Reichstagsgebäude
Die Ampel formuliert ihre Pläne zur Verkleinerung des Bundestages über die Opposition hinweg / dpa

Wahlrechtsreform - „Faktische Entwertung von Stimmen“

Der Bundestag soll kleiner werden. Ihm sollen, wie im Wahlgesetz vorgesehen, nur noch 598 Abgeordnete angehören, jeweils zur Hälfte direkt im Wahlkreis oder über die Landesliste gewählt. Zurzeit zählt das Parlament 736 Abgeordnete, also 138 mehr als eigentlich vorgesehen. Das will die Ampel ändern – auf eine für die meisten Wähler verwirrende Weise und nicht zuletzt zu Lasten von CDU und CSU.

Hugo Müller-Vogg

Autoreninfo

Dr. Hugo Müller-Vogg arbeitet als Publizist in Berlin. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher zu politischen und wirtschaftlichen Fragen, darunter einen Interviewband mit Angela Merkel. Der gebürtige Mannheimer war von 1988 bis 2001 Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

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Die Wahlrechtsexperten der Ampel-Parteien – Sebastian Hartmann (SPD), Till Steffen (Grüne), Konstantin Kuhle (FDP) – haben ein Modell vorgelegt, das den Bundestag garantiert auf 598 Sitze reduziert. Demnach soll künftig allein der Anteil der Zweitstimmen darüber entscheiden, wie viele Sitze einer Partei zustehen. Das hätte aber eine geradezu groteske Folge: Nicht mehr alle Wahlkreissieger zögen in den Bundestag ein.

Dazu ein Beispiel: Partei A gewinnt in einem Bundesland 15 Wahlkreise direkt. Nach ihrem Zweitstimmenanteil stehen ihr aber nur 12 Sitze zu. Nach dem Ampel-Plan würden dann die drei Wahlkreissieger von Partei A, die im Vergleich zu den anderen zwölf mit dem niedrigsten prozentualen Ergebnis gewonnen haben, nicht zum Zug kommen.

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Romuald Veselic | Do., 7. Juli 2022 - 11:32

Diese Institution ist zum Selbstbedienungsladen geworden, wo die aktivistischen Interessengruppen/NGOs die Oberhand gewannen u. der Wähler, unmündig gemacht wurde.

Pro Wahlperson nur eine Stimme. Indem man zw. Partei o. Direktmandat entscheiden sollte. Dennoch wird der Direktmandat, als Parteimandat betrachtet u. der Direktkandidat am Machttrog, anhand der Stimmen, zu seinem Vorteil, berücksichtigt.

Jens Böhme | Do., 7. Juli 2022 - 11:45

Theoretisch könnte man die Landeslisten begrenzen. Beispiel nicht mehr als zwölf Kandidaten. Da die Wähler eh nicht wissen, was sie wo und wen wählen, sollte das z.B. beim bevölkerungsreichsten Bundesland NRW egal sein. Schaut man sich immer mal wieder die Herkunft der Bundesminister an, wundert es niemanden, dass prozentual sehr weit vorn das Saarland steht, obwohl dieses Bundesland mit Bevölkerung so reich gesegnet ist, wie die Pandabären auf allen Kontinenten. Zudem sollte es nur eine Kandidatur geben, Landesliste oder Direktmandat und nicht für einige mehrere Kandidaturen.

Tomas Poth | Do., 7. Juli 2022 - 12:31

Bei der Anzahl von 299 Wahlkreisen sollte die Anzahl der Parlamentssitze auf 450 begrenzt werden.
Die direkt gewählten Kandidaten erhalten ihren Sitz, die restlichen 151 Sitze werden prozentual auf die Zweitstimme berechnet.
Sogenannte Ausgleichsmandate (Belohnung für Masse statt Qualität) gibt es nicht.
Das könnte ein Schritt in Richtung Qualität der Kandidaten führen, jede Partei wird damit gezwungen Qualitäts-Kandidaten aufzustellen um zu gewinnen, die "Versiffung" des Bundestages durch Parteisoldaten wird damit verhindert.

