Nach der Flutkatastrophe im Ahrtal waren Handwerker aus Deutschland für den Wiederaufbau kaum zu finden / dpa

Handwerkermangel - Deutschland im Akademisierungswahn

Eklatanter Fachkräfte- und Handwerkermangel bedrohen den Wirtschaftsstandort Deutschland. Ein Grund dafür ist die Vernachlässigung des dualen Ausbildungssystems. Es ist politisch gewünscht, dass möglichst jeder das Abitur erreicht. Doch der Akademisierungswahn der deutschen Bildungspolitik gefährdet Wohlstand und Fortschritt.

Autoreninfo

Prof. Dr. Hans Peter Klein hatte bis 2018 den Lehrstuhl für Didaktik der Biowissenschaften der Goethe-Universität Frankfurt inne, war Mitbegründer der Gesellschaft für Bildung und Wissen und ist Präsident der Gesellschaft für Didaktik der Biowissenschaften. 2018 erschien von ihm „Abitur und Bachelor für alle – wie ein Land seine Zukunft verspielt“ (Zu Klampen).

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In der aktuellen Talkshow „Hart aber Fair“ griff Frank Plasberg ein für den Wirtschaftsstandort Deutschland immer bedrohlicher werdendes Szenario auf dem Arbeitsmarkt auf: „Die neue Arbeiter-Losigkeit: Warum gehen Deutschland die Fachkräfte aus?“ Ob Pflegekraft, Kellnerin oder Handwerker – in Deutschland fehlten überall Fachkräfte. Die Unis seien voll, doch der Handwerkermarkt sei trotz oft guter Bezahlung leer. Was kann man da tun? Sind Fachkräfte aus dem Ausland die Lösung, womöglich die Menschen aus der Ukraine eine Hilfe? Darüber diskutierten die Gäste mehr oder weniger diffus an diesem Abend.

Schauen wir uns die für diese Entwicklung ursächlichen Fakten einmal näher an. Fakt ist, dass die Hochschulen seit etwa einem Jahrzehnt von immer mehr Studierwilligen geflutet werden. Fast alle Universitäten haben binnen kürzester Zeit ihre Studentenzahlen um mehr als 50% erhöhen müssen, wie beispielsweise die Goethe-Universität Frankfurt von noch knapp unter 30.000 Studenten zu Beginn des letzten Jahrzehnts bis hin zu rund 47.000 nur wenige Jahre später. Die schon in den 90er-Jahren befürchteten Massenuniversitäten mit deutlich verschlechterten Lernbedingen sind heute Realität. Was aber ist der Grund, und was sind die Folgen dieser Entwicklung?

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Karl-Heinz Weiß | Sa., 9. April 2022 - 14:31

Viele richtige Argumente. So fiel der Facharbeitermangel durch viele Zuzüge gut Ausgebildeter in die alten Bundesländer lange nicht auf. Und viele Politiker gehen immer noch davon aus, dass nach der Verabschiedung von Förderprogrammen (zB für. Brückensanierungen) die zur Umsetzung erforderlichen Arbeitskräfte übermorgen bereitstehen.
Die Schweiz ist allerdings ein schlechtes Beispiel: es wird wenig ausgebildet und die besten ausländischen Fachkräfte werden mit hohen Löhnen "eingekauft".

B.Mayer | Sa., 9. April 2022 - 14:36

Der Stamm der Deutschländer benötigt mindesten 90% Akademisch Gebildet Theoretiker.
Mehr erspare ich mir.

Juliana Keppelen | Sa., 9. April 2022 - 15:44

vor diesem Akademisierungswahn hat schon vor Jahren Prof. Dr. Julian Nida-Rümmelin gewarnt einer der nicht im Elfenbeinturm sitzt.
Wer aber glaubt, dass aus jedem "Dorftrottel" ein guter Handwerker wird hat sich ebenfalls getäuscht (ich stosse mich an der Aussage von Joseph Wild vor 50 Jahren) nur z. Bspl. um einen Dachstuhl zu berechnen (Holz, Neigung, Menge, Tragfähigkeit usw.) und ein Dach aufzuschlagen brauche ich keinen Hochschulprofessor und keinen Dorftrottel da brauche ich einen gut geschulten, wenn möglich mit Berufserfahrung, Fachmann.

