In republikfeindlichen Kreisen galt er als „Inkarnation einer jüdisch-kapitalistischen Verschwörung“: Grabstätte Rathenaus in Berlin / dpa

Zum Mord an Walther Rathenau vor 100 Jahren - Ein Attentat, das die Weimarer Republik erschütterte

Am 24. Juni 1922 wurde Außenminister Walther Rathenau von Mitgliedern einer Geheimorganisation ermordet. Er war nicht das erste Opfer von politischen Morden in der Weimarer Republik. Doch kein anderes Attentat hatte damals eine ähnlich erschütternde Wirkung. 400.000 Menschen demonstrierten in Berlin und Rathenaus Tod wurde vielfach in Romanen und Bühnenstücken aufgegriffen. Doch das Bild des Märtyrers in der deutschen Geschichte ist mit den Jahren verblasst.

Ulrich Schlie

Autoreninfo

Ulrich Schlie ist Historiker und Henry-Kissinger-Professor für Sicherheits- und Strategieforschung an der Universität Bonn.

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Der 24. Juni 1922 war ein regenverhangener, für die Jahreszeit zu kalter Samstag. Gegen 10:50 Uhr hatte sich Außenminister Walther Rathenau in den Fonds seines Wagens vor seinem Haus in der Königsallee 65 in Berlin-Grunewald begeben. Er war auf dem Weg in sein Büro in der Berliner Wilhelmstraße, wo er als ersten dienstlichen Termin des Tages eine Prüfung von Konsularanwärtern abnehmen wollte.

Trotz des vergleichsweise schlechten Wetters hatte er seinen Fahrer angewiesen, das Cabriolet mit offenem Verdeck zu steuern. Noch im Grunewald, auf der Königsallee, überholte ihn ein Wagen mit drei Männern, seinen Mördern. Als die beiden Fahrzeuge ungefähr auf gleicher Höhe waren, eröffneten die Attentäter das Feuer und warfen eine Granate. Rathenau verstarb unmittelbar darauf noch am Tatort.

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Christoph Kuhlmann | Di., 21. Juni 2022 - 19:29

ist wirklich unübersichtlich. Ein Ausgleich mit Frankreich wäre zur Vermeidung des 2. WK dringend notwendig gewesen. Schon ein halbes Jahr nach Rathenaus Tod erfolgte die Besetzung von Teilen des Ruhrgebietes durch französische und belgische Truppen, weil Deutschland die Reparationen nicht zahlen konnte.. Rathenau hatte schon in den 20ern erkannt, dass die tiefgreifenden wirtschaftlichen Probleme nur durch eine Kooperation mit den europäischen Siegermächten, insbesondere Frankreich gelingen konnte. Er wurde deshalb als Erfüllungsgehilfe der Westalliierten von rechts angegriffen und schließlich ermordet. Die Reparationen wären Mitte der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts ausgelaufen.

Die Reparationszahlungen nebst Zinsen endeten am 03.10.2010 (!!), eigentlich ein Unding, aber sei‘s drum, wir zahlen ja gerne.

Wenn Sie mit „Ausgleich“ eine Einigung über den Stop der Reparationszahlungen meinen, dann haben Sie vollkommen recht. Diese Zahlungen waren einer der Hauptfaktoren die zur Machtergreifung des Sozialisten Hitler führten. Eine solche Einigung wäre aber nur möglich gewesen, wenn Frankreich zugestimmt hätte und genau da liegt die Crux. Es war immer das erklärte Ziel Frankreichs Deutschland zu schwächen, daran hat sich bis heute nichts geändert, sie hätten also NIE zugestimmt!

Aktuell haben wir eine ähnliche Situation wie in den 20er Jahren, eine schwache, aber radikale Regierung ohne großen Rückhalt in der Bevölkerung gepaart mit einer starken wirtschaftlichen Abkühlung deren Anfang wir aktuell erleben. Nur die Vorzeichen sind anders, aktuell „regiert“ linksextrem, folgen wird rechts, damals war es genau umgekehrt. Die Folgen werden die gleichen sein!

Kai Hügle | Mi., 22. Juni 2022 - 04:27

Danke für Ihren Artikel, der in einem Forum wie diesem leider nicht die gebührende Aufmerksamkeit findet.
Über die Ursprünge des Rechtsterrorismus redet man hier offenbar genauso ungern wie über dessen aktuelle Formen (siehe Kassel, Hanau, Halle, Idar-Oberstein...).
Dass Rathenau von den Rechten in der Weimarer Republik als "Judensau" bezeichnet wurde, zeigt einmal mehr, dass Menschen, die so reden, ihren schlimmen Worten manchmal auch schlimme Taten folgen lassen; in der frühen Neuzeit, vor 100 Jahren genau wie heute.
Aber wie gesagt, in diesem Forum empört man sich nur dann dann über Antisemitismus, wenn er von links kommt oder von Muslimen. Würde mich nicht wundern, wenn das in dem einen oder anderen Leserkommentar noch deutlich wird...

gabriele bondzio | Mi., 22. Juni 2022 - 08:39

Aber leider kommt ihr nicht mehr die Aufmerksamkeit zu, die sie verdient hat. In der Schule werden heute nur noch geschichtliche Bruchstücke vermittelt.

Auch der Glaube, dass man mit Mord und Totschlag Probleme lösen kann ist wieder in vielen Köpfen.

Rathenau wurde von einen ehemaligen Militär (vom Krieg entwurzelten Menschen) und Mitglied des Freikorps (siehe auch Ermordung Liebknecht und Luxemburg) kaltblütig ermordet.
Die glaubten die Retter des Vaterlandes zu sein. Vergleiche mit jetzt stattfindenden Ereignissen bieten sich an.

Obwohl es viele Drohungen gegen Rathenau gab, schaute sogar die Schweriner Polizei gezielt weg. Auch die heimliche Hoffnung der Mörder, dass ihre Tat ein zündender Funke für einen Staatsstreich wäre, erfüllte sich nicht(gleich).

Mein Mantra: (für schwerwiegende Gedanken suche ich immer ein Äquivalent in Musik)

https://www.youtube.com/watch?v=1q-Ga3myTP4

Rebeca Bok | Mi., 22. Juni 2022 - 11:09

Sei hier ausnahmsweise das Vollzitat (www.vorderer-westen.net/geschichte/prominente-mitbuergerinnen/sigmund-a…) erlaubt: "Während der Nazizeit wurde der von ihm gestiftete Aschrottbrunnen zerstört. Die Lebensleistung des erfolgreichen und visionären Unternehmers konnte dieser Akt der Zerstörung nicht schmälern. Er ist der Gründer des Vorderen Westens, dessen Planung und Erschließung er auf eigenes Risiko betrieben hat. Er schenkte 1911 der Stadt den Florapark, damit dort die Stadthalle gebaut werden konnte. Er stiftete die Grundstücke für die Advents- und Rosenkranzkirche sowie die englische Kirche an der Murhardstraße. Das Diakonissenhaus verdankt ihm ein großes Grundstück für einen Erweiterungsbau, und der Aschrottpark trägt seinen Namen. Die Lebensqualität im Vorderen Westen konnten selbst die Bomben des 2. WK nicht zerstören. Die Zeugnisse der Lebensleistung Aschrotts sind immer noch sichtbar, die Stadt verdankt seinem unternehmerischen Mut eines seiner schönsten Quartiere."