Norbert Heyer | Do., 7. Juli 2022 - 12:44

Vielleicht brauchen wir bei fortschreitender Entwicklung überhaupt nicht mehr wählen. In der ehemaligen DDR wurden Wahlen als „Zettel falten“ verspottet. Überhangmandate sind bei den Parteien sehr beliebt, kann man dabei bei entsprechender Voraussetzung viele „verdiente Parteigänger“ zufriedenstellen und den Bundestag zum zweitgrößten Parlament der Welt - ohne dadurch gesteigerter Fachkompetenz - machen. Folgende Regelung w ist denkbar: Die Hälfte der normalen Besetzung
von 598 Abgeordneten wird wie bisher mit der Erststimme direkt gewählt, die Partei mit dem höchsten Anteil der Zweitstimmen bestimmt einen Kandidaten. Dieses System hat einen Nachteil: Es kann eine Partei die meisten Abgeordenten stellen, ohne aber die meisten Gesamtstimmen erhalten zu haben. Trotzdem wäre ein solches Wahlverhalten gerecht, denn es stärkt den Wähler und seine Entscheidung. Es muss immer der Kandidat mit den meisten Stimmen auch tatsächlich die Wahl gewinnen und der Bundestag würde effektiver sein.

Dr.Andreas Oltmann | Do., 7. Juli 2022 - 14:29

Ich befürchte, dass die jetzt ausgedachte Reform zum Vorteil der Minderheitsparteien führt. Die vorgesehen Größe des BT mit 598 Sitzen sollte in jedem Fall eingehalten werden. Ebenso halte ich es für nur gerecht und demokratisch, dass derjenige, der in einem Wahlkreis die meisten Stimmen erhält, auch Abgeordneter wird. Allein so wird die Mehrheitsmeinung auch parlamentarisch vertreten. Eine Reduktion der Abgeordnetenzahl müsste dann mehrheitlich von den kleineren Parteien getragen werden. Das ist direkte Demokratie mit Verantwortung der Abgeordneten dem Wähler gegenüber. Und nicht nur ihrer Partei, wie es schon oft genug die größte Rolle spielt.
Das auch diese Art der Demokratie funktioniert, erleben wir gerade in Großbritannien.

Helmut W. Hoffmann | Do., 7. Juli 2022 - 14:58

Herzlichen Dank für die Aufschlüsselung und Erklärung des Szenarios, werter Herr Dr. Müller-Vogg; aber ich habe bei dem Absatz über die Drittstimme aufgehört zu lesen und mich gefragt: haben die in der Ampel denn alle einen an der Waffel? Vielleicht sind Sie in der Lage, mir das einmal mit einfachen Worten nahezubringen. Mit verbindlichem Gruß aus dem Sauerland.

Ernst-Günther Konrad | Do., 7. Juli 2022 - 16:03

Ja, das sehe ich auch so Herr Dr. M.-V. Für mich gibt es nur eine echte und klare, den BT deutlich verkleinernde Option. Pro Wahlkreis ein Abgeordneter. Fällt der aus oder verstirbt dann eben eine Nachwahl oder eine sinnvolle gerechte Vertreterlösung. Wir haben das zweitgrößte Parlament der Erde. Nur China hat ein größeres. Hat ja auch viel mehr Einwohner. Knapp 300 Abgeordnete reichen völlig. Die sind eh kaum da und beschäftigten sich lieber mit ihrer Lobbyarbeit. Angeblich nur 28 im Lobbyregister und wie hoch ist die Dunkelziffer? Na egal, die werden schon alles daransetzen, den derzeitigen Zustand in die Länge zu ziehen.

Markus Michaelis | Do., 7. Juli 2022 - 16:06

"Das hätte aber eine geradezu groteske Folge: Nicht mehr alle Wahlkreissieger zögen in den Bundestag ein."

Grotesk finde ich eher das grotesk zu finden. Jedes Wahlverfahren hat seine Schattenseiten - auch beim besten Willen gibt es kein absolutes Richtig hier. Jedes Mehrheitswahlrecht lässt ohnehin viel unter den Tisch fallen. Reines Proportionalrecht schafft es nicht direkt für Menschen zu stimmen und klare Mehrheiten zu schaffen ... und und und. Es hakt immer irgendwo.

Gegeben unserer Auffassungen von Wahlen finde ich es natürlich, dass bei zersplitterten Parteienlandschaften Direktmandate weniger stark bewertet werden: ein Direktmandat, dass mit 20% gewonnen wird, ist eben etwas anderes als ein Direktmandat mit 51%. Bei dem 20%-Mandat fallen 80% der Stimmen unter den Tisch! Das kann ich auch als grotesk bezeichnen.

Dass das zu Lasten der CDU als größter Partei, aber eben nicht mehr 50%-Partei, geht, scheint mir ok. Gerne andere Meinungen, aber grotesk ist daran nichts.

fast alles öffentliche hier in Buntland. Grotesk ist Ihre Meinung. Grotesk ist, wenn ein Gewinner nicht mehr der Sieger ist, sondern nur der 2. oder 3.
Fussball: Manschaft A gewinnt gegen Mannschaft B 2 zu 1. Das Durchschnittsalter von B ist größer als von A. Deshalb gewinnt B ! Man erfindet Regeln, damit der Gewinner der Verlierer ist und umgekehrt. Grotesk.

