Teodor Currentzis dirigiert sein Orchester MusicAeterna / Amoorphotographer

Teodor Currentzis - Putins Palastorchester

Die Spuren von Dirigent Teodor Currentzis und seinem Orchester MusicAeterna führen direkt in den Kreml. Im Sommer sollen sie bei den Salzburger Festspielen auftreten.

Autoreninfo

Axel Brüggemann ist Musikjournalist und lebt in Bremen. Zuletzt erschien der von ihm herausgegebene Band „Wie Krach zur Musik wird“ (Beltz&Gelberg-Verlag)

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Seit dem frühen Morgen rollten Panzer aus Belarus auf Kiew zu, die Staatschefs der Welt waren im Krisenmodus, einige befürchteten den Beginn eines dritten Weltkriegs. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine war erst wenige Stunden alt und hielt die Welt in Atem. Aber auf dem 50. Geburtstag des Dirigenten Teodor Currentzis, am Abend des 24. Februar in Sankt Petersburg, spielte der Krieg keine Rolle. Man lachte, spaßte, und Currentzis hielt eine Rede: Schwarzes T-Shirt, schwarze Hose, das Sektglas mit der Faust umklammert, tänzelte er vor seinem Publikum und schwadronierte über das Leben nach dem Tode und die Bedeutung des Lebens vor dem Tode. Dieses Leben würden er und sein Orchester MusicAeterna voll und ganz der Kunst widmen. Weltliche Werte, Statussymbole oder Geld, seien ihm egal – er sei allein vom Idealismus getrieben. Wie so oft gelang es Teodor Currentzis, seine Zuhörer zu verführen. Kein Wort von den rollenden Panzern, vom Krieg, von Wladimir Putin. Die Gäste des Dirigenten applaudierten diesem gespenstischen Schauspiel.

Teodor Currentzis, amtierender Chefdirigent des SWR-Orchesters, ist ein Phänomen der Klassikszene, einer, der Mozart und Mahler im Stehen gegen den Strich bürsten lässt. Ein gewaltiger Exzentriker, für manche ein Genie, für andere ein Scharlatan. Regelmäßig sorgt er mit seinem Ensemble MusicAeterna bei den Salzburger Festspielen für Aufsehen – und genau dort steht er nun auch in der Kritik. Sein Orchester wird von der russischen VTB-Bank gesponsert, die auf der europäischen Sanktionsliste steht. Die aktuelle Diskussion um Currentzis ist keine der musikalischen Ästhetik, sondern eine der politischen Abhängigkeit.

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F Bothmer | Sa., 28. Mai 2022 - 12:20

Herr Brüggemann ist ein ideologisierter Scharfmacher. Ich lese Cicero, da dieses Magazin ein unideologisches und sachliches Selbstverständnis hat. Herr Brüggemann pass hier nicht rein.

Karl-Heinz Weiß | Sa., 28. Mai 2022 - 13:01

Christine Strobl, geb. Schäuble, jetzt ARD-Programmdirektorin, setzte schon in ihrer Zeit beim SWR konsequent auf Berichte über Minderheiten. Wahrscheinlich sind die sehr sparsamen SWR-Kommentare zur Personalie Currentzis auf diese Stilbildung zurückzuführen.

Jens Böhme | Sa., 28. Mai 2022 - 14:08

Muss man demnächst beim Bäcker ein Gesinnungsbekenntnis zur Ukraine oder gegen Russland abgeben, um Bäckerwaren zu erwerben? Müssen die verstorbenen Komponisten wie Tschaikowski und Schostakowitsch sich aus ihren Gräbern melden, damit deren Musik weiter öffentlich gespielt werden darf? Ich verurteile die russische Aggression gegen die Ukraine. Aber ich möchte keinen totalen Gesinnungs- und Propagandakrieg aller Unbeteiligten, denn der hilft nicht den Krieg zu beenden.

