
- Führung bestellt und nicht geliefert
Ukraine-Krieg, Konjunkturkrise, De-Globalisierung - diese existenziellen Herausforderungen verlangen eigentlich nach Führungsstärke. Bundeskanzler Olaf Scholz und seine Regierungskoalition bleiben jedoch der Politik der Unverbindlichkeit seiner Amtsvorgängerin verhaftet. Will die Ampel Erfolg haben, muss die Nachspielzeit des Merkelismus ein Ende haben.
Die deutsche Position im Ukrainekonflikt erscheint politischen Beobachtern, Verbündeten und wohl auch einer Bevölkerungsmehrheit undurchsichtig. Aus der Koalition und insbesondere aus dem Kanzleramt kommen ambivalente Botschaften: Sie changieren zwischen pazifistischer Konsequenz und offensiver Abwehrbereitschaft der russischen Aggression. Für die Wählerschaft bleibt unklar, ob die Bundesrepublik nun eine Zeitenwende erwartet oder ob das Land bei seiner bisherigen Linie bleibt: im Nato-Geleitzug hinten mitzuschwimmen, ohne jemals auszuscheren oder sich an die Spitze zu setzen. In der heiklen Frage der Lieferung schwerer Waffen erlebt die Öffentlichkeit lediglich einen Ringtausch der Ausreden, warum es derzeit nicht dazu kommt oder wahlweise noch dauern kann. Eine unmissverständliche Positionierung, die auch ein Ausweis von Führungsstärke wäre, vermeidet die kakophon auftretende Bundesregierung aber.
Ähnliches galt schon für die Politik in der Coronapandemie, welche direkt vor der jetzigen Krise die ökonomischen und grundgesetzlichen Fundamente durchgerüttelt hat. An Konsistenz fehlte es da schon beim Vorgehen der alten Bundesregierung und der Bundesländer. Die Ampel aber setzte diese Linie fort, indem sie die vermeintliche Bereitschaft zum schnellen Maßnahmenende mit großer Rücksichtnahme auf das schrumpfende „Team Vorsicht“ kombinierte. In der Außenwirkung entstand so der Eindruck eines politischen Oxymorons.