
- Langsame Heimkehr
Für viele ist Christian Drosten in der Corona-Krise zum Emblem moderner Medizin geworden. Doch hinter dieser Lichtgestalt verbirgt sich ein Mensch mit Schattenseiten. Cicero erzählt die Geschichte, wie Christian Drosten zu dem wurde, was er war. Und warum das immer auch ihm selbst genutzt hat.
Ein Mann geht. Stück für Stück verschwindet er: „Ich schaffe es nicht mehr“, sagt er. Und: „Ich brauche Zeit für die Forschung.“ Klare Worte. Und doch geht dieser Mann nicht unmittelbar. Eher schon ist es ein Zeremoniell. Eine langsame Heimkehr. Gespickt mit Abstufungen und Zwischenschritten. Angekündigt hat er seinen Abgang bereits am 23. März: „Ich habe ein Institut zu leiten“, sagte er damals; ehrlich und öffentlich, in einem langen Interview mit der Wochenzeitung Die Zeit. Die Finanzierung dieses Instituts koste ihn gerade sehr viel Arbeitskraft. Und dann sei da auch noch all der Hass; die vielen Versuche, seinen Ruf zu schädigen … Immer wieder, erzählt er, habe er sich dagegen zur Wehr gesetzt. Jetzt aber ist Schluss. Nach über zwei Jahren im Rampenlicht.
Christian Drosten, Leiter des Instituts für Virologie an der Berliner Charité und in dieser Funktion Deutschlands bekanntester Covid-Aufklärer, verabschiedet sich von der großen Bühne. Allein mit seinem Podcast Coronavirus-Update hat er in den ersten Pandemiemonaten gut 41 Millionen Menschen erreicht. Im März dieses Jahres erklärt der oberste Corona-Berater der Regierung das Aus für das populäre Talk-Format. Später wirft er auch noch seinen Posten im Sachverständigenrat zur Evaluierung des Infektionsschutzgesetzes hin. Journalisten scheinen sich einig zu sein: Hier geht ein Genius. Einer, der auf Du und Du ist mit dem neuen Coronavirus. Der es besser kennt als jeder andere. Als dann am 11. Mai auch noch bekannt wird, dass die Bundesregierung den im Dezember eingerichteten Corona-Krisenstab auflösen wird – auch hier wurde Drosten oft als Primus inter Pares wahrgenommen –, ist seine Zeremonie des Abschieds endgültig abgeschlossen.