Thomas Hechinger | So., 29. Mai 2022 - 00:01

Antwort auf von Jens Böhme

Ich nehme da eine Mittelposition ein. Ich finde, man kann verlangen, daß Herr Currentzis sich von dubiosen Finanzierern aus dem Dunstkreis Putins trennt. Und wenn er das nicht tut, dann muß man sein Engagement beenden. Es geht hier darum, Putin zu sanktionieren, nicht Herrn Currentzis oder „die“ Russen. Und genau da hört auch der Spaß auf. Ich halte überhaupt nichts davon, Gesinnungsprüfungen durchzuführen und von irgendwelchen Künstlern Bekenntnisse einzufordern. Herr Currentzis steht als Künstler unter Vertrag, nicht als Politiker oder „Russe“.

„Hier gilt's der Kunst!“

Bernhard Homa | Sa., 28. Mai 2022 - 15:24

Kurzfassung: Der russ. Staat betreibt Kulturdiplomatie, um das eigene Ansehen im Ausland zu verbessern – kleiner Tipp: solche "Kulturpropaganda" gibts nahezu von allen Nationen, verschwörungstheoretisches Geraune brauchts dafür nicht. Allerdings führen halt nicht alle davon gerade einen Angriffskrieg ...

Die o.g. Stiftungskonstruktion sieht tatsächlich dubios aus, das ist aber separat und hat mit der politischen Haltung erst mal nichts zu tun

"Es geht hier nicht um eine „Gewissensprüfung aller Russen“, sondern darum, dass Currentzis sich klar und jenseits der Kunst positioniert": genau das ist eben politische Gesinnungsschnüffelei, Gratulation zu diesem Selbstwiderspruch.

Generell sollte Herr Brüggemann etwas vorsichtiger mit seinem penetrant hyperbolischen Pseudomoralismus sein, das kann auch ganz schnell nach hinten losgehen. Die faktische Forderung nach Berufsverboten im McCarthy-Stil ist da schon ein heißer Indikator

Pseudomoralismus strahlt Brüggemann aus. Wie wahr Herr Homa. Doch es be-
steht Hoffnung. O-Ton Brüggemanns, glaubt er, daß Musik das Leben verändern kann".

Früher, als Musikjournalist für die "Jüdische Allgemeine" geschrieben zu haben, ist Daniel Barenboims Tabubruch, vor 20 Jahren in Jerusalem Richard Wagners Vorspiel zu "Tristan und Isolde" dirigierte ist unvergessen. Eine antsemitische Musik. Später reiste B. mit Barenboim durch Amerika.

B. kennt die Festspielleiterin Katharina Wagner seit vielen Jahren. (ich auch.)
"Er glaubt wir vertrauen einander und akzeptieren die journalistische
Unabhängigkeit". "Es sei immer eine Ambivalenz, als Journalist so nah dabei zu sein.

Goethe würde klagen zwei Seelen brennen in mir. Auch bei Ihnen in der "Affäre Currentzis" werter Herr Brüggeman?

"Warum kümmert Euch Deutsche, daß die Israelis keinen Wagner spielen?
Wollt Ihr Wagner einen Kosher-Stempel aufdrücken"? fragt jetzt der Weimarer Musikwissenschaftler Jascha Nemtsov.

Gerhard Lenz | Sa., 28. Mai 2022 - 20:52

Zitat:.... da dieses Magazin ein unideologisches und sachliches Selbstverständnis hat. Herr Brüggemann pass hier nicht rein.

Es passt nicht rein, was dem durchschnittlichen Putin-Sympathisanten nicht in den Kram passt?

Sowas nenne ich "durch und durch ideologisch, fernab jeglichen Sachverstands."

Kontroverse erfordert unterschiedliche Meinungen. Der Cicero ist kein Wissenschaftsmagazin, seine Beiträge geben in der Regel die Meinung des jeweiligen Autors wieder, auch wenn sie mit Fakten unterlegt ist.

Ein Anspruch, wie ihn der nörgelnde Forist anmeldet, ist völlig realitätsfremd.

Aber wahrscheinlich gefällt ihm schlicht die Richtung des Beitrags nicht. Und sollte deswegen als "unpassend" zensiert bzw. aussortiert werden.