
- Im Spinnennetz
Mit der Abhängigkeit von Russland hat sich Deutschland selbst die Falle gebaut, in der wir nun sitzen. Lesen Sie in der Mai-Ausgabe des Cicero, wie Putin die deutsche Politik seit 20 Jahren an der Nase herumführt.
Deutschland sitzt in der Falle. Schlimmer noch: Wir waren selbst daran beteiligt, diese Falle aufzustellen – und haben uns dann sehenden Auges in sie hineinbegeben. Der Ausstieg aus der Atomkraft, mit dem die Bundesrepublik dem Rest der Welt zeigen wollte, wie saubere Energieversorgung in einer ökologischen Zeitenwende funktioniert, war einer der Auslöser dieses schmutzigen Krieges praktisch vor der eigenen Haustür. Plötzlich steht der Begriff „Zeitenwende“ nicht mehr für ein postfossiles Wunderland, sondern für ein 100-Milliarden-Sondervermögen zur Wiederertüchtigung der Bundeswehr. So schnell kann es gehen, wenn wohlstandsgenährte Träumereien mit politischen Realitäten kollidieren.
Jetzt also das böse Erwachen, die Suche nach den Schuldigen. Aber man sollte es nicht dabei belassen, allein frühere Bundeskanzler dafür verantwortlich zu machen, dass Deutschland sich bei der Energie derart in die Abhängigkeit von Russland begeben hat, dass der Herrscher im Kreml zur Finanzierung seiner Militärmaschinerie auch weiterhin auf uns als treue Kunden zählen kann. In Wahrheit wollte es nämlich, bis auf wenige Ausnahmen, niemand so genau wissen. Hauptsache, das Gas floss in Strömen – und warum nicht auch durch eine Unterwasserpipeline namens Nord Stream 2? Das war doch, so Bundeskanzler Olaf Scholz noch im Dezember, ein rein „privatwirtschaftliches Projekt“.
Der Plan des Kreml
Im Januar 2018 erschien in Cicero übrigens ein großer Artikel („Oberste Meeresleitung“) mit folgenden einleitenden Worten: „Energie war immer hochpolitisch und nie rein wirtschaftlich. Um die geplante Nordseepipeline für russisches Gas ist ein Great Game um Macht und Einfluss entbrannt. Angela Merkel hat die geopolitische Dimension unterschätzt.“ Solche Analysen galten damals übrigens als Defätismus – wie andere Regierungskritik auch.
Antonia Colibasanu, eine der besten Kennerinnen der Materie, zeichnet als Autorin unserer Titelgeschichte präzise nach, wie der Kreml schon vor zwei Jahrzehnten damit begonnen hat, sein Spinnennetz zu weben – mit tatkräftiger Unterstützung aus Deutschland. Diese Krise, dieser Krieg in der Ukraine sind das Ergebnis von Naivität, politischer Blindheit, Profitstreben und moralischer Dünkelhaftigkeit. Eine explosive Mischung. „Frieren für den Frieden“ lautet jetzt das Kommando an die Deutschen.
Der Kreis schließt sich.
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