Dieter Wedel
Dieter Wedel 2014 bei den Wormser Nibelungenfestspielen

Zum Tod von Dieter Wedel - Der unbeirrbare Macher

Das Werk des Film- und Theaterregisseurs Dieter Wedel wirkt als fantastische Synthese aus Unterhaltung, Gesellschaftskritik und Erinnerungskultur. Dieses Werk hat trotz aller Skandale und Vergewaltigungsvorwürfe der letzten Jahre nichts an seiner Wucht eingebüßt.

Autoreninfo

Björn Hayer ist habilitierter Germanist und arbeitet neben seiner Tätigkeit als Privatdozent für Literaturwissenschaft als Kritiker, Essayist und Autor.

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Glamourös und cool war sein Auftritt vor den Kameras, launisch bis autoritär sein Benehmen dahinter. Ob letztere Informationen immer ungewollt den Weg in die Öffentlichkeit fanden, darf man durchaus bezweifeln. Denn was dem just im Alter von 82 Jahren verstorbenen Star-Regisseur Dieter Wedel mehr als jedem anderen seiner Zunft gelang, war eine perfekte Selbstinszenierung. Wedel hatte Stil, er hatte Charisma, er hatte Schneid, bis er in seinen letzten Jahren über seine eigenen Verfehlungen stürzte und sich mit strafrechtlich relevanten Vergewaltigungsvorwürfen konfrontiert sah. Kann man sein Werk nach der Offenbarung jener schäbigen Übergriffe überhaupt noch unbedarft, ja gar mit Begeisterung Revue passieren lassen? Man darf nicht nur, man muss!

Denn seine Verdienste sind beachtlich. Allen voran für die um ihre Zuschauer bangende Fernsehkultur, die in dem 1939 in Berlin geborenen Künstler einen ihrer wichtigsten Vertreter fand. Sein bewährtes, über Jahrzehnte erfolgreiches Konzept: Verbinde Gesellschaftskritik mit guter Unterhaltung! Unvergessen ist etwa sein Vierteiler „Der große Bellheim“ (1993) über die fiktive Geschichte eines gealterten Unternehmers, der mit viel Mühe und Verstand sein Kaufhausimperium zu retten versucht. Angetan haben es Wedel immer auch die Kriminellen, Blender und Betrüger. Einen der großen Fische unter ihnen präsentiert er in seinem letzten Zweiteiler „Gier“ von 2010. Nachdem dessen Protagonist mit dem bezeichnend ironischen Namen Glanz einige Anleger um ihr Geld bringt und sich nach Südafrika absetzt, wird ihm spät der Prozess gemacht. Zwar konnte ein Großteil des Feuilletons wenig mit dem Werk anfangen, nichtsdestoweniger hat der Regisseur damit ein Stück Zeitgeschichte eingefangen. Denn wer in den Wirren der Finanzmarktkrise hinter der windigen Hauptfigur nur einen einzelnen Hochstapler sieht, verkennt die Systemanalyse der beiden Filme.

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Christa Wallau | Do., 21. Juli 2022 - 13:11

der die Entstehung eines Eigenheimes erzählt,
halte ich Wedel für einen der fähigsten Fernsehmacher. Sein Realitätsbezug und sein kritischer wie ironisch-witziger Blick auf die Welt werden selten von jemand übertroffen.
Daran ändert sich nichts, auch dann nicht, wenn an den Vorwürfen einiger Frauen gegen ihn etwas dran sein sollte.
Künstler und Mensch als solcher sind nicht dasselbe.
Hoffentlich hat Dieter Wedel zuletzt Frieden gefunden. Ich wünsche es ihm.

Ernst-Günther Konrad | Do., 21. Juli 2022 - 16:06

dessen Werke sich berechtigt positiv bewertet werden. Charakterlich offenbar nicht unfehlbar und dennoch hielt er sich Jahrzehnte relativ unbehelligt in der Filmkunstwelt. Jetzt hat er dem Staatsanwalt viel Arbeit und sich selbst einen totalen medialen Verriss erspart. Stirbt der einfach 15 Monate nach Einreichen der Anklage beim Gericht so weg, bevor über die Anklage entschieden wurde. Ob er sich selbst das Drehbuch schrieb für sein Lebensende schrieb?
Icj jedenfalls fan seine Filme gut und ob er zu Lebzeiten ein "Vergewaltiger" war kann man vermuten, kann man behaupten, ist aber nicht mehr gerichtlich nachprüfbar. RIP Dieter Wedel.

Sabine Lehmann | Mi., 27. Juli 2022 - 16:52

Wie man einem Mann, der Jahrzehnte lang nachweislich Kollegen, Schauspieler, Mitarbeiter und Familienmitglieder gedemütigt, gequält u. tyrannisiert hat, ein öffentliches Denkmal setzen kann mit solch lobhudelnden ignoranten Artikeln und Kommentaren, bleibt ein Rätsel der Medien und derer, die sie vertreten.
Dass er darüber hinaus Frauen massiv u. mit körperlicher Gewalt sexuell belästigt hat, seine Macht mit Hilfe passiver u. aktiver Unterstützung anderer Medienschaffender Jahrzehnte lang ausbauen konnte, ohne dass irgendjemand die Reißleine zog, wirft ein ekelhaftes u. abstoßendes Bild auf diese Menschenverachtende Branche! Die Krähen, die sich gegenseitig kein Auge ausstechen.
Wedel, der deutsche Harvey Weinstein, verstarb noch rechtzeitig bevor der Prozess gegen ihn wegen Vergewaltigung richtig begann. Deswegen davon auszugehen, er sei Opfer einer Rufmordkampagne geworden, ist so absurd, wie zu glauben, dass Leute wie Epstein oder Weinstein unschuldig waren. Er war ein A.....!