Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer vom Paritätischen Gesamtverband
„Prangert gern und laut an“: Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer vom Paritätischen Gesamtverband / dpa

Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtverbands - Deutsche sind ärmer als Tschechen oder Polen – auf dem Papier

Corona-Krise, Energie-Krise und Inflation haben viele Menschen in Deutschland wirtschaftlich in Schwierigkeiten gebracht. Laut dem jüngsten Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbands hat die Armutsquote einen neuen Höchststand erreicht. Doch der Verband schildert die Lage viel schlimmer als sie ist - und zwar bewusst, meint Hugo Müller-Vogg.

Hugo Müller-Vogg

Autoreninfo

Dr. Hugo Müller-Vogg arbeitet als Publizist in Berlin. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher zu politischen und wirtschaftlichen Fragen, darunter einen Interviewband mit Angela Merkel. Der gebürtige Mannheimer war von 1988 bis 2001 Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

So erreichen Sie Hugo Müller-Vogg:

Der Paritätische Gesamtverband ist nicht der größte unter den Wohlfahrtsverbänden, aber zweifellos der lauteste. Er mischt sich, anders als etwas die ungleich größeren Organisationen wie die evangelische Diakonie oder die katholische Caritas, viel stärker in politische Diskussionen ein. Vor allem sein eloquenter Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider prangert gern und laut die wachsende Armut in Deutschland an. Schneider ist deshalb gern gesehener Gast in öffentlich-rechtlichen Talkshows, während die Vertreter anderer Wohlfahrtsverbände dort kaum zu Wort kommen. 

Jahr für Jahr legt „Der Paritätische“ einen sogenannten „Armutsbericht“ vor. Demnach hat die „Armutsquote“ im vergangenen Jahr mit 16,6 (2020: 16,1) Prozent einen neuen Höchststand erreicht. Rechnerisch leben folglich 13,8 Millionen Menschen in Deutschland unterhalb der „Armutsgrenze“ und damit 600.000 mehr als vor der Pandemie. Für Schneider ist das ein alarmierender Tatbestand. 

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ingo Frank | Do., 30. Juni 2022 - 16:32

Tja, abgesehen von den „ganz Armen“ ….warum wurde das bedingungslose Grundeinkommen eingeführt und fordern & fördern der Agenda 2010 abgeschafft …. Ist das dann „arm“? Aber das ist ein anderes Thema.
Auch finde ich die Diskussion über die „Besserverdienenden“ unterirdisch. Weil Studium, 50 - 60 Wochenstunden arbeitend? Und dann als Folge einige € mehr in der Tasche? Arm oder Reich ist immer eine Frage der Definition und der Perspektive. Fakt ist z.b. das Bar Vermögen der Deutschen liegt im Mittel der EU. Die eigene Immobilienquote hinter Italien, Frankreich selbst den Griechenland ist besser als D. Ich weiß auch nicht wer noch längere Lebensarbeitszeiten als D hat. Von den Renteneinkommen im EU Schnitt Will ich nicht reden. Von demRentenniveau der 90iger mit 68% sind derzeit 48 % von letzen Netto übrig geblieben. Dazu noch die Inflation mit 10% möglich das wir uns der Türkei annähern?
Wir Deutschen sind zusammengefasst nicht reich, aber reichlich dämlich.
Mit freundlichen Grüßen aus d

Kurt Walther | Do., 30. Juni 2022 - 17:24

Volle Zustimmung zu ihren kritischen Aussagen, Herr Dr. Hugo Müller-Vogg. Ulrich Schneider ist auch mir altem weißen Mann mit seiner medialen Emsigkeit und Aufdringlichkeit nebst einigen Professoren für Armutsforschung schon oft aufgefallen.
Ja, gewiß ist DE ein armes Land, deshalb sind wir ja für Migranten so begehrt.
Und überhaupt, diese verrückte Statistik: Übersiedeln in ein bestimmtes Gebiet einige Millionäre, schon erhöht sich rechnerisch die Armutsquote in diesem Gebiet - einfach so. Um dies zu ermitteln benötigt man/frau kein Abitur.
Dann aber gibt es doch so einige Fälle, über die ich kürzlich mit meiner im Nicht-EU-Ausland lebenden Tochter stritt. Es geht um ein Ehepaar auf dem Lande - im ausgebauten Elternhaus wohnend - mit 4 Kindern, alle 4 in Ausbildung bzw. Studium. Jede Person wirkt bzw. arbeitet an einem anderen Ort. Jeder bräuchte ein eigenes Fahrzeug - geht aber finanziell nicht. Ist der Grund etwa Armut? Meine Tochter verkürzte es so: Man kann nicht alles haben

