
- Gift auf Rezept
Die Zeitenwende in der Debatte um die Sterbehilfe ist heute im Bundestag angekommen. Verhandelt wird im weiteren Sinne das Freiheitsrecht zur Selbsttötung. Was muss der Staat tun, um Sterbewilligen das tödliche Medikament zukommen zu lassen? Besser gesagt: Wie wird sichergestellt, dass diejenigen, die beim Suizid helfen wollen, daran nicht gehindert werden? Drei Anträge stehen zur Debatte.
Es ist ein Paradox, aber Sterben ist keine Selbstverständlichkeit mehr. Es ist vor allem die moderne Medizin, die die natürlichste Sache der Welt zu einer komplizierten Angelegenheit gemacht hat. Der Tod tritt häufig in Krankenhäusern nicht mehr einfach ein, weil die pharmakologische und medizintechnische Entwicklung eine „Lebensverlängerung“ auch bei schwersten Krankheiten möglich macht. Die in Deutschland seit Jahren geführte Debatte um die sogenannte Sterbehilfe hat eigentlich hier ihren Ursprung, auf den Intensivstationen der Krankenhäuser und bei den Ängsten vieler Menschen, nicht sterben zu können, sondern an „Schläuchen zu hängen“. Doch das Thema hat inzwischen eine völlig andere Wendung genommen.
Schubumkehr: Grundrecht auf Suizid
Wenn im Bundestag wieder einmal eine Orientierungsdebatte zum Thema Sterbehilfe stattfindet, dann geht es längst nicht mehr um ein wie auch immer geartetes würdevolles Sterben am Lebensende. Durch den Paukenschlag des Bundesverfassungsgerichts von vor zwei Jahren haben wir – wahrscheinlich für viele unbemerkt – eine Art Schubumkehr erlebt. Nun geht es nicht mehr um Ausnahmen in Grenzsituationen, sondern umgekehrt um Freiheiten, die nicht eingeschränkt werden dürfen. Es geht um das Grundrecht auf Selbsttötung in jeder Situation und zu jeder Zeit aus dem freien Willen eines jeden einzelnen Menschen heraus. Und vor allem: die Hilfe anderer, demjenigen zu assistieren, der sich selbst töten will. Was heute als „Sterbehilfe“ diskutiert wird, hat mit dem Ursprungsproblem nur am Rande zu tun. Im juristischen Jargon geht es um „Beihilfe zum Suizid“. Diese ist in Deutschland zwar nicht strafbar, aber das Verfassungsgericht hatte ein Gesetz gekippt, nachdem die so genannte „Geschäftsmäßige Beihilfe zum Suizid“ verboten werden sollte. Sogenannten Sterbehilfevereinen sollte ihre Tätigkeit verboten werden. Da ist nun hinfällig.