verzug geraten. Die versprochene Umschuldung, eine Maßnahme der letzten Instanz, fand nicht statt. Angesichts der Größe des Unternehmens hatte es einen übergroßen Einfluss auf das chinesische BIP, das im Vergleich zum Vorjahr nur um 0,4 Prozent gewachsen ist. Doch die Wirtschaftspolitik ist nur das eine. 
 

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Das andere ist, dass die beiden verhafteten Beamten mit in Shanghai ansässigen Banken und anderen großen Unternehmen verbunden sind, die mit der politischen Opposition gegen Xi in Verbindung gebracht werden. Streng genommen sind sie keine Politiker, aber ihr gemeinsames Interesse an der Aufrechterhaltung von Außenhandel und Investitionen entspricht dem Wachstumsmodell der Opposition an der Küste und steht im Gegensatz zu Xis konsumbasiertem Modell.

Weitere prominente Persönlichkeiten betroffen

Es ist nicht ungewöhnlich, dass chinesische Führer ihre Feinde durch Säuberungen auf der Grundlage von Korruptionsvorwürfen beseitigen. Zwischen 2012 und 2017 hat Xi selbst mehr als 150 Personen entlassen, die er als Bedrohung für seine Macht sah. Diese Kampagne richtete sich gegen politische Persönlichkeiten, vor allem gegen Mitglieder der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh). Die aktuelle Kampagne scheint jedoch auf wirtschaftliche Ziele abzuzielen.
 

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Gegen Zhao Weiguo, den ehemaligen Chef des großen und einst vielversprechenden Halbleiterherstellers Tsinghua Unigroup, wurde am 26. Juli von Beamten in Peking eine Untersuchung eingeleitet, nachdem er im Mai zum Rücktritt gezwungen worden war. Wie Evergrande hatte auch Tsinghua Schwierigkeiten, Schulden zurückzuzahlen, und sein Chef hatte enge persönliche Beziehungen zum ehemaligen Präsidenten Hu Jintao, zu dem Xi ein gespanntes Verhältnis hat. Xis Säuberungsaktion hat sogar so prominente Persönlichkeiten wie Xiao Yaqing, Chinas Minister für Industrie und Technologie, auf den Plan gerufen. Es ist kein Zufall, dass Xiao seine politische Karriere als stellvertretender Generalsekretär unter Hu Jintao begonnen hatte.

Die Fälle Zhao und Xiao zeigen, dass niemand, nicht einmal hochrangige Beamte, sicher ist, wenn die Säuberungen in den kommenden Wochen fortgesetzt werden. Ein Sektor, der mit ziemlicher Sicherheit ins Visier genommen werden wird, ist das Bankwesen. Vor kurzem konnten Einleger bei einigen ländlichen Banken in Zentralchina ihr Geld nicht abheben, was zu regionalen Protesten führte. Die Banken versprachen, das Geld zurückzuerstatten, aber diese Rückerstattungen sind noch im Gange. Es ist zu erwarten, dass Xi dort in gleicher Weise eingreifen wird.

Bedenken westlicher Investoren zerstreuen

Strategisch gesehen sollen die Säuberungen auch zeigen, dass es Peking ernst damit meint, die Bedenken westlicher Investoren zu zerstreuen, die angesichts des schwachen Wirtschaftswachstums des Landes vorsichtiger geworden sind. Die Vorfälle im Immobilien-, Technologie- und Bankensektor weisen zwei Gemeinsamkeiten auf: große Mengen westlicher Gelder und große Probleme bei der Bedienung hoher Schuldenbeträge. Allein Evergrande hat 20 Milliarden Dollar seiner Verbindlichkeiten in auf Dollar-Offshore-Anleihen. Diese Bedenken werden durch Vergeltungszölle, finanzielle Beschränkungen und erneute Covid-19-Sperren noch verstärkt.

Ein Führungswechsel in einem so prominenten Unternehmen deutet darauf hin, dass eine größere Umwälzung in der Art und Weise, wie chinesische Unternehmen Geschäfte machen, bevorstehen könnte. Auch wenn die neue Führung und die Strukturen der Schuldentilgung noch nicht endgültig feststehen, sind die Veränderungen bei Evergrande ein guter Indikator dafür, wie die chinesische Regierung ihre Wirtschaft darauf vorbereiten will, das Vertrauen westlicher Unternehmen wiederherzustellen.

Makroökonomische Politik abstimmen und koordinieren

China will zuvorderst seine Beziehungen zu den USA verbessern. In der vergangenen Woche gab Peking die bisher deutlichsten Signale, dass es dies auf wirtschaftlicher Ebene beabsichtigt. Am 28. Juli telefonierte Xi mit US-Präsident Joe Biden, um verschiedene Aspekte der bilateralen Beziehungen und globale Themen zu besprechen. Das chinesische Außenministerium gab eine Erklärung ab, in der betont wurde, dass China und die USA ihre makroökonomische Politik miteinander abstimmen und koordinieren, die globalen Industrie- und Versorgungsketten stabil halten und die globale Energie- und Ernährungssicherheit schützen müssen.