Walter Bühler | Sa., 9. April 2022 - 15:56

... aber er wird er etwas bewirken? Die Funktionäre der deutschen Parteien, welche die Listenplätze für Wahlen vergeben, sorgen mit ihrer Klientel- und Netzwerk-Politik dafür, dass in der Politik immer das Mittelmaß vorherrscht, wobei sich ein moderner Berufspolitiker gerne mit einem Studium der Gesellschafts- und Politikwissenschaft zufrieden gibt,
Außerdem versteht diese Generation von Politikern unter Wissenschaftsförderung die Alimentierung von Gefälligkeitswissenschaftlern, die im medialen Alltag und bei der Politikberatung die Experten spielen dürfen. Und in den Medien machen halt viele Journalisten Karriere, die wie Relotius wissen, was sie für wen zu schreiben haben.

Wie der Herr, so's Gscherr.

Hans Jürgen Wienroth | Sa., 9. April 2022 - 16:09

Die „Wohlfühlgesellschaft“ des sog. deutschen Wirtschaftswunders lässt sich nicht mit der „Leistungsgesellschaft“ verbinden, die für führende Positionen in der Welt erforderlich ist. Das beginnt mit dem Anspruch der Selbstverwirklichung im Kindergarten, dem Elternwillen bei der Schulwahl bis hin zur Studienwahl. Auf die Frage: „Was willst Du mal machen“ kommt oft die Antwort: „Irgendwas mit Computer“. Das hat aber nichts mit Technik oder Programmierung, sondern eher mit Spieltrieb zu tun. Wer beginnt ein Studium mit Durchfallquoten zw. 30 und 60 %? Da sind doch die Micky-Maus-Studiengänge einfacher, am Ende zählt nur ein Abschluss.
Wozu die Hände schmutzig machen, körperlich schwer arbeiten, wenn‘s auch ohne geht. Dafür wachsen die Zahlen in den „Sozialberufen“ für die vielen psychischen Probleme der Wohlstandsgesellschaft. Langeweile sorgt dafür, dass man sich etwas einredet oder Probleme eingeredet bekommt. Nur passt Arbeit nicht zur modernen Work-Life-Balance.

Ingo Frank | Sa., 9. April 2022 - 16:45

prüfungen bestehen, stellen sich 2 Fragen:
1.) sind die Abiturienten doppelt so schlau geworden in dem betrachteten Zeitraum? Wohl kaum, es mangelt an technisch ausgebildeten Ingenieuren.
2.) ist das Bildungsniveau so weit abgesenkt inkl. der Zugangsvoraussetzungen zum Abitur?
Da liebe Kultusexperimentierer liegt der Haase im Pfeffer.
Mit Heerscharen an Geisteswissenschaftlern
(, D. scheint nur noch aus Politologen, Philosophen oder vom Völkerrecht kommenden zu bestehen) ist keine Industrie zu Händeln. Und die, die nun nicht die hellsten Kerzen auf der Torte sind, sind dann fürs Handwerk gerade gut genug. Wie sagte neulich ein Malermeister im TV über einen Lehrling. „Das er jeden Tag 6.00 Uhr aufstehen muß hat er nicht gewußt und will was anderes dann machen ….“ Den ganzen Tag auf dem Handy rumdaddeln und beim kleinen 1x1 den Taschenrechner suchen und nicht finden! So siehts aus.
Mit freundlichen Gruß aus der Erfurter Republik

Martin Böhm | Sa., 9. April 2022 - 17:49

konnte ich noch nie verstehen. Es ist doch klar, dass eine Gesellschaft nicht nur Akademiker braucht sondern auch Handwerker, Verkäufer, Friseure und vor allem Krankenschwestern und Pfelgekräfte. Aber gerade diese wurden von der Politik und vielen Medien Jaher lang als die mießesten Jobs abgetan die man sich vorstellen konnte. Krankenschwestern verdienen wenig und müssen viel und hart arbeiten. Der Dachdecker kann mit 63 nicht mehr arbeiten. Nur ein Studium versprach Wohlstand und nun ist niemand da der noch mit der Hand arbeiten will oder kann.

