Novalis
Novalis auf dem berühmten Gemälde von Franz Gareis / dpa

250. Geburtstag von Novalis - Von der Sehnsucht nach der Blauen Blume

Er war der Erfinder der blauen Blume. Jenes Symbols, das wie kein anderes für Sehnsucht und Romantik steht. Für Goethe hätte er der Imperator des geistigen Lebens in Deutschland werden können. Friedrich Schlegel erhob ihn zu einer Christusfigur. Früh wurde er zu einer mythischen Gestalt. Denen, die ihn kannten, war er Zauberer und Prophet. Seine junge Verlobte verstarb früh und wurde so zum Sinnbild romantischer Verklärung. Und auch er selbst gehört zu jenen Junggestorbenen, deren Tod sie ins Unwirkliche enthob: Friedrich von Hardenberg, besser bekannt unter seinem Pseudonym Novalis.

Autoreninfo

Alexander Grau ist promovierter Philosoph und arbeitet als freier Kultur- und Wissenschaftsjournalist. Er veröffentlichte u.a. „Hypermoral. Die neue Lust an der Empörung“. Zuletzt erschien „Vom Wald. Eine Philosophie der Freiheit“ bei Claudius.

So erreichen Sie Alexander Grau:

Novalis bedeutet so viel wie: der Neuland Bestellende. Und Neuland bestellte von Hardenberg. Erzogen in Geist eines strengen Pietismus, aufgewachsen unter dem Einfluss eines eher lebensfrohen Onkels, studierter Montanwissenschaftler und Mineraloge, zugleich erfüllt vom Geist romantischer Poesie und der Philosophie Fichtes, versuchte Novalis alles in seinem Werk zusammenzufassen: unorthodoxe Religiosität, poetische Theorie, naturwissenschaftliches Denken und die nachkantische Philosophie.

Geboren wurde Friedrich von Hardenberg vor 250 Jahren, am 2. Mai 1772, auf dem Rittergut Oberwiederstedt in Thüringen, damals Grafschaft Mansfeld. Die Hardenbergs waren ein ursprünglich niedersächsisches Adelsgeschlecht. Ihm entstammte auch der berühmte preußische Reformer Karl August Fürst von Hardenberg. Friedrichs Vater Erasmus von Hardenberg, zunächst Gutsbesitzer, später kursächsischer Salinendirektor, hatte sich nach einer lebenslustigen Jugend zu einem strengen Pietismus bekehrt.

1790 schrieb sich Friedrich von Hardenberg an der juristischen Fakultät der Universität Jena ein, doch statt Rechtswissenschaften hörte er Vorlesungen bei dem damaligen Star der Philosophie Johann Gottlieb Fichte und studierte bei Friedrich Schiller Geschichte. Es wird der Startschuss sein für einen einzigartigen intellektuellen Aufbruch.
Im April 1791 erscheint Hardenbergs erstes Gedicht in dem von Christoph Martin Wieland herausgegebenen Neuen Teutschen Merkur. Es ist gezeichnet mit „v. H…g“ und erkennbar unter dem enormen Eindruck verfasst, den Schiller auf den jungen Studenten machte. Das Metrum der Verse etwa ist Schillers „Die Götter Griechenlands“ entnommen: „Nimmer schwanden undankbar die Freuden, traumgleich mir in öde Fernen hin“, lauten die ersten beiden Zeilen.

Cicero Plus weiterlesen

  • Monatsabo
    0,00 €
    Das Abo kann jederzeit mit einer Frist von 7 Tagen zum Ende des Bezugzeitraums gekündigt werden. Der erste Monat ist gratis, danach 9,80€/Monat. Service und FAQs
    Alle Artikel und das E-Paper lesen
    • 4 Wochen gratis
    • danach 9,80 €
    • E-Paper, App
    • alle Plus-Inhalte
    • mtl. kündbar

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.

Christa Wallau | Sa., 30. April 2022 - 16:56

zu besuchen, wenn man in der Gegend ist.
Als ich vor Jahren dort anklopfte, war ich die einzige Besucherin, und die Kuratorin der Forschungsstätte für Frühromantik führte mich
persönlich durch die Räume.
Heute muß man sich anmelden, wenn man das Museum aufsuchen will. Das Interesse an Novalis und seiner Zeit hält sich im heutigen Deutschland in Grenzen.

danke für den Tipp. Werd ich mir mal aufschreiben. Lange her, als ich meine eigene "romantische Phase" hatte (führte sogar dazu, dass ich in Erdkunde Sätze wie "in einem lieblichen Tal, wo sich reichlich Landwirtschaft tummelte" schrieb, was mir eine Rüge des Lehrers einbrachte ;) ... und Novalis verehrte.
Tipp: Gibt wunderschön vertonte Rilke-Gedichte von Schönherz & Fleer (...wenn ich mal "Schleichwerbung" machen darf) - das letzte Album "Sehnsucht" ziert die blaue Blume. Für mich einer der besten Wege (neben dem Malen & Laufen), den Kopf vom "Kriegsgeschrei" frei zu bekommen :)

Thorwald Franke | Sa., 30. April 2022 - 17:17

Die Romantik ist Teil unserer Kultur und gehört dazu. Sie ist jedoch gefährlich, insofern sie die Vernunft schlafen legt und gefährliche Träume gebiert.

Die Utopien von Marx und Hitler sind aus diesem Holz geschnitzt. Ebenso der Granatenmist, der sich heute als Gauland-AfD manifestiert.