Xi und Beiden sprachen demnach auch über die Notwendigkeit, regionale Krisenherde zu deeskalieren und das Risiko von Stagflation und Rezession zu verringern. Berichten zufolge sagte Biden, dass die Zusammenarbeit zwischen den USA und China den Menschen in beiden Ländern zugute komme. 

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Martin Falter | Di., 2. August 2022 - 13:24

ist viel schlauer und pragmatischer als Russland.

Zwar werden beide Länder von Despoten regierten, aber China lebt und handelt im 21 Jahrhundert.
Es versteht das man in einer auf allen Ebenen vernetzten Welt andere Länder, Kontinente und sogar Rivalen braucht.
Russland ist Steinzeit.

Annette Seliger | Di., 2. August 2022 - 13:32

Wir können nur hoffen, dass es die Chinesen nicht so machen wie die Amerikaner damals bei der Subprime Krise (Lehman und Konsorten).
Einfach die Schrott Kredite in Derivate verpacken, ein Triple AAA Etikett aufkleben und dann an die blöden Freunde im Westen verkaufen, die den Schaden dann auch noch abschreiben dürfen.

Aber ich denke, dass die Chinesen nicht so arglistig sind.

Die werden ihre Herausforderungen schon selber lösen und ihre Abhängigkeit vom Westen weiter reduzieren, denn das verhindert Erpressbarkeit.

Wer weiss, wen der Westen als nächstes sanktioniert, weil er andere Werte hat.

In zwei Jahren sind wieder Wahlen in den U.S.A. und dann gibt es wieder andere Werte.

Bei uns ist aktuell viel Dampf im Kessel, denn ein riesiger Gas Tsunami rollt gerade auf uns zu.

Die Chinesen sind bei der Energieversorgung entspannter. Wenn man das Land mit den weltweit grössten Ressourcen an der Seite hat, dann kann man wettbewerbsfähig kalkulieren.

Aber wir haben ja Windräder!

Gerhard Lenz | Di., 2. August 2022 - 16:47

immer nur das, was sie gerde für richtig ist.

Sie ist damit eindeutig im Vorteil. Gegenüber dem Westen, wo Regierungen sich alle Jahre zur Wiederwahl stellen müssen. Aber auch gegenüber einem Land wie Russland, dass dem eigenen Anspruch höchstens bei den Militärausgaben gerecht wird, aber ansonsten in einem Sumpf aus Korruption und MIßwirtschaft versinkt: Verursacht durch einen Staatenlenker, der lieber Attila spielt, als ein Land einigermassen umsichtig im Sinne seiner Bevölkerung zu entwickeln.

Ist die chinesische Führung mit ihren Wirtschaftsbossen unzufrieden, rollen Köpfe. Bei den Beziehungen zum Ausland ist man gleichwohl umsichtiger: Zwar steht man "halbherzig" an der Seite Putins gegen den Gegner USA, der unter Trump wirtschaftlich den Chinesen den Kampf angesagt hatte. Aber man weiss, man braucht sowohl Know-How als auch Investoren aus dem Westen. Dagegen kann Russland nur bei Energie, ein paar Bodenschätzen und Waffensystemen mithalten - ist aber sonst ein failed State.

Dr.Andreas Oltmann | Di., 2. August 2022 - 21:45

Sehr geehrte Frau Herczeg, Ihre Bemühungen und Analysen in aller Ehre. Aber es genügt vielleicht nicht, Doktorandin zu sein und nach 1 Semester fließend Mandarin u.a. Sprachen zu sprechen.
Sie veröffentlichen unter dem Namen eines offensichtlich renommierten Instituts, dessen Auffassung ich nicht immer teile.
Aber Ihre mehrfach geäußerte Ansicht, die Chinesen möchten ihre Wirtschaftsbeziehungen zum Westen verbessern, weil es ihnen nützt, wird gerade eben durch die Realität widerlegt. Die Ankündigung Chinas, auf den Besuch Pelosis in Taiwan mit militärischen Mitteln zu antworten zeigt, dass China sich stark genug fühlt zu einem unabhängigen Kurs. Die Gespräche zwischen Biden und Xi waren inhaltslos. Die Chinesen haben rote Grenzen, die wir respektieren sollte. Sonst bricht Biden, ohne notwendigen Grund, nach der Ükraine den nächsten Krieg vom Zaun. Der Mann ist nicht nur alt, sondern größenwahnsinnig. Und Sie, sehr verehrte Frau Herczeg, sollten Fakten vor Wunschdenken stellen.

Martin Falter | Mi., 3. August 2022 - 11:26

Antwort auf von Dr.Andreas Oltmann

das habe ich nicht gewusst, das Biden in die Ukraine einmarschiert ist?!?
Donnerwetter, da kennt sich aber einer aus