Christa Wallau | Sa., 9. April 2022 - 19:59

welcher dem Un-Geist der Gleichmacherei (= falsch verstandene Chancengleichheit) entsprungen ist, hat jetzt schon zwei Generationen junger Leute in die Irre u. Deutschland in große Bedrängnis geführt.
Die Effizienz des deutschen Bildungssystems ist kontinuierlich gesunken u. überall fehlen die Praktiker!!!
Die verrückte Annahme, daß man möglichst viele Jugendliche durch ein Billig-Abitur schleusen müsse, um eine gute Ausbildung in der Breite zu erreichen, hat dazu geführt, daß weder die praktisch Veranlagten noch die intellektuell besonders Begabten optimal u. gesellschafts-dienlich gefördert wurden.
Warnungen von erfahrenen Praktikern (Lehrer/Professoren), die es durchaus gab, wurden von den "Reformpädagogen" (meist Links-Ideologen) 50 Jahre lang erfolgreich in den Wind geschlagen.
Nun haben wir den Salat!
Nur mit einer Rückbesinnung auf vernünftige Prinzipien früherer Zeiten kommen wir da wieder raus - zum Nutzen a l l e r: der jungen Menschen u. der gesamten Gesellschaft.

Stefan Kreppel | Sa., 9. April 2022 - 21:17

In der fantastischen digitalen Welt ist Handwerk nicht mehr sexy. Die Kinder und Jugendlichen bauen keine Baumhäuser mehr sondern verrohen von klein an vor den Bildschirmen. Schöne neue Welt eben.

Ronald Lehmann | So., 10. April 2022 - 00:53

Platz 1 der Studien-Richtungen garantiert Politikwissenschaften. Eltern vielleicht schon in eine der Säulen der Macht etabliert & ein Parteibuch der nationalen Front - allerbeste Voraussetzung für einen gehobenen, köstlich bezahlten Weg in dieser neuen Gesellschaft!

Nur die Besten & vor allem die ganz guten Bubis haben eine steile Karriere vor sich.

Und vor allem, will sich noch einer heutzutage die Hände schmutzig machen?

Oder vielleicht eine Arbeit machen als Tischler, Elektriker, Dachdecker, Klempner - wo dann ab Ü45 die Knochen kaputt sind aber sein Arbeitsleben in D. aber gerade erst richtig anfängt

Wo Arbeits -& Rahmen-Bedingungen herrschen, wo spätestens nach einem 1/4 Jahr bei der jüngeren Generation das Handtuch geworfen wird. Und da nehme ich nicht einmal das Wort Pünktlichkeit in den Raum, was zum Fremdwort geworden ist.

Über 90% der Foristen kennen noch den alten Spruch: Lehrjahre sind keine Herrenjahre & egal, ob O oder W.
Heutzutage ab der Schule - Ich verklage dich!

Gerhard Weißenberger | So., 10. April 2022 - 10:07

Der Handwerkermangel hat auch sein Tröstliches. Habecks ambitionierter Plan zur Umweltverschandelung mit tausenden neuen WKA wird in der Tonne landen. Stehen doch noch Wohnungs-und Brückensanierungen an, von Neubauten ganz zu schweigen.
Abhilfe könnte vielleicht eine Million Chinesen
schaffen. Die müssten allerdings ihre Unterkunft erst mal selbst bauen.

Enka Hein | So., 10. April 2022 - 10:08

....wir haben doch über 200 Genderlehrstühle.
Da beneidet uns die ganze Welt drum. Das ist ein Exportschlager für die islamische Welt. Unser Bruttosozialprodukt wird damit durch die Decke schießen.
Und hier wird über Handwerkermangel gejammert. Oder wer braucht denn MINT Studiengänge. Der BT sind doch auch voll mit Luschen.
Wer als Vollversager durchkommen will muss in die Politik.
Es ist doch so gewollt.
Oder habe ich bei den Wahlen irgendwas verpasst.
Und es wird so weitergehen.
Wir werden durchgereicht.
Kalkutta hat schon beide Füsse in der Tür.