Wolfram Fischer | Do., 30. Juni 2022 - 17:32

Danke an den Autor, Hern Dr. Müller-Vogg für diesen Bericht.
Die Defintion der "Armutsgrenze" ist für mich jedoch nicht "fragwürdig", sondern schwachsinnig.
Dr.Müller-Vogg erklärt ja die Systematik völlig treffend.
Sein Hinweis auf die 'Armutsindustrie" trifft in's Schwarze. Viel zu viel Benefit aus immer mehr "Armut" wird da abgeschöpft. Das geht nur durch immer weiter gehende Knechtung der Leistungserbringer. Das sind die, die sich trotz allem mit immer mehr Stress immer noch tiefer buckeln für immer weniger "Profit", damit immer mehr Kostgänger es sich ganz ohne Stress auf den Sozialkasse bequem sein lassen und dabei mit Pseudoförderprogrammen die Kassen der besagten Armutsindustrie füllen.
50% Sozialismus haben wir so schon erreicht (vor ca. 40 Jahren waren es ca. 25%).
Und wie katastrophal sozialistische Systeme ausnahmslos waren, wissen wir ja.
So besehen ist D schon sehr sehr weit unterwegs auf dem Weg nach unten. 50%-nicht-Sozialismus ist halt zu wenig auf dem Weltmarkt.

Bernd Windisch | Do., 30. Juni 2022 - 19:22

Folglich dürften fast alle Studenten und junge Menschen in Ausbildung zu den „Armen“ zählen, obwohl sie sich selbst so gar nicht fühlen.

Wer so argumentiert ist auch arm.

M. Bernstein | Do., 30. Juni 2022 - 22:54

"Würden heute alle Einkommen verdoppelt – von Spitzengehältern in der Wirtschaft bis zu den Hartz-IV-Sätzen – änderte sich am prozentualen Anteil der „Armen“ nichts. "
Das ist keine seltsame Logik sondern einfach nachzuvollziehen, da sich alles andere auch verdoppeln würde, wäre es exakt ein Nullsummenspiel in Deutschland! Sie können sich dann genau soviel oder auch wenig wie zuvor leisten. Nur im Vergleich zum Ausland ergeben sich Veränderungen. Aber die Verdoppelung (oder auch Halbierung) würde vermutlich auch nicht isoliert stattfinden. Allerdings kann man Zahl der Armen verringern indem die geringsten Einkommen weniger weit weg vom Median sind. Denn nur wer weniger als 60% vom Medianeinkommen hat ist armutsgefährdet. In einer idealen Welt wäre das niemand.

Ronald Lehmann | Fr., 1. Juli 2022 - 01:33

Bevor ich zu meiner Ausführung der Politiker zu Bürger der UA komme, bitte bedenken - Schütze A wird in ALLEN Ländern wie ein Tanzbär mit Nasenring von Politikern aller Welten durchs Leben gezogen:

Es ist unsere Regierung, die zugelassen hat, dass die UA in den vollen Genuss aller Sozialleistungen in voller Höhe (!) ohne "Wenn & Aber" kommen was bedeutet, sie haben Zugang zu Harz IV (449€ Regelsatz plus Unterkunft plus Mehrbedarf haben, so dass die meisten locker über 1000€ kommen.
Fundamentiert mit den Satz von Grünen:
"Wir ermöglichen Mio (!!!!!!) von Menschen , wenn Sie zu uns kommen, ...

Während das Durchschnittliche Rentenniveau unter 1000€ Brutto liegt!

