
- Wie ein Schulsystem gegen die Wand gefahren wird
Eine Redakteurin und ein Redakteur des Berliner „Tagesspiegel“ nehmen in einem Buch die Berliner Schulmisere aufs Korn. Es ist eine schonungslose Abrechnung mit einer Schulpolitik, die sich zugunsten ideologischer Wunschträume von der pädagogischen Evidenz verabschiedet hat.
Berlin ist das einzige Bundesland, in dem Lehrer nicht verbeamtet werden. Als ich vor einiger Zeit an einem Berliner Gymnasium als Vertretungslehrer unterrichtete, hatte ich eine unliebsame Begegnung mit den Risiken und Nebenwirkungen des Angestelltenstatus. Die GEW hatte ihre Gefolgschaft zum Streik aufgerufen – ausgerechnet am Tag des mündlichen Abiturs. Am wichtigsten Tag ihres Lebens ließen die streikenden Lehrer ihre Schutzbefohlenen im Stich, weil sie ihre materiellen Interessen höher veranschlagten als den Wunsch der Schüler, ihre Prüfung bestmöglich zu bestehen. Ich musste als beamteter Lehrer einspringen und Schüler prüfen, die ich zuvor nie gesehen hatte. Ich erlebte den Tiefpunkt einer verantwortungslosen Schulpolitik, die seit 20 Jahren von der SPD verantwortet wird.
Die beiden Tagesspiegel-Redakteure Lorenz Maroldt und Susanne Vieth-Entus haben eine Streitschrift über die Versäumnisse der Berliner Schulpolitik vorgelegt, die es in sich hat. Kenntnisreich, engagiert und mit sprachlicher Verve schildern sie, wie die ideologisch fixierte Schulpolitik der SPD seit Jahren in der Praxis kläglich versagt. Seit über zehn Jahren belegen Berlins Schulen im Ländervergleich einen der letzten beiden Plätze. Jedes Jahr verlassen circa 3000 Schüler die Schule ohne Abschluss. Sie landen als Ungelernte in prekären Arbeitsverhältnissen, im staatlichen Transfersystem oder in der Delinquenz. Besserung ist nicht in Sicht.