Ernst-Günther Konrad | So., 10. April 2022 - 11:25

Ich habe von Kindesbeinen an noch gelernt, Dinge zu reparieren und habe das, was ich selbst erlernt und beigebracht bekommen habe, meinen Kindern weitergegeben, obgleich beide Beamte wurden. Sie können einen Schraubendreher bedienen, Dinge selbst reparieren-wenn es denn noch geht- und sind durchaus einfallsreich im Finden von Wegen, handwerklich etwas umzusetzen. Sie haben trotz Studium in den Ferien selbst Geld verdient mit ihrer Hände Arbeit und zollen auch sonst dem Handwerk großen Respekt ab, wenn mal ein Handwerker von Nöten ist. Man muss sich nur mit denen unterhalten, wenn man sie mal im Haus hat. Pflichten, Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Biss und für den Beruf brennen? -Fehlanzeige-
Lohn, eigene Rechte, alles besser wissen, das können sie. Die wenigen, die noch von Handwerksberufen, vielleicht durch die Eltern begeistert sind, halten sich in Grenzen. Und wenn es an Mathe- und Deutschkenntnissen selbst bei Abiturienten mangelt, kann man sich ausrechnen was passieren wird.

Michael Bahr | So., 10. April 2022 - 12:00

Und wieder einmal fällt diesem Deutschland seine Realitätsverweigerung auf die Füße. Wesentliche Entscheidungen seit der Jahrtausendwende in den Bereichen Außenpolitik (Russland), Energiepolitik (emotionsbasierter Atomausstieg und Kettung an russisches Gas + Energiewendephantastereien), Flüchtlingspolitik 2015/16 (der Artikel sagt es: fast 70% auch nach Jahren immer noch in staatlicher Unterstützung), Verteidigungspolitik (Verrottenlassen der Bundeswehr) und Bildungspolitik sind nicht rational durchdacht, sondern emotional aufgeladene Symbolpolitik gepaart mit beharrlicher Realitätsverleugnung. Aber wir dürfen uns nicht beschweren: Wollte das Volk es wirklich anders, dann hätte es auch anders handelnde Politiker.

Joachim Kopic | So., 10. April 2022 - 13:22

Haben wir doch in guter Absicht gemacht, nachdem wir so viele 2015er Flüchtlinge noch eine Arbeitsstelle ermöglichen wollen ... und leider realisieren müssen (entgegen der damaligen Aussage von Angela & Co), dass es bei den meisten max. zum Handwerker reichen wird. Allerdings müssten die auch wollen...

Johannes Schlicht | Di., 12. April 2022 - 11:53

Ich arbeite in einem größeren Industrieunternehmen im Büro und wir haben aufgrund der Firmenstuktur viele und starke Kontakte ins frankophone Europa. Wer bei uns Französisch entsprechend gut kann (muss kein Muttersprachenniveau sein), hat sehr gute Chancen auf unbefristete Anstellung bei sehr gutem Gehalt. Nur bemerken wir seit vielen Jahren, dass das Gros der Abiturienten, die zu uns kommen noch nicht einamal Grundkenntnisse habt und das trotz jahrelangem Franzäsischunterricht am Gymnasium. Da hilft auch keine Nachhilfe oder Nachschulung. Es liegt ein komplettes Desinteresse und eine Missachtung der französischen Sprache vor. Englisch können die meisten recht gut, aber bei uns reicht das nicht aus. Ich habe damals den Bedarf erkannt, entsprechend gehandelt und meine Chance genutzt.
Ich denke in den anderen Schulfächern sieht das nicht viel besser aus. Es geht beim Abitur wohl nur ums Haben, nicht ums Können. Schade, dass man eine Bildungnation vor die Wand gefahren hat.