Häuser in Schanghai
Leere Straßen, volle Häuser. Die chinesische Wirtschaftsmetropole Schanghai ist im Lockdown / dpa

Schanghai-Lockdown - „Das konnte sich niemand vorstellen“

Nicht nur in Schanghai setzt die chinesische Regierung ihre strikte Null-Covid-Doktrin durch – aber die einstige Vorzeigemetropole trifft es als Wirtschaftsstandort besonders hart. Viele Ausländer wollen so schnell wie möglich weg. Geht es Xi Jinping wirklich nur darum, ein Virus einzudämmen? Oder steckt mehr dahinter?

Autoreninfo

Philipp Mattheis ist Herausgeber von BlingBling, einem wöchentlichen Newsletter über Bitcoin, Geld und Freiheit. Von November 2019 bis März 2021 war er Ostasien-Korrespondent von Stern und Capital in Shanghai.

So erreichen Sie Philipp Mattheis:

Als „perfekte Kombination aus sozialistischem System und Ingenieurstechnik“ beschreibt der Chinese Allen auf seinem Blog Wukan.me das Quarantänelager in Schanghai. Vier Tage musste er in diesem „Tierheim“ oder „Live-Rollenspiel“, in dieser „Dystopie“, wie er es abwechselnd nennt, verbringen. Ende April nämlich ist einer der unzähligen PCR-Tests, die er in den vergangenen Wochen über sich ergehen lassen musste, positiv. Symptome hat er keine, wo er sich angesteckt haben soll während der strikten Ausgangssperre, ist ihm auch ein Rätsel. Trotzdem werde er abgeholt, sagen ihm die „Da Bais“ – die „Großen Weißen“, wie die unzähligen gesichtslosen Sicherheitsleute wegen ihrer weißen Schutzanzüge heißen.

Allen wird in eine gewaltige Halle gebracht, wo man Tausende Betten aneinandergereiht hat. Der einzige Platz für Privates: ein kleines Nachtkästchen. Duschen gibt es keine, die Toiletten sind verdreckt. Das Licht brennt die ganze Nacht – warum man es nicht abschaltet, kann ihm keiner erklären. Die meisten Leute hier, schreibt er, würden ohnehin keine Fragen mehr stellen. „Ein surreales Gefühl: ein riesiges Gebäude und Menschen, die Schlange stehen, um sich lautlos vorwärtszubewegen.“ Allen hat Glück: Er hat zwei negative Testergebnisse und darf nach vier Tagen das Lager verlassen – zurück in seine Wohnung, zurück in den Lockdown. Andere verbringen 18 Tage und mehr dort.

Cicero Plus weiterlesen

  • Monatsabo
    0,00 €
    Das Abo kann jederzeit mit einer Frist von 7 Tagen zum Ende des Bezugzeitraums gekündigt werden. Der erste Monat ist gratis, danach 9,80€/Monat. Service und FAQs
    Alle Artikel und das E-Paper lesen
    • 4 Wochen gratis
    • danach 9,80 €
    • E-Paper, App
    • alle Plus-Inhalte
    • mtl. kündbar

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.

Christa Wallau | Di., 31. Mai 2022 - 11:45

Globalismus geglaubt hat (Ich nicht!), der wird jetzt eines Besseren belehrt.
Weltweite Wirtschaftsbeziehungen sind gut, aber es dürfen dabei keine ABHÄNGIGKEITEN entstehen, die Leben u. Wohlstand unzähliger Menschen bedrohen, wenn es den Regierenden irgendwo gefällt, dringend benötigte Sachen
(v. allem Medikamente, Rohstoffe, Mikro-Chips usw.) nicht mehr zu liefern.
Die Gier u. gleichzeitige Naivität (Dummheit), mit der die Geschäftemacher und Profiteure der
weltweiten Billig-Produktion die Globalisierung vorangetrieben haben, zeigen nun ihre häßliche Kehrseite.
Und natürlich treffen die schlimmen Folgen - wie immer - n i c h t diejenigen, die ihren großen Reibach beim weltweiten Handel gemacht haben, sondern die Menschen in den abhängigen Ländern.
China bzw. seinem diktatorischen, menschenverachtenden Regime zu erlauben, sich so wichtig zu machen für Handel u. Produktion nicht nur im eigenen Reich, sondern auch z. B. in Afrika, war einer der größten Fehler der westl. Mächte.

Christoph Kuhlmann | Di., 31. Mai 2022 - 12:11

der chinesischen Regierung zu beschreiben. Die Lockdowns rufen auch in China ungeahnte Kosten hervor und stellen die Vorzüge des chinesischen Systems der Einparteienherrschaft in Frage.
a) Bringt es große Teile der Bevölkerung in Opposition zum diktatorischen Überwachungsstaat orwellschen Ausmaßes. Die Zwänge denen der Einzelne ausgesetzt ist werden offensichtlich extrem. Der Kritik am Freiheitsentzug kann immer weniger mit einem Wohlstandsversprechen begegnet werden.

b) International ist China aber auf dem besten Wege eine stetige, langfristige Erosion seiner dominanten Rolle als bedeutender, unverzichtbarer Produzent in vielen industriellen Sektoren in Gang zu setzen und damit auch Großprojekte, wie die Neue Seidenstraße mit erheblichen finanziellen Risiken zusätzlich zu gefährden. Einerseits werden die Waren, die China dort transportieren möchte eventuell woanders hergestellt, andererseits ist Chinas Wirtschaft und Inverstoren, ebenso wie der Staat, mittlerweile überschuldet.

