Alexander Marguier Ralf Schuler
Alexander Marguier und Ralf Schuler / Cicero

Ralf Schuler im Gespräch mit Alexander Marguier - Cicero Podcast Politik: „Olaf Scholz versucht, Merkel zu kopieren“

Ist Populismus eine Gefahr? Oder kommt eine lebhafte Demokratie gar nicht ohne ihn aus? Und wo verlaufen die Grenzen zwischen demagogischer Scharfmacherei und gesunder Volksnähe? Über diese Gratwanderung spricht Ralf Schuler, Buchautor und Leiter des „Bild“-Parlamentsbüros, ebenso wie über Konformitätsdruck in der Politik – und was sein Blick auf das Ganze mit seiner eigenen DDR-Biografie zu tun hat.

Alexander Marguier

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Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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„Lasst uns Populisten sein“: So lautet der Titel eines Buches, das Ralf Schuler in der Endphase der Ära Angela Merkels geschrieben hat – und das nun mit der Kanzlerschaft von Olaf Scholz neue Aktualität erfährt. Denn Schuler, hauptberuflich Leiter der Parlamentsredaktion bei der Bild-Zeitung, wirft Merkel vor, durch das Beschweigen heikler Themen wie Migration und durch hartnäckige Debattenverweigerung im Hinblick auf politische Großbaustellen dem Populismus Tür und Tor geöffnet zu haben: „Wenn man versucht, ein bestimmtes Thema als thematischen Fremdkörper im politischen Diskurs komplett rauszulassen, dann muss das schiefgehen. Dann steigt der Druck im Kessel, und dann fliegt es uns irgendwann um die Ohren.“ Der Aufstieg der AfD, so Schulers Überzeugung, wäre ohne Merkels Schweigen und Schönreden kaum möglich gewesen.

Doch ihr Amtsnachfolger scheint es genauso halten zu wollen. Auch Olaf Scholz ist ein Meister darin, sich möglichst nicht festzulegen: Er arbeitet gern mit diffusen Begriffen und ist gleichzeitig zu tollkühnen Richtungswechseln in der Lage – wie sich bei der Frage nach Waffenlieferungen an die Ukraine soeben gezeigt hat. Scholz, der noch im Wahlkampf ausdrücklich politische Führungsqualitäten für sich beansprucht hat, wirkt wie ein Getriebener. Doch womöglich trügt der Eindruck, und seine Strategie der öffentlichen Kommunikation folgt ihrer eigenen Ratio. Aber funktioniert das dann auch in Krisenzeiten?

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Alexander Marguier und Ralf Schuler / Cicero

Darüber spricht Ralf Schuler mit Alexander Marguier im Cicero Politik Podcast – und berichtet gleichzeitig darüber, wie er Merkel aus nächster Nähe erlebt hat, was ihre Leitgedanken in der Flüchtlingskrise waren und warum er den Konformitätsdruck innerhalb der Parteien für demokratiegefährdend hält. Denn Schuler, der in der DDR aufgewachsen ist und dort selbst Repressalien erfahren hat, ist in dieser Hinsicht ein gebranntes Kind. „Ich finde, der Vorteil der Freiheit besteht auch darin, dass man auch falsche Meinungen haben darf“, sagt er. Wobei hinzuzufügen wäre: Die „falsche“ Meinung von heute kann sich schon morgen als „richtig“ erweisen.

Das Gespräch wurde am 01. Mai 2022 aufgezeichnet.

 

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Günter Johannsen | Fr., 6. Mai 2022 - 12:38

Ich sehe das in Teilen auch so:
Wenn Scholz kein Rückgrat zeigt und der Merkel-Ära hinterherschleimt, hat er schon verloren. Dass die SPD auf dem absteigenden Ast sitzt, hat genau damit zu tun: keine Vision, kein Rückgrat, keinen Schneid ... und damit offen nach allen Seiten und eben auch für die SED-Erben. Mit einem "führenden Genossen" als BP, der eine RAF-Terroristin Gudrun Ensslin in der Reihe »großer Frauen der Weltgeschichte« nennt – und sich dann entschuldigen muss, kann der verein keinen Staat machen!
Allein der größte Teil des SPD-Personals ist außerirdisch!

