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Ukraine und Russland - Beredtes Schweigen zu Panama

In Russland wie in der Ukraine heißt die Strategie der Beschuldigten: schweigen, dementieren, aussitzen. Aber insbesondere den ukrainischen Präsidenten Poroschenko könnte der Skandal teuer zu stehen kommen

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Moritz Gathmann ist Chefreporter bei Cicero. Er studierte Russistik und Geschichte in Berlin und war viele Jahre Korrespondent in Russland.

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Vor bevorstehenden „Informationsattacken“ hatte Dmitrij Peskow, Sprecher von Präsident Putin, schon vor einer Woche bei einem Briefing für Journalisten in Moskau gewarnt. Nach der Veröffentlichung der „Panama Papers“ wiederholte Peskow seine Argumentation von vergangener Woche heute noch einmal: Aus der Sicht des Kremls gehören die aktuellen „Falschmeldungen“ zu einer Strategie des Westens, die Situation im Land vor den im September anstehenden Parlamentswahlen zu „destabilisieren“. Peskow ging sogar so weit zu behaupten, dass damit die positiven Meldungen aus Syrien, etwa die Einnahme der Stadt Palmyra durch von Russland unterstützte Truppen, in den Hintergrund gedrängt werden sollten.

Das Hauptziel der Attacke sei jedoch zweifellos „unser Präsident“. Aber gerade über Putin gebe es „nichts Konkretes und nichts Neues, die Details fehlen, alles andere baut auf Spekulationen und Annahmen auf.“ Deshalb werde die Präsidialverwaltung darauf auch nicht antworten. Präsidentensprecher Peskow selbst gehört im Übrigen zu den Protagonisten der Enthüllungen. Seine derzeitige Frau soll eine Offshore-Firma in Panama gegründet haben. Wie aus Dokumenten der Süddeutschen Zeitung hervorgeht, sollen die Deals über die Anwaltskanzlei Mossack Fonseca abgewickelt worden sein.

„Bullshit“ seien die Behauptungen gegen Putin


Auch keiner der anderen russischen Beschuldigten, darunter Gouverneure, Abgeordnete und Vizeminister, äußerte sich heute zu den Vorwürfen. Lediglich Andrej Kostin, Vorstandsvorsitzender der staatlichen VTB-Bank, deren damalige zypriotische Tochter RCB laut Panama Papers Kredite über 800 Millionen Dollar an die Offshore-Firma von Putins Freund Sergej Roldugin vergeben haben soll, äußerte sich im Interview mit Bloomberg TV kurz und knapp: „Bullshit“ seien die Behauptungen, wonach Putin etwas mit den Offshore-Geschäften zu tun habe. Er habe nie etwas gelesen, das direkt mit Putin zu tun gehabt habe.

Die wichtigsten russischen Fernsehsender ignorierten die Enthüllungen am Montag komplett. Lediglich der Business-Sender RBC-TV und der oppositionelle Kanal „Doschd“ berichteten ausführlich. Ähnliches gilt für die Zeitungen: Die oppositionelle „Nowaja Gaseta“ war ebenso an den Recherchen beteiligt wie das unabhängige Wirtschaftsblatt „Wedomosti“ – entsprechend breit ist dort die Berichterstattung.

Kaum jemand glaubt, dass der Fall Folgen haben könnte. Rein juristisch kommt Putins Name tatsächlich auf keinem der 11,5 Millionen Dokumente vor. Doch selbst wenn er vorkäme: Diejenigen, die es wissen wollten, konnten auch bislang schon nachlesen, dass Putins Freunde aus der Datschenkooperative „Osero“ seit seinem Amtsantritt ein milliardenschweres Firmenimperium aufgebaut haben. Für die meisten anderen Russen gehört die Tatsache, dass die Reichen und Mächtigen sich bereichern – vom Bürgermeister bis zum Präsidenten – zu den wenigen Konstanten, die das Leben in Russland seit der Perestroika bietet. „Die russische Elite hängt nur wenig von den Reaktionen der Zivilgesellschaft und anderen äußeren Faktoren ab“, glaubt auch Mika Velikovskiy, der für die „Nowaja Gaseta“ an den Recherchen beteiligt war. Allerdings seien die Vorgänge innerhalb der Elite eine „Black Box“, deshalb sei es schwer vorherzusagen, was die Enthüllungen dort bewirkten.

Poroschenko in Erklärungsnot


Problematischer als für Putin könnten die Enthüllungen für seinen ukrainischen Amtskollegen Petro Poroschenko werden. Zwar berichteten auch in der Ukraine mehrere große Fernsehsender nicht über den Skandal – einer davon gehört dem Präsidenten praktischerweise selber. Bei Facebook äußerte sich Poroschenko sich am Montag erst spät am Nachmittag und auch nur schmallippig. Kein Amtsinhaber vor ihm habe solchen Wert auf saubere Finanzen, Steuerfairness und die Vermeidung von Interessenkonflikten gelegt wie er: „Ich manage meine Finanzen nicht. Diese Verantwortung habe ich an die entsprechenden Beratungs- und Rechtsfirmen delegiert. Ich erwarte, dass sie alle wichtigen Details an ukrainische und internationale Medien bereitstellen werden.“ Zu Konsequenzen schwieg er jedoch.

Zwar muss auch der ukrainische Präsident keine strafrechtliche Verfolgung fürchten. Angesichts einer unklaren Gesetzeslage ist nicht klar, ob er sich mit der Nicht-Deklaration der von ihm gegründeten Offshore-Firmen überhaupt strafbar gemacht hat, selbst wenn sich auf den betreffenden Dokumenten seine Unterschrift findet.

Die Enthüllungen schwächen Poroschenkos moralische Integrität jedoch in einer Situation, in der er dringend all seine Macht braucht: Derzeit wird unter der Regie des Präsidenten eine neue Regierung geformt – mit seinem Vertrauten Wladimir Grojsman als Premierminister.

Die Verwicklung Poroschenkos in den Skandal könnte der gesamten Ukraine noch aus einem anderen Grund zum Verhängnis werden. Am Mittwoch stimmen die Niederländer in einem Referendum über das EU-Assoziierungsabkommen mit der Ukraine ab. Die Umfragen deuten ohnehin auf eine Ablehnung hin. Und der aktuelle Skandal ist Wasser auf die Mühlen der Assoziierungsgegner. 

Hinweis: In einer früheren Version hieß es, das Referendum in den Niederlanden werde am Sonntag abgehalten. Tatsächlich stimmen die Holländer schon am Mittwoch ab.

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Heiner GATHMANN | Do., 8. Dezember 2016 - 20:39

Die Referenzangaben des Verfassers, (meines Namensvetters), wirken ausgesprochen vertrauenswürdig. Nebenbei leuchtet mir das Ergebnis der Befragungen sehr gut ein, nämlich gleichzeitig beides haben zu wollen, sowohl den heutigen höheren Komfort als auch das schöne Gefühl, Bürger einer gefürchteten und respektierten Großmacht zu sein. Gratuliere!