Johannes Klug | Fr., 8. Juli 2022 - 12:03

Antwort auf von Armin Latell

Herr Latell,
sie werden im Grundgesetz keine Erwähnung von Wahlkreiskandidaten finden. Dass es solche gibt und wie sie bestimmt werden, ist eine Entscheidung des Gesetzgebers. Es gibt kein System, in dem einerseits Proportionalität des Stimmenanteils zur Zusammensetzung des Bundestages gewahrt ist, der Bundestag nicht immer größer wird und immer der Wahlkreiskandidat mit den meisten Stimmen einzieht.

Wenn man ganz ehrlich ist, sind die Wahlkreisabgeordneten den meisten Menschen egal. Mal angenommen, ihre Wahlkreisabgeordnete (mit den meisten Stimmen!) wäre eine grüne Studentin - würde Sie sich Ihr anvertrauen oder dem CDU-Kandidaten vom Nachbarwahlkreis? Das Konzept der parteiübergreifend, durch ihre Persönlichkeit überzeugenden Abgeordneten ist praktisch überholt. Eine Listenwahl nach Regierungsbezirken wäre am einfachsten.

Sabine Lobenstein | Do., 7. Juli 2022 - 16:16

da es ja der CDU/CSU auch in Sachen Corona etc. Immer Gefälligkeitsurteile gegeben hat oder das Urteil so lange rausgezögert wurde, bis es egal war. Diesmal wird es eben erst bis zur nächsten Wahl rausgezögert und danach natürlich zu Gunsten von CDU/CSU entschieden. Also mindestens. Zwei Wahlperiode noch mit dem alten CDU/CSU freundlichen System. Nicht das bei der nächsten Wahl dem Wahlsieg etwas im Wege steht.

Mir persönlich ist das alles egal, da man eh nur die Wahl zwischen Pest und Cholera hat. Alternative Deutschland ist lt. Scholz rechtspoulistisch und ein Freund der Russen und damit keiner Antwort mehr würdig. Also Demokratie ist das eh schon lange nicht mehr. Wählen wird da zur sinnlosesten Veranstaltung. Sachsen mit 30% Wahlbeteiligung sagt doch eigentlich alles.
Politik für das deutsche Volk bzw. für das normal verdienende Volk existiert nicht mehr. Deprimierend.

Ingo Frank | Do., 7. Juli 2022 - 16:53

Lasst alle 4 Jahre wählen, alle Parteien, außer der niemand will sie Partei, schließen sich zu einer Liste „ Deutsche Umwelt und Neue Demokratie“ (bis 89 = nationale Front) zusammen. Bei Veröffentlichung des amtlichen Wahlergebnisses hat die besagte Liste „mit überwältigender Mehrheit von 98,975 % die Wahl gewonnen“ Die BT Mandate werden mit der Gißkanne auf 600 Sitze verteilt und gut ist‘s. Wenig Aufwand, große Wirkung.
Mit einem „wirklich Ernst“ gemeinten Gruß aus der Erfurter Republik

René Maçon | Do., 7. Juli 2022 - 17:40

Zur Wiederbelebung des Parlamentarismus bräuchten wir eine Stärkung des einzelnen Abgeordneten. Das geht am besten und einfachsten durch einen Übergang zum Mehrheitswahlrecht. Das Problem der Überhangsmandate wäre damit auch erledigt.

Das Verhältniswahlrecht gibt des Parteiführungen zu viel Macht, wie die Merkel-Jahre gezeigt haben. Nach all den falschen Weichenstellungen, bräuchten wir jetzt eine Stärkung des individuellen Abgeordneten.

Weg mit dem Kollektivismus im Wahlrecht!

Armin Latell | Do., 7. Juli 2022 - 17:48

keine Rolle mehr. Egal was man wählt, egal welches Wahlsystem angewendet wird, das Ergebnis ist allemal schlecht für die Bürger und Steuerzahler. Außerdem: bis auf ganz, ganz wenige Ausnahmen kann man alle Parteien unter Einheitspartei, ob nun sozialistisch, totalitaristisch, extremistisch, subsummieren. Die cducsu soll Opposition sein? An was macht der Autor das fest? Die unterscheidet sich in ihrer Deutschland schadenden politischen Programmen und unfähigen Personalien nur ganz unwesentlich von denen der Regierungsparteien. Auch die fdp hält dekadente Gesetze, die sie beschlossen hat und jeder halbwegs normal denkende Mensch sich nur noch angewidert abwenden kann, für "modern". Nein, kein Erbarmen, die Merkeltruppe unter Merz muss noch viel, viel weiter fallen, bis sie sich dereinst vielleicht wirklich positiv, mit eigenen sichtbaren Konturen, von den jetzigen Zerstörern von Staat, Gesellschaft und Kultur unterscheidet. Vielleicht dann...

