
- Frankreich führend, Deutschland abgehängt
Emmanuel Macron hat sich gegen seine Rivalin durchgesetzt – wenn auch mit geringerem Vorsprung als vor fünf Jahren. Dennoch wird er es sein, der wesentlich über die Zukunft der EU bestimmt. Denn Deutschland hat sich unter Bundeskanzler Scholz ins Abseits manövriert. Ein Interview Gerhard Schröders mit der „New York Times“ gibt der Regierungspartei SPD endgültig den Rest.
Vernehmliches Aufatmen bei allen, die Emmanuel Macron für die bessere Wahl halten – zumindest im Vergleich zu einer Kandidatin der äußersten Rechten, die aus linken Versprechungen und nationalchauvinistischer Rhetorik jenen populistischen Kitt angerührt hat, der die Unzufriedenen, die Empörten, die sich zurückgelassen Fühlenden beider extremen Lager aneinander bindet. Immerhin 41,5 Prozent der abgegebenen Stimmen konnte Marine Le Pen gestern auf sich versammeln; fünf Jahre zuvor waren es lediglich knapp 34 Prozent gewesen. Kein Wunder, dass sie sich – gerade mit Blick auf die im Juni bevorstehenden Parlamentswahlen – am Sonntagabend selbst als Wahlsiegerin feierte.
Und es war ja bis zuletzt nicht ausgemacht, dass es gestern in Frankreich nicht auch anders hätte kommen können. Dass das Wahlergebnis letztlich eher ein Votum für einen Amtsinhaber war, der beim Rennen von vielen Französinnen und Franzosen als das kleinere Übel angesehen wurde, dem immer wieder Abgehobenheit und Bürgerferne zum Vorwurf gemacht worden ist, hinterlässt einen Schatten auf der Person des 44-Jährigen. Aber so kann es eben sein in einer Demokratie. Emmanuel Macron hat denn auch keinen Hehl daraus gemacht; er weiß selbst um seinen Makel und ist gestern in einer beeindruckenden Ansprache als frisch gekürter Wahlsieger ausdrücklich auf die Anhängerschaft Marine Le Pens zugegangen: Ein Präsident aller Franzosen wolle er sein. Das Auspfeifen seiner Konkurrentin durch das ihm wohlgesinnte Publikum verbat er sich ausdrücklich. Die bevorstehenden fünf Jahre werden zeigen, ob es ihm gelingt, die Bevölkerung wieder zusammenzuführen.