Markus Michaelis | Di., 31. Mai 2022 - 12:39

Ich denke, das ist ein allgemeiner Zug von Gesellschaften und von Teilgruppen in Gesellschaften: das eigene Narrativ der wahren Werte und Erfolge, auch der Feindgruppen, ist so wichtig, um gegen andere Gruppen zu bestehen und vielleicht noch mehr um nicht selber Halt und Orientierung zu verlieren, dass Narrative meist ab einem Punkt groteske Züge annehmen.

China macht viele Dinge, wohl auch die Narrative, noch etwas perfekter und die Möglichkeiten zur Selbstkorrektur sind begrenzter - gerade weil man so großartig und vornedran ist. Etwas abgeschwächt gilt das aber, denke ich, für alle Gruppen und Denksysteme. Systeme profitieren von klaren Führungen und Regeln. Damit diese klar anerkannt sind, müssen sie aber über das gesunde Maß hinaus ihr eigenes Narrativ absolut stellen.

Brigitte Miller | Di., 31. Mai 2022 - 15:34

da gab es doch tatsächlich (intellektuelle?) Stimmen hierzulande, die befanden, so eine Krise könne halt in einer Diktatur besser bewältigt werden als in einer Demokratie. Schon erstaunlich, was für Gedanken, Ideen und Charakter - Entblössungen in der Coronazeit zu Tage traten.

Karla Vetter | Di., 31. Mai 2022 - 19:38

im Kriegsfalle gar nicht angreifen. Schon das Einstellen der Medikamentenproduktion und anderer lebenswichtiger Güter, könnte ein Massensterben auslösen. Wir sind viel zu abhängig geworden. Besonders verwerflich ist, dass unsere Regierung den chinesischen Export des Lockdowns so bereitwillig angenommen hat.

Norbert Heyer | Mi., 1. Juni 2022 - 07:11

Nicht Corona ist die Ursache der strengen Quarantäne in China, sondern eine Gemeinschafts-Aktion zwischen den Russen und den Chinesen? Welchen Sinn sollte es ergeben, wenn die Chinesen ihre Exporte bewusst zurückfahren? Sie haben mittlerweile den Status eines lebensnotwendigen Lieferanten für Arznei- und Lebensmittel, Nachrichtentechnik, Elektronik, Fahrzeuge, Werkzeug, Kleidung, Möbel etc. Warum um alles auf der Welt sollten sie diesen erreichten Status aufgeben? Wollen sie Unruhen im Westen erzeugen, um die "Weltrevolution" neu zu beleben? China war und bleibt für den Westen ein Riesenreich, dass mittlerweile eine bedrohlichen Weltmacht darstellt. Die USA senden unüberhörbare Signale, was im Falle einer militärischen Aktion gegenüber Taiwan passieren wird. Die Zeitenwende verteilt vielleicht die Karten neu: Die USA als Weltmacht Nr. 1 wird von China herausgefordert und könnte seinen Nimbus verlieren, die Russen sind Rohstoff-Lieferant nur für China und Europa wird weiter abgehängt.

WD Hohe | Mi., 1. Juni 2022 - 13:29

Zeitgewinn und Energieersparnis für Alle:
TV & Rundfunk muss nicht eingeschaltet werden.
Meinungseinigkeit - keiner weiß was :-)

Bernhard Marquardt | Mi., 1. Juni 2022 - 16:40

„Die zahlreichen von ihm eingeführten Reformen und Normenregulierungen waren mit Zwangsarbeit und rücksichtsloser Gewaltherrschaft verbunden, die Millionen seiner Untertanen das Leben kosteten. Das Qin-Reich war maßgeblich von den Überlegungen des Legalismus geprägt, welcher das Kollektiv über den Einzelnen stellt sowie Belohnung und Bestrafung als Schlüssel zur Wahrung der Macht ansieht.
In den Reihen der Armee galt darüber hinaus das Prinzip der Fünfergruppe. In diesem war jeder Soldat nicht nur für sich, sondern auch für vier Kameraden verantwortlich. Im Falle der Flucht eines Mitgliedes einer Gruppe wurden die vier anderen zur Strafe hingerichtet.
Qin Shihuangdi ... war er ein rücksichtsloser und totalitärer Gewaltherrscher, der seine Ziele mit bis dahin ungekannter Härte verfolgte, dem der einzelne Bürger nichts galt und der zehntausende seiner Untertanen in die Zwangsarbeit schickte.“
Auszüge aus Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Qin_Shihuangdi . Höchst lesenswert.