Hier regieren ......isten, die auch die Errungenschaften Bismarck wie die Wirtschaft demontieren wollen, wo natürlich wieder die beruflichen Leser des C. widersprechen werden.

Als Sahnehäubchen oben drauf.
ALLE SANKTIONEN zu Harz IV wurden von
UNSERER (??????)GUTEN REGIERUNG auf Eis gelegt!

Wer nicht will, der brauch nicht

Es war nicht "die Politik" sondern das Bundesverfassungsgericht, daß die Gleichstellung von Asylbewerbern mit Hartz IV-Beziehern verlangt hat. Gegen die zugrundeliegende Argumentation- Hartz IV stellt das menschenwürdige Existenzminimum dar, das für jeden sich hier legal aufhaltende Menschen nicht unterschritten werden darf- kann auch der Gesetzgeber nichts ausrichten. Einzige Gegenstrategie: nicht mehr so viele reinlassen bzw. bis zur Anerkennung des Anspruchs auf Asyl Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften mit Sachleistung. Aber das sagen sie mal Frau Faeser, die schickt Ihnen geich den Verfassungsscutz auf den Hals.

Ja, die Rechnung für die all incl.Versorgung der „Engeladenen“ ist schon sehr aufschlussreich.
Ich selber bin kurz vor meinem 70 Geburtstag und pflege meine 94 alte Mutter mit einem Aufwand von ca. 45 Std./ Woche. Um nach meiner Verrentung weiter Rentenpünktchen (etwa 1/2 Pkt./Jahr) ansammeln kann, muß ich auf 1%meiner Rente verzichten, die mir freundlicherweise nach „Pflegeende“ meiner Mutter wieder zugestanden wird. Ich habe mich nach einem Pflegeheim umgesehen. ZUZAHLUNG: 2038,00 € d e r z e i t mit der Ankündigung einer kräftigen Erhöhung ab 8/22.
Da ein kleines Bankguthaben (etwas höher als der „Beerdigungsfreibetrag“) und ein kleines EFH vorhanden ist, ist erst das Barvermögen und dann das Haus für die Pflege aufzubrauchen um staatliche Hilfen zu erlangen. Meine Eltern waren so dämlich, Zeit ihres Lebens zu sparen. Andere bekommen Geld fürs faulenzen und den Rest bis zur Bare bezahlt der Staat.
Mit freundlichen Grüßen aus der Erfurter Republik

Wer bekommt den Mehrbedarf? Bitte konkretisieren. Vom Regelsatz geht noch einiges ab zB. Strom, Versicherungen, Kleidung, Reparaturen usw. Einfach mal den "Warenkorb" ansehen. Davon zu leben bedeutet Armut, es steht jedem frei das einmal auszuprobieren. Natürlich war die Berechnung nicht davon ausgegangen sämtliche Flüchtlinge und Migranten (auch die abgelehnten) mit zu versorgen, davon gingen auch die Tafeln nicht aus. So wie zZ. sind die Sozialsysteme und Krankenkassen nicht aufrecht zu erhalten.
Wer die Tore weit aufmacht und alle einläd daran teilzuhaben wurde von der Mehrheit gewählt. Die Armen sind nicht die Schuldigen, sie sind die Leidtragenden.

Gabriele Bondzio | Fr., 1. Juli 2022 - 08:10

dass Deutsche mit geringen Einkommen gen Osten zögen, um sich finanziell besser zu stellen.

Schon klar, Herr Müller-Vogg ...trotzdem ist es eine Tatsache: "52 Prozent der Erwerbspersonen in Deutschland mit einem relativ niedrigen Haushaltseinkommen bis 2000 Euro netto monatlich sehen sich genötigt, weniger Lebensmittel zu kaufen, weil die Preise so stark gestiegen sind."

Bei 52% ist wohl auch klar, dass sich in dem Pool nicht nur Zugewanderte befinden, sondern der Druck zu sparen weit in die Gesellschaft hinein wirkt.
Zumal während Covid und dem Runterfahren der Wirtschaft, die Armut bis zur Mitte der Gesellschaft vorgedrungen ist. Da ist ja Einiges pleite gegangen bzw. wurde an den künstlichen Tropf gehängt (ob die überleben?)