Ferdinand Schulze | Fr., 8. Juli 2022 - 08:47

Ich kann das Gejammer um Direktkandidaten nicht nachvollziehen. Als Herr Gabriel, der hier im Wahlkreis Wolfenbüttel-Salzgitter in der vorigen Wahlperiode direkt gewählt wurde, keine Lust mehr hatte und hingeworfen hat, kam irgendein Nachrücker aus Ostfriesland zum Zuge. Das war es dann mit "unserem" Direktkandidaten. Wozu also diese Direktkandidaten, die angeblich "die Region vertreten"? Das lässt sich besser über Landeslisten regeln, und wer da im Bundestag das Stimmvieh unter den Fraktionsvorsitzenden darstellt und dann jedem Unsinn zustimmt, nur weil es "die Partei" so will, interessiert mich überhaupt nicht mehr.

M. Bernstein | Fr., 8. Juli 2022 - 09:25

Man muss sich einfach damit abfinden, dass es kein gerechtes Wahlsystem gibt. Die gelebte Praxis der Überhangmandate ist besser als ihr Ruf, zumindest hat nie so viele Zusatzmandate gegeben.
Demokratie lebt vom direkten Kontakt der Abgeordneten zu ihren Wählern, das ist auch die Idee des Wahlkreisabgeordneten. Das, was jetzt vorgeschlagen wird ist auch nur eine Verschlimmbesserung und wird zu noch mehr Nichtwählern führen.

Ronald Lehmann | Fr., 8. Juli 2022 - 10:57

"Wenn Wahlen etwas ändern würden, wären sie schon längst verboten"

Was nützt einen morschen Dachbalken auszubessern, wenn die Lagerpunkte faul sind
oder ein Haus zu reparieren, weil es auf Sand aufgebaut ist?

Hinzu die BEWUSSTE, PLANMÄSSIGE SPALTUNG des bürgerlichen, konservativen Lagers von der TROJANISCHEN Partei CDU/ CSU (!!!) & seiner abertausenden Handlanger wie z.B. Herr Merz & Blackrock,

damit linksgedrillte Ideen schmackhaft, fein verarbeitet, portioniert verabreicht, um fernab von den christl. Werten im irren Kindergarten-Illusionsgeschäft der links-grünen Welten (inklusiv der sogenannten LIBERAL-DEMOKRATISCHEN FDP)
alles im Namen der Demokratie & Moral sowie der Wahrheit & des Rechtes für den Untertan-Wähler-Konsumenten vorgekaut wurde, um dieses Modell zu fundamentieren & zu manifestieren,

um im gleichen Atemzug die einstigen Errungenschaften geistiger, moralischer & wirtschaftl. Erfolges D. zu versenken & dadurch die westl. Partner mitreisen :-(

Und dies ALTERNATIVLOS

Brigitte Simon | Fr., 8. Juli 2022 - 11:29

Die Ampel wünscht sich als eine Veränderung des Wahlrechts. Wunderbar. Dazu Richard von Weisäcker.

"Parteien, sprach Richard von Weizsäcker 90 % der deutschen Bevölkerung aus der Seele, sind eine ärgerliche Sache. Sie sind machtversessen. Sie haben den Auftrag des GG´, an der politischen Willensbildung mitzuwirken, ungebührlich ausgeweitet. Folgt man W, ist es wie beim Hasen und Igel, wohin man auch kommt, die Parteien sind schon immer da, auch wenn man mit ihnen nicht rechnet. Alle gesellschaftlichen Einrichtungen sind parteienverseucht bis hin zum öffentlichen Rundfunk, und selbst die Staatsverwaltung kann sich auf ihre Parteienferne oft wenig zugute halten. Und auf der anderen Seite - wie mittelmäßig ist doch das Personal , das uns die Parteien zur Beklei-dung der Staatsämter präsentieren! Kleinkarierter Zank und Schielen nach Wähler-stimmen, wo doch politische Vision und geistige Führung gefordert sind!
Ich möchte nicht bei rot auf der Ampel über die Straße gehen. Ich lebe so gern