
- Wir werden einander fremd geworden sein
Einst plädierte Hippokrates von Kos für eine Medizin, die nicht schadet, sondern vorsichtig heilt. Mit dem medizinischen Wandel in der Corona-Krise wurden viele hippokratische Grundsätze auf den Kopf gestellt. Als praktizierender Arzt weiß unser Autor, dass der aktuelle Fortschritt der Medizin nicht notgedrungen zu einem menschlicheren Leben führen wird. Ein Plädoyer für eine Rückkehr zu Hippokrates.
Als Arzt stellen sich einem dieser Tage viele Fragen. Die vielleicht wichtigste: Gilt die hippokratische Ethik noch als Leitschnur ärztlichen Handelns? Wenn man diese Frage bejaht, sollte man damit beginnen, auf Politik und Medien einzuwirken, damit Ärztinnen und Ärzten die Rahmenbedingungen für eine solche Ethik nicht weiter aus der Hand genommen werden.
Der über 2000 Jahre alte hippokratische Eid fordert von uns drei Dinge: erstens vorsichtig zu sein, zweitens nicht zu schaden und drittens zu heilen. Der Arzt sollte für diese Ziele nicht nur optimales Faktenwissen einbringen, aufmerksam zuhören und gewissenhaft untersuchen. Es bedarf auch eines Verständnisses biographischer und seelischer Bedingungen des Gegenübers. Und es bedarf des Bemühens, auf Augenhöhe und individuell den rechten Weg zu finden.