Fünf Jahre nach Helmut Kohls Tod - Warum der Einheitskanzler noch immer keinen Grabstein hat

Erbauseinandersetzungen ziehen sich oft lange hin, auch im übertragenen Sinn. An diesem 16. Juni jährt sich der Todestag von Altkanzler Helmut Kohl zum fünften Mal. Doch die Frage, was mit dem Nachlass des Kanzlers der Einheit geschieht, ist und bleibt ungeklärt. Selbst die Grabstätte in Speyer präsentiert sich immer noch in einem provisorischen Zustand.

Hugo Müller-Vogg

Autoreninfo

Dr. Hugo Müller-Vogg arbeitet als Publizist in Berlin. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher zu politischen und wirtschaftlichen Fragen, darunter einen Interviewband mit Angela Merkel. Der gebürtige Mannheimer war von 1988 bis 2001 Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

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Nach seinem Ausscheiden aus dem Bundestag im Jahr 2002 hatte Helmut Kohl seinen Nachlass der Konrad-Adenauer-Stiftung übergeben. Doch ließ er die Akten bald wieder in seinen Bungalow im Ludwigshafener Stadtteil Oggersheim bringen, weil er sie für die Abfassung seiner Memoiren benötigte. Dort lagern sie noch heute. Wer sie einsehen darf, entscheidet allein seine Witwe Maike Kohl-Richter. Die lässt zwar schon mal ihr Nahestehende einen Blick in die Aktenordner werfen. Das Bundesarchiv, das gleich nach dem Tod Kohls Anspruch auf diese Hinterlassenschaft erhob, hat aber keinen Zugriff. Ebenso wenig die im Jahr 2021 vom Bund errichtete „Bundeskanzler-Helmut-Kohl-Stiftung“.

Nachlass offenbar nicht erfasst 

Was da im Oggersheimer Keller lagert, weiß niemand so genau. Offenbar hatte es die Adenauer-Stiftung versäumt, den Nachlass genau zu erfassen und zu katalogisieren. Zudem ist es rechtlich nicht einfach, genau zu unterscheiden, bei welchen Unterlagen es sich um amtliche Schriftstücke handelt, auf die der Staat Anspruch hat, was der Partei zuzuordnen ist und was ausschließlich privaten Charakter hat. Für die streitbare Witwe spielt das alles keine Rolle: Sie beansprucht alles für sich – und die Deutungshoheit über Kohls Lebenswerk obendrein.

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Dorothee Sehrt-Irrek | Do., 16. Juni 2022 - 16:10

schon ein bisschen, denn Frau Hannelore Kohl verstarb als Ehefrau von Helmut Kohl und als Mutter seiner einzigen Kinder.
Man könnte meinen, dass dies und die große politische Bedeutung von Helmut Kohl eine Einigung nahelegen.
Nun hat aber Frau Kohl-Richter in ihrem eigenen Empfinden evtl. Helmut Kohl als Teil der Weltgeschichte erlebt und auch so geheiratet, evtl. eben nicht eingebunden in seinen weiteren familiären Rahmen.
Vielleicht kann man sich einigen auf das jetzige Grab, das doch wohl auch Frau Kohl-Richter aufnehmen wird, so sie nicht noch einmal heiratet, versehen mit der Aufschrift auch der 1. Frau Helmut Kohls?

Achim Koester | Do., 16. Juni 2022 - 16:32

wie mit einem der bedeutendsten Politiker der Nachkriegszeit posthum umgegangen wird. Nicht nur seine Person wird durch die familiären Querelen in den Dreck gezogen, auch sein politisches Vermächtnis wird von einem parteipolitisch verblendeten unfähigen Bundespräsidenten geleugnet. Das hat Herr Kohl nicht verdient, ich jedenfalls danke ihm für seine politische Arbeit, die Wiedervereinigung, und verzeihe ihm den Fehler, diese seine Nachfolgerin protegiert zu haben.

Karl-Heinz Weiß | Do., 16. Juni 2022 - 19:24

Leider ist es nicht ungewöhnlich , dass familiär außenstehende Personen über Generationen wirkende Zerwürfnisse verursachen.
Es sollte Aufgabe der Stiftung sein, die Person Kohls umfassend zu würdigen. Dazu gehören sowohl das besondere Vertrauensverhältnis zu Gorbatschow als auch die anonymen Spender, die laut Wolfgang Schäuble gar nicht existieren.

Bernhard Homa | Do., 16. Juni 2022 - 22:31

Dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit öffentliches Schriftgut im Oggersheimer Keller vor sich hin gammelt, ist grotesk, wenn man weiß, dass das BVerfG schon 2017 sehr deutlich auf eine ggf. nötige Wiederbeschaffung entfremdeter Unterlagen aus privater Hand hingewiesen hat (1 BvR 1978/13). Dass das Bundeskanzleramt hier auch unter SPD-Vorzeichen untätig bleibt, spricht Bände über die Präferenzen.
Letztlich zeigt sich dank des Irrlichterns der Kohl-Witwe im Extremen, wozu ein unkontrolliertes und sanktionslos bleibendes Verwursteln amtlicher und privater Funktionen – und damit der daraus entstehenden Unterlagen – führen kann.

Das könnte ein wesentlicher Punkt sein. Weder Merkel noch Scholz setzten bzw. setzen hier eine Priorität noch hatten bzw. haben diese Kleingeister ein präferentielles Interesse. Dieses Nichtstun zeigt auf deren Format. Peinlich.