Christa Wallau | Fr., 6. Mai 2022 - 13:20

sagt, kann ich unterschreiben.
Vor allem seine grundsätzliche Kritik an der Beliebigkeit der Merkel-CDU ist natürlich richtig.
Daß er Herrn Merz empfiehlt, dort anzuküpfen, wo die CDU v o r Merkel einmal war, ist ein guter Rat; denn damals hatte diese Partei noch mehr Standfestigkeit in bestimmten Fragen und fiel nicht bei jeder Gelegenheit um, jedenfalls nicht so schlagartig, wie dies unter Merkel der Fall war. Die Erosion hatte zwar schon unter Kohl begonnen, aber es gab noch ein gewisses konservatives Fundament in der CDU.

Merz hat es allerdings in dieser Hinsicht nicht leicht; denn es gibt eben jetzt die AfD (Einzig u. allein Merkel zu verdanken!), welche viele ehemalige CDU-Standpunkte fast wörtlich übernommen hat.
Damit sitzt Merz mit seiner CDU sozusagen zwischen allen Stühlen!
"Selber schuld!" - kann ich da nur sagen.
Wer nicht aufpaßt u. nachdenkt, sondern lieber faul auf Merkels Ausverkaufs-Erfolgswelle mitsegelt, hat es nicht besser verdient.

Günter Johannsen | Fr., 6. Mai 2022 - 14:36

Wie immer von Ihnen ein sehr gelungener Kommentar. "Merz hat es allerdings in dieser Hinsicht nicht leicht; denn es gibt eben jetzt die AfD (Einzig u. allein Merkel zu verdanken!)." Das kann ich voll unterschreiben. Nur bin ich hinsichtlich Merz (als künftigen Kanzler) noch guter Hoffnung! Er wird einiges zurückdrehen können und müssen, was die linXe Kanzlerin und frühere FDJ-Sekretärin (nach linX-außen)"modernisiert" hat!

Ernst-Günther Konrad | Sa., 7. Mai 2022 - 08:17

Ich kann ihren Kommentaren wieder einmal nur zustimmen. Ich gönne Ihnen Herr Johannsen die Hoffnung auf Merz, denn die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt. Ich bin da eher skeptisch, denn er hat weder bislang ein Parteiprogramm erstellt - schwierig neben der AFD-, noch hat er eine schonungslose Aufarbeitung der Ära Merkel bislang eingeleitet. Auch wenn er hier und da mal etwas Kritik durchblitzen läßt, so bleibt er blass, müde und für den Bürger zu distanziert zum Volk und seinen realen Problemen. Ralf Schuler ist auch immer wieder bei Burkhardt-Müller Ullrich im Kontrafunk (Nachfolge von Indubio auf der Achse) zu hören. Seinen Analysen haben eine sehr hohe Trefferquote. Man kann ihm aber gut zuhören.

Walter Bühler | Sa., 7. Mai 2022 - 11:50

Herr Schuler erinnert sehr zu Recht daran, wie das Verhalten "unserer" Abgeordneten durch die Macht unserer Parteien bestimmt wird, Kandidaten aufzustellen. Das macht sie tendenziell zu ängstlichen und angepassten Persönlichkeiten.

In der Tat müssen sie Netzwerke hegen, pflegen, hätscheln und bedienen, wenn sie wieder als Kandidaten aufgestellt werden wollen.

Dadurch ist die parlamentarische Demokratie fast überall zur Herrschaft mediokrer und intellektuell unselbständiger Parteifunktionäre degeneriert.

In einigen anderen Demokratien entscheidet in erster Linie einfach das Privatvermögen über die Kandidatur (Plutokratie bzw. Oligarchie).

Beide Formen sind von der idealen Demokratie meilenweit entfernt, unter deren Fahne sie ursprünglich antreten.