Rationalität wäre eine echte Alternative für Deutschland gewesen. Und nur von der sicheren Warte der Rationalität aus kann man dann das Streben eines Novalis wieder in den Blick nehmen und zu neuen, rational kompatiblen, Höhen führen. Ein moderner Konservativismus kann nur rational und realistisch gedacht werden. Dazu gehört epistemische Zurückhaltung.

Novalis hätte besser diese Zeilen in Schillers Verschleiertem Bild zu Sais bedacht, gegen das er mit seinen Lehrlingen zu Sais anschrieb:

"Kein Sterblicher, sprach des Orakels Mund,
Rückt diesen Schleier, bis ich selbst ihn hebe."

das könnte den Betrachter wirklich nicht nur berühren, sondern erfassen.
Man lese nur Sloterdijks Vorsicht den Göttern gegenüber.
Ich überlege, ob all diese poetischen Gedanken schon Mozarts Zauberflöte folgen.
Dann hätte man deren Schluss nicht beachtet, der ja genausogut ein Beginnen ist und immer schon wurde.
Die Königin der Nacht gewinnt den Sonnenkreis nicht im Sinne von Herrschaft über und Sarastro die Nacht nicht im Gebieten über die Tochter, aber Pamina und Tamino leben nicht hinter Schleiern, sowenig wie uns Wahrheit verborgen bleibt.
Nur der selbstsüchtige Blick darauf verdirbt es, das Ergreifen, statt es zu leben.
Dem liebenden Blick scheint sie zugänglich oder was sollen Novalis Gedanken sein, etwa nicht die Wahrheit?
Ich habe mich davon aber immer auch sehr fern gehalten.
Da man aber ein Teil davon ist, verwebt man sich unmerklich.
Nichts ist verloren und niemand.
Wissen wird auch überbewertet, es bleibt schon bei Goethe, aber Studien sollten als Teil des Lebens geschehen.

Freundlieb, Dieter | So., 1. Mai 2022 - 09:47

Es ist wirklich ein Jammer, dass die deutsche Romantik, vorwiegend rezipiert durch deutsche Literaturwissenschaftler und Geistesgeschichtler, in einem schlechten Sinn 'romantisiert' und damit bis zu einem bestimmten Grad verhunzt worden ist.

Wer sich ein anderes und viel umfassenderes und tiefergehendes Bild des frühromantischen Denkens von Novalis und anderen Romantikern verschaffen will, sollte sich einmal mit den Ausführungen des Philosophen Manfred Frank zur Frühromantik allgemein und zu Novalis im besonderen befassen.

Auch Hölderlins (wenn auch knappe) philosophische Gedanken während seiner Jenaer Zeit sind weit entfernt von irgendeinem Irrationalismus, den man Romantikern gerne zuschreibt. Das kann man bei einem der bedeutendsten deutschen noch lebenden Philosophen, Dieter Henrich, nachlesen.

Dankenswerterweise hat der Artikelautor Dr. Grau wenigstens auf Novalis' umfassende naturwissenschaftliche Interessen und dessen akademische Ausbildung auf diese Gebiet hingewiesen.

In der letzten Zeile muss es heißen: ...auf diesen Gebieten hingewiesen.

Vielen Dank, die Literatur ist notiert. Das romantische Denken hat seinen Wert dort, wo es eine ganz andere Dimension als die Rationalität aufschließt, die mit Rationalität gar nicht im Widerspruch steht. Ich kann mir gut vorstellen, dass gerade die Frühromantiker diese Balance noch halten wollten, sie aber später verloren ging. So ist es ja oft: Eine Bewegung entsteht anfangs aus guten Gründen, die sie später aus den Augen verliert. Rationalität ist nicht alles. Aber ohne Rationalität ist alles nichts.

Maria Fischer | So., 1. Mai 2022 - 13:38

Es war weniger Kant als vielmehr Novalis der Auslöser für die Begriffsfindung
„Der moralische Imperativ“ in der Flüchtlingskrise 2015.
Ich frage mich seitdem, ob es ihm gefallen hätte.

„Vom Unerreichbaren, seinem Caracter nach, läßt sich keine Erreichung denken. (Darum sind) die höchsten Kunstwerke (…) schlechthin ungefällig – Es sind Ideale, die uns nur approximando gefallen können – und sollen – ästhetische Imperative“

Für diese Eitelkeit werde ich jetzt 10 Vater unser und 10 Ave-Marias beten müssen.
Grüße an die Herausgeber der FAZ.

Dorothee Sehrt-Irrek | Mo., 2. Mai 2022 - 12:15

ganz richtig, "Der unendliche Mangel an Sein".
Die von (Prof.?) Freundlieb beschriebene Auseinandersetzung um die Romantik war nicht ganz so leicht zu entscheiden.
Die einen vertrauten der Liebe und dem Leben, der Poesie und den fernen Idealen, während Kant wohl immer schon dachte, bevor er lebte und jedenfalls den Raum des Sittlichen und Moralischen bestimmen wollte, bevor er sich gestattete zu träumen oder zu glauben.
Nietzsche schliesst diese Lücke, wenn auch vlt. um den Preis seiner seelischen Gesundheit.
Mein Leben ist so verlaufen, dass ich vielleicht einordnen und zuordnen kann, vor allem aber gelebt habe.
Solange es Leben bleibt und Leben gedeihen lässt, bestenfalls weitergibt, solange bewegt man sich innerhalb der göttlichen Vernunft.
Das sagt Kant eigentlich auch, dass das moralische Gesetz in mir und die Sterne des Himmels identieren in Ewigkeit.
Nach seiner Definition versucht er sich darin als Gott.
Was je bewiesen/gelebt werden kann .
Ist Kants Grabstätte Weltkulturerbe?