Deutschland weist (nicht nur durch die Armutszuwanderung) eine sozioökonomische Ungleichheit in vorher nie gekanntem Maße auf.

Weil die Politik in nie gekannten Maß versagt hat.

Ernst-Günther Konrad | Fr., 1. Juli 2022 - 08:37

Natürlich haben Sie mit ihren Aussagen recht Herr Dr.-M.-V. Zählen da auch die Rentner mit unter 1000€ ohne irgendwelche Hilfen trotz lebenslangem Arbeiten ihr Dasein fristen mit? Diesem linken Lügenwerk kann man nur mit einer Frage begegnen." Warum kommen so viele Menschen aus allen Herrenländer dann zu uns? Sie verlassen wegen der Armut in ihren Heimatländern, was ich nicht bestreite, um genau in die deutsche Armut zu flüchten? Werden wir demnächst in der Armutsstatistik auch diejenigen finden, die infolge eines bisher halbwegs erträglichen Einkommens ihre Lebenshaltungskosten selber nicht mehr decken können? Sie verknüpfen völlig richtig für mich, die sog. Armutsdiskussion mit den Problemen der Migration. Jetzt aber mal Mut und einen weiteren Artikel darüber, wer uns das Migrationsproblem mit welchen konkreten Folgen eingebrockt hat. Eine Statistik darüber, was uns das alles kostet wäre hilfreich. Und ich rede nicht von legal eingereisten Menschen, die hier integriert arbeiten.

Gerhard Lenz | Fr., 1. Juli 2022 - 09:39

Seit Jahren liest man derartige Schlagzeilen. Plötzlich sind sogar Menschen in relativ armen Regionen Südeuropas wohlhabender als der deutsche Mittelstand.
Warum? Weil die Quote der Hauseigentümer dort höher sei.

Tatsächlich, da hat Dr. Müller-Vogg zweifelsfrei recht, ist "Wohlstand" nur bedingt vergleichbar. Wenn ich eine Bruchbude irgendwo in der ödesten Provinz erbe, ohne Aussicht auf Arbeit, und ohne mindeste soziale Infrastruktur vor Ort - möglicherweise bin ich noch immer "wohlhabender" als der relativ gut verdienende Angestellte in einer deutschen Großstadt, dessen Einkommen zum großen Teil für seine Miete draufgeht.

Deutschland, und da steht es nicht alleine, hat ein Problem zunehmend ungleicher Verteilung. Das betrifft Einkommen genauso wie Lebenshaltungskosten. Die einen verdienen sich goldene Nasen dank der Nöte der anderen. Das betrifft Einkommen genauso wie Lebenshaltungskoten. Und nein, der Markt wird es nicht richten, im Gegenteil. Da muss die Politik handeln.

Albert Schultheis | Fr., 1. Juli 2022 - 13:10

Dort werden von mir geschätzt 40 - 60% aller geschäftlichen Transaktionen "schwarz", also am Fiskus vorbei abgewickelt. Weiterhin besitzt ein Großteil der Bevölkerung irgendwo ihr familiäres Häuschen, oft mit kleinem Garten oder Landwirtschaft. Diese landwirtschaftlichen Nutzflächen liegen in vielen Fällen brach, weil die heutige Generation es nicht mehr nötig hat, den Rücken krumm zu machen. Dennoch, in Zeiten einer Rezession kehren die Jüngeren in ihr familiäres Erbe zurück und fangen an, Kartoffeln, Obst und Gemüse anzupflanzen. Über Privatbesitz oder ein solches schlafendes Anwesen verfügen die Menschen in Deutschland nicht und außerdem wird bei uns jede wirtschaftlich e Transaktion (mit bestimmten Ausnahmen) steuerlich erfasst und die Mehrwertsteuer ist bspw um einen Faktor 2 - 3 höher! Klar, dass wir so gerechnet das reichste Land der EU sind und gefälligst all die anderen, die am Hungertuch nagen, zu subventionieren haben. Ich vermute in Tschechien und Polen ist das nicht anders