
- Cicero Literaturen Podcast: „Leben bedeutet auch immer Widerstand“
Er ist Historiker und Politologe, bekannter Schriftsteller und streitbarer Publizist. Und Rafael Seligmann ist deutscher Jude. 1947 wurde er in Israel geboren. Seine Eltern, denen es gelungen war, vor den Nationalsozialisten aus Deutschland nach Palästina zu flüchten, kehrten 1957 mit ihm, den zehnjährigen Sohn, in das Land der Täter zurück. Soeben ist „Rafi, Judenbub“ erschienen, der letzte Teil von Seligmanns Roman-Trilogie über die Geschichte seiner Familie. Im Cicero-Podcast spricht er über sein Buch, über die Ankunft in Deutschland, über den Eichmann-Prozess, den Glauben, über Antisemitismus damals und heute. Und über die Freude am Schreiben.
Es ist eine ernüchternde Rückkehr in ein Land, das von seiner verbrecherischen Vergangenheit nichts mehr wissen will, in dem sich alte Nazis zu Widerständlern und Rettern von Juden stilisieren. Oder unbeirrt an ihrem Antisemitismus festhalten. Rafael Seligmann war damals zehn Jahre alt. „Zunächst habe ich nur mitgekriegt, dass man sagte, das ist alles vergeben und vergessen. Das hörte man ja überall“, sagt er im Gespräch mit Ulrike Moser.
Während Seligmanns Vater versuchte, in Deutschland Fuß zu fassen, an alte Freundschaften anzuknüpfen, verzweifelte seine Mutter an und in Deutschland. „Meine Mutter konnte nie vergessen, dass ihre Geschwister und deren Familien ermordet wurden.“ Es ist diese Trennlinie, die Seligmanns Familie zu zerreißen drohte. „Ich würde sagen“, erklärt Seligmann, „damals begann ich Schriftsteller zu werden. Ich habe mich als Kind in die Welt der Fantasie geflüchtet, in Tagträume.“
Als Jugendlicher träumte Seligmann dann davon, nach Israel zu gehen. Auch um als Jude einmal dazuzugehören. „Ich wollte zurück in die Normalität, ich wollte nicht dauernd der Außenseiter sein. Der eine findet es ganz großartig, der andere findet es abscheulich, aber man ist immer in einer Ausnahmesituation.“ Wie schon seine Eltern kehrt auch Rafael Seligmann nach Deutschland zurück. Er sagt: „Deutschland war meine Heimat geworden, meine Sprache, meine Mentalität, meine Kultur. Ich habe es meine Lebensmelodie genannt, die deutsche Sprache und Kultur mitsamt meinen jüdischen Neurosen in Deutschland.“
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